Protocol of the Session on June 27, 2012

Normalerweise müssten Sie sich einen besseren Begriff einfallen lassen, beispielsweise Landeszukunftswettbewerbsregionalgesetz oder so etwas, möglichst lang.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der LIN- KEN)

Dann kann man noch eine Abkürzung bringen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass Sie mit Planung nicht viel am Hut haben.

Wenn man sich dieses Landesplanungsgesetz anschaut, dann tritt zumindest in einem Punkt Verwunderung auf. Es ist eine gute halbe Seite eine inhaltliche Definition dessen, was wir machen wollen, und der Rest regelt Formalia, die, überhaupt nicht in Abrede zu stellen, wichtig sind, aber die die Inhalte, über die wir im Landtag ständig streiten, unterbelichtet lassen.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Ich will ein Beispiel nennen, bevor ich zu unserem Lieblingsthema Windkraft kommen werde, zu dem wir noch eine Diskussion im Zusammenhang mit dem Landesentwicklungsplan haben werden. Ich will ein Beispiel nennen, was den Unterschied zu den in Bayern beschlossenen Vorlagen ausmacht. In Bayern heißt es so schön:

Die räumlichen Voraussetzungen für die vorsorgende Sicherung sowie für die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen sollen geschaffen werden.

In Hessen heißt es ganz kurz:

Der Landesentwicklungsplan soll insbesondere enthalten... die Anforderungen an... die standortgebundene Rohstoffwirtschaft...

(Holger Bellino (CDU): Das ist doch effizienter!)

Nein, das andere beschreibt schon ein paar andere Dinge wie beispielsweise die Aufsuchung. Die Aufsuchung ist nicht ganz ohne. Es ist die Frage, ob wir im Vorfeld antizipieren, was in dieser Gesellschaft geschieht, die sich nicht nur virtuell darstellt, sondern immer noch dadurch, dass jeder, der hier sitzt, ungefähr 10 t Rohstoffe pro Jahr verbraucht, um den Lebensstandard, den wir in Deutschland haben, zu halten. Diese Rohstoffe werden maßgeblich immer noch in der Bundesrepublik Deutschland gewonnen. Wenn wir den Energiesektor außen vor lassen, sind wir diejenigen, die das immer noch gewinnen.

Es gibt vor Ort eine Menge Auseinandersetzungen. Die Frage ist also schon, ob wir auch im Bundesland Hessen sagen: „Wer in diesem Reichtum leben will, muss gewisse Dinge auf sich nehmen“, oder ob wir sagen: „Schauen wir einmal, vielleicht können wir etwas importieren“. Weil das so ist und weil Bürgerinnen und Bürger zu Recht beklagen, dass beispielsweise Waldflächen und landwirtschaftliche Nutzungsflächen weniger werden, hätte man sich mit

ein bisschen Mut vielleicht dazu entschließen können, so etwas gleich ins Landesplanungsgesetz hineinzuschreiben, ehe wir über den Landesentwicklungsplan reden.

Meine Damen und Herren, ein Punkt fällt ebenfalls auf: Die Landesregierung lobt sich allenthalben und immer wieder gerne dafür, dass die Gesetze befristet sind. Dieses Gesetz ist nicht befristet. Nun könnten Sie sagen: Lesen Sie das Gesetz, hinten steht drin, dass der Landesentwicklungsplan in der Regel zehn Jahre gelten soll. – Dann hätten Sie das Landesplanungsgesetz ebenfalls auf zehn Jahre befristen können und sagen können: Der Landtag schaut alle zehn Jahre einmal drauf und sagt, ob das eine oder andere geändert werden muss. – Das haben Sie auch nicht gemacht. Aber das sind nur Vorwürfe in Ihre Richtung aus Ihrer Richtung.

Kommen wir zu einem inhaltlichen Punkt, der uns alle sicherlich noch umtreiben wird, im Zusammenhang mit der Landesentwicklungsplanung. Es geht um die Windkraft. Wie realistisch ist das, was das Kabinett jetzt im Zusammenhang mit der Windkraft beschlossen hat, Ausfluss des Landesplanungsgesetzes, das noch beschlossen werden soll, und des Landesentwicklungsplans, dem wir Zustimmung erteilen sollen? Wie sieht es aus mit den 2 % Landesfläche, die da im Raume stehen?

Das Kabinett hat, wenn ich es richtig nachgelesen habe, beschlossen, dass „bis zu 2 %“ bzw. „in der Größenordnung von 2 %“ Flächen für Windkraft ausgewiesen werden sollen. Gleichzeitig hört man, dass es Diskussionen über einen Vogel gibt, den ich erst einmal Gabelweihe nennen möchte, damit Sie nicht auf den Vorwurf kommen, das sei ein roter Vogel. Er heißt auch Roter Milan.

(Peter Stephan (CDU): Schwarzstorch!)

Nein, es geht um den Roten Milan. Der Schwarzstorch hat rote Beine und einen roten Schnabel. Das ist auch schon wieder das Thema, aber er ist überwiegend schwarz. – Der Rote Milan ist das grundlegende Argument, mit dem Sie es möglicherweise vermögen, über die Ausweitung der Schutzzone von 1.000 m auf 1.500 m in Nordhessen die 2 % – in Nordhessen wären 2 % sicherlich zu erreichen – so zu minimieren, dass wir das, was wir als Ziel anstreben, nicht erreichen können. Es sagen Ihnen alle Fachleute, dass eine Ausweitung des Abstands zum Brutgebiet auf 1.500 m einen Teil der ausgewiesenen Windkraftstandorte im wahrsten Sinne des Wortes abgängig macht. Die wird es dann nicht mehr geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit Definitionen, die in der Feinheit der Öffentlichkeit möglicherweise gar nicht so klar sind, können Sie Ziele, die Sie nicht in die Landesplanung hineinschreiben, sondern die Sie anschließend im Landesentwicklungsplan festlegen wollen, konterkarieren. Das ist eine Befürchtung, die man als Opposition haben kann und zu Recht haben muss.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, der zweite Punkt: Sie wollen perspektivisch nur Vorrangflächen für die regenerative Energie, insbesondere für die Windkraft, ausweisen. Sie wissen, dass wir eine lange Diskussion darüber hatten, ob es Gebiete gibt, in denen es keine Windkraft geben darf. Selbstverständlich, das ist völlig unbestritten. Warum man sich aber so viel Mühe macht, ausschließlich Vorrang- und Ausschlussgebiete zu definieren und nicht die sogenannten Vorbehaltsgebiete, über die wir mehrfach diskutiert haben – –

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Festgeschrieben ist da gar nichts. Man hat sich auf ein paar Parameter geeinigt, die allerdings – das ist der Punkt – verbunden mit der Frage, wie die Praxis aussieht, möglicherweise konterkariert werden.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Gibt es noch etwas zum Landesplanungsgesetz?)

Ich könnte noch einmal zitieren. Zunächst hieß es „bis zu 2 %“. Dann korrigiert sich offenkundig dieselbe Pressemitteilung vom Ministerpräsidenten: „in der Größenordnung von 2 %“. Das kann mehr oder weniger sein. Größenordnung heißt mehr oder weniger. Sie müssen sich schon entscheiden, ob es mehr oder weniger ist, wenn Sie hier schon Einwürfe machen, Herr Müller.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Zum Landesplanungsgesetz!)

Beim Landesplanungsgesetz kann ich nur Bayern nennen, die ihr Landesplanungsgesetz – das heißt so – 2012 verabschiedet haben. Soll ich Ihnen vorlesen, wie die Frage „wettbewerbsfähige Wirtschaftsstrukturen“ hier aussieht? Das schreiben die Bayern dazu. Jetzt können Sie kritisieren, dass CSU und FDP das gemeinsam beschlossen haben. Aber dort sind klare Definitionen, wie die es sich im Landesplanungsgesetz vorstellen. Den Landesentwicklungsplan gibt es noch zusätzlich.

Jetzt können Sie sagen, die in Bayern sind Bürokraten, und sie haben keine Ahnung. Bayern ist jetzt vor uns, aber nicht mit unserem Geld. Das könnten Sie auch formulieren. Aber Sie müssten einfach akzeptieren, dass das, was Sie in das Landesplanungsgesetz als Vorgabe hineingeschrieben haben, ziemlich dürftig ist. Jetzt können Sie sagen, der Landesentwicklungsplan – –

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich habe Ihnen doch gerade erzählt: In Bayern steht es im Landesplanungsgesetz. Damit müssen Sie sich auseinandersetzen, warum Sie sich weigern, etwas mehr hineinzuschreiben als ein paar dürftige Sätze.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Da müssen Sie sich nicht mit Sozialdemokraten herumstreiten, sondern mit Ihrer FDP, Herr Müller. Die ist in Bayern noch in der Landesregierung. Mit denen können Sie diskutieren, weshalb die das machen, weshalb die das so bürokratisch machen. Sie können anschließend erklären, dass man das auch anders hätte regeln können.

Unser Argument ist nur, dass wir als Landtag mit einem Gesetz etwas anderes beschließen als einen Landesentwicklungsplan, von dem Sie schon gesagt haben, dass Sie ihn jederzeit ändern wollen, nämlich alle zehn Jahre. Beim Landesplanungsgesetz scheint es eine gewisse Ewigkeitsgarantie zu geben.

Herr Kollege Warnecke, kommen Sie bitte zum Schluss.

Meine Damen und Herren, zum Thema Windkraft vielleicht noch ein Zitat, das ein FDP-Politiker einmal gebracht hat. Die „inhaltliche Windstille“ dabei zu vertuschen reicht eben nicht bei dieser Fragestellung. Sie müssen in der Tat ein paar Punkte mehr in das Landespla

nungsgesetz aufnehmen. Das wird auch nicht schwierig sein. Dafür werden Sie sicherlich unsere Unterstützung bekommen, damit auch der Öffentlichkeit signalisiert werden kann, in welche Richtung ein Landesplanungsgesetz und nicht ein Landeszukunftswettbewerbsregionalgesetz gehen soll. – Danke schön fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Thema verfehlt!)

Vielen Dank Herr Kollege Warnecke. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Kaufmann für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Über Windkraftstandorte und Ähnliches sollte man zunächst in den Regionalversammlungen, in den dafür zuständigen Gremien, diskutieren und im Landtag erst am Ende, wenn der Entwurf des Landesentwicklungsplans vorliegt.

Heute befassen wir uns mit dem Gesetzentwurf, der in der Tat nur den Rahmen darstellt. Aber im Gegensatz zu dem, was der Herr Staatsminister bei der Einbringung formuliert hat, ist das durchaus ein wesentliches Gesetz dahin gehend, dass es – das ist unser Urteil – ein Dokument des Misstrauens gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land und insbesondere gegenüber den von ihnen gewählten Politikerinnen und Politikern auf der regionalen Ebene darstellt.

Hier werden mit Bedacht die Kompetenzen, die die Regionalversammlungen haben, weiter beschnitten – auch in Fällen, in denen längst erkannt ist oder sein sollte, dass eine weiter gehende Beteiligung auf der regionalen Ebene den Planungsüberlegungen eher positiv helfen würde. Diese kommt nicht.

Es sollen darüber hinaus – der Staatsminister hat darauf hingewiesen – die Planungsvorgänge vereinfacht und beschleunigt werden. „Beschleunigt“ heißt nichts anderes, als über die Köpfe der Betroffenen hinweg möglichst vieles zu erreichen. Hier steht nicht die Qualität der Planung im Vordergrund, sondern die Velozität, also die organisierte Unüberlegtheit, damit man etwas möglichst unstreitig voranbringen kann. Dass man sich hinterher gelegentlich wundert, was dabei herausgekommen ist, das sollten auch Sie eigentlich längst schon gemerkt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mit dem Gesetz wird Intrans parenz mit Bedacht gefördert. Statt frühzeitige Bürger beteiligung zu initiieren, soll schlechte Planung möglichst vor Kritik geschützt werden. Damit nimmt der Gesetzentwurf nicht die Erfahrungen der letzten Jahre auf und setzt nicht auf Mediation, sondern im Zweifel eher auf Eskalation von Konflikten, die Planungen bekanntermaßen häufig mit sich bringen und wo man Interessen unterschiedlicher Seiten gegeneinander abwägen muss. Deshalb werden Sie sich nicht wundern, wenn ich feststellen muss, dass wir diesen Gesetzentwurf durchaus kritisch anschauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will es an einigen Punkten darstellen. Der erste Punkt ist der, wo über den Landesentwicklungsplan geschrieben wird. Wir hatten einmal – ich würde fast sagen: in der gu

ten alten Zeit – im Landesentwicklungsplan bis zum Jahre 2002 den schönen Satz stehen: „Der Landesentwicklungsplan schränkt die Entscheidungsspielräume der Regionen nicht stärker ein, als dies zur Umsetzung von überregional bedeutsamen Vorhaben erforderlich ist.“

Das sagt der Politiker, d. h. das ist die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips in der Planung. Das haben Sie im Jahre 2007 herausgestrichen. Obwohl es an vielen Stellen kritisiert worden ist, findet es sich nach wie vor nicht in dem Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt. Wenn ich Ihnen sage, Sie wollen über die Köpfe der Betroffenen hinweg Ihre Planungen möglichst rasch durchziehen, dann sind Sie empört. Der Gesetzentwurf beweist aber, dass ich damit bedauerlicherweise recht habe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ein nächster Punkt ist, dass man eigentlich den gewählten Regionalversammlungen mehr Bedeutung geben müsste, auch in den Aufstellungsverfahren des LEP, insbesondere dann, wenn Fachbehörden miteinander streiten und man deshalb sinnvollerweise die regionale Ebene, vertreten durch die Versammlungen, in die Gesamtsicht der Dinge einbeziehen sollte. Das ist aber – schauen Sie sich § 4 Abs. 9 an – leider auch nicht der Fall.