Protocol of the Session on May 10, 2012

Warum brauchen wir Jahre, nachdem die Landesregierung heilige Eide geschworen und immer wieder beteuert hat, auf einem wie guten Weg sie bei der Umsetzung, der flächendeckenden Implementierung des Bildungs- und Erziehungsplans ist, einen Modellversuch? Was wir hingegen brauchen, ist eine konzentrierte, organisierte, fachlich unangreifbare Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Wahrheit ist, dass in der Realität die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans in den Einrichtungen, bei den Trägern stockt, weil Sie es versäumt haben – trotz wiederholter Vorhaltungen der Träger, der Kommunen, der Einrichtungen, des Landesjugendhilfeausschusses –, die notwendigen Ressourcen für die tatsächliche Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans zu mobilisieren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe vor einigen Jahren im Landesjugendhilfeausschuss gefragt, ob die Landesregierung tatsächlich der Überzeugung sei, dass man den Bildungs- und Erziehungsplan dauerhaft umsetzen kann, ohne zusätzlich personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Daraufhin hat die Leiterin des Landesjugendamtes gesagt: Ja. – Da haben wir alle herzlich gelacht und sind nach Hause gegangen. Geglaubt hat das kein Mensch. Das ist die eine Sache.

Die andere Sache ist: Kollege Rock hat gesagt, es würden auch seitens des Kultusministeriums Mittel in beträchtlicher Höhe zur Verfügung stehen. Ich will nur darauf hinweisen, ich habe hier schon einmal thematisiert, dass das Kultusministerium die Zahl der Personalstellen, die für die Tandembildung im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsplans zur Verfügung gestellt worden sind, um die Hälfte gekürzt hat. Dabei ist die Tandembildung einer der konzeptionellen Ankerpunkte Ihres Modellversuchs. Man wird schon einmal die Frage stellen dürfen, ob das Geld auf der einen Seite ausgegeben wird und auf der anderen Seite eingespart worden ist.

Immerhin wird mit diesem Modellversuch jetzt endlich anerkannt – auch das habe ich schon einmal gesagt –, dass man für die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans dauerhaft zusätzliche personelle Ressourcen braucht. So ist es. Die SPD-Landtagsfraktion hat das in ihren Eckpunkten zur frühkindlichen Bildung anerkannt und wird es in ihre zukünftige Förderpolitik bezüglich der frühkindlichen Bildung einbeziehen.

(Beifall bei der SPD)

Der Kern des Problems ist die Frage, wie man jenseits der Modellversuchshuberei und jenseits des ständigen Hin und Her zwischen den unterschiedlichen – teils parallelen, teils sich überkreuzenden – Förderlinien zu einer verlässlichen, den Notwendigkeiten gerecht werdenden und der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für diesen Bereich entsprechenden Kita-Finanzierung kommen kann und muss.

Ich will damit anfangen, wie es nicht geht. Hiermit verlasse ich endgültig den konsensorientierten Teil meines Beitrags.

(Norbert Schmitt (SPD): Das wurde auch Zeit!)

Es geht nicht, indem man Modellversuch an Modellversuch reiht. Es geht nicht mit zersplitterten, konkurrierenden sowie in Bezug auf die Herkunft der Mittel und die Zielrichtung der Verwendung intransparenten Programmen. Es geht nicht, indem man zwar Bundesmittel weiterleitet, aber selbst nur unzureichend und, wenn man es denn macht, eher zu spät Geld obendrauf legt, z. B. beim Ausbau der U-3-Betreuung. Es geht nicht, wenn Hessen beim Landesanteil an den Betriebskosten für die U-3-Betreuung das Schlusslicht unter den westdeutschen Flächenländern ist. Es geht nicht, indem man den Trägern zusätzliche Verpflichtungen auferlegt, deren Finanzierung aber verweigert, wie etwa bei der Mindestverordnung.

Es geht nicht, indem man, wenn man an einem Kinderförderungsgesetz arbeitet, vorab erklärt, dass dringend benötigte zusätzliche Finanzmittel nicht zur Verfügung gestellt werden können, und gleichzeitig Modellversuche finanziert, die – in besagtem Sinne – außer zur Gesichtswahrung eigentlich keiner braucht. Auch das hatten wir ges tern schon. In diesem Fall ging es darum, dass die Kolle

gen von der FDP ihr Gesicht wahren. Mit 5 Millionen € für die Dauer von zwei Jahren, also mit 10 Millionen insgesamt, ist das immerhin billiger als die Chose Betreuungsgeld – um das an dieser Stelle einmal zu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Es geht schließlich und endlich nicht, wenn bei dem Kinderförderungsgesetz – jedenfalls nach dem, was wir bisher über die Inhalte wissen – nicht nur keine Verbesserung durch zusätzliche Mittel zu erwarten ist, sondern aufgrund der Art der zukünftigen Finanzierung der Struktur sogar eher mit Verschlechterungen gerechnet werden muss. Jedenfalls machen das alle die, die bisher aufmerksam zugehört haben, wenn der Herr Minister oder andere über die Eckpunkte der zukünftigen Förderung gesprochen haben. Ich schließe mich diesen Bedenken vollumfänglich an. Wir werden ausreichend Gelegenheit haben, darüber en gros und en détail zu reden.

Wir warten mit großer Spannung darauf, dass endlich ein Entwurf für ein Kinderförderungsgesetz kommt. Nun habe ich gehört – Frau Kollegin Wiesmann hat das letzte Woche in einer öffentlichen Podiumsdiskussion angedeutet –, dass es vielleicht gar nicht am 1. Januar nächsten Jahres kommen wird. Wann auch immer es sein wird, Sie können unserer sehr kritischen Anmerkungen, aber auch unserer Zustimmung – damit komme ich auf den Anfang zurück – in vielen inhaltlichen Punkten sicher sein.

Herr Kollege Merz, Sie müssten bitte zum Ende kommen.

Ich bin am Ende meiner Ausführungen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Merz. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Bocklet, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Sie haben das Wort.

(René Rock (FDP): Ein bisschen zum Thema!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Präsidentin! Kollege Rock, als ich die Tagesordnung für die heutige Sitzung gesehen habe, fand ich, es ist schon einen Schenkelklopfer wert, dass ausgerechnet die FDP diesen Tagesordnungspunkt als Setzpunkt angemeldet hat.

(René Rock (FDP): Wer denn sonst?)

Ich will Ihnen vor Augen führen, warum wir das meinen. Ich darf kurze Auszüge aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP zitieren – Seite 29 –:

Das letzte Kindergartenjahr wird ein besonderes Schulvorbereitungsjahr (Kinderschule)...

Kommt nicht.

Es werden durch Rechtsverordnung unter Beteiligung der Träger Standards und Ziele für das Schulvorbereitungsjahr festgelegt.

Kommt nicht.

Die den Trägern entstehenden Kosten für diese Einrichtungen unterliegen der Konnexität.

Kommt auch nicht.

Vor Eintritt in die Grundschule wird die Erfüllung der Förderziele überprüft. Für diejenigen Kinder, die die Förderziele in Bezug auf kognitive Fähigkeiten,... nicht erreicht haben, wird während des ers ten Grundschuljahres weiterer Förderunterricht erteilt.

Kommt auch nicht.

Kinder, die am Schulvorbereitungsjahr nicht teilgenommen haben, können im Rahmen ihrer Schulpflicht in das Vorbereitungsjahr verwiesen werden.

Kommt auch nicht. – Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich hinzufügen: Gott sei Dank kommt dieser organisatorische Murks nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit keine Missverständnisse aufkommen, will ich betonen: Wir sind ebenso wie die Expertinnen und Experten, die Kommunalen Spitzenverbände und sicherlich auch die CDU sehr froh darüber, dass diese Kinderschule nicht kommt und dass sich die FDP mit ihren Vorstellungen nicht durchsetzen konnte.

In der Debatte wurde nämlich klar – wir erinnern uns noch daran, wie Frau Kultusministerin Henzler uns verkündet hat, es gebe ein eigenes Curriculum für das letzte Kindergartenjahr, und alle sich mit Grausen abwandten –, dass es den Grundsätzen und Zielen eines früh beginnenden, auf die Aneignung von Kompetenzen setzenden und vor allem ohne Brüche verlaufenden Bildungsprozesses für alle Kinder, wie er im Bildungs- und Erziehungsplan beschrieben ist, nicht gedient hätte, ein solches letztes Jahr in die Struktur der Kindergärten einzuziehen. Ich danke all denen, die Widerstand geleistet haben. Man sieht, manchmal ist die Opposition auch erfolgreich – Gott sei Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der eine Punkt. Eigentlich ist das eine krachende Niederlage für die FDP. Das kann man noch einmal unterstreichen. Aber sie versucht, das in das Gegenteil zu verkehren.

Dann kommt ein zweiter Punkt ins Spiel. Vor fünf Jahren, im Jahr 2007, hat der Hessische Landtag den Bildungsund Erziehungsplan begrüßt und zur Kenntnis genommen. Verabschiedet werden musste er nicht; aber er wurde einstimmig begrüßt. Der hessische Bildungs- und Erziehungsplan hat auch die Unterstützung der GRÜNEN. Er beschreibt den ganzheitlichen Ansatz des Bildungsbegriffs sowie seine Grundsätze und Prinzipien. Er ist eine wesentliche Grundlage zur Verbesserung der Qualität der Betreuungsangebote und bedeutet eine Stärkung der Bildung für die Kinder im Alter von null bis zehn Jahren. All das tragen wir mit.

Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und der CDU, was, zum Teufel, haben Sie fünf Jahre lang gemacht, um diesen Plan umzusetzen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fünf Jahre ist es her, dass wir dieses Einvernehmen erzielt und die Landesregierung aufgefordert haben, diesen Bildungs- und Erziehungsplan mit verbindlichen Rahmen

bedingungen umzusetzen. Herr Kollege Merz, Sie erinnern sich: Wir haben damals die Landesregierung aufgefordert, eine verbindliche Umsetzungsvereinbarung mit den Kommunen und den Trägern einzugehen. Auch eine solche verbindliche Umsetzungsvereinbarung gibt es noch nicht. Warum auch?

In den Kommunen heißt es, mit den Vertretern einer Landesregierung, die sie bei der Kindergartenfinanzierung über den Tisch zieht, wo immer es geht – nehmen Sie die Mindestverordnung, bei der das Konnexitätsprinzip nicht eingehalten wird –, setzten sie sich nicht an einen Tisch. Sie ließen sich von ihnen nicht erklären, wie sie den Bildungs- und Erziehungsplan selbst finanzieren könnten. Was die Landesregierung bestelle, werde nicht bezahlt, das wollten sie nicht. Sie haben die Stimmung in der Zusammenarbeit mit den Kommunen als Träger der Kindergärten vergiftet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte nur einmal sagen: Im dritten Haushaltsjahr hintereinander sind 5 Millionen € für eine Kinderschule, wie Sie sie wollten – ein Schulvorbereitungsjahr –, vorgesehen. Seit drei Jahren steht das im Haushalt. Ich kann das nur so deuten, dass Sie sich drei Jahre lang nicht einigen konnten, was Sie eigentlich wollen. Das, was nun dabei herauskommt – Herr Kollege Merz hat es gesagt –: Man kann nicht wirklich dagegen sein. Dagegen, dass Gelder dorthin fließen und dass Grundschulen mit Kindergärten zusammenarbeiten, damit es eine bessere Verzahnung beim Übergang gibt, kann man nicht wirklich sein.

Aber, Herr Kollege Rock, beantworten Sie mir eine Frage: Sie fördern in Hessen im Rahmen dieses Projekts 30 Grundschulen und 60 Kitas. Wissen Sie, dass wir 1.100 Grundschulen und 3.900 Kindergärten haben? Warum haben Sie in den letzten fünf Jahren die Verbesserung des Bildungs- und Erziehungsplans nicht flächendeckend für alle umgesetzt? Das ist ihr Auftrag, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Insofern ist das ein erster Schritt. Wir fragen uns, wieso man dafür fünf bzw. drei Jahre braucht. Wir fragen uns auch, warum, zum Teufel, Sie eigentlich einen Modellversuch brauchen.