Protocol of the Session on March 28, 2012

Meine Damen und Herren, man muss aber auch festhalten, es ist ein bisschen der Streit um Kaisers Bart. Frau Wissler, das haben Sie freundlicherweise herausgearbeitet. Die Kommission stört sich am VW-Gesetz, hat aber deutlich erklärt, dass eine entsprechende Regelung in der Satzung aus ihrer Sicht keinen Verstoß gegen das Binnenmarktprinzip bedeutet.

Man sieht, es ist eher ein formaler, ein juristischer Streit. Frau Wissler, das gebe ich der angehenden Politologin zu: Es ist eher ein juristischer Streit um Kaisers Bart.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Aus diesem Grunde gibt es noch weniger Verständnis für diese Position der Kommission.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eieiei!)

Herr Al-Wazir, Sie freuen sich doch immer, wenn es gegen Juristen geht. Ich weiß gar nicht, warum Sie jetzt „Eieiei“ sagen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Schäfer-Gümbel, was heute Morgen überraschend ist – oder weniger überraschend, je nachdem, wo man steht –, ist, dass Sie einen Zusammenhang zwischen einer staatlichen Beteiligung und der Standort- und Beschäftigungssicherung im Allgemeinen herstellen. Wir kennen genügend Beispiele staatlicher Beteiligungen an Unternehmen, die gerade dazu geführt haben, dass es einen massiven Personalabbau und Standortverlagerungen gegeben hat. Ich nenne Ihnen z. B. – im Übrigen vor der Privatisierung – Bahn, Post und Telekommunikation. Ich nenne Ihnen Landesbanken, Werften und Bergbau.

Mit anderen Worten, hier einen Zusammenhang zwischen staatlicher Beteiligung zum einen und einer entsprechenden Standort- und Beschäftigungssicherung zum anderen herzustellen, dafür ist VW ein Beispiel mit einer ganzen Latte von Gegenbeispielen, wo es genau anders ist. Das gehört heute Morgen auch zur Wahrheit hinzu.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Wissler, ich möchte darauf hinweisen, dass ein staatlicher Einfluss sich natürlich segensreich auf ein Unternehmen auswirkt, wenn auf staatlicher Seite Partner für das Unternehmen da sind, die an der Fortführung und der Innovationskraft des Unternehmens ein Interesse haben. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet in Niedersachsen bei VW, wo das niedersächsische Wirtschaftsministerium über Jahrzehnte durch liberale Persönlichkeiten geprägt war – ich nenne beispielhaft Birgit Breuel und Walter Hirche –, eine entsprechende Entwicklung stattgefunden hat. Da, wo Günter Mittag Einfluss hatte, beim VEB Zwickau, war es andersherum. Das sollte man auch zur Kenntnis nehmen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist richtig und wichtig, dass sich der Hessische Landtag heute Morgen zu diesem Thema positioniert, dass ein starkes Signal von dieser Stelle nach Brüssel geht. Wir halten die Klageerhebung der Kommission nicht nur für nicht erforderlich, wir halten sie im Übrigen für kontraproduktiv.

Es ist wichtig, dass heute ein Signal vom Hessischen Landtag ausgeht. VW ist und bleibt ein besonders wichtiger Arbeitgeber in Nordhessen, mit dem die Landesregierung übrigens eng und vertrauensvoll zusammenarbeitet.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass heute Morgen aber auch klar geworden ist: Staatseinfluss an sich ist kein Mittel, um hohe Managergehälter zu reduzieren, worauf Sie zu Recht hingewiesen haben, Herr Al-Wazir. Es ist kein Mittel, in allen Fällen Standortsicherung und Beschäftigungssicherung zu betreiben. VW ist ein Sonderfall, ein Einzelfall, ein positiver, glücklicher Einzelfall, aber es ist ein Einzelfall. In diesem Sinne werden wir dafür sorgen, dass das auch ein Einzelfall bleibt. Das VWGesetz muss Bestand haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Werbung für außerparlamentarische Opposition war das!)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Saebisch. – Herr Decker, Sie hatten sich gemeldet? Bitte schön.

Frau Präsidentin! Ich begrüße Sie auch in diesem Amt heute Morgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte die große Freude, zusammen mit meinen nordhessischen Kollegen und dem Fraktionsvorsitzenden diese Initiative auf den Weg zu bringen und zu entwickeln. Insofern habe ich gemeinsam mit den Kollegen sehr intensive Gespräche geführt, mit dem Kollegen Landau, dem Kollegen Lenders und einigen anderen. Ich weiß daher, wie die Anträge entstanden sind.

Ich will aber zunächst auf ein paar Bemerkungen von Herrn Staatssekretär Dr. Saebisch eingehen.

(Staatssekretär Steffen Saebisch: Kein Doktor! Das ist gefährlich!)

Ehrlich? Dann haben Sie auch alles nicht unrechtmäßig erworben, es ist alles vernünftig, wunderbar.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Saebisch, wir haben hier eine breite Übereinstimmung. Es gab nur zwei oder drei Anmerkungen, die aus unserer Sicht, um in der Autosprache zu bleiben, leicht neben der Spur waren.

(Heiterkeit der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Günter Rudolph (SPD))

Was die Infrastruktur in Nordhessen oder anderswo anbelangt: Sie wissen sehr genau, dass vor allem diejenigen, die auf dem Antrag stehen, sich sehr genau und intensiv dafür einsetzen, dass Infrastrukturen in Nordhessen und auch an anderer Stelle funktionieren.

(Beifall bei der SPD)

Das war die Abteilung Polemik. Das können wir weglassen.

(Zuruf des Staatssekretärs Steffen Saebisch – Ja- nine Wissler (DIE LINKE): Seine Polemik ist besonders ausgeprägt diese Woche!)

Sie haben recht, die Europäische Kommission hebt nicht nur an, VW irgendwie aus den Angeln zu heben. Ich denke z. B. an unsere Diskussion in Sachen Bodenverkehrsdienste, wo wir übrigens auch zu einer gemeinsamen Beschlussfassung gekommen sind.

Der Hinweis auf staatliche Beteiligung und Stellenabbau war richtig. Er war nur etwas zeitversetzt. Der Stellenabbau in den ehemaligen staatlichen Abteilungen und Betrieben hat dann stattgefunden, als sie privatisiert worden sind. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der SPD)

Noch zwei oder drei Sätze zu den Anträgen, die vorliegen. Sie haben in der Tat hohe Übereinstimmung. Sie sind aus unserer Sicht – das gilt natürlich für den Antrag der SPDFraktion in Sonderheit – frei von jedweder Ideologie. Ich könnte mich insofern ein kleines Stückchen amüsieren, weil ich weiß, wie das zustande gekommen ist. Wenn Sie die Anträge gegeneinander legen, dann werden Sie Passagen, die ich in den ersten Entwurf geschrieben habe, in Ihrem Entwurf wiederfinden.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist Zufall!)

Das ist Zufall. – Ich weiß nicht, wo die Ideologie stecken soll. Übrigens nimmt unser Antrag keine Rechtsprechung vor, sondern er stellt bestimmte Dinge fest, die Sie in Ihrem Antrag auch feststellen.

(Beifall bei der SPD)

Insofern können wir hier keine Ideologie erkennen. Was den Hinweis auf die Antragslage in Niedersachsen anbelangt: Das ist richtig. Ich habe schon vor vier Wochen gemerkt, dass es das gibt. Wir haben das Rad auch nicht neu erfunden; denn wesentliche Teile der Anträge, die in Niedersachsen behandelt und verabschiedet worden sind, finden sich in ihren Kernbezügen auch in unseren Anträgen wieder.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe hier in der Tat eine sehr breite Gemeinsamkeit, und es müsste, um es salopp auszudrücken, mit dem Deubel zugehen, wenn wir hier nicht

(Abg. Holger Bellino (CDU) winkt mit seiner Krawatte.)

er trägt nicht Prada, sondern heute Morgen einen knallroten Schlips – zu einer gemeinsamen Haltung kommen könnten. Wir sollten das versuchen. Ich glaube, über die Passagen, die bei uns nicht drin sind und die sich bei Ihnen nicht finden, wird man reden können.

Es gibt nur einen Punkt, der uns besonders wichtig ist. Da bitten wir Sie um Nachsicht: So etwas geht nicht ohne einen Gesamtbetriebsrat. Sie wissen genau, bei 220.000 Menschen, die davon abhängen, bei einer starken Stellung, die von dem Konzern VW, aber auch von staatlicher Seite gewünscht wird, kann man ohne eine Vertretung der Arbeitnehmerschaft in so einem Fall sicherlich nicht fahren. Deswegen ist das ein für uns wichtiger Punkt, der hineingehört.

(Beifall bei der SPD)

Wir sehen dem mit großer Freude entgegen. Eines ist uns heute auf jeden Fall schon gelungen: Wir haben uns alle dafür ausgesprochen, dass das VW-Gesetz erhalten bleibt. Die EU sollte ihre Klage zurücknehmen.

Insofern hat es uns gefreut, dass wir als SPD-Fraktion diese Initiative starten konnten. Lassen Sie uns gemeinsam etwas Gutes daraus machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Decker, vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir überweisen beide Anträge an den Wirtschafts- und Verkehrsausschuss.

Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 16:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund – Meilenstein für hessische Kommunen – Drucks. 18/5335 –