Protocol of the Session on June 3, 2008

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Wissen Sie, was Sie da sagen?)

Wer kämpft, kann auch gewinnen. Es lohnt sich, aktiv zu werden und für seine Rechte zu kämpfen. Ich hoffe, das hessische Beispiel kann Motivation und Inspiration für andere soziale Bewegungen in ganz Deutschland sein und diese für ihre eigenen Kämpfe stärken.

Die Studierenden in Hessen waren ausdauernd und hartnäckig. Über zwei Jahre hinweg haben wir uns nicht einfach mit dem abgefunden, was die Landesregierung uns vorsetzte, sondern haben uns organisiert und sind aktiv geworden.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Ich erinnere mich noch an die erste Vollversammlung an der Frankfurter Uni, fast auf den Tag genau vor zwei Jahren, zu der Tausende von Studierenden kamen. Im Anschluss zogen wir als Demonstrationszug durch die Innenstadt. Das war der Auftakt für einen Protestsommer, wie in Hessen lange nicht erlebt hat: Kreuzungen wurden blockiert, Bahnhöfe besetzt und Autobahnen lahmgelegt, das Wissenschaftsministerium wurde besetzt. Mehrere bundesweite Studierendendemonstrationen fanden in Hessen statt. Es gab Versuche, diese Bewegung zu kriminalisieren: durch Massenverhaftungen, durch Drohungen, durch unverhältnismäßig harte Urteile.

(Axel Wintermeyer (CDU): Keine Gerichtsschelte! – Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Für uns ist klar: Protest ist ein Grundrecht und muss geschützt werden. Die Studierendenbewegung 2006 hat viele junge Menschen politisiert und aktiviert. Nicht nur Studierende, auch Schülerinnen und Schüler streikten und gingen auf die Straße. Gemeinsam mit den Gewerkschaften wurden über 80.000 Unterschriften im Rahmen der Verfassungsklage gesammelt. Was mich persönlich an dieser Bewegung mit am meisten beeindruckt hat, waren die Solidarität und die Sympathie der Passanten und der Rückhalt in der Bevölkerung. All das hat schließlich zum Erfolg geführt, trotz aller angeblichen Sachzwänge und leeren Kassen. Der größte Sachzwang sind immer noch die Menschen auf der Straße, wenn sie aufstehen und sich wehren.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Walter Lübcke (CDU): Der Beifall kam aber spät!)

Nun muss Roland Koch – er ist jetzt nicht da – als geschäftsführender Ministerpräsident die Studienbeiträge wieder abschaffen. Es ist eine Genugtuung für die Gebührengegner in Hessen, dass Koch, auf der Regierungsbank sitzend – gerade nicht physisch –, die Abschaffung seines eigenen Gesetzes nicht verhindern kann.Nach dem Abgang des zuständigen Ministers ist jetzt auch das Gesetz passé. Den Antrag, den wir heute vorliegen haben, kann ich nur als hilflosen Versuch werten, noch irgendetwas aufzuhalten, was nicht aufzuhalten ist. Das ist der Erfolg der Studierenden in Hessen, und das kann nur ein Anfang sein.

(Axel Wintermeyer (CDU):Auf Steuerzahlers Kosten!)

Den Studierenden in den Bundesländern, in denen es noch Studiengebühren gibt, sei gesagt: Was in Hessen möglich ist, ist auch anderswo möglich – für Solidarität und freie Bildung.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Walter Lübcke (CDU): Das wars schon?)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Frau Wissler. – Frau Beer, bitte schön. Sie haben das Wort für die FDP.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion hält den Beschluss,der heute in diesem Haus gefasst werden soll, zur Abschaffung von Studiengebühren für völlig falsch –

(Beifall bei der FDP und der CDU)

aus strukturellen Gründen, aus finanziellen Gründen, aus rechtlichen Gründen, aber vor allem aus Gründen der Qualitätsverbesserung. Die Entscheidung darüber, ob an hessischen Hochschulen Studiengebühren erhoben werden und, wenn ja, in welchen Studienfächern und in welcher Höhe, gehört in die Autonomie der Hochschulen. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist ein wichtiger Punkt der Kompetenzen unserer Hochschulen.

(Beifall bei der FDP)

Statt in Hessen ein Studiengebührenverbot auszusprechen, sollten Sie unseren Hochschulen diese Autonomie zugestehen, selbst zu entscheiden, wie sie sich in dieser Frage positionieren, selbst darzulegen, dass sie eine Qualität anbieten, die es Studierenden wert ist, hierfür Stu

diengebühren zu investieren, und den Studierenden die Möglichkeit geben, endlich eine Nachfragemacht gegenüber den Hochschulen auszuüben und damit zum bestimmenden Element an unseren Hochschulen und der Hochschulentwicklung zu werden, und vor allem auch einen Leistungswettbewerb in unserem Land unter den Hochschulen zu fördern.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Stattdessen zeigt die vereinigte Linke dieses Hauses heute nur, dass sie ein Problem damit hat, dass Hochschulen autonom agieren und ihre eigenen Entscheidungen im Rahmen ihrer Kompetenzen treffen; denn sie traut ihnen nicht zu, dass sie mit der Frage der Erhebung von Studiengebühren, mit der Frage der Qualitätssteigerung, mit der Frage der von ihnen angebotenen Leistungen kompetent umgehen.

(Beifall bei der FDP)

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie schon heute dazu kommen, Studiengebühren zu verbieten – die Kollegin Kühne-Hörmann hat darauf hingewiesen –,dann sollten Sie doch wenigstens aus der Entwicklung der Zahl der Langzeitstudierenden lernen, und dann sollten Sie wenigstens den Hochschulen ermöglichen, Langzeitstudiengebühren zu nehmen. Denn in den letzten Jahren hat sich eindeutig ergeben, dass die Anzahl der Langzeitstudierenden mit diesem Steuerungsinstrument ganz erheblich reduziert werden konnte. Über 60 % weniger Langzeitstudierende an unseren Hochschulen – diesen Erfolg sollten Sie nicht aufs Spiel setzen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich komme aber noch zu einigen anderen Kritikpunkten, die hier noch nicht angesprochen worden sind.Ich wiederhole an dieser Stelle, dass ich sowohl die Höhe als auch das Verfahren der von Ihnen vorgesehenen Gegenfinanzierung abenteuerlich finde.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die Höhe der Gegenfinanzierung, die Sie heute beschließen werden, und zwar in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs, diese 23 Millionen c, die der Kollege Siebel hier erwähnt hat, decken das Haushaltsrisiko für das Land Hessen nicht ab, und das wissen Sie. Es ist in der Anhörung deutlich geworden, und es findet sich in dem Brief, den der Kollege Siebel vorhin erwähnt hat, von Frau Wissenschaftsministerin Lautenschläger an Sie, dass es ein weiteres Haushaltsrisiko von 12 bis 14 Millionen c gibt, das aus den Schadenersatzforderungen der LTH bei der Rückabwicklung des Darlehensmodells entstehen kann. Für diese 12 bis 14 Millionen c treffen Sie keinerlei Vorsorge. Herr Kollege Schmitt, es kommt doch nicht von ungefähr, dass der neue Haushaltsaufstellungserlass des Finanzministeriums gerade diesen Betrag als einzusparenden Betrag für das Haushaltsjahr 2009 in diesem Bereich vorsieht.

Die Auswirkungen, die dies auf unsere Hochschulen, aber auch auf den Kulturbereich haben wird, haben Sie dann zu verantworten.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Für ausgesprochen bedenklich halte ich den Umgang der Landtagsmehrheit mit der Hessischen Verfassung, wenn es um diese Gegenfinanzierung geht.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Oh!)

In der Anhörung waren die dort befragten Verfassungsrechtler einer Meinung.

(Norbert Schmitt (SPD):Nein,sie waren nicht einer Meinung!)

Die Anhörung hat eindeutig ergeben, dass es zur Auszahlung der Kompensationsmittel für den Ausfall der Studiengebühren an einer Ausgabenermächtigung im Haushalt fehlt.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Walter Lüb- cke (CDU))

Sie werden auch im Brief der Wissenschaftsministerin vergeblich nach einer Position suchen, die für den laufenden Haushalt 2008 diese Ausgabenermächtigung vorsieht. Dies müsste über eine Änderung des Haushaltsgesetzes 2008 erfolgen. Diese Änderung hätten Sie im laufenden Gesetzgebungsverfahren durch den Einschub eines weiteren Artikels in dem von Ihnen heute zu beschließenden Gesetz vornehmen können und müssen. Dabei bleiben wir als FDP-Fraktion.

Seien Sie dessen versichert, wir wollen als Liberale auch nicht, dass die Hochschulen aus dem Verhalten von SPD und GRÜNEN noch weitere Nachteile haben. Auch wir wollen, dass die Hochschulen diese Kompensationsmittel bekommen.Wir kritisieren sogar, dass Sie diese Kompensationsmittel nicht dynamisieren, d. h. dass Sie sie nicht an die Entwicklung der Studierendenzahlen anpassen, sondern dass sie gedeckelt sind und dass damit letztendlich die Schere des Ausgleichs immer größer werden wird.

Meine Damen und Herren, wir finden es aber schon sehr bedenklich, wie hier mit verfassungsrechtlichen Bedenken umgegangen wird, nur um politischen Opportunitäten zu genügen. Das kann man nur als verantwortungslos bezeichnen.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiterer Punkt, wo Sie den Hochschulen Steine statt Brot geben, ist die Kapazitätswirksamkeit der von Ihnen vorgesehenen Kompensationsmittel. Es hat keine einzige Stimme gegeben, die Ihnen zugestimmt hätte, dass die Landesmittel, die Sie als Ersatz für den Ausfall der Studiengebühren vorsehen, nicht kapazitätswirksam werden. Sie haben das große Problem – Sie haben es auch mit Ihren Änderungsanträgen nicht beseitigen können –, dass Sie nach der NC-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit diesen zusätzlichen Landesmitteln nur zusätzliche Studienplätze finanzieren können, aber keine Qualitätssteigerung der jetzt vorhandenen Studienbedingungen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich bleibe dabei: Das ist Steine statt Brot für die Hochschulen. Es ist völlig richtig, dass wir zusätzliche Studienplätze brauchen, wenn wir uns die Entwicklung unserer Absolventenzahlen an den Schulen und damit auch der Studienanfängerzahlen anschauen, die zu erwarten sind. Genau dafür brauchen wir zusätzliche Landesmittel.Aber zur Verbesserung der Qualität, zur sogenannten Niveaupflege, brauchen wir zusätzliche Drittmittel, so wie die Studiengebühren zusätzliche Drittmittel waren, weil sie eben nicht in die Kapazitätswirksamkeit eingehen. Sie

aber investieren nur in die Breite.Sie investieren in Quantität statt in Qualität.Das halten wir für falsch.Das ist eine Rolle rückwärts im Hinblick auf die Situation an unseren hessischen Hochschulen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dass es wenigstens gelungen ist – Frau Kollegin KühneHörmann hat darauf hingewiesen –, durch die Abstimmung im Ausschuss zu verhindern, dass Sie einen Verwaltungspopanz rund um Zwangsberatung und Zwangsexmatrikulation aufbauen, ist ein kleiner Lichtstreif am Horizont, aber nichts, was dieses Gesetz in irgendeiner Weise retten würde.

Dieses Gesetz ist ein Gesetz für weniger Qualität, für weniger Nachfragemacht der Studierenden. Dieses Gesetz ist verfassungsrechtlich angreifbar. Es ist rückwärtsgewandt, und von daher ist es etwas, was unsere hessische Hochschullandschaft und die Studierenden in unserem Land zurückwirft. Sie werden sehen, dass die besten Köpfe wieder aus diesem Lande auszuwandern anfangen. Sie werden sich nicht mehr die Hochschulen in Hessen suchen, weil diese dem Wettbewerb mit den Hochschulen in Deutschland, aber auch international nicht standhalten können. Die besten Köpfe dieses Landes wissen sehr genau, dass Studiengebühren eine Investition in ihre Zukunft, in ihre Ausbildung sind, die sich allemal rechnet – gerade mit einem entsprechenden Angebot,wie es in Hessen und auch in unserem Gesetzentwurf vorgesehen war, dies nachlaufend zu finanzieren, wenn man nach Abschluss des Studiums ein ausreichendes Einkommen hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das heißt, Sie geben den hessischen Studierenden und auch den hessischen Hochschulen Steine statt Brot. Das ist eine Rolle rückwärts, und von daher ist es mit Sicherheit kein guter Tag für dieses Land. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)