Protocol of the Session on April 23, 2008

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Das Einzige, was funktioniert, wollen Sie kaputt machen!)

Zweitens. Wir wollen, dass alle Einkunftsarten, d. h. auch Vermögen, Gewinne und Mieteinkünfte, bei der Berechnung der Beträge berücksichtigt werden. Das stärkt die Nachhaltigkeit der Finanzbasis vor allem deshalb, weil es die einseitige Anbindung der Krankenversicherung an die abhängige Beschäftigung endlich auflöst und auch an Gewinn und Vermögen koppelt, sodass auch Einkommensarten herangezogen werden, die einen Anteil am Wachstum des Sozialprodukts haben. Das ist eine ganz wesentliche Konstruktion für die Nachhaltigkeit einer Krankenversicherung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Dann können wir es gleich über die Steuer machen!)

Drittens. Die Parität muss aus unserer Sicht für die Einkommen erhalten bleiben, die sich aus abhängiger Beschäftigung ergeben. Auch das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, die sich in unserem Land seit Langem entwickelt hat.

Der vierte Punkt, der für uns unabdingbar ist, ist die beitragsfreie Mitversicherung sowohl von Kindern als auch von nicht erwerbstätigen Ehegattinnen und Lebenspartnern, die sich der Kinderbetreuung oder der Pflege widmen.

Meine Damen und Herren, das sind ganz wesentliche Punkte, die wir für notwendig halten, um zu einem System zu kommen, das langfristig in der Lage ist, hier für soziale Gerechtigkeit, aber auch für eine gute und vielseitige Krankenversorgung zu sorgen. Mit anderen Worten: Wir wollen mehr Wettbewerb zwischen den Kassen, einen Wettbewerb um Qualität, einen Wettbewerb um Wirtschaftlichkeit und einen Wettbewerb um Vielfalt der Angebote im Gesundheitswesen. Ich hoffe deswegen, dass wir für unseren Antrag im Hause eine Mehrheit bekommen werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Rentsch hat zwei Minuten zur Kurzintervention.

Frau Kollegin Schulz-Asche, ich will die Gelegenheit nutzen, ganz kurz zu ihrem Beitrag einige Anmerkungen zu machen.

Die erste Anmerkung: Das Steuersystem in Deutschland besteuert die Menschen nach ihrer Leistungsfähigkeit. Deshalb brauchen wir in anderen Bereichen keine Instrumente, die das nochmals tun.

(Beifall bei der FDP – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Na ja!)

Deshalb kostet das Brot beim Bäcker für jeden Bürger das Gleiche, der Preis wird nicht nach Einkommenshöhe gestaffelt. Das ist der Unterschied.

Dieses Prinzip wollen wir auch nicht beim Gesundheitsfonds angewendet wissen, denn es ist systemfremd und unsinnig.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Wir als FDP wollen – und das unterscheidet unseren Antrag von dem der GRÜNEN ganz elementar –, dass in

Deutschland endlich Gesundheits- und Arbeitskosten getrennt werden. Denn wir wollen, dass Arbeitsplätze entstehen und nicht das Entstehen von Arbeitsplätzen verhindert wird.

(Dr.Thomas Spies (SPD): Da sind wir zu 100 % dabei: durch die Bürgerversicherung!)

Das ist ein grundlegender Unterschied. Die Union ist damit gestartet, leider dann aber völlig eingeknickt.

Frau Kollegin Schulz-Asche, drittens wollen wir natürlich eine Kapitaldeckung, weil sie generationengerecht und resistent ist.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Schulz-Asche,das Problem,das wir jetzt haben,ist doch,dass wir das Geld sofort ausgeben,eigentlich aber für das Alter Geld zurücklegen müssten; denn wir wissen, dass Menschen im hohen Alter hohe Gesundheitskosten haben. Dort fehlt uns das Geld. Deshalb müssen wir in den Jahren, in denen Menschen gesund sind, einen Teil dieses Geldes für das Alter zurücklegen. Das tun wir nicht, und das ist verantwortungslos.

Mein letzter Punkt. Frau Schulz-Asche, wir sind uns an der Stelle einig, dass der Gesundheitsfonds – egal, für welches Modell man sich entscheidet – der falsche Weg ist. Das ist der erste Satz unserer beiden Anträge. Ich schlage ihnen hier vor – das können wir gerne im Ausschuss machen –, dass wir den restlichen Teil unserer Antragstexte streichen.Denn ich glaube,wir haben einen Riesenvorteil, wenn wir es schaffen, in Deutschland diesen Fonds erst einmal zu verhindern.

Meine Damen und Herren,wenn der Fonds wirklich kommen sollte,wird er eine Bürokratie aufbauen,die wir nicht mehr stoppen können.Die wird unglaublich viel Geld verschlingen. Deshalb muss zuerst dieser Fonds gestoppt werden. Dann kann man darüber diskutieren, in welche Richtung es weitergehen soll. Dafür gibt es unterschiedliche Modelle.

Frau Kollegin Schulz-Asche, deshalb schlage ich Ihnen vor: Lassen Sie uns das gemeinsam tun. Lassen Sie uns auch die Gesundheitsmodelle aus unseren Anträgen herausnehmen. Zuerst muss der Fonds gestoppt werden. Das muss das vordringliche Ziel sein. Sollten wir das erreichen, dann haben wir viel erreicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Schulz-Asche zur Antwort, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch, wenn Sie den zweiten Satz Ihres Antrags weggelassen hätten, dann hätten wir ihm problemlos zustimmen können.

Darüber können wir gerne im Ausschuss reden.Wenn wir im Hessischen Landtag einen Antrag zustande bekommen, der die Landesregierung auffordert, den Gesundheitsfonds zu stoppen, dann können wir uns darauf verständigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Das ist doch schon etwas!)

Meine Damen und Herren, das hindert uns aber nicht daran – und dafür ist eine Kurzintervention mitnichten geeignet –, eine Grundsatzdebatte über unser Krankenversicherungssystem zu führen. Auch das sollten wir tun, und auch dazu sollten wir hier im Landtag eine gemeinsame Position entwickeln.

Ich fordere Sie aber nochmals auf, bei dieser Debatte tatsächlich seriös zu argumentieren. Das gilt zum einen im Hinblick auf die Finanzierungsbasis. Ich sage das hier nochmals: Ich finde selbstkritische Worte für eine Partei, die auch noch angesichts der Finanzkrise fordert, völlig auf kapitalgedeckte Versicherung umzusteigen, notwendig.

Zweitens fordere ich Sie auf, nicht immer nur einzelne Punkte aus dem Rürup-Wille-Gutachten zur finanziellen Belastung der Länder herauszugreifen, die Ihnen gerade in Ihr argumentatives Konzept passen.

(Florian Rentsch (FDP): Ich habe die negativen Punkte herausgegriffen!)

Sie wissen genau: Die hohen Belastungen, die im RürupWille-Gutachten genannt werden, werden durch den Satz ergänzt – ich zitiere:

Das Regionalprinzip ist dem Sozialversicherungsrecht fremd. Jenseits der Tatsache, dass die gesetzlichen Krankenkassen keine Einrichtungen der Bundesländer sind,ist die hinter der Frage nach den länderspezifischen Verteilungswirkungen des Gesundheitsfonds liegende implizite Annahme, dass die Sozialversicherungsbeiträge, die in einem Land entstehen, auch dort wieder verausgabt werden sollten, abwegig.

Hier stimme ich völlig zu. Ich bitte Sie, damit wir ernsthaft diskutieren können, diese Voraussetzungen zur Kenntnis zu nehmen und nicht hier zu versuchen, Stimmung zu erzeugen, die jeglicher Grundlage entbehrt und sich gegen ein Sozialversicherungssystem wendet, das in seiner Grundstruktur noch immer recht sozial angelegt ist. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

So, jetzt haben Sie, Herr Dr. Bartelt, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Koalition in Berlin hatte die schwierige Aufgabe, einen Kompromiss zwischen sehr unterschiedlichen Konzepten zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen zu finden.

Ein Element des bereits in Kraft getretenen Gesetzes ist die Einführung des Gesundheitsfonds zum 01.01.2009. Dieses Gesetz zeigt schon jetzt Erfolge.Aber es sind auch noch einige sehr wichtige kritische Fragen zu klären. Daher erfordert die Diskussion differenzierte Stellungnahmen – einerseits zum Gesetz, andererseits zu den vorliegenden Anträgen.

Ich möchte stichpunktartig vier positive Entwicklungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes hervorheben.

Meine Damen und Herren, die gesetzlichen Krankenkassen sind weitgehend entschuldet. Im Jahr 2003 betrug der Schuldenstand aller gesetzlichen Krankenkassen bundesweit 6 Milliarden c. Heute bestehen Reserven in Höhe von 3,2 Milliarden c. Dies ist ein Erfolg an sich.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, auch im System der GKV wurden von allen großen Krankenkassen zahlreiche Wahltarife eingeführt, die von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen werden. Sie müssen sich in sich in der Krankenkasse tragen – so schreibt es das Gesetz vor. Dies führt zu mehr Gestaltungsmöglichkeiten für den Bürger.

Dritter Punkt. Herr Rentsch hat gesagt, dies führe zu einer Minderausstattung der Finanzmittel der Krankenkasse.Dies ist nicht der Fall.Denn gerade durch diese modifizierte Pauschale werden die Einnahmen der Krankenkassen kalkulierbar. Man kann darüber streiten, ob das zu viel oder zu wenig ist, aber letztendlich nutzt das dem Patienten.

Der vierte, der politische Punkt: Im Zuge des politischen Kompromisses zwischen CDU und SPD ist das Gespenst der einheitlichen Zwangsversicherung, beschönigend Bürgerversicherung genannt, vom Tisch.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das hättet ihr gern!)

Die dort vorgesehene faktische Abschaffung von privaten Versicherern hätte dazu geführt, dass alle Leistungsanbieter – ob Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Apotheken oder pharmazeutische Industrie – in erhebliche Schwierigkeiten gekommen wären. Das hätte zu Mangelversorgungen, erhöhten Beiträgen und Insolvenzen der Leistungsanbieter geführt.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Dies zu verhindern ist ebenfalls ein politischer Erfolg.

Damit kann ich auch ganz kurz den Antrag der GRÜNEN – es tut mir leid, dass ich ihn hier so scharf bewerten muss – bearbeiten.