Gleichzeitig habe ich Sie darüber unterrichtet, dass wir mit den Gewerkschaften sprechen. Aus meiner Sicht ist das konstruktiv verlaufen. Sie haben der Presse entnehmen können, dass wir seit gestern Morgen versucht haben, Lösungen zu finden.
Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir unmittelbar vor Beginn dieser Plenarsitzung mit der Gewerkschaft ver.di, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Gewerkschaft der Polizei, der Industriegewerkschaft Bau und der Deutschen Beamtenbund Tarifunion eine Vereinbarung für Hessen abschließen konnten.
Darüber darf ich Sie unterrichten. Diese Vereinbarung hat folgenden Text. Sie nennt sich „Eckpunktevereinbarung“ und wird nach der Zustimmung durch die Gewerkschaftsgremien und einer entsprechenden Erklärung durch die Landesregierung zum Tarifvertrag:
Prämbel: Seit April 2004 gehört das Land Hessen nicht mehr der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) an. Die Gewerkschaften streben an, durch eine Rückkehr in die TdL eine langfristige und unmittelbare Tarifbindung zu erreichen. Das Land Hessen verfolgt hingegen das Ziel,in Anlehnung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L) unter Berücksichtigung hessischer Besonderheiten ein eigenes Tarifrecht zu schaffen.
Ungeachtet der unterschiedlichen Grundpositionen haben sich die Tarifvertragsparteien im Interesse der hessischen Beschäftigten auf die nachfolgenden Eckpunkte verständigt:
I. Gemeinsame Arbeitsgruppen werden beauftragt, zeitnah Entwürfe zur Regelung des Manteltarifrechts, des Übergangsrechts sowie weiter erforderlicher Tarifverträge zu erarbeiten.
II. Im Vorgriff auf diese tarifvertraglichen Regelungen soll unverzüglich ein gesonderter Tarifvertrag „Einkommensverbesserung 2008“ abgeschlossen werden, der folgende Eckpunkte enthält:
Die Tarifbeschäftigten erhalten für 2008 eine Einkommenserhöhung mit einem Volumen von 3 v. H., und zwar:
1. Rückwirkend zum 1. April 2008 wird die Vergütung linear um 3 v.H.erhöht.Basis der Erhöhung ist die maßgebliche tarifliche Vergütung nach den am 1. Mai 2004 jeweils geltenden Tarifverträgen.
2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass diese zum 1. April 2008 geltende lineare Erhöhung von 2,4 v. H. nach § 3 des Hessischen Gesetzes über Einkommensverbesserungen für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst des Landes Hessen vom 15.November 2007 angerechnet wird.
gewährt. Basis der Einmalzahlung ist die maßgebliche tarifliche Vergütung nach den am 1. Mai 2004 jeweils geltenden Tarifverträgen.
4. Ferner wird für das Jahr 2008 zum gleichen Zahlungszeitpunkt eine Einmalzahlung geleistet, und zwar in den Vergütungs-/Lohngruppen...
Ich schenke mir jetzt die Einzelheiten, ich sage einmal: bis Vergütungsgruppe Vc BAT und vergleichbar 150 c, darüber 100 c, für Auszubildende ebenfalls 100 c.
Kündbar ist dieser Tarifvertrag mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats, frühestens zum 31.12.2008.
III.Es besteht Einvernehmen darüber,dass die Einkommensentwicklung des Jahres 2009 gesondert verhandelt und vereinbart werden soll.
IV. Die Tarifpartner streben an, dass der Beamtenbereich an der Einkommensverbesserung 2008 entsprechend teilnimmt. Sie sind sich der Tatsache bewusst, dass über die Besoldungserhöhung der Landtag als Gesetzgeber entscheidet.
Für diese Vereinbarung haben die beiden Partner eine Erklärungsfrist bis zum kommenden Montag, 18 Uhr. Nach Rücksprache mit dem Ministerpräsidenten kann ich für die Landesregierung erklären: Die Hessische Landesregierung wird ihr Einverständnis zu dieser Vereinbarung erklären. Ich bin zuversichtlich, dass auch die Gewerkschaften – ich habe Ihnen vorgetragen, mit wem wir diesen Vertrag geschlossen haben – ebenfalls in ihren Gremien Zustimmung finden.
Meine Damen, meine Herren, das Volumen, um das es hier geht, ist für den reinen Tarifbereich mit zusätzlich 28 Millionen c in diesem Jahr und bei Übertragung auf die Beamtenschaft mit zusätzlich 56 Millionen c in diesem Jahr anzusetzen. Das heißt, das, was hier vereinbart ist, und wenn das Haus das so umsetzt, bedeutet ca. 84 Millionen zusätzliche Finanzbelastung.
Meine Damen und Herren, daraus folgt, dass es trotz einer sehr unterschiedlichen Grundposition gelungen ist, Blockaden zu überwinden,
und zwar zwischen den Gewerkschaften einerseits und der geschäftsführenden Landesregierung andererseits. Daraus folgt weiterhin zweierlei. Die Landesregierung ist handlungsfähig,
und unsere Bediensteten erhalten eine deutliche Einkommensverbesserung. Darüber freue ich mich sehr. Sie dürfen mir glauben, die Verhandlungen waren nicht einfach.
Herr Kollege Kahl, wenn Sie mir diese Bemerkung noch erlauben: Wenn ich Ihnen vorgetragen hätte, dass ich Ihnen einen hessischen Tarifvertrag mit den hessischen Gewerkschaften von GEW bis GdP vorlege, hätten Sie es vielleicht auch nicht für sicher gehalten.
Ich freue mich außerordentlich, dass es uns gelungen ist – nicht wegen mir, sondern wegen der Beschäftigten des Landes.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ein großer Erfolg! – Günter Rudolph (SPD), lachend: Unglaublich!)
Vielen Dank, Herr Staatsminister Bouffier. – Meine Damen und Herren, zu dieser Erklärung der Regierung ist uns ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Abschluss eines Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst vorgelegt worden. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist so. Er wird dann Tagesordnungspunkt 66 und wird mit dieser Erklärung der Regierung aufgerufen.
Herr Präsident, ich möchte darauf hinweisen, dass ein weiterer Dringlicher Antrag dazu eingebracht wird. Da wir jetzt erst die Erklärung des Ministers gehört haben, müssen wir noch einen kleinen Moment warten, bis der Antrag umgedruckt ist. Wir mussten erst abwarten, was der Minister sagt. Deswegen bitte ich, darauf zu achten, dass dieser Dringliche Antrag jetzt auch umgehend verteilt wird. – Eine Redezeit von fünf Minuten wäre sicherlich angemessen.
Sobald der Antrag vorliegt, werde ich ihn mit aufrufen. – Wir können dann in die Aussprache eintreten. Als erste Wortmeldung liegt mir vor: Frau Kollegin Ypsilanti, Vorsitzende der SPD-Fraktion.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Bouffier,Sie haben es schon gesagt.Wir haben in den letzten Wochen hier wirklich sehr heftige Diskussionen um den Eintritt Hessens in die TdL geführt. Ich kann mich an die letzte Debatte erinnern, als es nicht genug war, dass Sie dazu gesprochen haben, sondern dass als Chef noch einmal in den Ring musste, um die ganze Chose zu erklären, warum die Weigerung so richtig war, die Sie uns hier vorgetragen haben.
Heute stelle ich fest, dass die Landesregierung ihre absolute Blockadehaltung nicht so ganz aufrechterhält. Aber ich sage auch: Der Eintritt des Landes Hessen in die Tarifgemeinschaft der Länder ist damit nicht vom Tisch.
Ich kann Ihren Applaus verstehen, wenn man am 27. Januar so eine Klatsche wie Sie gefangen hat, dass man sich dann freut, wenn man den Angestellten dieses Landes wieder etwas Nettes sagen kann,
nachdem sie jahrelang von Ihnen nichts gehört haben. Aber klar ist doch auch, dass das nicht auf Vernunft und Einsicht basiert, sondern dass es die neuen Mehrheitsverhältnisse in diesem Landtag waren, die Sie unter Druck gesetzt haben, so etwas zu machen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Christean Wag- ner (Lahntal) (CDU): Sie freuen sich mit uns mit, Frau Ypsilanti!)
Wir freuen uns natürlich schon, dass die Angestellten dieses Landes nicht mehr ihren Kollegen in anderen Ländern nachstehen und ein Stück an den Entwicklungen beteiligt werden.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Freuen Sie sich, oder freuen Sie sich nicht, oder ärgern Sie sich?)
Aber ich sage auch: Es ist ein richtiger Schritt Hessens auf einem weiteren Weg zu sozialer Gerechtigkeit.Den haben Sie nicht zu verantworten, sondern uns zu verdanken, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Widerspruch des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))
Es ist gut, dass ein Ende des Tarifdiktats stattgefunden hat.„Ein Ende des Tarifdiktats“ heißt,dass nicht mehr per Gesetz vorgeschrieben wird, was die Gehaltsentwicklung der Angestellten ist, sondern dass dieser Abschluss zwischen den Tarifvertragsparteien auf Augenhöhe stattgefunden hat und ausgehandelt wurde. Ich stelle auch fest: Was ist eigentlich aus der Diskussion um die Horrorzahlen geworden, die Sie uns im letzten Plenum um die Ohren gehauen haben?