Herr Rock und Herr Mick, vor vier Wochen habe ich kein Wort von Ihnen gehört, dass dieses Betreuungsgeld in die Tonne gehört. Vielleicht machen Sie es heute. Nutzen Sie doch Ihren Einfluss, die rechte CDU Hessen davon abzubringen, dass sie das auch noch fördert. Tun Sie das. Das erwarte ich von der FDP.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Vielen Dank, Papa! – Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es selten erlebt, dass es einen familienpolitischen Vorschlag in der politischen Diskussion gibt, der so von Widerstand begleitet worden ist wie die Einführung dieses Betreuungsgeldes. Verbände aller Art, Wirtschaftsinstitute, Eltern,
Institutionen aller Art und selbst 23 Abgeordnete in der CDU-Fraktion wollen nicht zustimmen. Sie begeben sich auf eine unglaublich politische Geisterfahrt.
Sie begründen es krude mit einer Wahlfreiheit, die in Hessen überhaupt nicht existent ist. Sie begründen das mit einer Anerkennung, die Sie überhaupt nicht finanzieren können. Es ist eine krude Begründung. Deshalb bitte ich noch einmal nachhaltig darum, dass von diesem Landtag ein Signal ausgeht, wie es hoffentlich in Berlin auch irgendwann einmal ankommt, dass dieses Betreuungsgeld finanzpolitisch Quatsch ist. Es ist bildungspolitisch und geschlechterpolitisch fatal.
Deswegen sage ich es noch einmal: Hauen Sie es in die Tonne. Wir können es uns wahrlich nicht leisten, diese Wahlfreiheit weiter zu verhindern. – Danke schön.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben schon intensiv debattiert. Wenn man als Letzter kommt, hat man den Vorteil, einen Überblick über die Diskussionsrichtung und die Inhalte der Redebeiträge zu haben. Der Antrag selbst gibt nicht so viel her.
Wir hatten uns in der vorletzten Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses darauf geeinigt, dass der damals vorliegende Antrag der LINKEN überarbeitungsfähig war. Der Antrag, den Sie jetzt als Grundlage Ihres Setzpunkts vorgelegt haben, ist schon sehr grenzwertig, wenn ich das so sagen darf. In Punkt 1 Ihres Antrags sagen Sie:
Alle hessischen Kinder, die einen Betreuungsplatz im U-3-Bereich suchen, müssen diesen in ihrer Wohnumgebung finden.
Damit kann ich überhaupt nichts anfangen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kinder von null bis drei Jahren durch Hessen laufen und Betreuungsplätze suchen. Bei der U-3-Betreuung ging es immer um eine familienpolitische Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie setzen völlig falsche sprachliche Schwerpunkte. Sie haben es in Ihrer Rede anders dargestellt. Aber ein bisschen mehr Mühe in der Formulierung der Anträge wäre schon in Ordnung, dann könnte man sich auch anders auf die Debatte vorbereiten und anders in der Debatte mitwirken.
Die Frage, ob U-3-Plätze wohnortnah bereitgestellt werden müssen, ist eine Debatte von gestern. Alle Fraktionen haben in dieser Debatte intensiv gestritten, auch gegen den Widerstand der Kommunalen, und gesagt, wir wollen den Eltern das Wahlrecht lassen. Die Eltern sollen ihr Kind entweder am Arbeitsplatz oder in der Kommune, in der sie arbeiten, oder in der Heimkommune unterbringen können. Das betrifft § 28.
Wir haben dafür gekämpft, dass die Wahlfreiheit für die Eltern besteht, auch wenn es für die Kommunen ein großer Aufwand ist. Das nehmen Sie gar nicht zur Kenntnis.
Ich finde das sehr bedauerlich, dass Sie das überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen. Sie setzen einen völlig falschen Akzent. Für mich war es immer die Frage, welche Möglichkeiten Familien haben, ihr Leben zu organisieren.
Das Land Hessen nimmt Geld in die Hand, der Bund nimmt Geld in die Hand und die Kommunen nehmen das meiste Geld in die Hand. Den Kommunen muss man an dieser Stelle auch Dank sagen. Was sie stemmen und leisten und vor Ort in kürzester Zeit für ein Angebot aufgebaut haben, das ist hervorragend, das ist zu würdigen. Natürlich wird das Land Hessen noch stärker in diese Unterstützung einsteigen. Das ist schon angekündigt.
Natürlich ist diese erste Schwelle, die wir uns gesetzt haben, ein erster Schritt. Natürlich wird diese Maßnahme ausgebaut werden. Es wird mehr Betreuungsplätze geben, es wird über die Qualität zu reden sein, es wird über die zeitliche Ausgestaltung der Betreuungsplätze zu reden sein. Die Kommunen, der Bund und das Land haben in einer einzigartigen Anstrengung in kürzester Zeit ein hervorragendes Angebot aufgebaut, das noch weiter ausgebaut werden muss. Man muss aber auch akzeptieren, dass das, was in Hessen geleistet worden ist, vorbildlich und gut ist.
Man sollte nicht immer versuchen, alles kleinzureden. Es haben ganz viele mitgewirkt, das kann sich keiner alleine auf die Fahnen schreiben. Ich hätte mir gewünscht, in Frankfurt hätten die GRÜNEN sich nicht von ihren hehren Plänen verabschiedet, mehr Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen. Sie sind im Wahlkampf wieder ein Stück weit von Ihren Aussagen zurückgerudert. Wir werden sehen, was in Frankfurt am Ende bei den Betreuungsplätzen herauskommt. Wir werden das genau beobachten.
Der dritte Satz Ihres Antrags – das ist wohl auch Ihr Hauptansatzpunkt, so hat man in Ihrer Rede gehört – lautet:
Die für eine sinnlose „Herdprämie“ vorgesehenen Mittel müssen für den Ausbau der U-3-Betreuung ausgegeben werden.
Da muss ich ganz ehrlich sagen: Herr Merz, Herr Bocklet, wir haben schon deutlich differenzierter über dieses Thema diskutiert. Einen Setzpunkt auf so eine Art und Weise vorzubereiten und in einen Antrag zu gießen, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich kann nur an die Fraktion der LINKEN appellieren: Geben Sie sich doch bitte ein bisschen mehr Mühe mit dem, was Sie hier abliefern.
Natürlich sehen wir – meine Partei in Berlin und auch wir als Fraktion – das Betreuungsgeld eindeutig kritisch. Zum einen passt es als neue familienpolitische Leistung nicht in die finanzielle Situation des Bundes. Da sollte man andere Schwerpunkte setzen, nämlich sparen.
Diese familienpolitische Leistung ist auch noch einmal genau in ihrer Wirkung und ihrer Ausgestaltung zu überprüfen, wie die Ziele, die man sich vorgestellt hat, erreicht werden können. Ich sehe da große Probleme.
Ich möchte auf die Diskussion, die hier stattgefunden hat, eingehen. Es war wieder ein Tag der Schubladen, des Schwarz-Weiß-Denkens. Da sagen die einen: Der Staat gibt ein bisschen Geld, dann entscheiden die Familien, ihre Kinder zu Hause zu erziehen. – Die anderen sagen: Wenn ich nur genug günstige Betreuungsplätze habe, rennen alle Familien dorthin, wo Betreuungsplätze sind.
Dieses Weltbild des Schwarz-Weiß-Denkens passt mir als Liberalen überhaupt nicht. Wir müssen ein vernünftiges Angebot für die Familien unterbreiten, wir müssen eine Infrastruktur anbieten, damit die Familien ihr Lebensmodell umsetzen können. Das ist unsere zentrale Aufgabe und nichts anderes.
Wer glaubt, sich hier als Richter aufspielen zu können, ob die eine oder die andere Methode für eine Familie, ihre Kinder zu erziehen, richtig ist oder nicht, der maßt sich etwas an, was wir in unserer freien Gesellschaft als Staat nicht tun sollten. Jede Familie hat das Recht und nach unserer Hoffnung auch die Möglichkeiten, in der Form zu leben, wie sie es möchte und für richtig hält.
Der eine oder andere Redner, der schon etwas älter ist und den ich eigentlich in vielen politischen Aussagen immer beachtenswert finde, muss auch überlegen, dass sich in den Familien selbst etwas geändert hat. Es gibt nicht mehr die Klischees über den Mann und die Frau. Es hat sich in der Familie unglaublich viel geändert.
Das klingt hier immer unterschwellig durch. Ich glaube schon, dass man auch einmal respektieren muss, dass Familie sich selbst organisiert und dass weder Männer noch Frauen in diesen alten Klischees denken. In Familien ist es mittlerweile eine Teamentscheidung, wie man sein Leben organisiert.
Die Teamentscheidung kann auch lauten, sich Zeit zu nehmen, um sich um das Kind zu kümmern und Verantwortung zu übernehmen – ob Mann oder Frau, die Fälle gibt es nämlich auch immer öfter.
Ich habe immer den Eindruck, und ich habe an diesem Mikrofon gelernt, dass man seine Lebenserfahrung nicht in die Debatte einbringen sollte. Ich will es in dieser Debatte aber noch einmal riskieren.
Ich habe den Eindruck, es besteht ein Riesenunterschied zwischen den Männern, die die Nabelschnur eines Kindes bei der Geburt durchgeschnitten haben, und denen, die nur durch das Fenster des Kreißsaales geschaut haben. Ich glaube, dass viele Männer, die bei der Geburt dabei waren, jetzt eine Chance sehen, mit ihrem Kind das erste Mal so umzugehen, eine Nähe zu ihm zu haben, wie es für Männer anderer Generationen einfach nicht möglich war. Ich glaube, dass diese Männer ganz anders über dieses Thema denken, als es hier manchmal noch diskutiert wird.