Protocol of the Session on May 12, 2009

Herr Klee, es ist auch richtig, dass dies auch für FederalMogul gilt. Herr Klee, es ist ganz wichtig, dass in Ihrer Heimat hier in Wiesbaden die Kolleginnen und Kollegen von Federal-Mogul sagen: „Die Produktion steht still, wenn der starke Arm es will!“ Wenn irgendjemand aus dem Betrieb entlassen werden soll, dann stehen die Kolleginnen und Kollegen jedweder internationaler Herkunft zusammen und sagen: „Nicht mit uns!“ Das ist ganz klar.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist nur der starke Arm von Oskar! Das ist das Problem!)

Erlauben Sie mir zunächst eine Klarstellung: Wir, die LINKEN, die Sozialisten, die Arbeiterparteien, verstehen uns als die ältesten Verfechter des europäischen Gedankens.

(Lachen bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Internationale Solidarität ist ein wesentlicher Teil unserer Geburtsurkunde.

(Beifall bei der LINKEN)

Deutlichster Ausdruck ist unser Nein zum Krieg. Es war Jean Jaurès, der große französische Sozialist, der kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges ausrief,dass Arbeiter nicht auf Arbeiter schießen. Das war die gemeinsame Position der II. Sozialistischen Internationale in Basel im Jahre 1912. Damals bekannten sich auch viele Sozialdemokraten dazu.

Es kam anders. Schuld waren Großmachtinteressen und Profitsucht, Nationalismus und Chauvinismus. Die Zeche zahlten die kleinen Leute mit unermesslichen Opfern. Wenn wir uns heute kritisch mit der Europäischen Union auseinandersetzen, dann deshalb, weil die Menschen darüber mitentscheiden wollen, ob militärisch oder sozial aufgerüstet werden soll. Wir wollen, dass die soziale Verpflichtung des Eigentums Vorrang vor der Freiheit des ungezügelten Marktes hat.

Wir wollen, dass die öffentlichen Dienstleistungen ausgebaut und nicht mit Bolkestein-, Arbeitszeit- und Entsenderichtlinien entsorgt werden.

(Beifall bei der LINKEN – Horst Klee (CDU): Eieiei!)

Und wir wollen,dass der Europäische Gerichtshof den sozialen Rechten Vorrang vor der Profitorientierung geben muss. Dazu brauchen wir eine soziale Grundverständigung, die andere Maßstäbe setzt als der Lissabon-Vertrag.

Dies wird auch durch die jüngste Umfrage belegt, diese zeigte letzte Woche ganz interessant, dass über 70 % der deutschen Bevölkerung Neuverhandlungen über den Lissabon-Vertrag wollen, um der Abrüstung und den sozialen Standards Vorrang einzuräumen.

Deshalb wollen wir LINKEN ein Signal setzen gegen die Phrasen des neoliberalen Einheitsdenkens, die uns vorgaukeln, es gebe keine Alternativen zur herrschenden Po

litik. Angeblichen „Zwängen der Globalisierung“ sowie einer Europäischen Union, die uns lediglich Militarisierung, Umweltzerstörung und weiteren Sozialabbau bringt und gleichzeitig die globale Armut und globale Probleme mehrt, setzen wir eine Globalisierung der Solidarität, des Widerstands und der Alternativen entgegen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Weil wir Armut, Arbeitslosigkeit, soziale Ausgrenzung und prekäre Beschäftigung in ganz Europa nicht hinnehmen, setzen wir uns für eine Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik ein, die sich nicht an Börsennotierungen, sondern an den Bedürfnissen der Menschen und dem Schutz der Natur orientiert. Dazu gehören sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, Mindeststandards bei Kranken-, Arbeitslosengeld und Renten sowie europäische Mindestlöhne. Der Ausbau der Mitbestimmungsrechte gehört für uns zu einem demokratischen Europa,ohne Wenn und Aber.

Qualitativ hochwertige Bildung ist für uns ein öffentliches Gut, zu dem alle Menschen freien Zugang haben müssen. Ein soziales Europa muss in der Lage sein, politische Lösungen zu finden und politische Alternativen zur Militarisierung Europas zu entwickeln. Das Ziel ist eine Weltordnung auf der Grundlage von Frieden und Solidarität.

Die Maßnahmen des GATS-Übereinkommens der WTO, die Dienstleistungsrichtlinie und alle künftige Richtlinien, mit denen die öffentlichen Dienste weiter liberalisiert oder privatisiert werden sollen, werden wir zurückweisen. Die öffentlichen Dienste dürfen nicht zu einer Ware werden, die den Spielregeln des Marktes gehorcht.

Gewerkschafts- und Arbeitnehmerrechte sind zu stärken. Die demokratische Kontrolle der Wirtschaft muss ausgeweitet, die Verursacher der Krise aus Politik und Wirtschaft müssen zur Zahlung herangezogen werden.Vor allen Dingen müssen abgeschlossene Tarifverträge und die Tarifautonomie verteidigt werden.

Die grundlegende Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik, die wir wollen, muss einhergehen mit einer umfassenden, allgemeinen Verkürzung der Arbeitszeit. Nur so ist das Ziel, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, zu erreichen. Die Verkürzung der Arbeitszeit ist auch von großer kultureller Bedeutung.

Wir brauchen eine andere, eine neue Energiepolitik, die auf der Entwicklung neuer Energiequellen und der Einsparung von Energie beruht. Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung sind zu den grundlegenden Erfordernissen zu zählen.

Ein neues europäisches Sozialmodell hat der Gleichstellung der Geschlechter Rechnung zu tragen und muss in alle Politikbereiche integriert werden. Für ein derartiges Sozialmodell werden wir auf die Zusammenarbeit der linken Kräfte gemeinsam hinarbeiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lokal und regional verankerte globale Bewegungen, die auf der europäischen Ebene vernetzt sind, sind die Grundvoraussetzung dafür,dass reale Schritte in Richtung Frieden und individuelle Freiheit, soziale Gleichheit, Solidarität und Vernunft im Umgang mit der Natur gegangen werden.

(Aloys Lenz (CDU): Das ist doch schon geschehen!)

Diese Schritte müssen heute, ausgehend von Verteidigungskämpfen um erreichte soziale und demokratische

Standards, um öffentliche Leistungen und öffentliches Eigentum, durchgeführt werden.

Im Europäischen Sozialforum, im europäischen Sozialforumsprozess wollen wir zum einen die Akteure demokratischer Kämpfe und politischer Aktivitäten auf der lokalen, regionalen, nationalstaatlichen und EU-Ebene europaweit vernetzen – für ein Europa der Menschen, das solidarisch mit den Menschen im globalen Süden und offen gegenüber der Welt ist. Zum anderen wollen wir die globalen Bewegungen für eine Welt freier,sozial gleicher und solidarischer Menschen stärken.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen, ausgehend von unseren Erfahrungen, von unseren alltäglichen sozialen und politischen Aktivitäten und unserer – so haben wir das im europäischen Sozialforumsprozess genannt – „Charta der Prinzipien für ein anderes Europa“, an die Arbeit für einen sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft und Europas gehen.

Die Kriegsursachen wurden und werden durch die Herrschenden in den Zentren der kapitalistischen Weltwirtschaft produziert. Die geltenden europäischen Verträge und die Politik der Europäischen Union sowie ihrer Mitgliedstaaten haben das Anwachsen der Kriegsursachen befördert.

(Horst Klee (CDU): Was ein Blödsinn! – Aloys Lenz (CDU): Das ist eine Unverschämtheit!)

Doch, das ist eindeutig. Die Krise, von der Frau Osterburg überhaupt nicht geredet hat, gibt es in Europa tatsächlich. Ich will es nur einmal andeuten. – Dahinter stehen letztendlich die herrschenden kapitalistischen Produktions- und Konsumtionsweisen, die kapitaldominierten Lebensweisen großer Teile der Bevölkerung für ein solches Produkt.

(Clemens Reif (CDU): Schauen Sie sich einmal selbst an!)

Sie sind zugleich die Ursachen für soziale Nöte, Unterdrückung und Fremdbestimmung, für globale gesellschaftliche Spaltung in Nord und Süd, für Armut, Elend und viele kriegerische Konflikte im globalen Süden, für die Zerstörung des Klimas und der natürlichen Lebensgrundlagen, für die zutiefst ungerechte Aneignung und Nutzung von Energie- und Naturressourcen, von Flächen für die Lebensmittelproduktion.

(Clemens Reif (CDU):Ein Ferienhaus in Bordeaux besitzen und hier den Proletarier spielen!)

Die UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation, FAO, meldete im September 2008, dass sich die Zahl der weltweit Hungernden von 854 auf 923 Millionen Menschen erhöht hat.1,4 Milliarden Menschen gelten als Working Poor. 2,8 Milliarden Menschen leben von weniger als 2 $ am Tag, 1,2 Milliarden von weniger als 1 $.

Die Europäische Union hat einen hohen Anteil an diesen skandalösen Tatsachen. Hier – also in diesem EU-Europa – gibt es offiziell 78 Millionen Arme, darunter 19 Millionen jünger als 17 Jahre. 19 % der Kinder und Jugendlichen unter 17 Jahren leben unter der Armutsgrenze.

Doch in Europa werden die Ressourcen nicht vor allem zur Bekämpfung von Armut eingesetzt. Vielfach werden sie verschwendet und die überlasteten Ökosysteme weiter übernutzt.Vor allem die Konzerne der Energiewirtschaft, aber auch der Automobilbranche, der Chemie- und

Agrarindustrie und das Militär zerstören natürliche Lebensgrundlagen.

(Clemens Reif (CDU): Sie ziehen die Glaubwürdigkeit mit Ihrem Bordeaux – –)

Bordeaux-Wein wird auch von Proletariern hergestellt, der ist ganz köstlich.

In den nächsten zehn Jahren wird entschieden, ob die globale Klimakatastrophe noch abgewendet werden kann. Sie trifft wiederum zunächst die global Ärmsten.

Soziale Ungleichheit bedeutet immer, dass Menschen nicht frei sind, nicht über ihr Leben bestimmen können, dass sie mit Repressionen konfrontiert sind und sich nicht oder nur sehr beschränkt in die Entwicklung der Gesellschaft einbringen können.

(Leif Blum (FDP): Aber eure Gleichheit hat die Freiheit gebracht?)

In diesem Sinne werden wir das Anliegen des GRÜNENAntrages mittragen, zumal wir bereits im Europaausschuss in der letzten Legislaturperiode der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie als Grundlage hessischer Politik zugestimmt haben.

Um es konkret zu machen: Wir wollen die Vervollkommnung der EU-Grundrechtecharta hinsichtlich der sozialen Rechte, der Rechte von Ausländerinnen und Ausländern und des Schutzes der individuellen Freiheitsrechte. Diese sollen unverzüglich umgesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor dem Hintergrund einschneidender EuGH-Urteile zur Arbeitsvergütung, zum sozialen Schutz von Beschäftigten und zu gewerkschaftlichen Aktionsmöglichkeiten fordern wir, die Europäischen Verträge so abzuändern, dass Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Diskriminierung und Sozialabbau geschützt werden.

Es muss sofort aufhören, dass vor den Küsten der EU Menschen ertrinken, dass sich die EU vor und innerhalb ihrer Außengrenzen mit Lagern vor unliebsamen Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten „schützt“.

(Beifall bei der LINKEN)

Menschenrechtswidrige Frontex-Einsätze sollen sofort eingestellt, die „Shame Directive“ aufgehoben werden.