Protocol of the Session on April 24, 2008

Das steht also dem Land zu. Das bedeutet, das Parlament als gesetzgebende Gewalt ist durchaus in der Lage, die Zusammensetzung der Härtefallkommission durch ein Gesetz selbst vorzunehmen. Damit könnte die Verordnung aufgehoben werden.

Genau das wollen wir als GRÜNE. Wir wollen einen eigenen Gesetzentwurf einbringen, und wir wollen, dass in diesem Fall das Parlament initiativ wird.

(Beifall des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ja, Eigeninitiative ist anscheinend nicht gefragt, okay.

Der SPD-Antrag geht auf jeden Fall in die richtige Richtung,auch in unsere Richtung.Ich denke,in der Anhörung werden wir über die Details noch diskutieren. Denn es

gibt noch den einen oder anderen generellen Streitpunkt, aber die möchte ich erst ansprechen, wenn Ihnen unser Gesetzentwurf vorliegt.

Aufgrund dessen freue ich mich auf die Anhörung, die wir haben werden, und auf die Rückmeldung der Experten, wie sie zu dieser Debatte stehen.

Ich möchte aber daran erinnern – –

Ich möchte Sie an Ihre Redezeit erinnern, Frau Kollegin.

Ich komme zum Schluss. – Ich möchte nur daran erinnern, dass wir eine echte Chance haben, eine politikferne Härtefallkommission einzurichten, wie das in zahlreichen Ländern schon längst der Fall ist. Hier hat bereits ein Denkprozess stattgefunden.

Ich appelliere an die CDU/FDP-Fraktion, unseren Gesetzentwurf vorurteilsfrei zu beraten, damit wir dazu im Ausschuss eine konstruktive Debatte haben werden.

(Zuruf des Abg.Wolfgang Greilich (FDP))

Denn das Ziel sind die Menschen, denen hier geholfen werden soll. Daher sollten wir hier an einem Strang ziehen. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Nächste Wortmeldung, Frau Abg. Cárdenas von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Um die vorliegenden Anträge richtig einschätzen zu können, möchte ich folgende Überlegungen vorausschicken.

Während weltweit die Zahl der Flüchtlinge wächst, klopfen an die deutschen Türen immer weniger Hilfesuchende. Vor sechs Jahren waren es noch 90.000, jetzt sind es nur noch 20.000 – sei es, weil ihnen wegen der Abschottung die Einreise nicht mehr gelingt, sei es, weil sie die deutsche Anerkennungsquote für Asylsuchende kennen und fürchten.

Fakt ist:Wir lassen immer weniger Flüchtlinge zu uns herein und schieben die noch vorhandenen verstärkt ab, und das mit System.

Ich möchte Ihnen ganz kurz aus meinem Wahlkreis erzählen. Wir haben einen CDU-Landrat, der in der Presse „Landrat Gnadenlos“ genannt wird. Der feiert die Erfolge einer von ihm eingesetzten Arbeitsgemeinschaft, die es geschafft hat, in kurzer Zeit mit zumindest unüblichen Mitteln viele geduldete Menschen,deren Petitionen abgelehnt worden waren, „abschiebbar“ zu machen – auch das ist ein Ausdruck der Presse.

Hinter diesen ca. 150 Menschen stecken Einzelschicksale, verworrene Biografien, die in einem starren Begutachtungssystem nicht ausreichend gewürdigt wurden und werden können.

Damit komme ich zu den Anträgen. SPD sowie CDU und FDP sind sich einig, dass sich die Zusammensetzung der Härtefallkommission ändern soll.

Die Fraktion DIE LINKE begrüßt diese Öffnung der Härtefallkommission hin zu den nicht staatlichen Organisationen, die seit Jahren als Vertreter von Menschen ohne legalen Aufenthalt aktiv sind. Erst dadurch kann die Härtefallkommission unseres Erachtens zu Recht als eigenständige Kommission betrachtet werden. Bisher haben die Mitglieder des Petitionsausschusses ein weiteres Mal abgestimmt – selbst wenn der Berichterstatter gewechselt hat.

Diese Kommission besteht noch nicht lange. Sie ist in gewisser Weise das Feigenblatt des Zuwanderungsgesetzes. Sie ermöglicht im Einzelfall die Aufenthaltsgewährung aus humanitären Gründen. Die Zusammensetzung dieser Kommission ist für die Praxis der Einzelfallentscheidungen sehr entscheidend. In fast allen Bundesländern existieren diese Kommissionen, aber die Zusammensetzung ist sehr unterschiedlich. Dazu hat Frau Kollegin Öztürk schon einiges gesagt. Daher werde ich dies nicht weiter ausführen.

Die SPD macht ganz konkrete Vorschläge,wer in die Härtefallkommission berufen wird und wer vor allen Dingen mitentscheiden können soll. Das sind: Vertreter von externen Organisationen, fünf Abgeordnete, je ein Vertreter des Innenministeriums sowie ein Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände. Wir würden uns eine paritätische Besetzung der Härtefallkommission mit staatlichen und nicht staatlichen Organisationen wünschen. Daher würden wir auch gern Amnesty International in der Härtefallkommission sehen, wie dies auch in einigen anderen Bundesländern der Fall ist. Da der Innenminister immer das letzte Wort hat,ist und bleibt die Härtefallkommission ein Tiger, der zwar laut brüllen kann, aber letztlich zahnlos ist.

(Minister Volker Bouffier: Das ist auch gut so!)

Allerdings hat es zumindest einen symbolischen Wert, wie viele positive Empfehlungen von der Härtefallkommission ausgesprochen werden. Ich möchte daher meine Erwartung anschließen: Der Minister solle die Kommission bitte ernst nehmen und sich an ihre Empfehlungen gebunden fühlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum zweiten Teil des Antrags der SPD. Die SPD will einen wichtigen Ausschlussgrund, nämlich den, dass der Lebensunterhalt nicht selbst bestritten werden kann, zu einer Kannbestimmung machen, um damit eine Einzelfallbetrachtung zu ermöglichen. Dies findet unsere Zustimmung. Wir sind allerdings der Ansicht, dass sich die Härtefallkommission immer mit dem konkreten Einzelfall befassen sollte und es daher keine Ausschlussgründe geben sollte, die bereits vor einer solchen Einzelfallprüfung greifen.

Daher denken wir, dass es generell sinnvoll ist, für die Ausschlussgründe ein „in der Regel“ zu ergänzen, also eine Formulierung zu wählen wie: „Eine Behandlung als Härtefall ist in der Regel ausgeschlossen, wenn...“. Damit wäre es unseres Erachtens tatsächlich möglich – wie es gefordert worden ist –,der Einzelfallbetrachtung Vorrang zu geben und das starre Schema im Härtefall verlassen zu dürfen.

Ergo stimmt DIE LINKE dem Antrag der SPD ausdrücklich zu, sieht aber noch weiteren Änderungsbedarf,

damit die Einzelschicksale tatsächlich als solche behandelt werden können. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Die nächste Wortmeldung, Herr Kollegen Greilich von der Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU und die FDP haben Ihnen in aller Ruhe einen völlig unaufgeregten Antrag vorgelegt, um sich mit der Härtefallkommission zu befassen. Da ich die Debatte bisher gehört habe, habe ich fast ein bisschen das Gefühl, es habe in der Vergangenheit in Hessen keine Härtefallkommission bzw. keine Härtefallregelungen gegeben, und man könnte meinen, dass Sie dies heute alles neu erfinden.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Frau Waschke, deswegen sage ich Ihnen: Auch an Ihrem Geburtstag macht es Sinn, sich über das, was andere zu sagen haben, Gedanken zu machen. Ich empfehle Ihnen, sich auf die Ausgangslage zu besinnen und zu fragen: Worum geht es hier? – Wir haben ein Gesetz, § 23a des Aufenthaltsgesetzes, das vorsieht, dass eine Härtefallkommission entscheiden kann – insoweit, dass sie Empfehlungen abgeben kann für Entscheidungen durch die zuständige Behörde.

Die Ausgangslage, die wir haben, ist, dass § 23a des Aufenthaltsgesetzes auf die Situation abstellt, dass aufgrund von gesetzlichen Regelungen eine Ausreisepflicht besteht. Das ist das eine. Es gibt so etwas wie einen Imperativ des Gesetzes, denn was aufgrund der Gesetze in einem Rechtsstaat festgestellt ist, ist im Allgemeinen zu exekutieren. Das ist die Aufgabe der Verwaltung.

In § 23a des Aufenthaltsgesetzes ist zum anderen eine Öffnungsklausel eingebaut, um zu ermöglichen, dass in der Tat im Falle unerträglicher Einzelschicksale eine anderweitige Entscheidung erfolgen kann. Das betrifft die Fälle, in welchen Kinder in Deutschland geboren und sozialisiert worden sind und daher zu unserem Land eine intensivere Beziehung haben als zu ihrem eigentlichen Heimatland. Das betrifft die Fälle, in welchen Familien entsprechend integriert sind, sodass sie in ihrem eigentlichen Heimatland fremd wären, usw. Hierfür haben wir eine gesetzliche Regelung, und hier können wir etwas tun.

Dies hat der Petitionsausschuss in der Vergangenheit in ordentlicher Art wahrgenommen, indem die Mitglieder des Petitionsausschusses als Mitglieder der Härtefallkommission tätig waren. Das hatte den Vorteil: Diejenigen, die dort entschieden haben, hatten eine demokratische Legitimation, und es gab einen ausreichenden Sachverstand. Ich habe noch von keinem Fall gehört,bei dem in der Härtefallkommission kein ausreichender Sachverstand vorhanden gewesen wäre.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Peter Beuth (CDU))

Frau Kollegin Waschke, im Gegensatz zu mir waren Sie dabei. Daher sollten Sie sich daran erinnern, dass es im Wesentlichen einvernehmliche Entscheidungen gab. Es gab sehr selten kontroverse Entscheidungen. Daher sehe

ich keinen zwingenden Grund, etwas an der Lage zu ändern. Auf der anderen Seite ist es eine Tatsache, dass sich alle Mitglieder der Härtefallkommission in der Vergangenheit immer wieder externen Sachverstand hinzugeholt haben, wenn dieser im Einzelfall notwendig war.

(Beifall bei der FDP)

Da dem so ist, spricht nach unserer Auffassung nichts dagegen, nach drei Jahren, in welchen sich die Härtefallkommission in ihrer Zusammensetzung bewährt hat, nunmehr institutionell auf zusätzliches Know-how zurückzugreifen.Wir meinen, dass die Frage, wie man dies machen sollte, sehr sorgfältig geprüft werden muss.Wir haben daher, den gesetzlichen Regelungen entsprechend, die Landesregierung aufgefordert, zunächst zu prüfen und uns darzulegen, was zu tun ist.

(Beifall bei der FDP)

Wir werden uns anschließend in der Ausschussberatung im Einzelnen mit den Fragestellungen auseinandersetzen müssen. Dabei wird sicherlich der Antrag der SPD eine Rolle spielen können, auch wenn er meines Erachtens vor diesem Bericht eine Vorfestlegung versucht, die wenig sinnvoll ist.Wir sollten abwarten, was bei den Beratungen herauskommt.

Frau Kollegin Öztürk,ich bin auf Ihren Gesetzentwurf gespannt. Erlauben Sie mir die Bemerkung, dass ich nach folgendem Motto lebe:Wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, keines zu machen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das hat etwas mit der Frage zu tun, ob man im Rahmen bestehender Gesetze auskommt, und damit, dass man meint, immer jedem Problem noch ein zusätzliches Gesetz hinterherschmeißen zu müssen. Meines Erachtens ist dies keine sinnvolle Lösung.Aber darüber sollten wir uns im Ausschuss unterhalten. Ich möchte in aller Kürze die Punkte zusammenfassen, die aus meiner Sicht die Grundlage der Beratungen im Ausschuss sein und im Vordergrund stehen müssten.

Erstens. Es gibt einen Sachverstand, der aufgrund des Petitionsausschusses in der Tat bereits vorhanden ist und der auch zukünftig in die Arbeit der Härtefallkommission einfließen muss.

Zweitens. Wir müssen den Sachverstand von Wohlfahrtsund Flüchtlingsorganisationen institutionell bündeln.