Protocol of the Session on May 12, 2009

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Ich hoffe, es gibt noch Teile innerhalb der Union und der FDP, die ihre Versprechen von damals auch ernst nehmen und die Türkei nicht ausgrenzen.

Die Europäische Union ist kein Projekt, das mit dem Glauben in Verbindung gebracht wird,sondern mit demokratischen Werten;Europa muss als Friedensprojekt gese

hen werden. Es ist kein Projekt des christlichen Glaubens, ausdrücklich nicht.

(Horst Klee (CDU): Dann klären Sie den Begriff der demokratischen Werte, ehe Sie hier darüber schwadronieren!)

Sie wissen genau, natürlich muss es in der Türkei noch einen Prozess geben.Der hat begonnen.Aber wir haben der Türkei 40 Jahre lang eine Beitrittsperspektive gegeben,

(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

und wenn es in der Türkei jetzt Bemühungen um einen solchen Reformprozess gibt, wir jetzt aber diese Tür zumachen, dann wird das wirklich verhängnisvoll.

(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Deshalb: Es gibt Verträge, und diese Verträge müssen eingehalten werden. In ein paar Jahren werden wir uns darüber unterhalten, ob die Türkei diese Verträge erfüllt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Horst Klee (CDU): Dafür muss man etwas machen!)

Meine Damen und Herren, ich habe jetzt eigentlich darauf gewartet,dass diese Regierung neben dem Projekt der Wirtschaftsförderung auch noch etwas anderes sagt. Herr Hahn,Sie haben aber nichts gesagt,außer:Wir müssen uns für Hessen in Europa starkmachen, wir müssen unsere Vertretung in Brüssel dazu ausbauen, damit hessische Wirtschaftsinteressen dort umgesetzt werden können.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Es ging um Arbeits- plätze!)

Herr Hahn,Sie haben da etwas missverstanden.Die Interessenvertretung von Hessen in der Europäischen Union kann doch nicht darin bestehen, dass wir jetzt eine Handelsmission in Brüssel eröffnen oder dort eine Nebenstelle der IHK bilden. Nein, die Hessische Landesvertretung ist eine Vertretung, die allen Bürgern offenstehen soll. Sie müssen sie doch zu einem Bürgerbüro machen, nicht zu einer Handelsvertretung. Das vermisse ich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe des Abg. Horst Klee (CDU) und des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Ich habe schon gesagt: Bei Ihnen stehen Themen wie Verbraucherschutz, soziale Themen, Themen, die sich mit dem Begriff Umwelt beschäftigen, überhaupt nicht im Mittelpunkt. Die Europäische Union hat zukünftig darin einige ihrer Hauptaufgaben. Diesen Hauptaufgaben müssen wir uns in Zukunft widmen.

Wir müssen es schaffen, europäische Wirtschaftspolitik mit der Umwelt zu verbinden. Ich begrüße es ausdrücklich, wenn sich die SPD-Fraktion jetzt auch für einen Green New Deal ausspricht; dann sind wir an diesem Punkt einer Meinung: bei der Verbindung der europäischen Wirtschaftspolitik mit der Umweltpolitik über neue wirtschaftspolitische Ansätze bei der Förderung erneuerbarer Energien, der Förderung der Nachhaltigkeit. Wenn es uns nicht gelingt, das in der europäischen Politik umzusetzen, dann wird es schwer werden, in den nächsten Jahren in Europa glaubhaft diese Umweltpolitik voranzubringen. Dann wird es aber auch für Europa schwer, glaubhaft internationales Gewicht zu erhalten oder zu gewinnen, um diese Dinge auch auf der Weltbühne umsetzen zu können. Das ist von ganz zentraler Bedeutung.

Herr Minister, Sie müssen dafür sorgen, dass die Mittel, die von der Europäischen Union kommen – Sie haben sie hier aufgezählt, das sind nicht unerhebliche Mittel für die Strukturfonds und für den ländlichen Raum –, zielgerichtet in Hessen eingesetzt werden. Das liegt in Ihrer Verantwortung, zusammen mit den Ministerien, die diese Mittel ausgeben.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Ja!)

Ich finde, da ist noch einiges zu tun, um zielgerichtet europäische Mittel in die ländlichen Regionen zu leiten.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Nicht nur in die länd- lichen Regionen!)

Es gibt hier erhebliche Potenziale. Die liegen zum Teil brach. Ich finde, hier ist Ihr Engagement gefragt, damit diese Mittel in den ländlichen Regionen ankommen und dadurch den Leuten auch ein Gefühl gegeben wird, Europa ist ein Projekt, das auch den Leuten vor Ort wirklich etwas bringt.

In jedem anderen Land sehen Sie es deutlich. Dort steht ein großes Schild „Europa fördert...“ Bei uns sehen Sie das nicht. Ich wünsche mir, dass bei vielen Projekten, in denen 30 oder 40 % europäische Mittel stecken, auch dieses Schild steht – damit die Leute wissen: Viele Entwicklungsprojekte in den ländlichen Regionen sind von der Europäischen Union gefördert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ich mir nicht wünsche – wir hatten diese Debatte –, ist, dass europäische Mittel für die ländlichen Regionen abgezweigt werden, um unsinnige Projekte wie den Flughafen Kassel-Calden zu fördern. Das ist mit Sicherheit kein Projekt, wo ich mir ein solches Europa-Schild wünsche.

(Horst Klee (CDU): Fragen Sie einmal den ehemaligen Ministerpräsidenten!)

Ich würde mir auch wünschen,dass Sie bei der Umsetzung vieler nationaler Richtlinien – ich sagte es ja, bei vielen Dingen stehen Sie nicht auf dem Gaspedal – nicht auf der Bremse stünden, sondern national und in Hessen das umsetzen, was die Europäische Union vorgibt.

Was ist denn mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die wir umsetzen müssen? Da denke ich nur an die Werra, an die Versalzung.Wo ist da Hessen?

Ich finde,Hessen muss gerade bei diesem Projekt erst einmal seine Hausaufgaben machen, um dann vielleicht sagen zu können: In Hessen sind wir bei der Umsetzung vieler europäischer Naturschutzrichtlinien führend. – Auch das vermisse ich an dieser Stelle. Herr Hahn, von Ihnen und vom Umweltministerium erwarte ich mir da einfach positive Ansätze und Innovationen, die Sie aus Europa mitnehmen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben es gesagt: 70 % des Rahmens der Umweltgesetze werden im Europäischen Parlament gesetzt. Es sind gerade die Umweltgesetzgebungen, die in erster Linie positiv aus Brüssel kommen. Und wir sagen: Da ist Deutschland nicht immer an der Spitze derjenigen, die in Europa etwas voranbringen. Wir erinnern uns nur an die Kanzlerin, die bekanntlich verhindert hat, dass die Abgasrichtlinie früher in Kraft tritt.

Ich denke, wir haben uns in Deutschland keinen Gefallen damit getan, da auf der Bremse zu stehen. Wir müssen es

als Chance bewerten, dass wir umwelttechnologisch an der Spitze stehen. Das nehmen Sie nicht wahr. Ich wünsche mir, dass Sie das in Zukunft auch einbringen und nicht in vielen Punkten – gerade bei der Umweltgesetzgebung – auf der Bremse stehen.

Eine Kanzlerin, die an die Gletscher fährt, sich dort abbilden lässt und sagt, Europa sei toll, Europa müsse führend sein, aber ein Jahr später bei der Wirtschaftskrise schon wieder sagt, wir sollten all dies einmal vergessen, denn wir müssten uns um die Wirtschaftspolitik kümmern, macht keine glaubwürdige Politik. Die Bürger draußen werden dies merken, und sie werden sich dem auch entgegenstellen.

Europa kann nur gelingen, wenn wir Umwelt und Wirtschaft zusammenbinden und wirklich ein Projekt daraus machen. All das sehen Sie nicht. Sie sehen diese Verbindung nicht. Sie sehen den Umweltschutz immer noch als Bremse. Solange Sie das noch nicht verstanden haben, werden Sie Europa nicht voranbringen. Dafür stehen wir, Herr Hahn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss. Ein Jahrestag – –

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Sie sind doch der gescheiterte Europapolitiker, dann können Sie ja noch etwas dazu sagen und sich zu einer Kurzintervention melden.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich möchte nur noch einen Punkt nennen. Der Auflistung für die Zukunft können Sie noch eines hinzufügen, und zwar warum wir als GRÜNE mit Europa so stark verbunden sind. Denn wir sind die Europapartei. Wir begleiten diesen Prozess, und wir bringen Europa nach vorne.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind vor 30 Jahren zum ersten Mal bei der Europawahl als Gesamtpartei angetreten. Wir haben damals unseren Erfolg begründet. Genau an diese Politik knüpfen wir an. Wenn es jemanden gibt, der über Europa glaubwürdig reden kann, dann sind es wohl die GRÜNEN. Große Europäer wie Daniel Cohn-Bendit

(Zurufe von der CDU: Oh! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, so ist es!)

sind auf europäischer Ebene wirklich diejenigen, die für Europa sprechen. An diese Tradition wollen wir anknüpfen. Das ist kein kleines Karo, wie das Herr Hahn hier von sich gibt, sondern wir brauchen europäische Politik im großen Rahmen und ein Hessen, das vorangeht und nicht auf der Bremse steht. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Häusling. – Herr van Ooyen, ich darf Ihnen jetzt für die Fraktion DIE LINKE das Wort erteilen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt wird die Internationalität der LINKEN zu Grabe getragen!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Häusling, viele von uns in der LINKEN haben die Parole „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ noch nicht vergessen. In diesem Geist sind wir groß geworden, und er hat uns bisher auch noch nicht verlassen.

(Horst Klee (CDU): Die Produktion steht still, wenn der starke Arm es will!)

Herr Klee, es ist auch richtig, dass dies auch für FederalMogul gilt. Herr Klee, es ist ganz wichtig, dass in Ihrer Heimat hier in Wiesbaden die Kolleginnen und Kollegen von Federal-Mogul sagen: „Die Produktion steht still, wenn der starke Arm es will!“ Wenn irgendjemand aus dem Betrieb entlassen werden soll, dann stehen die Kolleginnen und Kollegen jedweder internationaler Herkunft zusammen und sagen: „Nicht mit uns!“ Das ist ganz klar.