Protocol of the Session on March 28, 2012

(Beifall bei der FDP und der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Ja, Gebührenerhöhungen!)

Ich bin dafür, dass man die Prioritäten betrachtet. Ich bin dafür, dass man überlegt, wo man effizienter sein kann. Ich bin auch dafür, dass man eine Aufgabenkontrolle macht und einmal überlegt, ob jede Aufgabe, die man bis jetzt gemacht hat, notwendigerweise weiterhin so gemacht werden muss. Ich würde mir wünschen, dass die Prioritäten der Kommunen bei der Kinderbetreuung oder auf dem einen oder anderen sozialen Feld liegen. Das wird vor Ort oft noch anders gesehen; das muss man eben auch einmal diskutieren. Da kann man nicht immer nur sagen: „Es muss einfach mehr Geld geben“, sondern man

muss auch abwägen, was einem wichtig und was einem weniger wichtig ist. Das ist die Aufforderung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Herr Kollege Rock, das war eine Punktlandung. – Als nächster Redner hat sich Herr van Ooyen gemeldet, Fraktion DIE LINKE. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wieder einmal hat ein Antrag, in dem sich CDU und FDP als Retter der Kommunen darstellen, das Licht der Welt erblickt. Sie wissen wahrscheinlich selbst, dass man Ihnen einen solchen Antrag nicht wirklich abnimmt, zumal wir erst letzte Woche hören mussten, dass die hessischen Kommunen diejenigen mit der bundesweit schlechtesten Kassenlage sind. Der Antrag, den Sie uns heute vorlegen, bejubelt die Hessische Landesregierung dafür, dass sie sich konstruktiv an einem Diskussionsprozess beteiligt hat. Nun im Klartext: Sie haben die anderen einmal machen lassen und selbst nicht gestört. Das ist schön, aber bei der Kassenlage der hessischen Kommunen sicher kein Erfolg.

Es mag ja richtig sein, dass die Übernahme der Kosten der Grundsicherung durch den Bund die Kommunen entlastet. Man kann feststellen: 400 Millionen € im Jahr 2013/14 sind natürlich ein Betrag. Er kompensiert aber nicht einmal in diesem Jahr, was Sie den Kommunen weggenommen haben. Es mag richtig sein, dass die Politik des Bundes hier die Lösung eines gewissen Teils der Probleme darstellt. Mit der Politik der Hessischen Landesregierung hat es aber wenig zu tun, wenn der Bund halt die Kosten übernimmt.

Zu Punkt 3 Ihres Antrags kann man eigentlich nichts weiter sagen, außer dass es eine der üblichen Halbwahrheiten ist, die Sie hier vom Landtag feststellen lassen wollen. Es ist durchaus richtig, dass die Kommunen durch die gestiegenen Ausgaben im Sozialbereich belastet werden; dass dies aber für die Kassenlage der Kommunen verantwortlich ist, ist schlicht falsch. Die Kassenlage der Kommunen ist vor allem geprägt durch einen Einbruch der Einnahmen, besonders der Gewerbesteuer, also durchaus ein prosperierender Bereich. Sie könnten das in der „Fuldaer Zeitung“ von gestern nachlesen, wo ebenfalls festgestellt wird, dass die Gewerbesteuereinbrüche schon jetzt, im ersten Quartal dieses Jahres, eklatant sind.

Die Kürzungen im Kommunalen Finanzausgleich, also der Versuch, die Schuldenbremse auf die Kommunen abzuwälzen, sind das größere Problem. Sich jetzt hierhin zu stellen und zu behaupten, dass die Übernahme der Kosten der Grundsicherung durch den Bund ein Erfolg der Landesregierung sei, ist vor allen Dingen eines: lächerlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zu Punkt 4 Ihres Antrags und muss Ihnen sagen: so nicht, Herr Milde. Sie stellen in Ihrem Antrag fest, dass die Ausgaben der hessischen Kommunen im Bereich Soziales im Vergleich mit anderen Bundesländern höher seien. Hinzu kommt dann aber die Einschränkung, dass dies auch auf bestimmte strukturelle Besonderheiten Hessens zurückzuführen sei. Sie wissen also zum einen

nicht, wo dieser sogenannte Ausgabenüberhang herkommt, zum anderen fordern Sie aber, ihn abzubauen.

Nun, um einmal Klartext zu sprechen: Mit Handreichungen, wie Sie die sozialen Standards in hessischen Kommunen absenken können, damit gerade noch keine Rechtsverletzung zustande kommt, werden Sie vielleicht Ausgabenüberhänge beseitigen, das Problem aber nicht lösen. Sie werden aber sicher auch dazu beitragen, dass die Menschen, die auf Sozialleistungen der Kommunen angewiesen sind, die Haushaltskonsolidierung des Landes mitfinanzieren müssen. An dieser Stelle sei es dann noch einmal gesagt: Aus der Schuldenbremse wird eklatanter Sozialabbau. Es kann nicht angehen, dass Sie die Kommunen finanziell so weit in die Enge treiben, dass der politische Kompromiss, auf den sie sich am Ende einlassen werden, heißt, im sozialen Bereich zu sparen. Eine solche Politik lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Landesregierung hat bei der Finanzausstattung der Kommunen versagt. Da hilft es auch nicht, darauf zu verweisen, dass der Sozialstaat zu teuer sei, und da hilft es auch nicht, sich für die Maßnahmen des Bundes selbst zu feiern. Hier brauchen wir einen Politikwechsel hin zu einer sozialen Politik, die Menschen in den Mittelpunkt stellt und Kommunen wieder handlungsfähig macht, indem sie angemessen mit Finanzmitteln ausgestattet werden. Davon sind wir in Hessen noch weit entfernt, und ich bin mir sicher, dass diese Landesregierung dafür demnächst auch vor dem Staatsgerichtshof die Quittung bekommt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr van Ooyen. – Vonseiten der Landesregierung übernimmt Minister Dr. Thomas Schäfer. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vielleicht eine Vorbemerkung zu den in den Redebeiträgen immer wieder vorkommenden Versuchen machen, die politische Siegerehrung für Erfolge oder Misserfolge sozusagen in die Treppchenanordnung zu bringen.

(Gerhard Merz (SPD): Was?)

Wenn auf der einen Seite vorgetragen wird, dass die Landesregierung damit, dass eine Leistung des Bundes mit Zustimmung des Landes bei den Kommunen ankommt, nichts zu tun habe, dann bin ich bereit, das zu akzeptieren. Wenn aber im gleichen Atemzug behauptet wird, wenn aufgrund von Entscheidungen des Bundes mit Zustimmung des Landes Einnahmen abgesenkt werden, das sei eine Verantwortung der Landesregierung, ist zumindest die innere Konsistenz dieser Argumentation ziemlich stark überprüfungswürdig, um es einmal so vorsichtig zu formulieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich einige Bemerkungen zur Sache selbst machen. Die Grundsicherung im Alter und die Entscheidung, am Ende die Kommunen dauerhaft und vor allem dynamisiert – das ist bisher in der Debatte nach meinem Eindruck etwas zu kurz gekommen – zu entlasten, sind

wahrscheinlich die größte Entlastung der kommunalen Ebene der letzten Jahre gewesen, wahrscheinlich auch für eine Reihe von Jahren die größte Entlastung durch nationale Gesetzgebungsentscheidung.

Wenn Sie sich nur die Zahlen für Hessen anschauen: 2008 hatten wir 306 Millionen € Ausgaben für diesen Bereich, 2010 waren es schon 360 Millionen €, und für dieses Jahr rechnen wir mit 420 Millionen €. Ich vermute, bis 2014, wenn die 100-%-Entlastung greift, werden wir in der groben Größenordnung von etwas mehr als 500 Millionen € reden, mit zunehmender Tendenz, weil Grundsicherung bei Erwerbsminderung im Alter natürlich demografiebedingte Elemente enthält, die uns in der Zukunft intensiver beschäftigen. Deshalb ist das durch die Dynamisierung eine gigantische Entlastung der Bundesländer.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Frau Schulz-Asche, der Bund will eigentlich gar keine Bundesauftragsverwaltung konstruieren. Das Problem ist unser Grundgesetz. Unser Grundgesetz schreibt vor, wenn der Bund eine bestimmte Aufgabe zu einem bestimmten Prozentsatz mitfinanziert, dass dann automatisch Bundesauftragsverwaltung entsteht. Deshalb hat man entschieden, zu sagen: Lasst uns das gesetzgeberisch teilen. Solange wir unterhalb der Bundesauftragsverwaltung sind, kann das an der Stelle durch normale Finanzzuweisungen geschehen. Ab der Schwelle der Bundesauftragsverwaltung muss eine Rechtsform gefunden werden, die alle gemeinsam wollen, nämlich dass die kommunale Verantwortung erhalten bleibt, aber die Kontrollbefugnisse des Bundes so minimalisiert werden, wie es gerade noch verantwortbar ist, um am Ende den Grundregeln des Grundgesetzes nicht zu widersprechen. – Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass es gelingen wird, das herzustellen.

Darüber waren sich alle in der Gemeindefinanzreformkommission einig. Herr Kollege Spies, übrigens ist das ein ziemlich hohes Maß an Geschichtsklitterung im Hinblick auf die Frage: Seit wann steht fest, dass es die Übernahme durch den Bund gibt? – Ja, es ist ins Vermittlungsverfahren zu Hartz IV eingespeist worden. Aber wir waren uns in der Gemeindefinanzreformkommission längst einig, die Ländervertreter parteiübergreifend, die Kommunalen Spitzenverbände parteiübergreifend, dass wir sehr dankbar sind, dass es uns gemeinschaftlich gelungen ist – da war ich nun wirklich dabei –, diese Forderung gegenüber dem Bund zu platzieren und durchzusetzen. Es ist dann nur gesetzgeberisch vorgezogen worden, damit aus diesen Nächten rund um den Vermittlungsausschuss noch irgendein Paket werden konnte.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja, genau!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen Hinweis zu den Defizitzahlen auf der kommunalen Ebene und dem Finanzierungssaldo der letzten Jahre geben, bevor ich ein paar Bemerkungen zu der Frage der Gutachten mache. Die Zahlen bedürfen eines ergänzenden Hinweises. Im Finanzierungssaldo der Jahre 2011, 2012 stecken 2 Milliarden € drin, die auf der kommunalen Ebene ausgabenwirksam erfasst worden sind, die aber aufgrund der Konjunkturpakete, die zu fünf Sechsteln von Bund und Land finanziert worden sind, eindeutig refinanziert werden müssen. Sie müssen also vermutlich – genau wird man das schwer abgrenzen können – für jedes dieser Jahre 1 Milliarde € vom Finanzierungssaldo herunternehmen, um eine Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern herzustellen.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass der kommunale Finanzierungssaldo bereits in diesem Jahr in die Nähe der Nulllinie kommen wird und im nächsten Jahr, wie auch auf der nationalen Ebene prognostiziert, im Gegensatz zu allen anderen staatlichen Ebenen, auf der kommunalen Ebene ein Überschuss erzielt werden wird. – So viel zu dem Sachverhalt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch einige Hinweise zu der Frage des Gutachtens von Herrn Prof. Junkernheinrich geben. Ja, es ist richtig, es analysiert zunächst einmal bloße Zahlungsströme und Verausgabungen. Aber dieser Ansatz, diese Feststellung ist zunächst einmal wichtig, um überhaupt in den nächsten Schritt der Diskussion zu kommen, nämlich zu der Frage: Warum geben hessische Kommunen mehr Geld für Eingliederungshilfe aus? – Wenn am Ende, nach der Analyse, das Ergebnis ist: „Weil hessische Eingliederungshilfe besser ist als in Baden-Württemberg“, dann will ich mir das gefallen lassen. Aber bisher ist die Diskussion in weiten Teilen derer, die sich in den fachpolitischen Bereichen mit der Sache beschäftigen, bereits an der Stelle negiert worden. Wir brauchen mehr Benchmark, wir brauchen mehr Vergleiche; denn schließlich wird auf der Basis desselben Sozialgesetzbuches unterschiedlich Anwendung betrieben.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig, das ist der Punkt!)

Das kann möglicherweise richtig sein. Nur muss dann auch der Nachweis geführt werden, dass Mehrausgaben zu besseren Ergebnissen führen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Darüber muss man sprechen!)

Darüber muss in diesem Diskussionsprozess gesprochen werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Warum ist das Sozialministerium nicht anwesend?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch einen Hinweis zu dem Punkt geben, den Herr Spies hochgehalten hat, zu den im Rahmen des Schutzschirmprozesses entstehenden Hilfsmitteln für die kommunale Seite, die auf den Empfehlungen des Rechnungshofs der letzten Jahre beruhen. Dort wurde einmal alles zusammengetragen, was man an Konsolidierung machen kann.

Wir haben gemeinschaftlich mit den Kommunen auf Bitten der Kommunen entschieden, dass es eine solche Zusammenstellung all der Dinge gibt, die man auf der Ebene der Konsolidierung machen kann – wenn man es machen will. Wir schreiben von Landesseite den Kommunen nicht vor, was sie konkret an Konsolidierung machen müssen. Das wird niemand vorschreiben, sondern es soll nur klar sein, dass jede Kommune ein Handwerkzeug in der Hand hat, Benchmarkzahlen gegenüber den Nachbarkommunen, aber auch einen Hinweis darauf, was der Rechnungshof bei der Konsolidierung der kommunalen Familie jemals vorgefunden hat, was andere schon einmal gemacht haben, damit man, wenn man die eigenen Dinge durchgeht, keinen Punkt übersieht, über den man möglicherweise einmal diskutieren könnte, ob er so oder verändert in Zukunft fortgeführt wird. Nicht mehr und nicht weniger ist das. Insofern empfehle ich Ihnen ein großes Maß an Gelassenheit.

Wir werden manche schwierige Konsolidierungsentscheidung zu treffen haben, sei es auf der kommunalen Ebene, der Landes- oder der Bundesebene. Da darf man es sich nicht immer so einfach machen, zu sagen: Konsolidierung ist immer nur eine Sache der anderen – oder am besten irgendwelcher anonymer Mehreinnahmen –, aber auf der Aufwandsseite schauen wir uns die Dinge niemals an. – Das ist zu kurz gesprungen. Hier muss gemeinschaftlich herangegangen werden. Aber ich glaube, das wissen Sie besser, als Sie in Ihren rhetorischen Kunstgriffen im Landtag immer gern offenbaren. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Das Wort hat Herr Abg. Schmitt, Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich lasse mich gern auf diese Diskussion ein und finde das, was Sie in sachlicher Form vorgetragen haben, wert, hierüber eine Diskussion zu führen. Deswegen will ich an diesem Punkt aus der Zusammenfassung aus Ziffer 12 des Gutachtens zitieren, um noch einmal deutlich zu machen, wo die Probleme stecken, wenn man so einfach sagt, Hessen gibt 800 Millionen € mehr aus – dann noch der Vergleich mit Baden-Württemberg – als der Durchschnitt der Flächenländer. Hier heißt es:

Die Ausgaben für Tageseinrichtungen für Kinder stellen mit 275 Millionen € bzw. 300 Millionen € (westdeutsche Flächenländer/Baden-Württem- berg) einen zentralen Schwerpunkt der Mehrausgaben dar. Hier dominiert fast ausschließlich der Faktor Kostenintensität. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass die höhere Kostenintensität auf einem höheren Leistungsniveau basiert. Hessen ist in Westdeutschland das Land, das den angestrebten Betreuungszielen in Form von Betreuungsquoten und Ganztagsbetreuung näher kommt als alle anderen. Baden-Württemberg bildet hier das Schlusslicht.

Meine Damen und Herren, wollen wir uns mit dem Schlusslicht bei der Kinderbetreuung vergleichen? Ist das unser Maßstab?

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Nein!)

Darüber muss man reden. Aber unsere Antwort als Sozialdemokraten ist: Wir wollen nicht Schlusslicht bei der Kinderbetreuung werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, in dem Gutachten heißt es weiter in Ziffer 12:

Im Kinder- und Jugendhilfebereich sind die Heimerziehung bzw. das betreute Wohnen ebenfalls mit Mehrausgaben verbunden, insbesondere im Vergleich zu Baden-Württemberg...

Dann wird darauf eingegangen, dass die Empfängerdichte bei den Kosten der Unterkunft eine wesentliche Rolle spielt. Ihre Argumentation ist, es gilt das gleiche Sozialhilferecht, das gleiche Sozialgesetzbuch in allen Ländern, aber es gibt unterschiedliche Ausgaben.