Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eines unserer wichtigsten Wahlversprechen steht hier und heute kurz vor der Umsetzung.Wir wollen und wir werden heute unseren Gesetzentwurf zur Abschaffung von Studiengebühren verabschieden.
Wir werden ihn heute verabschieden, und damit sind die Studiengebühren in Hessen zum kommenden Wintersemester 2008/2009 abgeschafft.
Wir machen das nicht einfach so, sondern weil es für uns eines der wichtigsten Projekte im bildungspolitischen Bereich ist und war, um mehr Chancengerechtigkeit in diesem Lande herzustellen. Denn Studiengebühren stellen eine Hürde zur Aufnahme eines Studiums dar. Eines un
serer vordringlichsten Ziele in der Bildungspolitik ist aber, bestehende Hürden beim Zugang zur Bildung abzubauen und damit für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen.
Meine Damen und Herren, es darf doch nicht sein, dass Kinder von Akademikerinnen und Akademikern mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit eine Hochschule besuchen als Kinder aus Nichtakademikerfamilien, und das bei gleicher Leistung.
Meine Damen und Herren, heute ist ein guter Tag für Hessen, vor allem für Hessens Studierende. Ich will es natürlich nicht versäumen, mich bei vielen Unterstützerinnen und Unterstützern zu bedanken. Ganz im Vordergrund stehen selbstverständlich die Studierenden, die mit ihren Protesten, mit ihren Vorschlägen im Wesentlichen dazu beigetragen haben, dass es am heutigen Tage zu diesem guten Ergebnis kommt. Selbstverständlich möchte ich mich im Namen meiner Fraktion auch bei den Hochschulen und den zahlreichen Expertinnen und Experten bedanken, die bei der Anhörung Vorschläge zu unserem Gesetzentwurf gemacht haben.
Auch ich möchte es nicht versäumen, mich insbesondere bei Herrn Staatssekretär Dr. Arnold zu bedanken, aber auch bei dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst und dem Rest der Landesregierung.Wir haben eine neue Situation im Landtag. Auch deswegen ist die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs heute so spannend, da die Mehrheit eine andere ist. Da wir nicht die Regierung stellen, haben wir alle gemeinsam eine andere Situation, mit solchen Gesetzentwürfen umzugehen.
Ich finde, wir haben das bei diesem Gesetzgebungsverfahren hervorragend gemeistert. Es war eine sehr gute Zusammenarbeit, und hierfür meinen ganz herzlichen Dank.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))
Meine Damen und Herren, die soziale Auslese im Bildungssystem in Deutschland ist ein Skandal. Erste Untersuchungen belegen,dass Studiengebühren einen Abschreckungseffekt haben.In Baden-Württemberg ist der Anteil der Abiturienten ohne akademischen Hintergrund, die ein Studium beginnen, signifikant von 62 auf 50 % gesunken. Bei Akademikerkindern ist der Anteil gleich geblieben.Zudem gehen die Erstsemesterzahlen zurück.Das allein zeigt schon, dass die Einführung von Studiengebühren bildungspolitisch in die absolut falsche Richtung ging.
Zudem brauchen wir in Deutschland mehr Akademikerinnen und Akademiker. Das bedeutet natürlich auch: mehr Studierende.Nur wenn wir in die Köpfe unserer jungen Leute investieren, können wir langfristig international wettbewerbsfähig sein.
Schon jetzt fehlen in wichtigen Bereichen wie den Ingenieurwissenschaften, aber auch im pädagogischen Bereich, Fachleute. Bereits jetzt hat dies volkswirtschaftliche Auswirkungen.
Unsere Ziele bei der Abschaffung der Studiengebühren sind, dass jeder, der dazu geeignet ist, in Hessen studieren kann und nicht aus sozialen Gründen ausgeschlossen wird, dass mehr Studierende den Zugang zu unseren Hochschulen finden und unsere Hochschulen damit auch eine höhere Zahl von Absolventinnen und Absolventen erreichen.
Zudem wollen wir insbesondere in die Verbesserung der Studienbedingungen und die Qualität der Lehre investieren. Das tun wir, indem wir den Hochschulen die Einnahmeausfälle aus dem Wegfall der Studiengebühren voll aus dem Landeshaushalt erstatten.
Meine Damen und Herren, ich komme zu ein paar Punkten, auf die ich explizit eingehen will, die in der Anhörung eine Rolle gespielt haben. Erstes Stichwort: Finanzierung. Wir haben diesen Gesetzentwurf seriös gegenfinanziert. Das wurde auch vom Finanzministerium bestätigt.
Hier anderes zu behaupten ist wirklich absurd, denn die Gespräche haben teilweise im öffentlichen Raum stattgefunden.
Man kann nicht einerseits uns vorwerfen, unsere Gegenfinanzierung sei unseriös, andererseits das Hamburger Modell hier in die Beratungen einspeisen und überhaupt keinen Gegenfinanzierungsvorschlag für die Hochschulen machen. Das ist wirklich nicht seriös.
Das nächste Thema, bei dem das, was die CDU sagt, bei näherem Hinschauen sehr schnell wie eine Seifenblase zerplatzt, ist das Thema Langzeitstudiengebühren. Hier regt sich die CDU-Fraktion in ihrem Antrag insbesondere über die Verzögerung des Studienabschlusses und den Missbrauch des Studierendenstatus auf. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, warum haben Sie denn unserem Gesetzentwurf nicht zugestimmt? Der hat doch vorgesehen, den Missbrauch des Studierendenstatus zu bekämpfen und auf die Bedürfnisse der Langzeitstudierenden besser einzugehen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu den Langzeitstudiengebühren noch ein Argument einbringen. Ich will es noch einmal mit Überzeugungskraft probieren. Unser Ziel ist, die Chancengerechtigkeit im Bildungssystem zu erhöhen, und unser Ziel ist es, dass mehr junge Menschen ein Studium absolvieren.
Jetzt schauen wir uns einmal an, warum Studierende länger als in der Regelstudienzeit vorgesehen studieren müssen. Frau Wissler ist eben schon darauf eingegangen. Ein Großteil der Studierenden muss den Lebensunterhalt neben dem Studium selbst bestreiten. Über zwei Drittel der Studierenden arbeiten nebenbei. Deswegen ist es logisch, dass sich diese Studierenden nicht voll dem Studium wid
men können, und es ist logisch, dass wir bei der Abschaffung der Langzeitstudiengebühren genau diejenigen erreichen, die wir erreichen wollen, nämlich Studierende aus sozial schwächeren Schichten. Deswegen sage ich hier ganz deutlich: Die Abschaffung der Langzeitstudiengebühren ist etwas, was wir politisch ganz explizit wollen und was für uns sehr, sehr wichtig ist.
Wir sind in unserem Änderungsantrag noch einmal auf die Anhörung eingegangen.All das,was Frau Kühne-Hörmann hier vorgetragen hat, ist vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Anhörung wirklich nicht nachzuvollziehen.
Wir sind nur dem Wunsch der Hochschulleitungen, dass das Präsidium letztinstanzlich über die Mittelvergabe entscheidet, nicht nachgekommen, und zwar ganz bewusst, weil wir wollen, dass die Studierenden bei der Mittelvergabe mitentscheiden können. Die Studierenden sind es doch, die am besten wissen, wo an ihrer Hochschule Verbesserungen nötig sind. Dass sie dann auch mitentscheiden, natürlich gemeinsam mit der Hochschulleitung, ist die logische Konsequenz. Das ist auch ein Garant für bessere Studienbedingungen.
Ich will auf ein Argument einzugehen, das Frau Kollegin Kühne-Hörmann hier gebracht hat. Uns hat eine 40-seitige Expertise des Wissenschaftsministeriums zur Verbesserung unseres Gesetzentwurfs erreicht. Wenn Sie aber schauen, was da materiell aufgelistet wird, was im Gesetzentwurf geändert werden sollte, dann sehen Sie, es sind Streichungen von Klammern und von Gesetzesabkürzungen sowie Formulierungen, die eine Anpassung an bestehende Gesetze betreffen. Es ist aber überhaupt keine inhaltliche Kritik an unserem Gesetzentwurf zu finden. Auch das gehört zur Wahrheit.
Unser Ziel ist, dass sich die Gesellschaft, der Staat für die Bildung verantwortlich fühlt und dass die Politik die Rahmenbedingungen dafür herstellt, dass auch Töchter und Söhne von Nichtakademikern studieren können. Diesem Ziel kommen wir mit der Verabschiedung unseres Gesetzentwurfs heute einen großen Schritt näher.Wir schaffen die Studiengebühren wieder ab. Ich freue mich für die Studierenden, für deren Familien und auch für das gesamte Land Hessen.
Herzlichen Dank noch einmal an alle,die uns dabei unterstützt haben. Pitt von Bebenburg von der „Frankfurter Rundschau“ hat in einem Artikel zwar geschrieben, dass ein historischer Moment anders aussehe; ich kann unterstützend hinzufügen, dass Gesetzesberatungen nicht das sind, was man gemeinhin unter dem Wort „sexy“ versteht, aber wir sind meines Wissens weltweit das erste Land, das nach der Einführung von Studiengebühren diese mit gutem Grund wieder abschafft.
Ich bin mir absolut sicher, dass das in diesem Land gebührend gefeiert wird. Frei nach Edmund Stoiber kann zumindest ich Ihnen ankündigen, dass ich heute das eine oder andere Gläschen Sekt einschenken werde.