Protocol of the Session on May 12, 2009

Erstens. Wir wollen dazu beitragen, dass die europäische Versicherungs- und Finanzaufsicht mit Sitz der neuen europäischen Bankenaufsicht in Frankfurt am Main neu gestaltet wird.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Zweitens.Wir werden das House of Finance zu einem wissenschaftlichen Kompetenzzentrum und einem Aushängeschild europäischer Finanzforschung und -lehre weiterentwickeln.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Drittens.Wir werden alle wirtschaftsfördernden Aktivitäten des Landes Hessen und die Beratung über die Förderprogramme in einem Antragskompetenzzentrum bündeln und konzentrieren.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Na endlich!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dabei ist mir das neue Antragskompetenzzentrum besonders wichtig. Dieses steht als Servicestelle des Landes interessierten Dritten mit Rat und Tat zur Seite und wird die bereits bestehenden Beratungsstellen unterstützen und vernetzen. Mein Ziel ist es, so eine bestmögliche Förderquote aus europäischen Mitteln für das Land Hessen zu erreichen.

Nicht zuletzt müssen wir auch mehr dafür tun, gut ausgebildete Menschen nach Hessen zu holen. Deshalb will die Hessische Landesregierung mit Stipendiatenprogrammen für Fach- und Führungskräfte in ausgewählten Ländern deren Hessen-Bindung unterstützen.

Von direkter Relevanz für die wirtschaftliche Stärke Hessens in Europa ist aber auch das Engagement der Landesregierung zur Stärkung der deutschen Sprache in Europa. Fast 100 Millionen Menschen haben in der Europäischen Union Deutsch als Muttersprache.Wir werden uns mit aller Kraft dafür einsetzen – das tue ich ganz bewusst in Kontinuität zu meinem Vorgänger Volker Hoff –, dass die deutsche Sprache gegenüber dem Englischen und Französischen innerhalb der Institutionen der EU gleich behandelt wird. Hierbei geht es nicht darum, die Sprachfähigkeit von Europaabgeordneten zu testen. Hierbei geht es darum, den deutschen und hessischen Unternehmen,Vereinen und Bürgern bei Ausschreibungen und Förderanträgen die gleichen Voraussetzungen zu verschaffen, wie sie ihre Konkurrenten in anderen europäischen Staaten haben. Der Wettbewerb darf nicht darunter leiden, dass die deutsche Sprache bei Ausschreibungen vernachlässigt wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Gerade für Hessen als Wirtschaftsstandort spielen Bildungs- und Innovationspolitik eine gewichtige Rolle.Deshalb werden wir dafür sorgen, dass der Europabezug in der Bildung gestärkt wird und entsprechende Initiativen in allen Bildungseinrichtungen fortgeführt und intensiviert werden. Um unsere Jugend fit für den europäischen Wettbewerb zu machen, wollen und müssen wir das Erlernen von Fremdsprachen fördern.

In der Hochschulpolitik werden wir die Rahmenbedingungen für Forschung und Lehre in den Geistes- und in den Naturwissenschaften so ausgestalten, dass die hessischen Hochschulen zu herausragenden Leistungen im nationalen, aber natürlich auch im internationalen Vergleich fähig sind. Dazu wollen wir die universitäre und die außeruniversitäre Forschung besser vernetzen und diese stärker in die europäische Forschungspolitik integrieren.

Um das Profil unseres Bundeslandes im internationalen Wettbewerb zu stärken, treiben wir die Internationalisierung und Außenwissenschaftspolitik voran. Wir wollen die internationale Mobilität von Studierenden steigern und den Austausch von Wissenschaftlern verstärken. Die Wissenschaftskooperationen mit den Partnerregionen in Europa, mit Vietnam, den USA und Australien sowie die Vietnamesisch-Deutsche Universität wird das Land Hessen weiter erheblich unterstützen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen eine schlankere und effizientere Europäische Union. Für die Hessische Landesregierung ist die sogenannte bessere Rechtsetzung im Bereich der Europäischen Union deshalb ein wichtiges Schwerpunktthema.Dies zeigt auch der Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu diesem Thema, der Ihnen bereits vorliegt und den wir nach dem Aufruf des Präsidenten gemeinsam behandeln.

In den schwierigen Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrise ist die Europäische Kommission mehr denn je gefordert, konsequent und zügig Bürokratie abzubauen. Initiativen für eine bessere Rechtsetzung, insbesondere der Abbau von Bürokratie- und Statistiklasten, sind und bleiben eine dauerhafte Herausforderung für alle Ebenen im europäischen Mehrebenensystem. Wichtig ist, dass die Reformbemühungen zu spürbaren Entlastungen bei den Unternehmen, in den öffentlichen Verwaltungen und nicht zuletzt beim Bürger selbst führen. Wichtig ist auch, dass Bund,Länder und die EU bessere Rechtsetzung konsequent als Selbstverpflichtung begreifen.

In der Europäischen Union steht „better regulation“ seit der Deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 ganz oben auf der Agenda. Die EU hat sich als Zielmarke gesetzt, bis zum Jahr 2012 – das ist in drei Jahren – 25 % der Bürokratielasten abzubauen. Bisher hält die Kommission auch ihrem Bekunden nach an dem gesetzten Ziel fest. Sie hat in diesem Zusammenhang zudem Initiativen zur Gesetzesfolgenabschätzung und zur Rechtsvereinfachung gestartet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe allerdings erhebliche Zweifel daran, dass die bisherigen Bemühungen der Kommission ausreichen, um den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Anforderungen zu begegnen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das ehrgeizige Ziel „25 % bis 2012“ nur erreicht werden kann, wenn die Europäische Union ihre Anstrengungen verschärft und sich die europäischen Institutionen auf einen gemeinsamen verbindlichen Fahrplan einigen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Erforderlich ist ein klares Konzept für bessere Rechtsetzung und für Bürokratieabbau auf EU-Ebene, bei dem nicht, wie bisher, alle EU-Institutionen getrennt voneinander ihre Beiträge zur Zielerreichung vorantreiben. Wir brauchen einen Fahrplan „aus einem Guss“, abgestimmt zwischen Kommission, Rat und dem Europäischen Parlament.

Vor allem ist es wichtig, die künftige Rolle der bei der Kommission angesiedelten sogenannten Stoiber-Gruppe zu überdenken. Hier sehe ich ein großes Defizit und erhebliche strukturelle Mängel.

(Beifall des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Wir brauchen für einen effektiven EU-weiten Bürokratieabbau ein Gremium außerhalb der Kommissionsstrukturen, das wirklich unabhängig – so wie auf Bundesebene der Normenkontrollrat – Bürokratiekosten misst und umsetzbare Reduzierungsvorschläge erarbeitet.

Lieber Herr Kollege parlamentarischer Geschäftsführer, das Reizwort „Stoiber“ braucht man in dem Zusammenhang nicht als ein solches Reizwort aufzunehmen, wie Sie es gerade getan haben, sondern es ist ein strukturelles Problem der EU.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Ru- dolph (SPD):Wir wollen das Problem lösen! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Stoiber ist ein Problem, das ist richtig!)

Wir können uns gern mit Stoiber auseinandersetzen. Aber ich glaube, dass das in diesem Zusammenhang nicht von so besonders großer Bedeutung ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,ich will der Debatte über den gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU und FDP nicht vorgreifen. Ich stelle für die Landesregierung fest, dass wir eine Entschlackung der Normen auf europäischer Ebene erwarten. Für uns ist eine starke EU eine schlanke EU, die die Subsidiarität beachtet und die nationalen und regionalen Parlamente ihre Arbeit machen lässt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich bitte noch auf die Möglichkeiten eines Landes wie Hessen eingehen, im Rahmen der europäischen Einigung das Zusammenleben der Menschen zu verbessern. Eine davon sind Regionalpartnerschaften. Nur im wechselseitigen Kennenlernen, im Austausch des Lebensalltags, gelingt ein Zusammenwachsen der unterschiedlichen Nationen, die die Europäische Union unzweifelhaft unter einem Dach beheimatet.

Um auf europäischer Ebene möglichst effizient zusammenzuarbeiten, haben wir, die Hessen, das erste und einzige Mehrregionenhaus – nicht Mehrgenerationen-, sondern Mehrregionenhaus – in Brüssel gegründet.Kollegen aus der Aquitaine, aus der Emilia-Romagna, aus der Wielkopolska und aus Hessen arbeiten hier eng vernetzt zusammen, um für ihre Regionen das Bestmögliche zu erreichen. Diese Zusammenarbeit mit unseren Regionalpartnern in der EU werden wir intensivieren und die Partnerschaften mit den Regionen außerhalb der EU – Wisconsin, Jaroslawl und den beiden chinesischen Provinzen Hunan und Jianxi – politisch und wirtschaftlich weiterentwickeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,eine neue Partnerschaft planen wir mit einer Region in der Türkei. Hier

prüfen wir gerade, welche Region dafür besonders infrage kommt. Ich glaube, wir sind klug beraten, auch nach den Regionalpartnerschaften zwischen hessischen Kommunen und türkischen Kommunen zu schauen; und möglicherweise bietet sich dann sogar eine Region an, in der es bereits eine Reihe derartiger Regionalpartnerschaften gibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Hessische Landesregierung hat den Willen, dass Hessen als Land in der Mitte Deutschlands und im Herzen Europas als leistungsstarke Zukunftsregion seinen Einfluss in der Landes-, Bundes- und Europapolitik entschlossen nutzt. Dabei sehen wir die Europapolitik nicht als weiche Wohlfühlpolitik oder als Betätigungsfeld für Harmoniesüchtige, sondern durchaus auch als eine harte Interessenpolitik an.

Für unser Land, für Hessen, hat der europäische Einigungsprozess zuallererst Frieden und dann auch Wohlstand gebracht. Allein seit 1993 sind durch den Binnenmarkt in der Europäischen Union über 2,5 Millionen Arbeitsplätze neu entstanden. Die Europäische Union hilft uns dabei, unsere Standards zu halten und unsere wirtschaftliche Zukunft zu sichern. Als wichtige Verkehrsdrehscheibe im Herzen Europas und als bedeutender Finanzdienstleistungsstandort mit dem Sitz der Europäischen Zentralbank in Hessen haben wir ein großes Interesse an einer starken und wirtschaftlich integrierten Europäischen Union.

Wichtig sind für Hessen aber auch die Förderprogramme der Europäischen Union. Lassen Sie mich nur einige Beispiele nennen.

Bei den Strukturfonds stehen für den gesamten Förderzeitraum von 2007 bis 2013 EU-Fördermittel in Höhe von 263 Millionen c für den Teilbereich „Regionale Wettbewerbsfähigkeit“ und weitere 186 Millionen c für den Teilbereich „Beschäftigung“ zur Verfügung.Für das Ziel „Europäische territoriale Zusammenarbeit“ stehen voraussichtlich weitere 10 Millionen c an EU-Mitteln für Hessen zur Verfügung.

Für die Landwirtschaft stehen für den Förderzeitraum 2007 bis 2013 insgesamt 218 Millionen c zur Verfügung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dem 6. Forschungsrahmenprogramm der EU, von 2002 bis 2006 aufgelegt, haben sich alle hessischen Hochschulen mit insgesamt 265 Projekten beteiligt. Das entsprach eingeworbenen Mitteln in Höhe von 76,8 Millionen c allein für die Hochschulen. Insgesamt konnten an diesem 6. Forschungsrahmenprogramm 662 hessische Projekte partizipieren und 181 Millionen c an Forschungsgeld nach Hessen fließen.

Ich darf deshalb abschließend darauf hinweisen, dass die europäische Integration, d. h. im Sinne der Präambel des EG-Vertrags der immer engere Zusammenschluss der europäischen Völker, für Hessen als ein Land mit vielen internationalen Unternehmen und mit vielen ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern von hoher Bedeutung ist.

Die Hessische Landesregierung und ich als zuständiger Europaminister bekennen uns ausdrücklich zu dem europäischen Einigungsprozess. Wir treten dafür mit Nachdruck und ganzer Kraft ein.Wenn ich den Antrag der Sozialdemokraten von vor wenigen Stunden sehe, so stelle ich fest, dass wir uns in einem einig sind:Wir als Hessische Landesregierung wollen ganz offensichtlich genauso wie

die sozialdemokratische Fraktion in diesem Hause den Erfolg des Vertragswerks von Lissabon. Das gibt mehr Transparenz und mehr gemeinsames Europa.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, die Fraktionsredezeit wäre zu Ende.

Dabei ist es jedoch wichtig, dass wir neben dem Verfahrenswerk den Gestaltungsprozess so organisieren, dass wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen. Integration und Zusammenleben in Europa müssen deshalb eine Aufgabe sein, wo wir in Kommunikation mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern treten.

Unter dem gemeinsamen europäischen Dach leben inzwischen rund 500 Millionen Menschen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, sie profitieren von den Freiheiten, die die Europäische Union ihren Bürgern gewährt, und sind Nutznießer der Grundfreiheiten, der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit.

Die innereuropäische Migration macht aber inzwischen in fast allen Mitgliedstaaten nur noch einen kleineren Teil des Gesamtkomplexes Zuwanderung aus. So muss sich die EU in den nächsten Tagen und Wochen verschärft auch mit der Einwanderung in die EU beschäftigen. Der Umgang mit der kulturellen Vielfalt ist für den europäischen Einigungsprozess unabdingbar. Völker mit verschiedenen Sprachen, verschiedenen Traditionen, verschiedenen Kulturen,mit einer häufig zueinander im Konflikt stehenden geschichtlichen Entwicklung – ich darf nur an die Konflikte zwischen Frankreich und Deutschland, nicht nur im letzten Jahrhundert erinnern –: Diese verschiedenen Völker in einem gemeinsamen Europa in Frieden und Freiheit zu organisieren, das muss und das wird die Arbeit einer vernünftigen Europapolitik einer Landesregierung und auch dieser Landesregierung in den nächsten Jahren sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich möchte deshalb dafür werben, dass die Bürgerinnen und Bürger am 7. Juni – das ist in vier Wochen – zur Wahl gehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, werben wir dafür, dass eine hohe Wahlbeteiligung zum einen ein klarer Auftrag für die Parlamentarier in Europa ist, Politik für die Bürgerinnen und Bürger zu machen. Werben wir dafür, dass eine hohe Wahlbeteiligung aber auch die Durchsetzungsfähigkeit deutscher Interessen in Europa stärkt.

Ich darf deshalb namens der Landesregierung in Zusammenhang mit der Europawahl zum Abschluss, an unsere Bürgerinnen und Bürger gerichtet,sagen:Bitte gehen Sie zur Europawahl. Am 7. Juni gibt es die Wahlmöglichkeit. Moralisch ist es eine Wahlpflicht für Freiheit und Frieden in Europa. – Vielen herzlichen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Vorsitzenden der Fraktion der SPD, Herrn Abg. Schäfer-Gümbel, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hahn, zunächst ganz herzlichen Dank für die Regierungserklärung zur europäischen Integration.