Im Übrigen vermisse ich an dieser Stelle bis heute klare Worte des amtierenden Wirtschaftsministers. Herr Saebisch, der letzte Wohnungsbericht, den Ihr Ministerium vorgelegt hat, spricht eine dermaßen deutliche Sprache: Die Zahl der Sozialwohnungen in Hessen ist seit 1990 von
200.000 auf 130.000 gesunken. Sie wird weiter drastisch zurückgehen, denn bis zum Jahr 2025 laufen die Sozialbindungen für fast 50.000 Wohnungen aus.
Dem stehen 40.000 Haushalte gegenüber, die eine Sozialwohnung suchen. Drei Viertel dieser Suchenden entfallen auf den Regierungsbezirk Darmstadt. Das heißt, die weit überproportionale Zahl der Wohnungssuchenden im Ballungsraum verschärft die Lage dramatisch. Deshalb kann man doch aus Ihren eigenen Daten nur einen Schluss ziehen: Die öffentliche Hand benötigt mehr denn je Wohnungsunternehmen, die bezahlbaren Wohnraum schaffen und erhalten.
Jenseits der großen Städte, die häufig auch über eigene leistungsfähige Wohnungsbaugesellschaften verfügen, ist es gerade die NH, die im gesamten Land Wohnungsbestände unterhält und deshalb in der Fläche eine unverzichtbare Aufgabe erfüllt. Sie sollten doch wissen, dass nicht nur die Quantität der Wohnungen dramatisch zurückgeht – auch ihre Qualität entspricht nicht mehr den Anforderungen der Gegenwart, geschweige denn der Zukunft. Ich will nur die Stichworte demografischer Wandel und energetische Sanierung nennen.
Ich will noch einen weiteren Punkt hinzufügen, den ich bereits im Dezember besonders hervorgehoben habe: die Bedeutung der Nassauischen als Partner von Land und Kommunen bei der Stadt- und Landesentwicklung.
Angesichts der Veränderungen, die die demografische Entwicklung, aber auch die Migrationsbewegungen in unsere Stadtviertel tragen, ist diese Funktion der NH von ganz besonderer Bedeutung. Sie ist Träger von Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen für mehr als 30 hessische Städte. Sie führt in zahlreichen weiteren Kommunen Sanierungsberatungen durch. Sie engagiert sich in erheblichem Umfang bei Konversionsprojekten und Stadtumbau und den Programmen „Aktive Kernbereiche“ und „Soziale Stadt“, ebenso bei der Entwicklung der Gewerbeflächen.
All das zusammengenommen macht doch klar: Die Nassauische Heimstätte/Wohnstadt ist ein unverzichtbares strategisches Investment für die Wohnungspolitik und die Entwicklungsplanung unseres Landes.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))
Ihr Vorgehen aber – gerade auch das, was Sie mit dem Weggang der beiden langjährigen Geschäftsführer zusätzlich an Problemen provoziert haben – ist leider an Dilettantismus kaum zu überbieten. Herr Minister Schäfer, Sie haben ein Schiff leckgeschossen, und während die Besatzung verzweifelt versucht, die Passagiere zu beruhigen, sorgen Sie auch noch dafür, dass Kapitän und Erster Offizier von Bord gehen. Sie bekommen aber auch keinen Ersatz. Denn wer will schon auf ein Schiff, das zu sinken droht?
Meine Damen und Herren, deshalb brauchen wir endlich gestandene Seeleute in dieser Landesregierung und keine Leichtmatrosen. Zeit, dass sich was dreht.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Lebhafte Zurufe von der CDU – Unruhe)
Herr Minister Schäfer, deshalb fordere ich Sie auf, die heutige Debatte dazu zu nutzen, hierher zu treten und die Spekulationen über den Verkauf der Heimstädte/Wohnstadt ein für alle Mal zu beenden. Sie waren es, der das Ganze losgetreten hat. Sie können dieses Abenteuer heute und hier mit klaren Worten beenden.
Wir GRÜNE – das gilt auch für die Freundinnen und Freunde in Frankfurt – wollen nicht, dass sich das Land aus der Nassauischen Heimstätte zurückzieht. Wir wollen auch keine Zerschlagung. Wir wollen, dass die NH/Wohnstadt ihr Geschäft in den jetzigen Eigentumsverhältnissen fortsetzen kann – klipp und klar.
Deshalb bin ich froh, dass die Stadt Frankfurt von ihrer Absicht, die Beteiligung an der NH jetzt bei der ABG zu bündeln, Abstand nimmt, um weiteren Missverständnissen vorzubeugen.
Der Antrag, der zu diesen Missverständnissen geführt hat, wurde zurückgezogen, und damit können wir uns hoffentlich wieder dem realen wohnungspolitischen Versagen dieser Landesregierung zuwenden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Wirklich ärgerlich ist, dass der in der Landesregierung für Wohnungspolitik Zuständige, der Aufsichtsratsvorsitzende der Nassauischen Heimstätte, der scheidende Wirtschaftsminister Dieter Posch, in Sachen Heimstätte einfach nur schweigt. Warum hat er seinen Kabinettskollegen eigentlich nicht umgehend davor gewarnt, ein solch wichtiges landespolitisches Instrument dauerhaft aus der Hand zu geben – nur, um dafür einen einmaligen Privatisierungsgewinn einzustecken?
Die Antwort ist so bedauerlich wie wahr: Er hat sich für die Wohnungspolitik in diesem Land weder interessiert noch engagiert. Herrn Poschs Amtszeit waren verlorene Jahre für die hessische Wohnungspolitik,
auch jenseits der Heimstätte. Deshalb gehört zu dieser Debatte auch eine kritische Würdigung dessen, was er in der Sache hinterlässt. Die finden Sie in unserem Antrag.
Er hinterlässt die größten Baustellen seinem Nachfolger durch gesetzgeberische Untätigkeit. Vor fast genau einem Jahr hat die Landesregierung den Kommunen gegen unseren entschiedenen Widerstand das Instrument der Fehlbelegungsabgabe aus der Hand geschlagen, und entgegen Ihren vollmundigen Versprechen haben Sie es bis heute nicht geschafft, Ersatz anzubieten.
Zwar beziehen Sie sich bei anderen Maßnahmen gerne auf das Wohnraumförderungsgesetz des Bundes. Aber dessen Gebot, Fehlförderungen zu vermeiden oder auszugleichen, ignorieren Sie seit nunmehr einem Jahr.
Sie können sich nicht einen Teil eines Bundesgesetzes aussuchen, der Ihnen passt, denjenigen aber, der Ihnen nicht passt, einfach für belanglos erklären. So funktioniert das nicht.
Meine Damen und Herren, was Hessen jetzt bräuchte, ist endlich wieder eine aktive Wohnungs- und Städtebaupolitik, die Angebot und Nachfrage bei Wohnraum zusammenführt, für gute soziale Infrastruktur sorgt und lebendige Quartiere schafft.
Ich biete Ihnen eine Wette an, dass es nicht ausgerechnet Florian Rentsch sein wird, der endlich zur Besinnung kommt und eine solch aktive Politik wieder einleitet.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will Ihnen, gerade von der SPD, sagen: Uns geht es in der Tat um die Mieter, Ihnen geht es um Populismus. Das gefällt mir gar nicht.
Ich bin ein Stück weit enttäuscht von dem, was Herr Siebel heute gesagt hat. Sie wissen genau, dass Wohnungspolitik mehr ist als die Frage, ob die Nassauische Heimstätte im Besitz des Landes Hessen oder einer dem Land Hessen angegliederten Organisation ist.
Hessen hat über Jahrzehnte eine erfolgreiche Wohnungspolitik betrieben. Das heißt auch, über viele verschiedene Regierungen hinweg. Das deutsche Modell des Wohnungsbaus ist weltweit beachtet und hat zu sehr stabilen Wohnverhältnissen geführt. In Deutschland haben wir seit dem Zweiten Weltkrieg verhindern können, dass gewisse Gebiete verslumen. Für diese Politik waren auch immer Wohnungsbaugesellschaften notwendig, unabhängig davon, wem sie gehören.
Ein Instrument waren mit Sicherheit die Heimstätten. Die Heimstätten haben deswegen bis 1989 in Deutschland einen besonderen Schutz genossen. Sie waren steuerbefreit, und es gab viele gesetzliche Schutzmechanismen. Dieser Schutz ist 1989 aufgelöst worden, weil sich die Wohnungssituation in Deutschland verändert hat. Sie hat sich nicht dramatisch verändert – wir haben immer darauf hingewiesen –, aber sie hat sich verändert. Insofern hat sich auch hinsichtlich der Frage des öffentlichen Besitzes von Wohnbaugesellschaften in den letzten 20 Jahren bundesweit ein Wandel ergeben. Ich muss die Gewerkschaften und die LINKE nicht daran erinnern, dass NH nicht für Neue Heimat, sondern für Nassauische Heimstätte steht. Das muss man auch einmal sagen dürfen.
Wer uns vorwirft, unverantwortlich mit Wohnungsbaugesellschaften umzugehen, muss sich vorwerfen lassen, dass es in der eigenen Geschichte durchaus auch dunkle Kapitel gibt. Das war auch einer der Gründe dafür, warum wir in Hessen, anders als andere Regierungen, damit immer besonders vorsichtig umgegangen sind.
Rheinland-Pfalz hat in den Neunzigerjahren unter Kurt Beck die Wohnbaugesellschaft verkauft. Da suche ich bis heute einen Vertrag, in dem Mieterschutz und Mitarbeiterschutz in besonderer Weise, so wie wir es in Hessen traditionell gemacht haben, festgelegt wurden.
Ich darf daran erinnern, wie man in Berlin damit umgegangen ist. In Berlin hat Rot-Rot eine Wohnungsbaugesellschaft verkauft, die heute an der Börse notiert ist.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist kaum zu glauben! – Peter Beuth (CDU): Das muss falsch sein!)
In Dresden ist mit ausdrücklicher Zustimmung der LINKEN – da gibt es so eine Aufspaltung zwischen den Realos und den anderen; der eine Teil hat zugestimmt, der andere nicht – eine Wohnungsbaugesellschaft verkauft worden, die auch an der Börse notiert ist. Die Privatisierung ist total schiefgegangen. Ich könnte Ihnen zahlreiche andere Beispiele nennen.
Hessen ist das einzige Bundesland, das eine Wohnungsbaugesellschaft dieser Größenordnung überhaupt noch besitzt.