Protocol of the Session on April 9, 2008

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Florian Rentsch (FDP): Daran werden wir Sie messen!)

Vielleicht sollten Sie die eine oder andere Schlussfolgerung an dem Wahlergebnis ablesen. Die Frage der sozialen Gerechtigkeit treibt alle Menschen um.Wenn Sie sich anschauen, wie die Frage der Gerechtigkeit in der Bevölkerung im Moment bewertet wird, dann müssten Sie doch stark zum Nachdenken kommen, gerade in einer Zeit, in der Gerechtigkeit und Teilhabe an der Gesellschaft von den Bürgerinnen und Bürger schmerzlich vermisst werden.

(Zurufe von der CDU)

Mit der sozialen Moderne wollen wir dazu einen Beitrag leisten.Was dies in der ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Praxis der politischen Arbeit bedeutet, habe ich in meinem Beitrag angesprochen. Für die Schulen, für das soziale Netz, für eine sichere und ökologisch sinnvolle Energieversorgung brauchen wir in Hessen eine andere Politik. Besser wäre: eine andere Regierung. Deshalb ist es wünschenswert und notwendig, wenn der Politikwechsel, den wir zunächst über parlamentarische Initiativen vorantreiben, auch zu einem Regierungswechsel führt. Daran arbeiten wir, daran arbeiten Sie.Wir werden sehen, wie sich in den nächsten Monaten die unterschiedlichen Vorstellungen über politische Inhalte gemeinsam einrütteln.

Ich möchte an dieser Stelle mit einem Zitat an Heiner Müller, einen großen Dramaturgen und Brecht-Schüler, erinnern, der, als in der DDR die Krise ausbrach, gesagt hat: „Meine Damen und Herren, so, wie es bleibt, ist es nicht.“ Diese kluge Dialektik gilt auch für den Hessischen Landtag. – Ich danke Ihnen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Hahn für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Als dieses Haus vor fünf Jahren über die Regierungserklärung des damals mit absoluter Mehrheit gewählten Ministerpräsidenten Roland Koch debattiert hat, habe ich für die Fraktion der FDP erklärt, dass wir die Rolle der „Wächterin der Mitte“ übernehmen wollen.Wir haben sie als eine Art des parlamentarischen Umgangs definiert, deren Fundament nicht darin liegt, dass auf der einen Seite die Regierung und auf der anderen Seite die Opposition steht.

Wir haben diese Rolle so definiert, dass wir es für falsch halten,in Fundamentalopposition gegen die Regierung zu gehen, sondern dass es parlamentarischer Brauch werden muss, dass sich jeder in diesem Hause mit Initiativen wie folgt auseinandersetzt: Man schaut sich die Initiativen an und kommt entweder zu dem Ergebnis, dass die Initiative gut ist – dann wird sie unterstützt –, oder man kommt zu dem Ergebnis, dass die Initiative verbesserungswürdig und -fähig ist. Dann versucht man, die Initiative zu verbessern, und hofft, eine Mehrheit im Hause zu bekommen.Nur dann,wenn man der Auffassung ist,dass eine Initiative so schlecht ist, dass sie nicht mehr verbesserungswürdig und verbesserungsfähig ist, geht man argumentativ voll gegen diese Initiative vor.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag vor fünf Jahren angekündigt und fünf Jahre lang im Parlament durchgehalten hat, sollte jetzt für alle Fraktionen Grundlage der Arbeit in diesem Hause werden: sich zu überlegen, ob eine Initiative gut oder schlecht ist, egal von wem sie kommt. Das muss der neue Stil im Hessischen Landtag sein.

(Beifall bei der FDP)

Wir werden als FDP-Fraktion strikt darauf achten, dass dieser Stil nicht nur bei Inhalten, sondern generell beachtet wird. Ich habe in der Debatte am vergangenen Samstag für die FDP-Fraktion schon gesagt: Wir werden das auch am Umgang mit der neuen Fraktion in diesem Hause sehr deutlich machen. Die LINKEN sind gewählt, ob wir es gut finden oder nicht. Das war eine Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger. Wenn die LINKEN Teil dieses Parlamentes sind, dann sind sie so zu behandeln wie alle anderen. Als ich aber die Worte des Kollegen van Ooyen am Samstag hörte, die er nach meinem Voltaire-Zitat von diesem Pult aus gesagt hat, war eines klar:Wir wollen keinen Politikwechsel und insbesondere keinen gesellschaftlichen und staatlichen Strukturwechsel in Hessen. Wir möchten das, was wir in Hessen haben, pflegen und positiv nach vorne bringen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir wollen keine Form von Staatsgläubigkeit untermauern. Wir Liberalen sind keine Etatisten, die meinen, dass der Staat es besser kann, sondern wir Liberalen sind Menschen, die Vertrauen in den Bürger, die Vertrauen in die Fähigkeit des Einzelnen haben, zu bestimmen, was für ihn selbst und die Gesellschaft richtig ist. Das ist der Unterschied in den Auffassungen der FDP und der LINKEN in diesem Hause. Ich denke, es wird hier keine inhaltliche Debatte bestritten werden, ohne dass wir diesen Dissens deutlich machen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe sehr, dass wir – egal, wann Neuwahlen stattfinden, Frau Kolle

gin Ypsilanti, irgendwann werden sie kommen – den Hessinnen und Hessen deutlich machen,dass sie weiterhin die Alternative haben zwischen dem Weg in den Sozialismus, wo der Staat meint,zu wissen,was richtig ist,und dem Weg in die Freiheit, wo der Einzelne das machen kann, was er gesellschaftlich für richtig hält.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das muss aber im Stil korrekt geschehen. Deshalb bin ich nicht dafür, deshalb ist die FDP-Fraktion in diesem Haus nicht dafür, dass wir zwischen den Fraktionen in diesem Hause differenzieren. Wenn Gespräche stattfinden, dann mit allen. Wenn man sich Mehrheiten sucht, ist es natürlich so: Ich glaube, ich muss selten zum Kollegen van Ooyen gehen, weil ich sehr sicher bin, dass er mir die Zustimmung nicht gibt.Trotzdem kann ich mit ihm kurz darüber reden, ob etwas geht oder nicht geht.

Aber der Stil in diesem Hause ist viel, viel mehr als der Umgang, den wir mit der neuen Fraktion in diesem Hause pflegen.Wenn wir mit Journalisten und mit anderen darüber reden,welches Bild der Hessische Landtag in den letzten 20 bis 25 Jahren abgegeben hat,so sagen alle – ich sage das jetzt sehr wertfrei –: auf alle Fälle ein anderes Bild als die übrigen Landtage. Da ich in den letzten Wochen häufig mit Journalisten auf Bundesebene unterwegs gewesen bin und die mich gefragt haben, wie es eigentlich so kommen konnte, wie es ist, habe ich versucht, das ein bisschen an der Sozialisation von Roland Koch, Jörg-Uwe Hahn und Tarek Al-Wazir deutlich zu machen.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Roland Koch und Jörg-Uwe Hahn sind 1987 in den Hessischen Landtag gekommen. Wie sich das gehört, habe sie als junge Abgeordnete relativ weit hinten gesessen. Sie haben in der Regierungszeit von Dr. Walter Wallmann und Dr.Wolfgang Gerhardt erlebt, dass insbesondere der damalige Oppositionsführer Joseph Martin Fischer mit häufig unter die Gürtellinie treffenden Äußerungen versucht hat, den Ministerpräsidenten zu diskreditieren.

Ich darf in diesem Zusammenhang nur an die sogenannte Blumenzwiebelaktion erinnern.

(Staatssekretär Dirk Metz:Tulpenzwiebel!)

Vielen Dank, Herr Sprecher der Landesregierung. – Für die, die es nicht wissen: ein ganz einfacher Hergang.

(Zurufe von der Landesregierung)

Herr Präsident, bei Ihnen bedanke ich mich freundschaftlich natürlich noch mehr.

(Heiterkeit)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war eigentlich ein ganz normaler Vorgang, weil nur zu besorgen war, dass aus Sicherheitsgründen – vom LKA angewiesen – Umbauarbeiten an dem Privathaus, dem Wohnsitz des Ministerpräsidenten, auch weiterhin in Frankfurt am Main, gemacht werden mussten. Dann musste in dem Zusammenhang der Garten wieder renoviert werden.

(Zuruf: Unglaublich!)

Es gab tatsächlich dann auf Staatskosten eine Reihe von Tulpenzwiebeln, woran sich der Herr Präsident erinnert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war meine erste Erfahrung mit Politik in diesem Hause. Diese Tulpenzwiebeln versuchte der damalige Oppositionsführer Joseph Martin Fischer zu missbrauchen, um den Minister

präsidenten des Landes Hessen zu diskreditieren, dass er sich Privates vom Staat finanzieren lässt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, so etwas macht man nicht. Das ist aber der Stil in diesem Hause.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Damit es jeder weiß, was ich am Samstag damit gemeint habe, dass wir alle ohne Stollen – zu dem Spiel komme ich nachher noch – zu dem Fußballspiel sollen, sage ich:Tarek Al-Wazir ist in dieses Parlament gekommen, als es eine rot-grüne Landesregierung gab. Da gab es Oppositionsabgeordnete – ich bleibe jetzt einfach bei den beiden, die ich eben genannt habe, bei Roland Koch und Jörg-Uwe Hahn –, die sich noch in relativ intensiver Art und Weise z. B. mit seinem Parteifreund, dem damaligen Justizminister Rupert von Plottnitz, auseinandergesetzt haben.

Wir haben es tatsächlich geschafft – das ist jetzt eine etwas euphemistische Umschreibung –, dass wir jedes Zuspätkommen eines im offenen Vollzug Befindlichen genutzt haben, eine Rücktrittsforderung gegenüber dem Justizminister auszusprechen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, beides ist falsch. Von beidem sollte man sich verabschieden. Wir sollten im Hessischen Landtag nunmehr einen Stil pflegen, wo wir nicht nur das als gut empfinden, was dem anderen schadet, sondern das als gut empfinden, wo wir inhaltlich in diesem Hause zusammen weiterkommen können. Das hat sich jedenfalls die FDP-Fraktion in diesem Hause vorgenommen, in dieser Legislaturperiode zu machen.

(Beifall bei der FDP)

Unklare Mehrheitsverhältnisse haben eine Chance, eine neue demokratische Streitkultur zu entwickeln.Es ist vorhin schon davon gesprochen worden, dass es in den letzten Jahren hier sehr eigenartige persönliche Beziehungen gegeben hat. Ich will jetzt gar nicht das Bild, das eine Vielzahl von Journalisten immer wieder abgefragt hat, noch einmal in Erinnerung rufen, als Anfang Januar während einer Veranstaltung ganz in der Nähe einer der Spitzenkandidaten dem anderen Spitzenkandidaten die Hand nicht gereicht hat. Wir müssen es schaffen, uns selbst als Person nicht so wichtig zu nehmen.

(Lachen der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Schulz-Asche, ich glaube, das gilt für uns alle. Das gilt für die Landesvorsitzenden genauso wie für die Fraktionsvorsitzenden. Nur dann schaffen wir es, inhaltliche Brücken über die vermeintlichen Gräben, die offensichtlich in den letzten Jahrzehnten hier gezogen worden sind, zu legen. Dazu ist die FDP-Fraktion in diesem Hause bereit.

(Beifall bei der FDP)

Es wird sicherlich ein langer Prozess sein. Aber ein Blick in andere Landtage, z. B. ganz nah nach Mainz, wird uns deutlich machen, dass wir in Hessen Nachholbedarf haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben es im Wahlkampf ja alle gemerkt: Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land finden es nicht gut, wenn wir uns aus Prinzip behaken. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wollen die verschiedenen inhaltlichen Positionen der Parteien und der Fraktionen zur Kenntnis bekommen, aber bitte nicht mit einem Instrument, das dem anderen wehtut, sondern mit Worten, die den Inhalt dar

stellen und nicht die Person auf der Gegenseite diskreditieren. Dazu ist die FDP-Fraktion bereit.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder muss sich bewegen. Liebe, werte Kollegin Ypsilanti, Ihren Beitrag, die Replik, die Sie auf den Ministerpräsidenten des Landes Hessen bezogen haben, verstehen wir Liberale nicht. Sie haben ihm auf der einen Seite vorgeworfen, dass er eine neunjährige schlechte Politik für Hessen gemacht haben soll. Das ist objektiv falsch.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das wissen auch die Bürgerinnen und Bürger, auch die, die Ihnen und mir jetzt über den Bildschirm zuhören. Viele von Ihnen wissen, dass Sie es sich ganz besonders einfach machen, wenn Sie von neun Jahren sprechen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Ypsilanti, es gab in diesen neun Jahren schon einmal ein Zwischenzeugnis des Bürgers, nämlich vor fünf Jahren. Da hat der Bürger ein Zwischenzeugnis ausgesprochen, das für meine Partei, die FDP, schon hervorragend war – eine Steigerung von 5,1 % auf 7,9 %. Der Bürger hat ein Zwischenzeugnis abgegeben, das für die Union – ich gebe zu,das finde ich heute noch ärgerlich – die absolute Mehrheit gebracht hat. So schlecht kann in den Augen der Bürgerinnen und Bürger die Politik jedenfalls von 1999 bis 2003 wahrlich nicht gewesen sein.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie wissen doch genauso gut wie ich – ich unterstelle, dass wir teilweise mit denselben Politikberatern telefonieren und sprechen –, dass das Wahlergebnis der Union vom 27. Januar unheimlich viel mit dem Thema Schulpolitik, G 8 und U+, und wie das schlechtgemacht worden ist, zusammengehängt hat.Frau Ypsilanti,deshalb bitte ich ganz herzlich, dass Sie das auch in Ihrer Argumentation zur Kenntnis nehmen, möglicherweise auch in Ihrem Stil, wo Sie meinen, dass Sie die Wahl gewonnen haben.

Nein, meine Analyse des Wahlergebnisses vom 27. Januar heißt, dass es sich wieder einmal bestätigt hat, dass nicht eine neue Mehrheit und eine neue Regierung gewählt worden sind, sondern dass die Regierung Koch wegen der Schulthemen abgewählt werden sollte. Frau Kollegin Ypsilanti, wenn das so richtig ist, ist Ihre Replik zum Thema Schulpolitik umso falscher. Da hat doch die Regierung Koch, die CDU, in ihrer Bad Wildunger Erklärung das gemacht, was wir als FDP schon vor der Wahl gesagt haben,was zu machen ist und was Sie,meine sehr verehrten Damen und Herren, auch in der Zukunft machen wollen.