DIE LINKE will diese Anpassung nicht von den Kindern verlangen, und sie will die nicht Angepassten bzw. die nicht Anpassungsfähigen nicht herabstufen oder aussondern lassen. Insofern ist für uns die Querversetzung ein Instrument – das gilt auch für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die die Möglichkeit der Wahl zwischen G 8 und G 9 propagieren – eines sich immer weiter aufgliedernden und sich ausdifferenzierenden Schulsystems. So weit, so gut.
Wir haben uns trotzdem entschieden, dem Gesetzentwurf mit seinen Änderungen – auch inklusive des geänderten Passus zur Querversetzung – zuzustimmen, weil sich in diesem Bereich kleine Verbesserungen abzeichnen.
Als Fortschritt gegenüber der alten Fassung ist zu sehen, dass erstens die Möglichkeit der Querversetzung nicht schon im ersten Halbjahr der Klasse 5 greifen kann, zweitens die Querversetzung als Ausnahme formuliert wird – wobei nicht ganz klar ist, wie dies umgesetzt wird –, drittens die Eltern zumindest angehört werden sollen und viertens nach der 6. Klasse keine Querversetzung mehr möglich sein soll.
Mit Bedauern haben wir festgestellt, dass der Passus mit der Grundschulempfehlung herausgefallen ist. Da, wo eine Abstufung geplant ist, können Grundschulen aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit dem Kind unseres Erachtens durchaus wertvolle Hinweise geben. Unserer Einschätzung nach hätte man die Grundschulen zumindest anhören sollen.
Nun gut, wir haben abgewägt und uns die Sache nicht leicht gemacht. Da die vorgesehenen Änderungen gegenüber dem vorherigen Status,als die Möglichkeit der Querversetzung noch unhinterfragt im Schulgesetz stand, zumindest als eine Verbesserung anzusehen sind,werden wir nun auch dem Passus mit der Querversetzung zustimmen.
Bei dem Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden wir uns wie auch schon nach der ersten Lesung im Ausschuss verhalten. Wir unterstützen, dass im
Schulsystem wieder die Durchlässigkeit als Maxime gesetzt wird, auch wenn das bisher nur ein Appell ist.
Bei dem Passus, wonach eine Wahl zwischen G 8 und G 9 ermöglicht wird, werden wir uns enthalten. Wir begrüßen es zwar, dass die Schulen wieder zu G 9 zurückkehren können,sehen es aber nicht als sinnvoll an,dass die Eltern über die Resilienz ihrer neun- bis zehnjährigen Kinder in den kommenden acht bis neun Schuljahre urteilen müssen,um zu entscheiden,ob das Kind G 9 oder doch G 8 besucht.„Resilienz“ verstehe ich – Zitat – als „die Fähigkeit, auf die Anforderung wechselnder Situationen flexibel zu reagieren und auch stressreiche, frustrierende oder sonst wie schwierige Lebenssituationen zu meistern“.
Eine solche schwierige Lebenssituation ist meines Wissens bei vielen Jugendlichen die Pubertät. Auch aus diesem Grund haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem alle Kinder eine sechsjährige, voll durchlässige Mittelstufe besuchen und gegebenenfalls in der Oberstufe die Restzeit verkürzen. Darüber wird noch zu sprechen sein. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Wagner,Sie haben behauptet,es handele sich um wichtige Korrekturen in der Schulpolitik und am Schulgesetz. Es tut mir sehr leid: Diese Meinung kann ich nicht teilen. Es sind nicht wichtige Korrekturen – im Gegenteil. Das, was Sie mit diesen Gesetzesänderungen vorlegen, täuscht Hilfe vor, tut nach außen so, als würde sich wirklich sehr viel ändern, aber im Grunde ändert sich nicht sehr viel.
Das,was hier gemacht werden soll,sind Absichtserklärungen, denen aber der Boden fehlt und denen die Taten nicht folgen – z. B. beim Thema Durchlässigkeit.Alle Anzuhörenden waren sich einig, es nützt nichts, wenn Durchlässigkeit in das Schulgesetz geschrieben wird, aber keinerlei Hilfsmaßnahmen eingeführt werden, um diese Durchlässigkeit in irgendeiner Form voranzutreiben. Das tun Sie. Es wird Durchlässigkeit hineingeschrieben, aber es passiert nichts, um in irgendeiner Form als Stützmaßnahmen diese Durchlässigkeit herzustellen.
Da sage ich Ihnen sehr klar und sehr deutlich: Der Begriff der Anschlussfähigkeit ist ehrlicher, und er muss mit Leben gefüllt werden. Es muss wirklich so sein, dass, wenn ich eine Abschlussprüfung mache, sofort die Tür zum nächsthöheren Bildungsabschluss offen steht. Das ist ehrlicher den Schulen und den Eltern gegenüber, anstatt das Wort „Durchlässigkeit“ einzufügen, was früher unter Holzapfel auch drin war. Die Durchlässigkeit war von oben nach unten und nicht von unten nach oben.
Beide Gesetzentwürfe sind inhaltlich ideologisch motiviert. Sie beziehen sich auf kleine Teilbereiche des hessischen Schulwesens und lassen dadurch einen Flickenteppich entstehen. Außerdem werden sie noch mit Zufallsmehrheiten beschlossen, die dann vielleicht einmal im Ausschuss hierhin und einmal im Ausschuss dahin und im Plenum schon wieder in irgendeiner Form korrigiert werden. Auf jeden Fall lässt sich keine klare Linie in der Schulpolitik erkennen.Das ist etwas,was in der Anhörung und gestern beim Verband der Schulaufsichtsbeamten bemängelt wurde.
Frau Habermann, ich fordere die SPD auf, wirklich endlich einmal klar zu sagen, was sie eigentlich will. Wollen Sie das Gymnasium durch die Hintertür auflösen und zu einer Gesamtschule machen? Was wollen Sie mit den integrierten Gesamtschulen machen? Wollen Sie auch mit ihrer Binnendifferenzierung aufhören? Wie soll es mit den kooperativen Gesamtschulen weitergehen? Wollen Sie alles in ein Haus der Bildung: alle Kinder rein, keiner kann mehr raus, keiner kann sitzen bleiben? Die Frage ist: Wo endet das Ganze? Sie sagen nicht sehr deutlich, was Sie da wollen.
Sämtliche Anzuhörende haben sehr klar gesagt, es wäre sinnvoller, man macht ein Schulgesetz aus einem Guss. Dann ist die Haltung besser, erst einmal die Brandherde zu löschen, die den Schulen momentan auf den Nägeln brennen, und dann in aller Ruhe zu überlegen, wohin die Reise gehen soll. Das könnten Sie dann mit eventuell irgendwie zusammengesetzten Mehrheiten machen.
Bei der Abstimmung im Kulturpolitischen Ausschuss haben Sie ein Waterloo erlebt.Das ist ja typisch bei der SPD. Wenn man Mehrheiten haben will, muss man sie organisieren. Das müssen Sie augenscheinlich noch lernen. Erst haben Sie die Querversetzung gestrichen, ohne die GRÜNEN zu fragen,ob sie damit einverstanden sind.Dann haben Sie mit den GRÜNEN einen Kompromissvorschlag eingebracht, ohne die LINKE zu fragen, ob sie damit einverstanden ist.
Das führte dann zu einer äußerst chaotischen Abstimmung im Kulturausschuss. Im Grunde genommen kommen Sie jetzt mit dem Antrag wieder. Ich weiß nicht, was Sie der LINKEN versprochen haben,damit sie diesem zustimmt.
Im Grunde genommen sage ich Ihnen ehrlich, wenn Sie das hier alles ernst nehmen würden, dann würden Sie selber sagen: Wir brauchen noch eine dritte Lesung; wir brauchen noch einmal eine Runde im Kulturpolitischen Ausschuss. – Das wäre wirklich ein ernsthafter Umgang mit diesem Schulgesetz.
Sie ändern hier bestimmte Dinge,die keine klare Linie erkennen lassen und die wirklich einen Flickenteppich zurücklassen. Zum Antrag betreffend Querversetzung sage ich Ihnen:Dass Sie das nur noch in Klasse 5 und 6 machen, passt nicht damit zusammen, dass Sie die zweite Fremdsprache in Klasse 5, 6 oder 7 – wie insbesondere es die GRÜNEN wollen – einführen.
Wir haben damals gesagt: Klasse 5 und 6 – Klasse 6 ist richtig, weil die zweite Fremdsprache beginnt. Die zweite Fremdsprache kann in Klasse 7 beginnen oder soll nach den GRÜNEN in der Klasse 7 beginnen. Dann gibt es aber keine Querversetzung mehr.
Dass die IGS zweizügig sein soll, ist in sich auch nicht schlüssig.Wenn wir eine integrierte Gesamtschule haben, wie wir sie auch fordern, dann muss sie Gymnasialschüler und Realschüler und auch Hauptschüler haben. Das heißt, man muss dreierlei differenzieren können. Deshalb ist es nicht sinnvoll und logisch, wenn Sie plötzlich eine zweizügige IGS zulassen.
Das Gleiche gilt für die Forderung der GRÜNEN nach der Durchlässigkeit der Lehrpläne. Sie ist in sich auch nicht schlüssig. Sie ist vor allen Dingen kontraproduktiv zu der Entwicklung von Bildungsstandards und Kerncurricula. Wenn wir sagen, wir wollen Kerncurricula haben – darauf haben wir uns beim Thema G 8 verständigt –, dann können wir nicht Lehrpläne haben, die für G 8 und G 9 gleich sind. Auch das ist in sich nicht schlüssig. Sie wollen abgespeckte Lehrpläne für G 8. Sie wollen aber auch die gleichen Lehrpläne für G 9, damit die Durchlässigkeit gewährleistet werden kann.
Beim Thema Eigenverantwortung sieht man bei der SPD, dass sie Eigenverantwortung nur ein bisschen will, anstatt dass sie den Schulen freistellt, was für sie verlässliche Schule ist. Was für Sie verlässliche Schule ist, das schreiben Sie ihnen wieder vor. Einen bestimmten Zeitrahmen muss es geben.Wenn man Eigenverantwortung will, dann muss man diesen Schritt richtig gehen.
SPD und GRÜNE setzen die Schulen in eine Achterbahnfahrt,wo während der Fahrt nicht einmal klar ist,wohin die Richtung geht. Wir werden nur dem Gesetzentwurf zustimmen, der den kooperativen Gesamtschulen die Wahlfreiheit gewährt.
Vielen Dank, Frau Henzler. – Ich darf für die Landesregierung Herrn Staatsminister Banzer das Wort erteilen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich daran denke, wie dieser Antrag der SPD zur Veränderung des Schulgesetzes am Anfang ausgesehen hat und über was wir heute abstimmen, dann, muss ich sagen, ist es wenigstens nicht ganz so schlimm gekommen wie zunächst befürchtet, insbesondere wenn ich Revue passieren lasse, wie in den Schulen – es sind alle angetreten, für die Schulen Politik zu machen – diese Vorschläge
Eine klare Linie ist nicht erkennbar. Die Idee, an die Querversetzung zu gehen,muss man sich im Einzelfall des betroffenen Schülers unmittelbar vorstellen. Da sitzt so ein armer Kerl im Gymnasium, weil die Eltern darauf bestehen, dass er aufs Gymnasium soll, und er kommt nicht mit. Er schafft es nicht, aber die Eltern bestehen darauf, er muss da bleiben.
Ich finde es nicht in Ordnung, dass man der Schule und dem betroffenen Schüler an sich keinen Exit gibt, keine Möglichkeit gibt, dass er aus dieser Situation herauskommt. Das ist schwierig für die Klasse, die diesen Schüler hat. Sie wird Rücksicht nehmen – wir wollen in der Schule ja Toleranz. Das ist schwierig für den Lehrer. Er wird Rücksicht nehmen und versuchen, noch zu helfen, soweit es geht. Aber dieser Schüler wird eine Bildungsniederlage nach der anderen erleben.
Deswegen bin ich ja froh,dass es jetzt einen halben Schritt zurück gegeben hat. Aber wenn man sich anschaut, wie verantwortlich die Schulen mit der Querversetzung umgegangen sind, hätte es nicht geschadet und wäre im Gegenteil im Interesse der wenigen Fälle gewesen, wenn man dort diese klare Option für die Schulen gelassen hätte.
Mit tut es auch leid um die integrierten Gesamtschulen, weil man sie, wenn man sie als eine Alternative zu den anderen Schulangeboten im hessischen Schulwesen ansieht, dann auch konsequent profilieren muss. Und zur konsequenten Profilierung gehört die Binnendifferenzierung. Wenn Sie die Zweizügigkeit als Vorgabe machen, schaden Sie der Idee der integrierten Gesamtschule. Ich wundere mich darüber und weiß nicht, ob dieses Konzept in dieser Weise durchdacht ist.
Ich bin froh, dass es jetzt eine klare Entscheidung für die Wahlfreiheit der kooperativen Gesamtschulen gibt. Das wird zur Beruhigung der Diskussion beitragen. Ich nutze die Gelegenheit – ich sage es bei jeder Möglichkeit –: Es ist keine Tür, die im Juni 2008 zugeht, sondern die Schulen, für die das zu hektisch wird, die das Gefühl haben, dass es nicht so eindeutig zu entscheiden ist, und die sagen: „Schauen wir uns einmal an, wie diese Neuerung im G 8 tatsächlich wirkt und ob das nicht Schule nach G 8 leichter möglich macht“, haben die Möglichkeit, ausdrücklich – so ist es in diesem Gesetz vorgesehen – in aller Gelassenheit im kommenden Schuljahr zu diskutieren, mit allen beteiligten Gremien zu überlegen und dann in aller Gelassenheit eine Entscheidung zu treffen und das kommende Schuljahr 2009/2010 entsprechend organisatorisch vorzubereiten.