Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man hat es vielleicht in unseren Reihen gemerkt, wir sind – Petra, wie hast du gerade gesagt? – fassungslos. Herr Bellino, aber okay. Zur Sache. Mit dem Aufenthaltsgesetz hat der Bundesgesetzgeber die Landesregierung ermächtigt, eine Härtefallkommission zu berufen. Damit wurde auch eine Aufenthaltsgenehmigung in Härtefällen geregelt, die von festgelegten Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen abweicht. So weit zu den Fakten.
Bereits im März und im Dezember 2004 hat die SPDLandtagsfraktion Anträge auf Einrichtung einer Härtefallkommission in Hessen gestellt. Allerdings wollten wir damals schon externen Sachverstand in diese Kommission berufen.Alle unsere Anträge wurden von CDU und FDP abgelehnt. Stattdessen haben die Christdemokraten gemeinsam mit den Liberalen einen eigenen Antrag eingebracht. Seitdem arbeiten in Hessen, anders als in 14 anderen Bundesländern, Politikerinnen und Politiker in der Härtefallkommission.
Wir haben in unserem Antrag erneut sehr konkret vorgeschlagen, wie wir diese Kommission in Zukunft besetzen wollen. Sie können das alles nachlesen. Das ist der Weg, den wir von Anfang an verfolgt haben. Wir begrüßen allerdings ausdrücklich, dass CDU und FDP offensichtlich doch erkannt haben, dass unser Weg der bessere ist.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, mit Ihrem Antrag wollen Sie nun die Besetzung der Härtefallkommission überdenken und überprüfen. Aber eines möchte ich heute schon sehr deutlich sagen: Eine beratende Rolle für die NGOs, und Politikerinnen und Politiker entscheiden – das wird es mit der SPD nicht geben.
Wir wollen eine Zusammenarbeit auf einer Augenhöhe mit gleichen Rechten für alle Mitglieder, weil alle gemeinsam die Verantwortung für die getroffene Entscheidung tragen werden. Das fordert übrigens die Caritas in einer Pressemitteilung von heute Morgen auch.
Allerdings habe ich mich schon gefragt,wie es zu dem Sinneswandel in Ihrem Antrag gekommen ist – just ein paar Tage, nachdem ich mit Minister Bouffier über die Umsetzung unseres Antrages gesprochen habe.
Besonders freut mich der Satz in dem CDU-Antrag: „Die Entscheidungen der Härtefallkommission können hierdurch auf eine noch breitere gesellschaftliche Basis gestellt werden
Das nämlich ist genau das, womit ich unseren Antrag gegenüber dem Minister begründet habe. Es ist genau das Ergebnis, das damals herausgekommen ist, als wir dazu eine Anhörung gemacht haben.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Minister Volker Bouffier: Da können Sie einmal sehen, wie Sie mich beeinflussen können!)
Aber okay. Ich freue mich, dass meine Argumentation Eingang in diesen Antrag gefunden hat. Entweder zeugt diese Tatsache von guter Argumentation oder von Lernfähigkeit.
Zum Schluss möchte ich noch zu einem wichtigen Punkt kommen: die überaus hohe Hürde der Lebensunterhaltssicherung. Jeder, der in der Härtefallkommission gearbeitet hat, weiß, dass es Fälle gab, in denen wir nicht helfen konnten, weil der Lebensunterhalt nicht gesichert war. Insbesondere ältere und kranke Menschen und Familien haben diese Hürde oft nicht geschafft. Auch der Minister hatte Schwierigkeiten gehabt, anzuordnen, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert war.Menschliche Schicksale waren zweitrangig. Der Lebensunterhalt bzw. der Sozialhilfebezug zählte.
Das wollten wir in der vergangenen Legislaturperiode bereits ändern und haben auch entsprechende Anträge dazu gestellt. Ich erspare Ihnen und mir, darüber weiter zu philosophieren, was mit diesen Anträgen passiert ist.
Heute wollen wir die Verordnung zur Härtefallkommission in Hessen an die Bundesgesetzgebung angleichen. Das heißt – ich zitiere –:
Die Empfehlung nach § 23a Aufenthaltsgesetz kann im Einzelfall unter Berücksichtigung des Umstandes erfolgen, ob die Ausländerin oder der Ausländer den Lebensunterhalt sichern kann oder ob eine Verpflichtungserklärung... abgegeben wird.
Bisher ist es so, dass in Hessen der Lebensunterhalt zwingend gesichert sein muss.Verpflichtungserklärungen bzw. das Einvernehmen des Sozialhilfeträgers sind möglich, aber wir wissen aus der Erfahrung der Härtefallkommission: Sie sind sehr selten.
Wir wollen übrigens auch Vertreter der kommunalen Familie in die Härtefallkommission berufen, um ihnen gerade in diesem Punkt ein Mitspracherecht einzuräumen.
Um bereits heute einer Legendenbildung vorzubeugen: In Hessen wurden von 2005 bis 2007, also in drei Jahren, 36 Fälle von der Härtefallkommission positiv empfohlen und 32 Fälle vom Innenminister angeordnet.
Ich bin sehr davon überzeugt, dass diese überschaubare Zahl von Menschen, die ein schweres Schicksal zu tragen haben, den zuständigen Sozialhilfeträger nicht in den Ruin treiben wird. Ich bin auch davon überzeugt, dass – wenn die Konnexität greift – das Land Hessen dies irgendwie verkraften wird.
Ich freue mich auf die Diskussionen im Innenausschuss und hoffe, dass wir endlich zu einer vernünftigen Lösung kommen, und zwar im Sinne der Menschen, die ihre Hoffnung auf uns setzen. – Vielen Dank.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir denken heute erneut über die Zusammensetzung der Härtefallkommission nach. Wir GRÜNE begrüßen das ausdrücklich.
Denn wir waren und sind der Meinung, dass die jetzige Zusammensetzung der sogenannten Härtefallkommission eindeutig eine Fehlkonstruktion ist – ohne damit den Abgeordneten, die darin mitgearbeitet haben, nahetreten zu wollen.
Von Anbeginn an wollten wir eine andere Zusammensetzung. Bereits im Jahr 2004 haben wir dazu einen Gesetzentwurf eingebracht. Danach sollte die Härtefallkommission unter anderem mit Vertretern von Vereinen,Verbänden und Initiativen, vor allem mit politikfernen Fachpersonen besetzt werden.
Heute sprechen wir über Anträge. Wir GRÜNE haben damals einen Gesetzentwurf eingebracht, das möchte ich nochmals ausdrücklich erwähnen. Aber leider wurde unser damaliger Gesetzentwurf bereits in der ersten Lesung abgelehnt, ohne dass es dazu überhaupt eine Anhörung gab.
Das war ein sehr außergewöhnlicher Vorgang, das möchte ich hier noch einmal betonen. Das darf sich nicht wiederholen. Wenn wir damals diese Anhörung durchgeführt hätten, wären wir heute einen deutlichen Schritt weiter und müssten uns nicht mit dieser Debatte beschäftigen.
Durch die heute vorgelegten Anträge fühlen wir uns bestätigt, und zwar auch dadurch, dass CDU und FDP in ihrem Antrag eine neue Richtung eingeschlagen haben. Hier hat ein gewisser Lernprozess stattgefunden, und darauf bauen wir auf.
Nach wie vor sind wir jedoch der Meinung, dass es für die Akzeptanz der Arbeit einer Härtefallkommission und auch für deren sachliche Arbeit wichtig ist, sie vom politischen Tagesgeschäft fernzuhalten. Politische Mehrheiten und politisches Tagesgeschäft bei humanitären Entscheidungen über die Schicksale von Menschen sind nach Meinung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN problematisch, und dabei bleiben wir.
Wie sieht heute die Zusammensetzung der Härtefallkommission aus? Es wurde bereits kurz erwähnt: Heute haben wir in der Härtefallkommission 19 Abgeordnete. Sie leisten bestimmt eine gute Arbeit, aber es sind ausschließlich Abgeordnete. Auf der anderen Seite haben wir als parlamentarisches Gremium den Petitionsausschuss. Darin ha
ben wir als Politiker die Möglichkeit, zu beraten und die Fälle zu behandeln. Demgegenüber sollte die Härtefallkommission eine Institution sein, in der Fachpersonal die Möglichkeit hat, in besonderen Fällen den Innenminister um eine Sonderentscheidung zu ersuchen.
Wenn wir in andere Bundesländer schauen, stellen wir fest, diese haben mit einer solchen politikfernen Besetzung der Kommission sehr positive Erfahrungen gesammelt; dort sind Vertreter der Flüchtlingsorganisationen, der Kirchen und anderen Beratungsstellen Mitglied.
Wir müssen in Hessen nicht immer hinter allem herhinken. Bereits im Jahr 2004 hätten Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen und die berühmte Vorreiterrolle übernehmen können.
Nun scheinen aber die FDP- und die CDU-Fraktion in ihrer Erkenntnis wieder einmal den Modellen anderer Länder zu folgen. Ich erwähne hier das Land Niedersachsen. Denn im damaligen Antrag der Fraktionen, wonach die Härtefallkommission ausschließlich mit Abgeordneten besetzt werden sollte – und auch besetzt wurde –, ist man, so scheint mir, dem Modell Niedersachsen gefolgt.
Mittlerweile besteht die Härtefallkommission in Niedersachsen aus Experten außerhalb des Parlaments – und schon wieder wird hier abgekupfert, und man zieht hier nach. Gut, wenn es der Sache dienlich ist, begrüße ich das ausdrücklich und hoffe, dieses Umdenken wird sich auch in den Ausschussdiskussionen wiederfinden.
In dem Antrag von CDU und FDP wird bei der Zusammensetzung der Härtefallkommission um ein Überdenken und ein Überprüfen gebeten – und zwar soll ausdrücklich die Landesregierung überprüfen und überdenken. Ich möchte stattdessen daran erinnern, dass wir nach Art. 80 Abs. 4 des Grundgesetzes die Möglichkeit haben – ich zitiere:
Soweit durch Bundesgesetz oder aufgrund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.
Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine Härtefallkommission nach Abs. 1 einzurichten...
Das steht also dem Land zu. Das bedeutet, das Parlament als gesetzgebende Gewalt ist durchaus in der Lage, die Zusammensetzung der Härtefallkommission durch ein Gesetz selbst vorzunehmen. Damit könnte die Verordnung aufgehoben werden.