Protocol of the Session on April 23, 2008

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich habe von der Möglichkeit, das Wort zu ergreifen, noch einmal Gebrauch gemacht. Ich möchte bei Herrn Kollegen Lortz und seiner Kurzintervention beginnen. Herr Lortz, bei allem Respekt, ich möchte mir keine Unredlichkeit unterstellen lassen,

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

vor allem nicht von Ihrer Fraktion, die derzeit ein 100-seitiges Pamphlet über meine Fraktion verbreiten lässt, das voll ist von Unwahrheiten, Mutmaßungen und Verdächtigungen, die der Realität überhaupt nicht standhalten.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist kein Pamphlet! Das ist nachweisbar, das ist die Wahrheit! – Weitere Zurufe von der CDU)

Darüber werden wir an anderer Stelle noch einmal reden; dass es nachweisbar ist, sehe ich so nicht.

(Beifall bei der LINKEN – Unruhe bei der CDU)

Zur Sache. Es geht hier nicht um irgendeine Neuerung. Es geht um die Wiederherstellung des Zustands, wie er bis zum letzten Jahr war. Es geht hier mitnichten um die Einführung des Sozialismus in Hessen. Das müssen Sie hier gar nicht so hinstellen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das wollen Sie aber doch! – Unruhe bei der CDU)

Auch das will ich, Herr Wagner, dafür lasse ich mir ein bisschen mehr Zeit.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut! Das wollte ich hören!)

Sie machen jeden Tag Pressemitteilungen, dass DIE LINKE ihr wahres Gesicht zeigt. Das tun wir ja, ich zeige Ihnen ja auch mein wahres Gesicht.

(Unruhe bei der CDU)

Im Übrigen freut es mich sehr, wenn Sie sagen, dass Sie mitnichten beabsichtigen,durch die Stammkapitalbildung Privatisierungen einzuleiten. Herr Lortz, das freut mich. Ich freue mich über jede Gemeinsamkeit, die ich mit Ihnen habe, vor allem an Stellen, wo ich es gar nicht vermutet hätte. Wenn Sie es auch nicht wollen, so müssen Sie trotzdem wahrnehmen, dass es eine Gefahr gibt. Die Vorstöße aus Brüssel haben immer wieder den öffentlichen Bankensektor geschwächt. Da geht es um den Sparkassenbezeichnungsschutz. Da sah die EU-Kommission einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit. Es gab die Drohung wettbewerbsrechtlicher Verfahren gegen die Sparkassen- und Genossenschaftsverbände. Das ist das Agieren der EU im Fall der LBB und der Berliner Sparkasse. Das ist das Regionalprinzip der Sparkassen. Es geht darum, den Eintritt neuer Marktteilnehmer zu verhindern, und stellt daher eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung dar. Es wird gerade geprüft, ob es dazu ein Verfahren geben wird. Alle diese Punkte sprechen doch eine ganz deutliche Sprache, da kann man doch nicht einfach drüber hinwegschauen.

Grundsätzlich hat die EU-Kommission in der Wettbewerbspolitik umfassende Befugnisse. Dazu gehört auch das Nichtigkeitserklären von wettbewerbsbeeinträchtigenden Absprachen. Die Bildung und Handelbarkeit von Stammkapital ist eine Einladung an die Privatbanken, in Brüssel zu klagen. Es ist eine Einladung, und das nehmen Sie in Kauf.

Sie nehmen die rechtlichen Bedenken nicht ernst. Diese Bedenken werden nicht nur von der LINKEN geäußert, sondern auch von ganz vielen anderen Stellen, sogar aus der EU selbst. Wenn Sie das einfach wegwischen und die Risiken in Kauf nehmen, muss ich Ihnen – auch wenn es mir, ganz ehrlich gesagt, schwerfällt bei der Rechtsanwaltsdichte in Ihren beiden Fraktionen – juristische Blauäugigkeit unterstellen. Wenn ich Ihnen das nicht unterstelle, glaube ich, dass eine Absicht dahinter steht. Wenn das nicht der Fall ist, gehen Sie doch bitte in das Verfahren,lassen Sie uns eine Anhörung durchführen,und hören Sie sich in Ruhe die juristischen Bedenken, die es gibt, an, dass das Gesetz eben vor dem Europäische Gerichtshof nicht standhält. Hören Sie sich die Bedenken an, und wischen Sie sie nicht einfach vom Tisch. Nehmen Sie bitte auch die 80.000 Menschen ernst, die für den Erhalt und gegen die Stammkapitalbildung bei den Sparkassen Unterschriften geleistet haben. Nehmen Sie diese 80.000 Menschen ernst. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort erhält der Kollege Reif von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zu einigen kleinen Bemerkungen, die Herr Kahl hier gemacht hat, noch einmal Stellung zu beziehen. Herr Kollege Kahl, Sie haben in Rheinland

Pfalz zunächst einmal die Möglichkeit des Stammkapitals und der Übernahme von Sparkassen beschlossen.

(Reinhard Kahl (SPD): Ich war nicht dabei!)

Das war Ihre Partei, und das war Herr Beck. Sie haben eben das Hohelied von Herrn Beck gesungen.

Die Rheinland-Pfälzer können aber froh sein, dass Sie die Verbindung zwischen ihren Sparkassen und ihrer eigenen Landesbank nicht hergestellt haben. Sie sind nämlich nicht mehr Herr ihrer eigenen Landesbank. Das Zentrum der rheinland-pfälzischen Landesbank hat sich von Mainz nach Stuttgart bewegt.

(Zuruf von der CDU: Ei, ei, ei!)

Da ist zwar noch ein Vorstand, er nennt sich Vorstandsvorsitzender, er ist aber eingepflegt in das System der LBBW. Ich empfehle Ihnen einmal auf der Website der LBBW nachzuschauen. Sie werden neben der Sachsen Bank auch die Landesbank von Rheinland-Pfalz finden. So weit ist das bei Ihrem Kollegen Beck mittlerweile,er ist nicht mehr Herr im eigenen Hause.

(Beifall bei der CDU)

Das ist bei uns vollkommen anders. Herr Posch hat es eben deutlich und sehr eindrucksvoll geschildert. Wir haben z. B. bei der Übernahme der Fraspa bewiesen, welche Sinnhaftigkeit die Möglichkeit hat, unter das Dach der Helaba zu schlüpfen. Diese Fraspa hat sich innerhalb kürzester Zeit in eine gute Richtung entwickelt, wobei wir überhaupt nicht annähernd annehmen konnten, dass das so schnell geht – mit allen Möglichkeiten der Gesundung bis hin zur Etablierung einer Direktbank, die natürlich bundesweit im Wettbewerb tätig sein kann. Das ist eine hervorragende Situation.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,lassen Sie mich ein Drittes erwähnen. Herr Kahl, wovor haben die Sparkassen in Hessen Angst? Etwa vor der Hessischen Landesbank? Ihnen gehört doch die Hessische Landesbank zu 85 %.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Zu- ruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Ich bin seit 38 Jahren Geschäftsmann. Ich habe noch nie Angst gehabt vor Gesellschaften, in denen ich selbst Gesellschafter gewesen bin.

(Heiterkeit bei der CDU)

Das muss mir einer erklären, wie das funktionieren soll. Insofern sage ich: Die hessischen Sparkassen sind Herr im Haus der Hessischen Landesbank.

(Reinhard Kahl (SPD): Ja!)

Was wollen wir eigentlich mit unseren 10 % in Hessen und 5 % in Thüringen? Die Sparkassen bestimmen in der Hessischen Landesbank, was gemacht wird und was nicht gemacht wird. Wenn sie nicht wollen, dass die einzelne Sparkasse unter das Dach der Helaba schlüpft, dann wollen sie es nicht.

(Reinhard Kahl (SPD): Ja!)

Aber schauen Sie es sich an: Vielleicht wäre es in Offenbach geradezu ein Himmelsgeschenk, wenn die Offenbacher Stadtsparkasse endlich unter das Dach der Helaba schlüpfen könnte und eine ähnliche Entwicklung durchmachen könnte wie beispielsweise die Fraspa in den vergangenen zwei Jahren. Das wäre doch ein Segen für die Helaba, für die Stadtsparkasse in Offenbach und für das

gesamte Rhein-Main-Gebiet. Das ist doch nicht zum Schaden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Schauen wir auf die andere Seite.Wie haben wir es hier in Wiesbaden? Schauen wir uns die Naspa mit ihrer komplizierten Eignerstruktur an. Hier sind wir Hessen gar nicht mehr alleine. Da sind die Altenkirchener, die Diezer und die Lahnsteiner. Ich habe meinen Wahlkreis in der Nähe zu Rheinland-Pfalz, direkt an der Grenze. Wenn ich mich mit dem Bürgermeister von Rennerod unterhalte,der einmal in meinem Wahlkreis wohnte und der Verbandsvorsteher der Naspa ist, dann sagt der mir:Wir erwirtschaften in Rheinland-Pfalz, in Altenkirchen, in Lahnstein und in Diez, das Geld, das ihr in Wiesbaden verwirtschaftet. – So kompliziert ist die Angelegenheit.

Wenn die aus diesem Bankhaus herausgehen, dann würden wir uns wundern. Dann hätten wir das nächste Problem, das wir lösen müssten. Ich glaube nicht, dass der Verband mit den Sparkassen insgesamt das lösen kann, weil diese dann in Anspruch genommen würden, sondern das kann nur durch ein starkes Haus, nämlich eine starke international ausgerichtete Bank wie die Helaba, geschehen. Seien wir froh, dass wir dieses Haus in diesem Zustand haben. Stärken wir dieses Haus im Interesse der hessischen Sparkassen. Es ist das Tor zur globalen Welt, das die Sparkassen benötigen. Sorgen wir dafür, dass die Gesundung in diesem Bereich sowohl der Helaba wie auch des gesamten Sparkassenwesens in der Zukunft eine Voraussetzung für den Erfolg des Sparkassenwesens in Hessen ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Reif. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Sparkassengesetzes und zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Frankfurter Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts abgeschlossen.

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zu überweisen. Wird dem widersprochen? – Das ist nicht der Fall.Dann wird so verfahren.

Meine Damen und Herren, bevor ich Sie in die Mittagspause entlasse, darf ich darauf hinweisen, dass sich der Ältestenrat um 14.45 Uhr in Raum 103 A trifft. – Ich wünsche Ihnen guten Appetit. Die Beratung geht um 15 Uhr weiter.

(Unterbrechung von 13.04 bis 15.01 Uhr)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen,ich darf Sie bitten,Platz zu nehmen.Ich begrüße Sie zur Nachmittagssitzung ganz herzlich.

Ich freue mich, einen ehemaligen Kollegen auf der Zuschauertribüne begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen, Harald Polster.

(Allgemeiner Beifall)

Wie ich sehe, geht es Ihnen gut. Schön, dass Sie da sind.

Meine Damen und Herren, auf Ihren Plätzen finden Sie einen weiteren Dringlichen Antrag der Fraktion der SPD betreffend Stümperei der geschäftsführenden Landesregierung bei der Mittagessenversorgung für Kinder aus finanzschwachen Familien in Schulen, Drucks. 17/87. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Kein Widerspruch. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 42. Redezeit: fünf Minuten? – Dann ist das so verabredet.

Weiterhin eingegangen und auf den Plätzen vorliegend ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Vertrag von Lissabon – transparentere, demokratischere und handlungsfähigere EU verwirklichen, Drucks. 17/88. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 43, und er wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 30 aufgerufen.– Kein Widerspruch, dann können wir so verfahren.