Trotz der Tatsache,dass eine geschäftsführende Landesregierung die Aufgabe hat, jetzt zu handeln, Stillstand zu vermeiden und gleichzeitig im Auge zu behalten, dass es zunächst über einen begrenzten Zeitraum innerhalb der Legislaturperiode zu sprechen gilt, dürfen wir zu keinem Zeitpunkt vergessen, dass es hinter der Politik, die in einem Land vertreten wird, ein Gesamtkonzept geben muss – ein Gesamtkonzept, für das jetzt Regierung und Parlament stärker gemeinsam verantwortlich sind. Das muss aber ein Gesamtkonzept bleiben, und die Verantwortung für eine nachhaltige Finanzpolitik als eine der wesentlichen Fragen darf dabei keinesfalls aus den Augen verloren werden.
Wir haben in den vergangenen Jahren über viele Fragen inhaltlich gestritten, und wir werden auch in den nächsten Wochen und Monaten um die Lösung vieler inhaltlicher Fragen ringen.
Aber die Landesregierung,die nunmehr geschäftsführend tätig ist, hat ein anderes Verhältnis zu der Entscheidungsarbeit des Parlaments mit veränderten und wechselnden Mehrheiten. Ich will aber auch deutlich machen, dass die Landesregierung natürlich nach wie vor das Selbstbewusstsein hat, zu sagen: Wir glauben, dass in den letzten Jahren sehr viele Entscheidungen getroffen worden sind und dass Hessen bei vielen Projekten bundesweit zu einem interessanten und akzeptierten Vorreiter in der Umsetzung neuer Konzepte geworden ist, die uns auch in den kommenden Wochen und Monaten beschäftigen werden.
Das Land Hessen hat mit 3,1 Millionen Arbeitsplätzen zurzeit Gott sei Dank eine Rekordbeschäftigung aufzuweisen. Die Zahl der Arbeitslosen ist allein in den letzten zwei Jahren um fast 100.000 – jeder Mensch mit seiner eigenen Biografie – oder, statistisch gesehen, um 30 % zurückgegangen.
Hessen hat heute eine verlässliche Schule.Der zuvor herrschende Unterrichtsausfall von 100.000 Fehlstunden pro Woche ist vollständig beseitigt.
Hessen hat landesweit einheitliche Bildungsanforderungen und vergleichbare, zentrale Abschlussprüfungen. Beim Ausbau der Ganztagsangebote an allgemeinbildenden Schulen ist unser Land die Nummer eins unter allen westdeutschen Flächenländern.
Hessen ist wieder ein führender Standort der universitären Forschung und Lehre. Mit dem Autonomiegesetz für die Technische Universität Darmstadt, der Neugründung der Universität Frankfurt als Stiftungsuniversität und der Privatisierung des Uniklinikums Gießen und Marburg ist unser Land nicht nur Vorreiter, sondern hat auch bundesweit Standards gesetzt.
Hessen hat eines der ambitioniertesten Hochschulbauprogramme Deutschlands aufgelegt. Der begonnene zweite Bauabschnitt des Frankfurter Innovationszentrums für Biotechnologie oder die bevorstehende Einweihung des House of Finance belegen, dass Hessen durchaus wieder einen Platz in der Spitzenforschung beansprucht und dass dieser Platz zunehmend international anerkannt wird.
Meine Damen und Herren, in Hessen sind die Weichen für außerordentlich wichtige Infrastrukturmaßnahmen gestellt, die uns auch in den kommenden Monaten beschäftigen werden. Ich nenne hier an erster Stelle den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Frankfurter Flughafens, dessen Tragweite die nationale Bedeutung und Verantwortung, aber auch die Chance unseres Bundeslandes unterstreicht. Mit derselben Entschlossenheit wurde der Ausbau des Flughafens Kassel-Calden sowie der Autobahnen A 44, A 49 und A 66 in den jeweiligen Phasen ermöglicht und vorangetrieben.
Hessen zählt inzwischen zu den sichersten Ländern in der Bundesrepublik Deutschland.Die Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner ist im Bundesvergleich eine der niedrigsten, die Aufklärungsquote die höchste, die jemals in Hessen gemessen wurde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht zuletzt dank der Zusammenarbeit des Landes mit den Kommunen ist Hessen das bestausgestattete westdeutsche Flächenland bei den Betreuungsangeboten für unter dreijährige Kinder – eine wichtige Voraussetzung für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Ich will nur mit wenigen Beispielen die Ausgangssituation beschrieben haben, sozusagen auch ein Stück der – in Anführungszeichen – Eröffnungsbilanz, die die geschäftsführende Landesregierung bei ihrer Arbeit zu berücksichtigen hat und die durchaus in einer Kontinuität mit der Arbeit steht, die wir auch in der Zukunft haben werden.
Meine Damen und Herren,es ist aber nicht nur eine Frage von nüchternen Fakten. Ich denke, wenn man manches in den Diskussionen in der Öffentlichkeit und den Parteien sieht, fällt auf, dass in unserem Bundesland, aber auch in ganz Deutschland,immer mehr mit allgemeinen Begriffen – zwischen der Angst um die eigene persönliche Situation, um die Zukunft, um die Frage, was man mit seiner persönlichen Biografie, mit seinem eigenen Leben und dem seiner Kinder in Zukunft gestalten kann, auf der einen
Ich will deshalb bei allem Stolz auf diese Zahlen und auf die Ergebnisse ebenso klar sagen: Wir wissen als Landesregierung sehr wohl, dass es in immer größerer Zahl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt, deren Einkommen seit Jahren nicht gestiegen sind, und Rentner, deren Rente seit Jahren kaum messbar angehoben wurde. Die werden nicht allein durch statistische Betrachtungen von der Richtigkeit unserer Politik überzeugt werden, zumal gleichzeitig Steuern, Krankenversicherungsbeiträge und Lebensmittelpreise spürbar steigen.Trotzdem werden gerade den Bürgern, die jeden Euro und jeden Cent so dringend brauchen, romantische Vorstellungen über einen alles regelnden Staat nicht wirklich helfen.
Die aufgezeigten Fakten belegen, dass es den Menschen in Hessen im Durchschnitt schon heute besser geht als dem Durchschnitt der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Nichts davon darf durch ideologische Pläne – so schön sie auch klingen mögen – gefährdet werden. Im Gegenteil, Hessen muss auch in Zukunft alles tun, um bei Wirtschaft und Wachstum spitze zu sein; denn nur so helfen wir den Menschen wirklich, ihre persönliche, auch ökonomische Situation so zu gestalten,wie sie es selbst erhoffen und aus meiner Sicht auch erhoffen sollen.
Wir haben eine Chance, diese 17. Legislaturperiode für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land mit Selbstbewusstsein zu beginnen.
Natürlich beobachten uns jetzt viele Bürgerinnen und Bürger und viele uns kritisch hinterfragende Journalisten, die sich fragen, ob es gelingen kann, die schlichte Notwendigkeit von Entscheidungen in diesem Land – statt Stillstand und Lähmung – in politisches Handeln umzusetzen.
Ich möchte mit der heutigen Regierungserklärung aus den etwas abstrakten und deshalb unverbindlichen Diskussionen, die wir in den letzten Wochen manchmal in gegenseitigem Respekt, manchmal in gegenseitigem Streit geführt haben, herauskommen, indem ich Ihnen unterschiedliche Ebenen unserer Arbeit und der damit verbundenen Entscheidungen präsentiere und die jeweiligen Konsequenzen erläutere. Ich gehe dabei von insgesamt vier uns gemeinsam interessierenden Arbeitsebenen für die nächsten Monate aus.
Das ist erstens die Ebene der reinen Regierungsentscheidungen in der Verantwortung der Landesregierung. Das ist zum Zweiten die Ebene, die ich die Routinegesetzgebung nenne. Das ist zum Dritten die Ebene der Zukunftsprojekte, die im Land angestoßen werden müssen, aber keinen Gesetzgebungsbedarf haben, und trotzdem einer Diskussion zwischen Regierung und Parlament bedürfen. Das ist zum Vierten die Ebene grundsätzlicher landespolitischer Entscheidungen, bei denen auch nicht an allen Stellen ein Aufschub möglich ist.
Die Gestaltungsebene Nummer eins – die Ebene der Regierungsentscheidungen – umfasst all diejenigen Kompetenzen,die in den klassischen Aufgabenbereich einer Landesregierung fallen. Wir werden dort alles das umsetzen und entscheiden, wofür wir durch Gesetz ohnehin schon beauftragt oder durch die Verfassung bevollmächtigt sind.
Ich nenne eine Reihe aus meiner Sicht wichtige Punkte für die nächsten vor uns liegenden Wochen und Monate.
In diesem Jahr werden wir nicht nur die ausscheidenden Lehrerinnen und Lehrer ersetzen, sondern 1.000 zusätzliche, zum Ausgleich bisheriger Mehrarbeitsstunden notwendige Lehrerinnen und Lehrer einstellen. Das sind mehr als zweieinhalbtausend Lehrerinnen und Lehrer,die zum Schuljahreswechsel neu in die hessischen Schulen kommen.Es wird einer bundesweiten sehr konzentrierten Anstrengung bedürfen,alle diese damit zur Verfügung gestellten Planstellen tatsächlich und auch fachlich qualifiziert zu besetzen.
Meine Damen und Herren, wir werden die Zahl der Ganztagsangebote an Hessens Schulen im Rahmen dessen, was der Haushalt bereits vorgibt, auf insgesamt 530 im kommenden Schuljahr erweitern. Das sind dann mehr als 25 % aller hessischen Schulen. Wenn man die weiterführenden Schulen rechnet,ist es ein noch höherer Anteil.
Wir werden nach der Entscheidung der Fachkommission in der nächsten Woche die ersten, bundesweit schon heute sehr beachteten LOEWE-Forschungsprojekte an die hessischen Hochschulen vergeben. Dafür stehen allein im Jahr 2008 zusätzlich jetzt neu zu vergebende Fördermittel von insgesamt 20 Millionen c zur Verfügung.
Wir werden die nächsten Projekte für die Museumslandschaft Kassel umsetzen. Dazu zählen der Umbau und die Sanierung der Neuen Galerie und die Sanierung des Stationsgebäudes als erster Teil eines Besucherzentrums am Schloss Wilhelmshöhe.
Wir werden im sozialen Bereich weitere Projekte auf den Weg bringen, beispielsweise bei der Förderung zusätzlicher Kinderbetreuungs- und Tagespflegeeinrichtungen durch Erlass entsprechender Richtlinien und Setzen von Standards.
Meine Damen und Herren, jenseits einzelner Projekte wird es natürlich weiterhin die notwendigen Richtlinien und Erlasse der Landesregierung geben. Wir werden wie gehabt Planfeststellungsverfahren und Genehmigungsverfahren durchführen. Das heißt ganz klar: Die Infrastrukturprojekte in diesem Land werden mit der gleichen Entschlossenheit und der gleichen Nachhaltigkeit vorangetrieben wie bisher.
Das betrifft unter anderem die gradlinige Umsetzung des Planfeststellungsverfahrens zum Frankfurter Flughafen ohne Änderungen und mit dem Ziel eines schnellstmöglichen Baubeginns.
Das betrifft die entschlossene Weiterführung des Projekts Flughafen Kassel-Calden. Es betrifft auch die nach der positiven Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beschleunigte Realisierung der Autobahn A 44, wo Kollege Rhiel und ich schon morgen gemeinsam mit dem Bundesverkehrsminister den Baubeginn des lang ersehnten nächsten Abschnitts starten werden.
Wir haben die Hoffnung, dass die nunmehr gefällte positive Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für die A 44,um die wir so lange gerungen haben,im Prinzip auch dazu führt, dass die weiteren Klageverfahren, an die wir uns gewöhnen müssen und die es in jedem
Meine Damen und Herren, wir werden unser zentrales Projekt „Staufreies Hessen 2015“ weiterführen, und Herr Kollege Rhiel wird so wie bisher in der Verantwortung der Landesregierung den erfolgreichen Weg der Verbraucherschutzpolitik gerade im Bereich der Strom- und Wasserpreise, die so viele Menschen in diesem Land betreffen, weitergehen.
Der Abbau der Bürokratie und die gleichzeitige Berücksichtigung der Interessen des Mittelstandes werden ein wichtiger Punkt auf der Tagesordnung sein. Es ist das Ziel der Hessischen Landesregierung, erstmals in Deutschland, aber durchaus auch in einem ausgewählten Bereich erstmals bei uns in Hessen – denn das ist eine Aufgabe,die viel schwieriger ist, als wir gedacht haben – eine Unternehmensgründung binnen sieben Tagen möglich zu machen. Wir haben im Raum Fulda sehr viele Vorarbeiten geleistet.Man stößt auf Probleme,die man nie für möglich gehalten hätte. In anderen Ländern Europas ist das eine Selbstverständlichkeit. Bei uns ist es eine Herkulesarbeit. Aber ich denke, dass wir es schaffen werden, die Unternehmensgründung in sieben Tagen zu ermöglichen.
Wir werden die Entwicklung des ländlichen Raums weiterhin zu einem zentralen Diskussionsthema mit Ihnen allen machen. Darauf komme ich noch zu sprechen. Aber dazu gehören neben den klassischen Instrumenten der Entwicklung des ländlichen Raums auch die weitere Umstellung auf Biokraftstoffe und Biorohstoffe und die Entwicklung der hessischen Land- und Forstwirtschaft. Ich sage das ganz unabhängig von den aktuellen bundespolitischen Entscheidungen der letzten Tage. Man darf nicht in zu große Jubelrufe ausbrechen, aber man darf jetzt eben auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Die Energiegewinnung durch unsere Landwirtschaft ist ein zusätzliches Element für die Bauern in Deutschland, um ein Einkommen auf stabiler Basis zu haben. Diese Entwicklung war richtig. Sie wurde auch nicht durch die letzten Tage kaputt gemacht. Sie muss sich weiter stabil in die richtige Richtung entwickeln.
Meine Damen und Herren, wir werden den Tourismus im ländlichen Raum weiter fördern. Die Landesregierung wird die einzigartigen Buchenwälder des Nationalparks Kellerwald-Edersee als UNESCO-Weltnaturerbe nominieren.
Darüber hinaus werden wir auch die in den letzten Wochen angekündigten Nachbesserungen bei der verkürzten Gymnasialzeit und im Bereich der verlässlichen Schule vornehmen. Das heißt konkret: Wir werden bei G 8 das Ausmaß an Hausaufgaben per Verordnung klar regeln und insgesamt reduzieren. Wir werden den Unterrichtsstoff besser auf die gymnasiale Schulzeitverkürzung ausrichten und dazu unter Beteiligung der Mitbestimmungsgremien wie des Landeselternbeirats eine Novellierung des Lehrplans vornehmen. Dies kann dann zu Beginn des neuen Schuljahres,wenn die Mitbestimmungsgremien das akzeptieren, in Kraft treten.
Ziel ist es, die Unterrichtsinhalte stärker zu konzentrieren, zu vereinfachen, einzelne Inhalte des bisherigen Lehrplans aus der Verbindlichkeit herauszunehmen. Damit werden wir längerfristig durch kompetenzorientierte Standards und Kerncurricula,die entstehen werden,dafür sorgen, dass die eigenverantwortlichen Schulen eine größere Möglichkeit zur eigenen Gestaltung spätestens ab dem Schuljahr 2010/2011 haben werden.