Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen zu meiner Linken, mit Ihren Anträgen haben Sie beide der Versuchung nicht widerstanden, die Debatte wieder auf den beliebten Schauplatz des Betreuungsgeldes zu führen.
Liebe Frau Schott, zu Ihnen muss ich sagen: Lesen bildet, auch das Lesen von Vorschlägen, die in Berlin gemacht werden. Sie behaupten, das geplante Betreuungsgeld setze Anreize, die Rückkehr von Frauen ins Berufsleben zu verzögern oder gar zu verhindern.
Ich kann nur sagen: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nichts, aber auch gar nichts vorsieht, was Eltern, die das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen, daran hindern würde, erwerbstätig zu sein. Die Frage der Erwerbstätigkeit ist dort vollständig ausgeklammert.
Sie spielt überhaupt keine Rolle. Niemand – nicht Mutter, nicht Vater – muss seine Erwerbstätigkeit einschränken, um das Betreuungsgeld erhalten zu können.
Lieber Herr Merz, neulich – Frau Schott hat es heute getan – haben Sie viele Meinungsmacher zitiert, die das Betreuungsgeld mit Vehemenz ablehnen.
Ich muss sagen: Es erschreckt mich fast, in welchem Ausmaß die Frage einer familienunterstützenden Leistung die Gemüter zu erhitzen und Menschen gegeneinander in Stellung zu bringen vermag. Von Toleranz und Respekt für vielfältige Lebensentwürfe, auch solche, die man vielleicht persönlich nicht gewählt hat, sind wir noch ziemlich weit entfernt.
Als gewählte Politiker sehe ich uns im Gegensatz zu den Dienern definierter Interessen, die heute auch zitiert wurden, aber auch zu den Sittenwächtern des fortschrittlichen Lebens, die sich auch gerne zu Wort melden, in einer ganz anderen Verantwortung. Wir haben nämlich Respekt zu haben vor den Sorgen der Menschen um ihr Liebstes, um ihre Kinder, auch vor der Sorge vieler Bürger um die Zukunft unseres Gemeinwesens, die natürlich von den Fragen der Erziehung und Bildung abhängig ist. Deswegen will ich noch auf zwei aktuelle Beiträge zur Diskussion eingehen, die wir in den letzten Tagen gesehen haben.
Die OECD berichtet in ihrer Zusammenfassung, in Norwegen habe das Betreuungsgeld die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund am Arbeitsleben gemindert. Ich habe mir das genauer angeschaut. Der Bericht stellt fest, Migrantinnen seien in Norwegen weniger berufstätig als Einheimische. Das trifft in gleichen Prozentsätzen genauso auf Länder wie die Niederlande, Belgien oder Österreich, die kein Betreuungsgeld haben, zu. Dafür gibt es in dem Bericht eine plausible Erklärung: 50 %
der Migranten kommen aus Afrika, Asien oder Südamerika, weitere 25 % aus Osteuropa. Das sind Regionen, in denen es kulturell noch nicht verankert ist, dass Mütter von kleinen Kindern außer Haus arbeiten gehen. Dass die Beschäftigungsrate von Migrantinnen seit 1998 stärker gesunken sei als die der einheimischen Mütter, hat den Grund, dass in diesem Zeitraum die Zahl der Migranten aus diesen Ländern stärker gewachsen ist.
Damit will ich nur deutlich machen, an wie vielen Stellen mit wie vielen hanebüchenen und fadenscheinigen Argumenten das Betreuungsgeld aus für mich durchsichtigen Gründen kritisiert wird. Es ist kein Argument gegen das Betreuungsgeld.
Zweitens: Bildungsbericht 2012. Im wissenschaftlichen Teil gibt es überhaupt keinen Bezug auf das Betreuungsgeld. Dort wird gewürdigt, wie wichtig die Familie auf der Basis von Bindung für die Bildung von Kindern ist.
Es gibt mit uns keine einseitige Priorität für die außerfamiliäre Kinderbetreuung der Ein- und Zweijährigen. Wir wollen den Eltern die Freiheit zur Entscheidung geben.
Deshalb ist es auch nicht richtig, wenn Sie immer sagen, das Betreuungsgeld sei bildungs-, sozial- und sonst-wiepolitisch falsch. Es ist pädagogisch sehr häufig sehr richtig. Es ist familienseitig nachgefragt. Es ist volkswirtschaftlich am Ende rentabel und im Hinblick auf die Selbstbestimmung des einzelnen Menschen sogar fortschrittlich.
(Petra Fuhrmann (SPD): Mütter, die bei Schlecker arbeiten, oder jetzt nicht mehr, haben diese Wahlfreiheit nicht!)
Welch eine Bereicherung, mithilfe des Elterngeldes für das erste Jahr mit dem eigenen Kind von den Zwängen zur Erwerbstätigkeit befreit sein zu können.
Wahlfreiheit, Kindeswohl, Mut und Ermutigung zur Verantwortung sind unser familienpolitisches Credo. Es bleibt dabei: Das Krokodil weint wahrscheinlich gleich wieder, das Trampeltier hat gestampft, und die Karawane zieht doch weiter. – Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Letzte, der das gesagt hat, wurde abgewählt! – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU))
Meine Damen und Herren, ich habe zwei Wortmeldungen für Kurzinterventionen vorliegen. Zunächst Herr Kollege Merz.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Trampeltier meldet sich zurück. Liebe Frau Kollegin Wiesmann, Sie haben mich, was die Vorhersehbarkeit Ihres Beitrags anging, wirklich um Längen überholt. Mit einer Ausnahme: Ich hätte nicht erwartet, dass Sie das Niveau, das Sie normalerweise halten, wenn Sie hier stehen, so deutlich unterschreiten, wie Sie das in dem letzten Teil Ihrer Rede leider getan haben.
Sie haben erneut versucht, die Debatte über das Betreuungsgeld zu einer Debatte über das Familienbild zu machen. Sie haben erneut versucht, sie zu einer Debatte über Freiheit oder Nichtfreiheit zu machen. Das ist aber alles nicht der Punkt.
Wenn Sie zugehört haben, was ich für die SPD-Landtagsfraktion gesagt habe, werden Sie gehört haben, oder hätten hören können, oder hätten es auch nachlesen können, dass wir selbstverständlich Respekt vor den Erziehungsleistungen in den Familien haben. Das ist aber genau nicht der Punkt. Der Punkt ist, ob man zum gegenwärtigen Zeitpunkt, zu dem der Ausbau und die Qualitätsverbesserung der frühkindlichen Bildung in Einrichtungen, und zwar in einer pluralistischen Trägerlandschaft, anstehen – es kann gar keine Rede davon sein, dass eine Verstaatlichung der Kindheit beabsichtigt wäre, bei einer Trägerschaft, die zu weit über 50 % von freien Trägern gestellt wird; das können Sie Ihren Leuten sagen, wenn Sie das Argument wieder benutzen –, Geld für etwas ausgibt, was fragwürdig ist. Das werden Sie nicht bestreiten können, das ist doch der Ertrag der gesamten Debatte. Das ist der eine Punkt.
Zweitens. Wir haben nie erklärt, dass der Erlass einer Mindestverordnung unzulässig sei. Das war nie meine Position. Ich bin immer davon ausgegangen, dass man das als Land darf. Dafür muss man dann aber bezahlen. Darüber haben Sie kein Wort gesagt. Sie haben es wortreich und sorgfältig vermieden, zu dem Thema „zusätzliche Landesmittel als Beitrag zur grundsätzlichen Finanzierung des Kindertagesstättenausbaus und zu einer fairen Lastenverteilung“ auch nur einen Satz, geschweige denn eine Zahl zu sagen.
Das ist eines der zentralen Probleme Ihrer Rede. Sie haben dazu gar nichts gesagt. Das nehme ich zur Kenntnis und erhoffe jetzt zum Fortgang der Debatte nichts mehr aus dem Regierungslager.
Frau Wiesmann, Sie sagen heute nicht zum ersten Mal, das Betreuungsgeld habe nichts mit der Erwerbstätigkeit der Eltern zu tun. Was ist denn das für ein Ammenmärchen? Ich kann doch nicht erwerbstätig sein und mein Kind nicht betreuen lassen.
Natürlich kann ich es zu Hause lassen und überhaupt nicht versorgen, aber ich glaube nicht, dass Sie das gemeint haben.
Ich verunglimpfe hier überhaupt niemanden, weil ich mit keinem einzigen Wort irgendeiner Mutter abgesprochen habe, dass sie eine gute Erziehungsarbeit macht. Jede Mutter und jeder Vater, die das machen wollen, sollen es auch tun. Es ist nicht mein Gesellschafts- und Familienbild. Ich habe aber überhaupt nichts dagegen, wenn jemand das tut. Aber was Sie hier tun, ist – –