Protocol of the Session on June 28, 2012

Ich möchte versuchen, bei diesem Thema eine Klammer zu setzen.

Herr Rock, Sie müssen an die Redezeit denken.

Ich war über den sachlichen Beitrag von Herr Bocklet überrascht. Ich glaube, da sollten wir auch ansetzen.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Wir sollten versuchen, die Gemeinsamkeiten bei dem Sozialbericht zu finden, und schauen, wie wir gemeinsam weiterkommen, statt in alte Denkschemata einzudringen und nur das vorzutragen, was jeder erwartet. Dazu eine Aktuelle Stunde zu beantragen, ist nicht angemessen. Es ist nicht sinnvoll, es bringt uns nicht weiter. Ich hoffe auf eine sachliche Diskussion.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Kollege Rock. – Das Wort hat der Sozialminister, Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle sehr deutlich sagen, Herr Dr. Spies: Die Hessische Landesregierung sieht keinen Anlass für eine Neuorientierung ihrer Sozialpolitik.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das hatten wir befürchtet!)

Die Sozialpolitik in diesem Lande ist zukunftsfähig, sie ist gut, und sie trifft den Nerv der Menschen in diesem Land, – um es in aller Deutlichkeit zu sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deswegen ist der Landessozialbericht, so wie er vorliegt, auch ein gute, eine wichtige Grundlage für die Politik, die wir für die Menschen in unserem Land gestalten, nämlich eine solide, eine aktivierende und auf den Menschen bezogene Sozialpolitik. Dazu brauchen wir auch eine Datengrundlage. Und die liegt jetzt vor. Aus dieser Datengrundlage heraus ergeben sich Ansatzfelder.

Spannend fand ich, dass es eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Bericht im Prinzip nicht gegeben hat. Möglicherweise war es zu früh, möglicherweise ging es zu schnell. Aber sich hier aufzuhalten und zu sagen, der Landessozialbericht sei nur einem „begrenzten Kreis der Öffentlichkeit“ vorgestellt worden, ist geradezu lachhaft. Er ist nämlich der Landespressekonferenz vorgestellt worden. Dass man das einen „ausgewählten Kreis der Öffentlichkeit“ nennt, ist lachhaft.

Kollegin Schott, wenn man Kritik daran übt, dass der Aspekt Kindergesundheit in dem Bericht nicht enthalten ist, und nicht weiß, dass zwei Monate zuvor der Hessische Gesundheitsbericht erschienen ist, in dem auf den Seiten 20 bis 65 die Frage der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen behandelt worden ist – Querverweise darauf sind im Landessozialbericht vorhanden –, dann muss man sich sagen lassen, man hat sich mit der Sache nicht auseinandergesetzt.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ihnen geht es eben nur um Krawall und um den Versuch, Kritik zu üben. Das täuscht aber letztendlich nicht darüber hinweg, dass dieser Bericht klar und deutlich aussagt, dass Hessen wirtschaftlich stark und erfolgreich ist und dass das die Grundlage für den Wohlstand in unserem Land ist. Es wird auch sehr deutlich, dass die Armutsge

fährdung in den letzten Jahren deutlich gesunken ist und dass die hessische Bevölkerung einen deutlich höheren Wohlstand genießt als die Bevölkerung in anderen Bundesländern. Auch die aktuellen Arbeitslosenzahlen zeigen das.

Dieser Bericht ist selbstverständlich in Kooperation mit dem Beirat erarbeitet worden, der sich aus Vertretern der Kommunen, der Kirchen, der Wissenschaft, des Statistischen Landesamts und der Verbände zusammensetzt.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Warum haben sich dann einige beschwert?)

Nur ein paar Zahlen: Dem Beirat wurde auf dessen Wunsch hin eine Vorschlagsliste von 1.032 Indikatoren vorgelegt und zur Grundlage des Landessozialberichts gemacht. Zusätzlich hat der Beirat 174 Empfehlungen formuliert. Alle sind entsprechend berücksichtigt worden. Der Beirat kritisiert, dass er an der Formulierung des Berichts nicht beteiligt worden ist. Das war aber mit Recht der Fall, denn die Wissenschaftler haben gesagt: Wir lassen uns auf der Grundlage der Freiheit der Wissenschaft von keinem Beirat, von keinem Sozialministerium, vom keinem Verwaltungsbeamten, von niemandem vorschreiben, was wir schreiben und wie wir formulieren.

(Torsten Warnecke (SPD): Das ist auch richtig so!)

Ja, das ist richtig so. Dann darf man aber nicht kritisieren, dass der Beirat an der Formulierung des Berichts nicht beteiligt gewesen ist. Das haben die Wissenschaftler schlicht und einfach abgelehnt.

Es ist auch nicht zutreffend – diese Behauptung findet sich in Ihren Anträgen wieder –, dass der Beirat ein eigenständiges Kapitel zum Thema „Reichtum“ gefordert habe. Richtig ist, dass der Beirat die Empfehlung gegeben hat, sich mit den Themen Reichtum und Vermögen zu beschäftigen.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das war ein Beschluss des Landtags!)

Dieser Empfehlung wurde – so weit sind Sie möglicherweise nicht gekommen – auf den Seiten 234 und 235 des Landessozialberichts entsprechend nachgekommen, und zwar in der Form, die die Wissenschaftler wissenschaftlich fundiert vertreten konnten.

Darüber hinaus muss man schlicht und einfach sagen: Wer in einer solchen Situation ein solches Werk, das eine so fundierte Grundlage bietet, letztendlich nur deshalb kritisiert, weil angeblich keine Handlungsempfehlungen enthalten seien, dem empfehle ich, noch einmal auf die Debatte im Hessischen Landtag vom 4. März 2009 zu rekurrieren. Damals hat mein Amtsvorgänger gesagt – ich zitiere –:

Die Diskussion darüber, welche politischen Entscheidungen und welche Maßnahmen auf dieser Grundlage zu erfolgen haben, werden uns die Berichterstatter nicht abnehmen. Das sollen sie auch nicht.

Das ist zutreffend. Der Bericht kann den politisch Verantwortlichen die Entscheidung für bestimmte Maßnahmen nicht auf der Grundlage von Istanalysen abnehmen. Deshalb kann er auch keine Handlungsempfehlungen geben.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Regierung macht, was sie will! Wir haben hier im Parlament etwas anderes beschlossen!)

Herr Kollege Bocklet, wir werden uns im politischen Diskurs damit auseinanderzusetzen haben. Dann können auf dieser Grundlage und gegebenenfalls mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung entsprechende Empfehlungen formuliert werden, die anschließend umzusetzen sind. Der vorgelegte Bericht kann dem Parlament diese Diskussion aber nicht abnehmen oder vorgeben, was hier zu diskutieren und zu entscheiden ist. Das geht nicht. Insofern ist der Landessozialbericht eine gute Grundlage für die weitere Diskussion über die soziale Situation in unserem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Grüttner. – Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache.

Es gibt die Vereinbarung, dass wir die vier Anträge – die Tagesordnungspunkte 24, 25, 61 und 66 – zur weiteren Behandlung an den Sozialpolitischen Ausschuss überweisen. – Das ist so, und dann machen wir es auch so.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 51 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Sicherheit in Hessen – Neuordnung der Siche- rungsverwahrung am Standort Schwalmstadt) – Drucks. 18/5872 –

Das Wort hat der Kollege Paulus für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Hessische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von FDP und CDU stehen für eine zukunftsfähige und moderne Justiz. Für die Koalition steht die Sicherheit der Bevölkerung ganz klar an erster Stelle.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Günter Rudolph (SPD): Eine Selbstverständlichkeit!)

Ich freue mich, dass über nahezu alle Parteigrenzen hinweg in diesem Hause Einigkeit darüber besteht, dass mit Schwalmstadt ein idealer Ort für die Realisierung der Sicherungsverwahrung in Hessen gefunden wurde.

Die maßgeblichen Entscheidungskriterien wurden bereits genannt. Ich möchte sie dennoch kurz auflisten. Schwalmstadt hat nicht nur seitens des JVA-Personals langjährige Erfahrung mit den Besonderheiten der Unterbringung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten, sondern auch als Kommune und Standort. 31 der hessischen Sicherungsverwahrten sind bereits heute in Schwalmstadt untergebracht. Insoweit gilt unser Dank auch den Verantwortlichen und der Bevölkerung vor Ort, die durch ein hohes Maß an Akzeptanz die Entscheidung letztlich positiv beeinflusst haben.

Schwalmstadt bietet baulich gute Möglichkeiten für eine schnelle und für den Steuerzahler kostengünstige Realisierung der Sicherungsverwahrung entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Durch die Unterbringung in einem umgebauten Teil der JVA ist die Mitnutzung der vorhandenen Infrastruktur auch durch Sicherungsverwahrte möglich.

Hessen regelt die Sicherungsverwahrung – nach allen Anzeichen – gemeinsam mit Thüringen. Nachdem die ursprünglich angedachte Lösung zwischen Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen aufgrund des einseitigen Rückziehers des rot-rot regierten Sachsen-Anhalt gescheitert war, konnte Justizminister Hahn in zahlreichen Gesprächen mit Thüringen erreichen, dass eine gemeinsame Lösung erzielt wurde, die weit fortgeschritten ist. – Sachsen-Anhalt ist natürlich nicht rot-rot regiert; Entschuldigung, ich habe es mit Brandenburg verwechselt. – Diese Lösung würde den hessischen Steuerzahler um 25 % der Baukosten sowie 25 % der laufenden Kosten entlasten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU)

Man kann natürlich, wie es die SPD tut, davon sprechen, die Entscheidung sei längst überfällig gewesen.

(Heike Hofmann (SPD): Richtig!)

Mit Weiterstadt gab es eine Alternative, die nach meiner Erinnerung auch in den Kreisen der SPD nicht rundheraus abgelehnt wurde. Deshalb denke ich, dass es richtig und wichtig war, dass man alle Alternativen sorgfältig, eingehend und ernsthaft geprüft hat, anstatt sich vorschnell auf die eine oder andere Lösung festzulegen. So wurde gewährleistet, dass am Ende die beste Lösung realisiert wird, für die eine breite Zustimmung sowohl vor Ort als auch in diesem Hause besteht.

Es ist im Übrigen auch eine gute Lösung für die Region Nordhessen. Durch die 47,5 neu geschaffenen Stellen wird der Arbeitsmarkt vor Ort gestärkt, und es entsteht zusätzliche Kaufkraft in der Region. 25 Menschen sind nach Auskunft des Ministeriums bereits eingestellt worden und befinden sich in der Ausbildung, damit die Vorgabe der Rechtsprechung pünktlich umgesetzt werden kann.

Außerdem ist die jetzt angestrebte Lösung für die Sicherungsverwahrung auch für die dort untergebrachten Menschen eine gute. Man muss sich immer wieder aufs Neue vor Augen führen, dass es sich bei diesen Menschen nicht mehr um Häftlinge handelt, sondern um Menschen, die ihre rechtmäßige Strafe abgesessen haben, sodass ausschließlich der Schutz der Bevölkerung vor künftigen Straftaten eine weitere Unterbringung rechtfertigen kann.

Deshalb haben das Bundesverfassungsgericht und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausdrücklich festgestellt, dass ein deutlicher Abstand zwischen Sicherungsverwahrung und Strafhaft gegeben sein muss. Darunter ist eine klare räumliche Trennung zu verstehen, aber auch eine deutliche Abhebung der Lebensumstände in der Sicherheitsverwahrung. In letzter Konsequenz bedeutet dies aber auch, dass eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft nicht auf ewig verbaut sein darf.

Mit 19,5 m2 pro Person – einschließlich Bad – liegen wir, was die Größe der Wohnräume betrifft, über dem ursprünglich angedachten Platzbedarf. Die räumliche Trennung ist durch die strikte Abgrenzung des für die Bedürfnisse der Sicherungsverwahrten umzubauenden Gebäudes gewährleistet. Kein Sicherungsverwahrter muss mit Strafgefangenen zusammentreffen, wenn er dies nicht will.

(Vizepräsident Heinrich Heidel übernimmt den Vorsitz.)