Protocol of the Session on March 28, 2012

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Einige von Ihnen haben an der Eröffnung der Buchmesse im September vergangenen Jahres teilgenommen. Bereits in den Eröffnungsworten hat der Vorsitzende der Buchverleger darauf hingewiesen, dass es langsam an die Existenz von Autorinnen und Autoren und von denjenigen geht, die Kunst und Kultur schaffen. Deshalb vielen Dank für den Rückhalt, den Sie als Parlament uns gegeben haben. Wir werden als Landesregierung alles dafür tun, dass geistiges Eigentum weiterhin geschützt wird. Geistiges Eigentum kann nicht zum Nulltarif geklaut werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das gilt im wahren wie im virtuellen Leben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich sage das sehr bewusst. Wenn Sie heute die „Welt“ aufschlagen und sich die Notenvergabe ansehen, ist dort ein Vertreter der Piratenpartei zu sehen, der gesagt hat, nur weil jemand Kunst mache, habe er kein Recht auf Geld dafür. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, dass das im Sinne dieses Hauses vollkommen unstreitig Unsinn ist. Wer Kunst betreibt, hat ein Recht darauf, auch davon zu leben. Kollege Mack hat es eben sehr deutlich beschrieben.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Ja, der Prozess zu ACTA in Europa ist intransparent verlaufen. Aufgrund meiner Aufgabe als Europaminister muss ich natürlich pflichtgemäß sagen, dass es eine Ausnahme ist, sonst läuft es in Europa transparenter; dabei sehen Sie in ein kleines Grinsen in meinem Blick. Aber am 22. Februar 2012 hat die Kommission beschlossen, dass der Europäische Gerichtshof gebeten wird, ein Gutachten zur Frage der Europarechtsfähigkeit des ACTA-Abkommens vorzulegen. Wie Sie alle wissen – der Kollege Greilich hat bereits darauf hingewiesen –, ist das deshalb gemacht worden, weil die Bundesregierung auf Initiative der Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, das Ratifizierungsverfahren nicht weiter durchgeführt, sondern um eine entsprechende rechtliche Klarheit gebeten hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist deshalb überhaupt nicht die Zeit dafür, jetzt irgendetwas abzulehnen, wie es im Antrag der LINKEN steht. Es bleibt vielmehr abzuwarten, was der Europäische Gerichtshof in dieser zentralen Frage für das ACTA-Abkommen judiziert. Dann werden wir uns am Ende des Prozesses damit auseinandersetzen.

Was uns als Landesregierung sowie den Kollegen Boddenberg und mich in Europa besonders interessiert, ist die Frage, wie wir künftig das Urheberrecht organisieren. Daher möchte ich ein bisschen dafür werben, dass wir nicht nur die Thesen aufschreiben, sondern auch Vorschläge dazu machen, wie wir diese Thesen umsetzen. Ich kann zu jeder Aussage des Kollegen Mack, die er zu diesem Bereich getan hat, stehen. Meine Frage ist aber, was das praktisch heißt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben Angst, dass er Probleme mit uns bekommt, wenn Sie ihn zu sehr loben! – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Al-Wazir, das liegt doch an Ihrer Führungsfähigkeit, so wie Sie sie bei den GRÜNEN in Frank

furt auch bewiesen haben. Das liegt ja nun eindeutig an Ihnen und nicht an dem jungen Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen uns deswegen davon lösen, immer nur formelmäßig aufzusagen, was eigentlich erreicht werden soll. Wir müssen auch langsam die Kurve kriegen und feststellen, wie dies zu tun ist.

Ich habe das Gefühl, dass wir in diesem Punkt noch einiges zu beraten haben. Daher fasse ich zusammen: ACTA ist bisher noch nicht inhaltlich bewertet worden, das macht der Europäische Gerichtshof. In den Augen der Landesregierung ist das Verfahren in Europa suboptimal gelaufen. Dank der Verhaltensweise der Justizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger ist der Ratifizierungsprozess in Deutschland aufgehalten und damit auch die entsprechende Entscheidung in Europa gefunden worden. Eines aber ist klar: Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein, und wenn es kein rechtsfreier Raum ist, um dieses Wortspiel aufzunehmen, ist es natürlich auch kein grundrechtsfreier Raum. Im Internet müssen die Grundrechte genauso wie die anderen Rechte herrschen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank. Das war gerade noch eine Punktlandung. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Das heißt, damit sind wir am Ende der Aussprache angelangt.

Die Anträge überweisen wir dem Rechts- und Integrationssausschuss, federführend, und dem Europaausschuss, beteiligt.

Die Geschäftsführer der Fraktionen haben sich darauf geeinigt, dass die nächsten Tagesordnungspunkte, 15, 63 und 66, nach der Mittagspause nach dem Setzpunkt aufgerufen werden sollen, d. h. vor Tagesordnungspunkt 17.

Wir treten in die Mittagspause ein. Es geht weiter um 15 Uhr. Ich unterbreche die Sitzung und wünsche Ihnen allen einen guten Appetit.

(Unterbrechung von 13:04 bis 15:01 Uhr)

Meine Damen und Herren, wir setzen die Unterbrechung der Sitzung fort.

(Ministerin Dorothea Henzler: Setzen die Unter- brechung fort? – Allgemeine Heiterkeit und allge- meiner Beifall)

Entschuldigen Sie bitte. Am ersten Tag geht vieles schief. Ich hoffe, dass das bei den weiteren Sitzungen nicht mehr der Fall sein wird.

(Günter Rudolph (SPD): Frau Präsidentin, gesagt ist gesagt!)

Wir setzen nach der Unterbrechung jetzt die Sitzung fort. Ich bitte Sie alle, Ihre Plätze auch einzunehmen. Ich hoffe, dass sich die Reihen noch ein bisschen füllen werden.

Bevor wir aber in die Tagesordnung einsteigen, möchte ich Ihnen mitteilen, dass ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be

treffend Ölkonzerne streichen 100 Millionen € pro Monat extra ein – Verkehrswende jetzt, Drucks. 18/5488, eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 67 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 31 aufgerufen werden. – Ich sehe das so.

Außerdem ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend fragwürdige Erfolge der Rüstungsindustrie widersprechen friedenspolitischen Zielen Deutschlands, Drucks. 18/5489, eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dieser Dringliche Antrag wird Tagesordnungspunkt 68 und kann, wenn nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 27 aufgerufen werden. – Auch das ist der Fall. Dann verfahren wir so, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Kommen wir zum Tagesordnungspunkt 30:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend schon wieder „Chaos“ im Kultusministerium – Henzler fährt inklusiven Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen an die Wand – Drucks. 18/5451 –

Er wird mit Tagesordnungspunkt 22 aufgerufen:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend „Bildungsmisere“ und Bildungsbenachteiligung beenden – inklusives Bildungssystem endlich verwirklichen – Drucks. 18/5393 –

Die verabredete Redezeit beträgt zehn Minuten. Als erster Redner hat sich Herr Wagner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Worüber sprechen wir heute im Hessischen Landtag, wenn wir über Inklusion reden? Wir sprechen über nicht mehr und nicht weniger als die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der von Anfang an alle dazugehören, in der von Anfang an alle gefördert werden?

(Horst Klee (CDU): Ja!)

Oder wollen wir in einer Gesellschaft leben, wo man schon in der Schule behinderte Menschen gar nicht mehr zu Gesicht bekommt,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Eiei!)

wo behinderte Menschen an getrennten Schulen unterrichtet werden? Oder wollen wir Schulen, wo alle gemeinsam zur Schule gehen und gemeinsam unterrichtet werden? Darüber reden wir heute Nachmittag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor es zu den üblichen bewussten Missverständnissen von CDU und FDP kommt, will ich ausdrücklich sagen: Die Förderschulen in unserem Land waren historisch ein Fortschritt für behinderte Schülerinnen und Schüler. Sie waren gegenüber der Nichtbeschulung von Schülerinnen und Schülern ein Fortschritt – das will ich ausdrücklich sagen. An den Förderschulen in unserem Land wird eine gute Arbeit gemacht. Die Förderschullehrerinnen und -lehrer arbeiten engagiert. Das will ich auch ausdrücklich sagen.

(Allgemeiner Beifall – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wie geht es in der Zukunft weiter?)

Herr Kollege Irmer, aber wir sind pädagogisch längst die nächsten Schritte gegangen, weil die Förderschule pädagogisch eben nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Also schließen!)

Wir haben in den Achtziger- und Neunzigerjahren begonnen, mit dem gemeinsamen Unterricht für die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen in der Regelschule zu sorgen – zarte Ansätze, noch nicht weit genug, aber seit den Achtziger- und Neunzigerjahren wurde zumindest das nicht infrage gestellt. Herr Kollege Irmer, jetzt geht es mit der UN-Behindertenrechtskonvention um den nächsten Schritt, von der Integration zur Inklusion zu kommen,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Was heißt?)

denn wer von Anfang an dazugehört, der muss später nicht aufwendig integriert werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Also schließen Sie die Förderschulen!)

Herr Irmer, Inklusion, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention seit drei Jahren verbindlich für Deutschland und für Hessen vorgibt, muss man wollen. Diese Landesregierung will Inklusion nicht. Die Landesregierung ignoriert weiter die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention.

(Armin Schwarz (CDU): Eieiei!)

Sie ignoriert den Wunsch der Eltern von behinderten Schülerinnen und Schülern, dass diese Schülerinnen und Schüler endlich auch die Regelschule besuchen können.