Protocol of the Session on April 23, 2008

Beim Länderfinanzausgleich bringt dieses Land immerhin die Hälfte der Gelder auf, die an andere Länder abgeführt werden. Daneben ist der Gesundheitsfonds sozusagen der zweite Länderfinanzausgleich, bei dem Hessen dafür bestraft wird, dass es eine solide wirtschaftliche Basis hat.

(Beifall bei der FDP – Lachen des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Herr Kollege Dr. Spies, das ist so. – Die Zahlen gehen sehr weit auseinander. Das Kieler Institut für Mikrodatenanalyse hat von einer Belastung Hessens in Höhe von ca.890 Millionen c gesprochen.In dem neuen Gutachten, das jetzt die Grundlage der Diskussion ist, wird von einer deutlich geringeren Zahl ausgegangen. Jetzt sind es an

geblich nur noch 64 Millionen c, die Hessen in den Fonds einzuzahlen hat.

Allein aus unserem egoistischen Interesse als Vertreter dieses Bundeslands heraus müssen wir doch dafür sorgen, dass dieser Fonds nicht kommt. Warum sollten wir weiteres Geld in einen Fonds geben, der es an andere Bundesländer verteilt? Frau Ministerin, wir brauchen das Geld nicht in anderen Bundesländern, sondern in Hessen, um die Gesundheitsversorgung zu garantieren.

(Beifall bei der FDP)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein, zurzeit noch nicht. – Frau Ministerin, es ist Ihre originäre Aufgabe, sich darum zu kümmern, dass das Geld für die Gesundheitsversorgung der Bürger unseres Landes in unserem Bundesland bleibt und nicht in andere Länder abfließt. Deshalb können wir nicht nachvollziehen, dass die Union allein aus koalitionstaktischen Gründen an diesem Fonds festhält.

Herr Kollege Dr. Spies, ich glaube, man kann in dieser Diskussion unterschiedliche Modelle vertreten. Das haben wir in den letzten Jahren leidenschaftlich gemacht. Wir sind an diesem Punkt nicht einer Meinung.Trotzdem glaube ich, dass – jedenfalls von unserer Seite aus – meistens eine faire Debatte stattgefunden hat.

Ich denke aber – das haben auch die GRÜNEN in ihrem Antrag aufgezeigt –, dass die Schaffung eines Fonds auf jeden Fall der völlig falsche Weg ist; denn der Fonds stellt ein staatliches Instrument dar, das überhaupt nicht mehr aufzulösen sein wird.Auf der Bundesebene finden Sie daher kaum noch einen Abgeordneten der Regierungsfraktionen, der darauf wetten will, dass dieser Fonds wirklich kommt.

(Beifall bei der FDP)

Die letzten treuen Mohikaner sind beispielsweise die Hessen, die an diesem Fonds festhalten wollen, nach dem Motto:Wir wollen es nicht dazu kommen lassen, dass dieser Fonds einbricht, und wenn es so kommt, sind wir nicht schuld daran gewesen. – Das kann nicht die Politik der Hessinnen und Hessen sein.

Lassen Sie mich deshalb abschließend sagen: Der Fonds wird dazu führen, dass vor allem die Menschen in Hessen finanziell erheblich drauflegen werden. Ich sage Ihnen offen, es ist mir relativ gleich, ob es 890 oder 69 Millionen c sind. Jeder Cent, der in diesen Fonds fließt, ist für die Hessinnen und Hessen zu viel. Deshalb muss er verhindert werden.

(Beifall bei der FDP)

Außerdem wollen wir ein völlig anderes Modell. Ich weiß, dass auch die Union an dieser Stelle ein völlig anderes Modell will, mit dem dafür Sorge getragen wird, dass die Menschen in Deutschland mehr Wahlfreiheit haben: dass sie ihren Arzt weiterhin frei aussuchen und sich für die Versicherung ihrer Wahl entscheiden können, statt sich das vom Staat oktroyieren lassen zu müssen.

Deshalb sollte die Union – gemeinsam mit den Freien Demokraten – ein großes Interesse daran haben, dass dieser

Fonds nicht kommt. Deshalb sollten Sie heute einmal Farbe bekennen, statt aus Treue zu Frau Merkel diesen Fonds zu unterstützen, an dem mittlerweile kein Mensch mehr festhält. Es wäre wirklich an der Zeit, zu sagen: Das war eine falsche Idee.

(Beifall bei der FDP)

Letzter Satz. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, welchen Arbeitstitel der Fonds im Gesundheitsministerium erhalten hat: „zentrale Inkassostelle“. Eine zentrale Inkassostelle braucht ein freies, wettbewerblich orientiertes Gesundheitssystem eigentlich nicht. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam gegen den Fonds kämpfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Lebhafter Beifall bei der CDU!)

Das Wort hat Frau Abg. Schulz-Asche, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch, Sie haben sicherlich an einem Punkt recht: Der Gesundheitsfonds ist unnötig, und er ist unsinnig.Aus ihm wird ein bürokratisches Monster und ein Kostentreiber. Er basiert weder auf gesundheitspolitischer noch auf versicherungstechnischer Vernunft.

Aber wenn Sie in dem Zusammenhang den Gesundheitsfonds mit Sozialismus gleichsetzen, empfehle ich Ihnen erstens verbale Abrüstung und zweitens Nachhilfe in politischer Bildung. Ich glaube, das würde Ihnen an dieser Stelle wirklich guttun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesundheitsfonds ist tatsächlich der großkoalitionäre Versuch, die Unsinnigkeiten des derzeitigen Systems mit den konträren Vorstellungen von CDU und FDP einerseits und dem SPD-Modell einer Bürgerversicherung unter einen Hut zu bringen. Meine Damen und Herren, wenn man sich das Ergebnis anschaut, muss man sagen, der Versuch ist gescheitert. Mit Gerechtigkeit oder nachhaltiger Sicherung der Krankenversicherung hat der Fonds rein gar nichts zu tun.

Die Festsetzung eines einheitlichen Versicherungsbeitrages wird bereits jetzt zum Spielball von politischen Auseinandersetzungen. Man kann schon darauf warten, was im Bundestagswahlkampf 2009 passieren wird. Der Zusatzbeitrag für die Kassen, die den festgesetzten Beitrag überschreiten müssen, wird gerade die Kassen in Not bringen, die besonders viele Familien – ich erinnere an den Tagesordnungspunkt, den wir vorhin besprochen haben –, ältere und weniger verdienende Menschen zu ihren Versicherten zählen. Es kann nicht unser Interesse sein, dass wir diesen Kassen schaden und eher Probleme bereiten, als sie zu lösen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es hat auch nichts mit Unwirtschaftlichkeit einer Kasse zu tun, wenn der Anteil der Älteren oder Familienversicherten besonders hoch ist.Wir wollen ja gerade ein Versicherungssystem, das nicht länger die Konkurrenz von privaten und gesetzlichen Kassen um junge, gut verdienende, alleinstehende Männer schärft, sondern wir wollen eine

nachhaltige gerechte Versicherung, die allen Bürgerinnen und Bürgern und gerade auch Familien und älteren Menschen eine gute Krankenversorgung sichert. Das wird in der jetzigen Konstruktion des Gesundheitsfonds nicht geleistet.

(Beifall des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Florian Rentsch (FDP): Das will auch keiner außer Ihnen!)

Meine Damen und Herren, gleichzeitig ist mit dem Gesundheitsfonds auch vorgesehen, den sogenannten Morbi-RSA – ein etwas putziger Begriff, hinter dem sich viel verbirgt – einzuführen. Es ist vorgesehen, dass jede Kasse pro Versicherten eine pauschale Zuweisung sowie ergänzende Abschläge und Zuschläge je nach Alter, Geschlecht und Krankheitsbildern der Versicherten erhält. Durch die besondere Berücksichtigung von schwerwiegenden und chronischen Krankheiten trägt ein solcher morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich – ein sperriges Wort – dem unterschiedlichen Bedarf der Kassen Rechnung.

Deswegen begrüßen wir durchaus die Einführung eines solchen Morbi-RSA, weil er den gerechten Ausgleich zwischen den Kassen stärkt. Aber er ist nicht unbedingt an die Einführung eines Gesundheitsfonds gebunden. Von daher denken wir, dass der Gesundheitsfonds abgelehnt werden und der Morbi-RSA trotzdem kommen kann. Meine Damen und Herren, richtig ist es, den verzerrten Wettbewerb, den wir zwischen den Kassen haben, zu regeln.Wir brauchen diesen Morbi-RSA.Wir brauchen aber keinen Gesundheitsfonds.

Was jetzt zusätzlich passiert – der Kollege Rentsch hat es vom Feinsten vorgemacht –, ist die Debatte über die sogenannte Konvergenzklausel. Das ist wirklich ein Beispiel, wo in Ihrer Rede verschwiegen wird, worum es eigentlich geht.Wir haben eine Regelung in § 272 des GKVWettbewerbsstärkungsgesetzes – so heißt das Gesetz, über das wir hier reden, das vor allem auf den Druck von Baden-Württemberg und Bayern zustande gekommen ist und nach dem den in einem Land tätigen Kassen, wohlgemerkt: nicht dem Landeshaushalt, sondern den Kassen, eine zusätzliche Belastung von über 100 Millionen c pro Jahr nicht angelastet werden kann. Herr Kollege Rentsch, die saubere Trennung hätte ich eigentlich von Ihnen erwartet. Dass Sie das nicht tun, ist ein Zeichen, mit welchem populistischen Ansatz Sie da herangehen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Na, na, na – uralter Landtag!)

Ich würde Ihnen ganz stark empfehlen, das hier sauber zu diskutieren. Letztendlich geht es nicht um eine Belastung des Landeshaushalts. Ich würde Ihnen empfehlen, nicht diesen Eindruck zu erwecken, wie Sie es vorhin getan haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Dr.Thomas Spies (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Weil es nicht um die Finanzierung aus dem Landeshaushalt, sondern um die Finanzierung der Kassen geht,

(Florian Rentsch (FDP): Und das ist dann besser, Frau Kollegin Schulz-Asche?)

halte ich es für besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Regionalisierung unserem Sozialversicherungssystem im Moment völlig fremd ist und dass die Solidarität zwischen den Bundesländern und der Finanzierung

der Kassen nicht davon abhängig sein kann, wie die Einnahmen und Ausgaben für Gesundheit in einem Land sind. Deswegen haben wir das im Moment auf Bundesebene geregelt. Ich denke, wir sollten uns hier nicht auf eine Diskussion einlassen, die anfängt, zwischen armen und reichen Bundesländern Unterschiede zu machen,und auf einer platten Ebene geführt wird,wie Sie es gerade getan haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Der Antrag, den wir heute eingebracht haben, ist im ersten Satz mit dem der FDP identisch. Er bezieht sich darauf,dass wir den Gesundheitsfonds ablehnen und die Landesregierung auffordern, entsprechend im Bundesrat aktiv zu werden. Das können wir durchaus unterstützen, weil wir diesen Gesundheitsfonds für Blödsinn halten. Entschuldigen Sie das strenge Wort Blödsinn.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man wird doch Blödsinn Blödsinn nennen dürfen! – Weitere Zurufe)

Ich bekomme Zustimmung von allen Seiten des Hauses. Dann kann es so falsch nicht gewesen sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, aber hier enden auch unsere Gemeinsamkeiten mit der FDP. Ich hätte es übrigens aufgrund der Modelle, die Sie in der Krankenversicherung bevorzugen, ganz sinnvoll gefunden, wenn Sie vielleicht ein paar nachdenkliche Worte über die weltweite Finanzkrise verloren hätten. Wenn man der Meinung ist, dass man ein 80-Millionen-Volk über kapitalgedeckte Beiträge in Privatversicherungen versichern will, dann sollte man vielleicht in einer Situation, wo die Finanzmärkte in Unruhe sind, ab und zu einmal ein selbstkritisches Wort von der FDP erwarten können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der LINKEN und des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Deswegen haben wir einen zweiten Teil in unserem Antrag,der aufzeigt,in welche Richtung es gehen muss,wenn wir für Familien, für ältere Menschen, für alle Bürgerinnen und Bürger wirklich eine nachhaltige Versicherung gestalten wollen; denn aus unserer Sicht ist die Alternative zum Gesundheitsfonds nicht, die gesetzliche Krankenversicherung zu zerschlagen, wie es die FDP und Teile der CDU wollen. Unsere Alternative heißt Bürgerversicherung.

Unser Antrag enthält mitnichten alle Punkte der grünen Bürgerversicherung – das sage ich ganz offen –,weil es uns eher darum geht, im Haus eine Mehrheit zu finden. Deswegen möchte ich folgende Punkte betonen.

Wir wollen erstens, dass alle Bürgerinnen und Bürger versicherungspflichtig werden. Das heißt, wir wollen Privilegien abbauen, und wir wollen auch die bisher privat Versicherten in eine Bürgerversicherung überführen,wobei die Leistungsansprüche dabei durchaus erhalten bleiben können. Damit sorgt eine solche Bürgerversicherung für mehr soziale Gerechtigkeit,da sie davon ausgeht,dass alle die gleichen Rechte und Ansprüche haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Das Einzige, was funktioniert, wollen Sie kaputt machen!)