Roland Koch
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Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich zunächst für die Landesregierung, insbesondere für meine Kollegen Alois Rhiel und Karlheinz Weimar, die in diesen Tagen sehr unmittelbar mit diesen Fragen befasst sind, bei allen Parlamentsfraktionen dafür bedanken, dass wir nicht nur im Verlauf dieser Debatte, sondern auch in der Vorbereitung die Möglichkeiten hatten, Gespräche zu führen. Somit haben wir die Chance, dass sich die hessische Sondersituation, die sich aus dem übrigen Verlauf des Tages ergibt, nicht zu einer besonderen Risikosituation für Unternehmen in Hessen entwickelt.
Unabhängig von der Frage des normalen Bürgschaftsrahmens – der in Hessen in der Tat seit Jahrzehnten traditionell sehr viel niedriger ist als in anderen Bundesländern, obwohl der wirtschaftliche Erfolg dieses Landes sehr viel höher ist als der anderer Bundesländer; das ist eine Erfahrung, die wir immer im Auge behalten müssen – wäre die Grenze unserer normalen wirtschaftlichen Tätigkeit zu niedrig,um einem großen Unternehmen helfen zu können. Wir sind außerdem am Ende eines Jahres, und von den regelmäßigen Bürgschaftsvolumina in Höhe von 300 Millionen c ist der überwiegende Teil, bis auf einen Restbetrag von 50 bis 60 Millionen c, bereits ausgelegt. Mit diesem Restbetrag hätte man möglicherweise die Herausforderungen, die in diesem Jahr in der Automobilindustrie noch auf uns zukommen, erfassen können. Das wäre allerdings eine knappe Sache geworden. Insofern war es richtig,dass wir miteinander gesprochen haben und hiermit einen Bürgschaftsrahmen definieren, von dem ich ausdrücklich sage, er ist aus unserer Sicht eine Obergrenze und nicht eine Absicht der Verausgabung.
Dieser Bürgschaftsrahmen muss dann angewandt werden, wenn nicht nur der Wunsch danach geäußert wird, sondern auch die Bedingungen stimmen. Er soll sicherstellen, dass alle wissen, mit einer Bürgschaft als dem niedrigsten Hilfsmittel,der zurückhaltendsten Form der Subvention – nämlich zunächst einmal nur der Gewährung von Sicherheit, ohne dass damit jemandem erspart wird, den Kredit aufzunehmen, und ohne dass es eine Bank geben müsste,die bereit ist,als Hausbank dafür zu fungieren und das zu prüfen,und ohne all die anderen Fragen bis dahin, ob es eine Gebühr gibt, um diese Bürgschaft zu bezahlen – muss niemand in eine Krise geraten, weil er nicht die Chance hat, diese Frage zu stellen.
Das gilt natürlich für den Sonderfall Opel. Wir sollten aber nicht unterschlagen, dass wir es in unserem Bundesland mit einer sehr speziellen Struktur der Automobilindustrie zu tun haben. Wir sind nicht das Land, das allein von den großen Produktionsstandorten der Automobilkonzerne lebt. Wir haben einen sehr viel höheren Anteil von Automobilzulieferern in unserem Land, als es anderen Bundesländern in der klassischen Automobilindustrie der Fall ist.
Mit den 1.600 Zuliefererbetrieben, die sich uns in Hessen zu erkennen geben und die wir aus der Statistik haben, leben ungefähr 50.000 Menschen unmittelbar von dieser Aufgabe. Es gibt eine Reihe von Betrieben, die fast 50 % ihres Umsatzes mit Automobilunternehmen machen, sodass wir in Hessen zwischen 60.000 und 70.000 Menschen haben, die unmittelbar davon abhängen. Das sind 6,3 % aller Beschäftigten, die in Deutschland mit der Automobilindustrie zu tun haben.
Es gibt zwei Besonderheiten. Die eine Besonderheit ist, der überwiegende Teil, über 60 %, dieser Mitarbeiter arbeitet in dem Bereich der Zulieferer und nicht der Automobilkonzerne selbst. Zweitens, das, was bei uns hergestellt wird,mit einem Umsatzwert von ca.15 Milliarden c, wird zu mehr als 60 % exportiert. Das bedeutet, unsere Industrie lebt von zwei wichtigen Quellen, zum einen von der Frage, wem man im Ausland was verkaufen kann, zum anderen davon,dass die großen Automobilkonzerne in ihrer Gesamtheit leben.
Viele in den Wahlkreisen – das sehen in diesen Tagen alle kleinen und mittleren Unternehmen mit 80, 100 oder 200 Mitarbeitern; nur 25 % aller Unternehmen, über die wir sprechen, haben mehr als 250 Mitarbeiter – bekommen mitgeteilt, das Werk ist für die nächsten fünf Wochen stillgelegt.Die Tatsache,dass der Dezember und der Januar in Deutschland eine Zeit der fast stillliegenden Autoproduktion sein wird, führt die Unternehmen in Schwierigkeiten.Davon sind aber nicht nur große Konzerne,die das in ihrer Gesamtplanung durchaus berücksichtigen, sondern auch Unternehmen, die davon abhängig sind – unter Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld und anderen Dingen –, betroffen. Diese Unternehmen brauchen einen höheren Kontokorrentkredit.
Es handelt sich dabei nicht um die vielen Millionen, über die wir reden. Die meisten Bürgschaften, die wir vergeben, laufen über 500.000 c bis 1,5 Millionen c. Sie sind also unterhalb der europäischen Grenzen. Genau an diesen Stellen kommt jetzt die Finanzkrise als Partner des Problems hinzu. Die Kreditinstitute sind im Moment außerordentlich zurückhaltend bei der Ausweitung vorhandener Engagements. Sie wollen, dass der Kreditbetrag pro Kunde reduziert wird und nicht bei dieser konjunkturellen Entwicklung auch noch ausgeweitet wird. Das nennt man dann so schön „Deleveraging“. Das ist dieser Tage sozusagen das Mantra all derjenigen, die in Banken und Finanzinstitutionen tätig sind.
Diese Kombination beißt kleine und mittelständische Unternehmen, die Weltmarktführer sind, kleine und mittelständische Unternehmen, die in den letzten Jahren gigantische Erfolge und Innovationen in der Materialtechnik, in der Abgastechnik, in der Energieführung und in vielen anderen Bereichen verzeichnet haben. Sie sind nicht schlecht, sie sind keine Dinosaurier. Das sind Unternehmen, die mit aller Kraft und Fähigkeit deutscher Tradition von Automobilbau Zulieferer in der ganzen Welt geworden sind – 60 % Export –, die deshalb jetzt kaputtgehen könnten, weil wir eine Kombination von wochenlangen Werksstilllegungen plus einem fast verstopften Kreditmarkt haben.
An dieser Stelle gilt aus meiner Sicht das Wort „Schirm“ durchaus richtig. Wenn Sie einen Ausflug in 30 Sekunden Banalökonomie erlauben: Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen einem Schirm und einer Trocknermaschine.Wenn man einen Schirm richtig nutzt, wird man nicht nass. Wenn man einen Trockner braucht, ist man schon ziemlich nass und wird anschließend geschleudert.
Das Ziel, das wir mit diesen leistungsfähigen mittelständischen Unternehmen haben, ist, ihnen über die Liquiditätschancen, die wir ihnen verschaffen können, eine Möglichkeit zu geben, dass sie überhaupt nicht in eine Krise kommen.
Meine Damen und Herren, deshalb ist der Schritt, den wir hier heute anwenden, richtig. Er beschränkt uns durchaus in einer bestimmten Größenordnung, das ist auch gut so – obwohl ich ausdrücklich sagen will, dass ich dem Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar dafür bin, dass er entschieden hat, mit der Europäischen Kommission darüber zu verhandeln,dass diese De-Minimis-Regel,also das,was wir außerhalb der europäischen Regeln machen dürfen,in diesen Monaten aufgrund der aktuellen Situation verdoppelt wird.
Lassen Sie mich eine Bemerkung zu Opel machen. Es ist vieles Richtiges, das wir gemeinsam teilen, gesagt worden. Ich will ausdrücklich sagen, mit dem Antrag der FDPFraktion haben ich und die Mitglieder der Landesregierung keine Probleme. Das ist Gesprächsgegenstand zwischen uns allen gewesen. Ich will der Fraktion der LINKEN in aller Deutlichkeit sagen: Das, was Sie formuliert haben, wird die Landesregierung nicht anwenden. Dafür müssten Sie eine Mehrheit im Hauptausschuss bekommen, auch im Fall von Opel.
Die Gemeinsamkeit, die wir hier erreicht haben, ist eine gute Grundlage, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der Geschäftsleitung von Opel zu sagen: Wenn sie den Antrag stellt, werden wir handlungsfähig sein. – Wenn wir handlungsfähig sein wollen, bedeutet das, wir müssen jetzt darüber sprechen, was für diesen Fall die Bedingungen wären. Die Frage, ob es im amerikanischen Senat eine Mehrheit für die Rettung gibt, werden wir hier nicht durch Spekulationen ersetzen können. Wir müssen in der Lage sein, auch kurzfristig zu handeln. Dazu gehört das, was wir hier machen. Dazu gehört auch, dass das Unternehmen seine Hausaufgaben macht. Es muss die Antworten geben, die man braucht, um so etwas auf der nationalen und der europäischen Ebene zu beschließen.
Der Kollege Schäfer-Gümbel hat eine durchaus nicht unspannende Frage dazu gestellt, indem er das Wort der Sanierung angesprochen hat. In der Tat ist die Definition, wie der Antrag auf eine Bürgschaft gestellt wird von durchaus beachtlicher Bedeutung und ermöglicht, das eine oder andere zu tun oder nicht zu tun. Zum anderen geht es auch um die Frage der Sicherheit. Es kann nicht sein, dass Betriebs- und Grundvermögen amerikanischen Unternehmensmüttern gehört und die Bürgschaft für den Betrieb von deutschen Steuerzahlern finanziert wird.
Dort muss es auch Kombinationen geben, die am Ende unter dem Stichwort eingebracht werden, wie die Sicherheiten gewährleistet werden. Wir werden keinen Rechnungsführer in das Haus schicken können,um überprüfen zu lassen, wie jede einzelne Überweisung getätigt wird. Wir werden es so machen, wie bei allen anderen Unternehmen auch,mit denen wir in solchen Schwierigkeiten in der Geschichte der Bundesrepublik gesprochen haben.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss betonen:Die Entscheidung,die wir getroffen haben,Sie zu bitten, einen solchen Rahmen zu entwickeln und uns als geschäftsführender Landesregierung zu übergeben, ist dadurch bedingt, dass wir in dieser Krise eine Verpflichtung gegenüber den Bürgern haben. Die Tatsache, dass wir das gemeinsam lösen, ist ein wichtiges Signal für die Bürger, gerade in einer Situation,wie wir sie heute im Landtag ha
ben. Die Tatsache, dass wir eine Verabredung getroffen haben, wie das Parlament an der großen Frage beteiligt ist, ist sicherlich auch ein Zeichen dafür, dass wir das in großer Gemeinsamkeit tun.
Es wird immer eine ganze Menge Menschen geben, die uns fragen – ich sehe das an den Zuschriften –: „Muss das sein? Darf der Staat das?“ Es gibt auch in der politischen Partei,der ich angehöre,durchaus manche,die fragen:„Ist das ordnungspolitisch richtig oder falsch?“ Deshalb will ich am Schluss Herrn Hüther, den Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, zitieren, weil der völlig unverdächtig ist, in der ordnungspolitischen Debatte der Politik Kredit zu geben. Er achtet sehr darauf, dass die Prinzipien etwas schärfer, als wir als Politiker dazu in der Lage sind, angewendet werden. Er sagte heute:
Opel ist nicht wegen eines falschen Geschäftsmodells, mangelnder Innovation oder verfehlter Produktpolitik in diese Lage gekommen, sondern wegen einer gefährdeten Forderung an die Muttergesellschaft.In Deutschland hängen 75.000 Arbeitsplätze dran. Man muss als Ökonom auch mal sagen, es ist nicht alles schwarz oder weiß. In Ausnahmesituationen wie dieser mit weltweit sich verstärkenden rezessiven Tendenzen muss die Politik nicht nur nach der reinen Lehre entscheiden, sondern die Kosten bedenken. Dies führt zu einer Abwägung mit Bauchschmerzen und letztlich zu der Antwort: Ja.
Ich glaube, das ist eine Position, hinter der sich mit gutem Gewissen eine große Mehrheit dieses Parlaments versammeln kann. – Vielen herzlichen Dank.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Herr Kollege Hahn hat sich zu Wort gemeldet. Herr Hahn, fünf Minuten Redezeit stehen Ihnen zur Verfügung.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir alle jetzt die beiden Fraktionsvertreter der Fraktion DIE LINKE gehört haben, geht jedenfalls mir durch den Kopf, wie viele Abgeordnete der 38 Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion und der Fraktion der GRÜNEN in den letzten Minuten vielleicht doch ganz insgeheim den vier Abgeordneten dankbar waren, dass sie ihnen das als Regierungspartner erspart haben.
Ich habe diese Bemerkung ausschließlich deshalb gemacht, weil ich glaube, dass Regierung, Parlament und Abgeordnete – ich gehöre diesem Hause auch schon sehr lange an – an einer Stelle miteinander bis zum letzten Punkt ringen und streiten müssen, nämlich in der Frage des Umgangs miteinander.
Es war immerhin der Vizepräsident des Landtags, der von „hinterhältigen Schweinen“ gesprochen hat.
Und Sie sagen: Welch ein Glück, dass Sie nicht mehr da sind.
Ich sage Ihnen: Wenn ich Sie, Ihre Partei und Ihre Geschichte sehe, bin ich jede Sekunde stolz, einen freien Abgeordneten, der von niemandem zu etwas gezwungen werden kann, als Kernprinzip unserer demokratischen
Ordnung zu haben. Die gilt es zu verteidigen, an jeder Stelle.
Das trifft durchaus alle Parteien. Das trifft im Augenblick die SPD. Das hat an anderer Stelle auch schon meine Partei getroffen. Das hat an manchen Stellen in den Kommunen noch viel größere Bedeutung als in Landtagen oder im Bundestag, bis zu konstruktiven Misstrauensvoten auf nationaler Ebene: Nicht immer ist es so gegangen, wie es die Parteiführungen geplant hatten. Das ist aber im Zweifel der Fehler der Parteiführung, nicht der Fehler der Verfassung mit dem Institut des freien Abgeordneten. Diese Relation gehört am Ende dazu.
Mit dieser Entscheidung sind wir heute beim Abschluss der Arbeit einer kurzen Legislaturperiode, einer Legislaturperiode, die uns allen in ihrem emotionalen Auf und Ab – ganz unabhängig davon, wo wir stehen, in den Fraktionen, in der Regierung, in den Führungen der Fraktionen oder in der Mitgliedschaft – manches abverlangt hat. In dieser Wahlperiode kann sich niemand als Sieger empfinden. Meine Partei und ich selbst hatten eine Wahlniederlage als Eingangserlebnis. Sozialdemokratische Kollegen haben möglicherweise den Sieg, den sie errungen haben, schlicht überschätzt.
Es war eine Periode, in der wir uns, jedenfalls im Großen und Ganzen, bemüht haben, das zu machen, was man in einer Übergangszeit machen kann. Das wird niemals ganz befriedigend sein, denn es bedeutet, dass das Parlament nicht die Regierung ersetzen kann und die Regierung nicht das Parlament hat, das sie selbst durch Legitimation ins Amt gebracht hat.
Das war immer so.Deshalb will ich uns zur Erinnerung etwas zitieren, was Holger Börner anlässlich der Auflösung des Landtags am 4. August 1983 gesagt hat und was man wortgleich heute übernehmen kann:
Eine Regierung ohne die ständige Unterstützung einer Mehrheit des Landtags ist für beide Seiten, Landtag und Regierung, unbefriedigend; denn der Landtag kann gegenüber einer solchen Regierung seinen politischen Willen nur ungenügend zur Geltung bringen, und die Regierung kann ihre politischen Ziele und Vorstellungen nur begrenzt verwirklichen.
Die Richtigkeit dieser Worte ist durch die Monate unserer gemeinsamen Arbeit erneut bewiesen. Aber auch der zweite Teil gilt: Die Väter und Mütter unserer Verfassung haben eine Ordnung geschaffen, in der Sie mit den Verhältnissen in den Parteien nicht in der Lage waren, jedenfalls nicht auf Zeit, die Ziele umzusetzen, die mit Mehrheitsbildung verbunden sind – und trotzdem bleibt dies ein stabil regiertes Land.
Das ist auch eine Leistung von allen, wie letzten Endes heute die Entscheidung zu Opel gezeigt hat.Auch in einer Zeit des Übergangs wären wir in der Lage, eine solche Frage zu beantworten, wenn sie konkret gestellt würde. Wir hätten das in der Zeit einer geschäftsführenden Regierung gekonnt. Wir können das sogar in der Interimszeit, die zwischen zwei gewählten Landtagen liegt.
Bei allem Streit, den wir haben, sollten wir nicht unterschlagen, dass es auch diese Erfahrung gibt: dass wir in vielfältigen Fragen mit kompliziertesten Fragestellungen
wie etwa der Finanzkrise, der Mitwirkung der Bundesländer und manch anderem – die Handlungsfähigkeit des Bundeslandes Hessen in ihrer Substanz nicht verlieren, wenn Parteien für eine gewisse Zeit nicht in der Lage sind, neue Mehrheitskonstellationen zu schaffen.
Dieses Vertrauen kann bestehen, unabhängig davon, dass keiner im Parlament über die Tatsache glücklich sein kann,dass wir den Hessischen Landtag nach wenigen Monaten auflösen müssen und die Wählerinnen und Wähler erneut mit der Entscheidung über eine Mehrheit betrauen müssen. Dies ist ein Ergebnis der Ereignisse der letzten Monate.
In dem, was vor uns steht, werden wir sicher eine Diskussion und eine Auseinandersetzung auch über die Frage haben, was sich verändert hat, wie ernsthaft es sich verändert hat und wie stark das die Zukunft prägt.
Herr Kollege Al-Wazir, ich kann mit Ihnen z. B. die Frage, ob es eine Nachhaltigkeitskonferenz gegeben hätte oder nicht, nicht in der Weise beenden, dass einer von uns beiden recht hat. Ich sage Ja; Sie sagen, Sie glauben es nicht, und es wird Geschichte bleiben. Ich kann Ihnen aber sagen: Wenn ich Verantwortung trage, wird sie bestehen bleiben. Ich will nicht nur auf den Rat von Herrn Baake nicht verzichten,sondern auch auf den von vielen anderen nicht. Ich glaube, in der Tat hat diese Zeit erbracht, dass wir an einigen Stellen offener miteinander umgehen. Jetzt meine ich nicht die Parteien, sondern ich meine die Diskussionen in der Sache.
Ich rate uns allen, das nicht näher in Zweifel zu ziehen. Denn bei allen Schwierigkeiten, die wir gehabt haben, bei allem Unbefriedigenden,das in dieser Zeit der Instabilität dabei war, ist das auch ein Vorteil.
Ich verhehle Ihnen nicht: Natürlich sind wir jetzt in einer Debatte über das, was richtig und was falsch war, was wer gelernt hat.Das war ein Teil der emotionalen Achterbahn, wahrscheinlich auch für unterschiedliche Beteiligte an unterschiedlichen Stellen. Als Regierungschef werde ich persönlich das,was wir mit meiner Fraktion damals in Bad Wildungen gemacht haben, nicht vergessen – einen ganzen Tag lang mit endlosen Wortmeldungen zu diskutieren, Wortmeldungen, die wahrlich von Selbstzweifeln,Gott sei Dank aber eben auch von Stolz auf Vergangenes geprägt waren,wo man sich manchmal nicht richtig verstanden gefühlt hat. Das ist damals miteinander kollidiert.
Wir haben daraus Konsequenzen gezogen. Einen Teil dessen, was wir vorher für richtig gehalten haben, haben wir angesichts der Wählerinnen und Wähler ein Stück verändert.
Herr Schäfer-Gümbel, als Sie vorhin gesprochen haben, habe ich mir gedacht, es gibt schon einen ziemlichen Unterschied. Es stimmt, da ich immer noch der Gleiche bin: Die personelle Konstellation und das Angebot gegenüber den Wählerinnen und Wählern haben sich nicht geändert. Aber wir haben inhaltlich durch die Veränderung einiger uns wichtiger Positionen etwas gelernt. Sie haben die Person ausgetauscht – aber was haben Sie inhaltlich gelernt?
Diese Frage wird bleiben. Sie wird Bestand der Erfahrungen sein, die wir in dieser Zeit gemacht haben.
Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, von der Frage der gymnasialen Struktur – also dessen, was man mit G 8 bezeichnet – bis hin zu der Frage der Häuser des Jugendrechts neue Impulse an Stellen zu setzen,die genau zu den Streitpunkten der Auseinandersetzungen mit den Bürgerinnen und Bürgern gehören.
Politik darf nicht erklären, dass sie sich von den Problemen wegbewegt.Wir sind jetzt in einer Zeit,in der wir den Wählerinnen und Wählern nur gegenübertreten können, wenn wir die jetzigen Herausforderungen mit Ernsthaftigkeit annehmen.
Wir müssen aufpassen, dass wir unser Bundesland nicht über Gebühr schlechtreden.Denn es ist eines,das selbst in der Krise im Vergleich zu anderen potenziell die besten Ausgangspositionen hat. Wir müssen aufpassen, dass wir mit dem Stolz der Bürgerinnen und Bürger arbeiten und nicht nur mit ihren Ängsten. Denn davon haben sie im Augenblick genug und wahrlich manchen Grund dafür.
Meine Damen und Herren,sie haben einen Anspruch darauf, dass wir die Fragen stellen – mit uns in streitiger Diskussion, denn das gehört zu dem Unterschied der politischen Parteien – und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass eine nächste Regierung in diesem Parlament mit klaren Mehrheiten ausgestattet ist.
Denn das ist auch klar: Ein Bundesland, das mitten in Deutschland liegt und das sich, was die Qualifikation seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angeht, vor niemandem scheuen muss, das mehr denn je seinen Platz im internationalen Wettbewerb hat, muss sich täglich positionieren. Das kann nicht in Deckung gehen. Das kann keine Entscheidungen verschieben, sondern das braucht eine starke, stabile politische Führung. Dies müssen wir Bürgerinnen und Bürgern auch mitteilen – dass wir das nicht können, sondern dass sie über die Stabilität entscheiden müssen.
Ich glaube, in diesem Landtag kann es eine Koalition geben. CDU und FDP jedenfalls sagen, sie könnten miteinander arbeiten. Sie werden sich entscheiden müssen, was Sie sagen. Sagen Sie, Sie drei wollen das, was das Regierungsprogramm war, das Sie vorgelegt haben, wieder machen?
Das ist für Wählerinnen und Wähler eine ziemlich ideale Konstellation: Zum ersten Mal müssen sie nicht darüber fabulieren, wer denn wen in einer Koalition über den Tisch zieht. Man kann es jetzt schon schriftlich sehen. Meine Damen und Herren, man weiß, wer was erreicht hat und wer was aufgeben musste. Das ist eine tolle Konstellation.
Herr Schäfer-Gümbel, eine Frage aber müssen Sie beantworten: Ist dieses Papier der drei – das zwei miteinander verhandelt und der Dritte toleriert hat – die Geschäftsgrundlage für Ihren Regierungswillen der Zukunft?
Das wäre eine wirklich spannende Debatte. Und das ist wichtig. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, wenn man das am Beispiel der Brille erklären will:
Bei der Brille kommt es nicht darauf an, ob das Design stimmt, sondern ob die Sehschärfe richtig ist.
Deshalb ist die Frage, wie wir beide uns finden, tendenziell sowieso nicht besonders spannend.
Wenn es Sie beruhigt, sage ich Ihnen: Wenn Sie glauben, Sie seien schöner als ich, akzeptiere ich das, und wir stellen den Streit über diese Frage auch ein. Es gibt genug andere Fragen, über die wir reden können.
Nur eines ist klar: Wenn ich die Wahlergebnisse sehe und wenn ich sehe, was die Umfragen aussagen, dann will ich mich mit Ihnen auseinandersetzen, da ich wissen will, mit wem Sie zusammenarbeiten wollen.
Sie allein sind kein ausreichender Gegner, da Sie entweder eine neue Politik oder weiterhin die Stimmen der Kommunisten brauchen. Das muss vor dem 18. Januar entschieden werden, weil es eine der entscheidenden Fragen ist, und die gilt es zu beantworten.
Genau diese Frage werden wir im Angesicht der überwältigenden Herausforderung der wirtschaftlichen Fragestellungen diskutieren müssen. Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz, und zwar mehr als um alles andere.
Das bedeutet nicht – das sage ich für mich und auch für meine politischen Freunde –, dass wir jeden Tag gegeneinander ausspielen müssen: Die einen wollen den Wohlstand und die Arbeitsplätze, und die anderen wollen den Planeten schützen. – Nein, wir wollen den Wohlstand und die Arbeitsplätze haben, aber nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kinder, und deshalb müssen wir auch den Planeten schützen. An dieser Stelle gibt es keinen Konflikt, der so funktioniert.
Aber wir wollen die Arbeitsplätze. Herr Al-Wazir, Herr Schäfer-Gümbel und Sie alle, wir wollen die Arbeitsplätze.Deshalb sage ich:Ein Land,das so viel für die Wirtschaft tun kann und das solche Chancen hat, braucht eine stabile Regierung.Daher ist die erste Frage an die Bürger: Was wollen Sie als stabile Regierung der Zukunft? Wie berechenbar wollen Sie die Antworten vor einer Wahl haben?
Die zweite Frage geht auch sehr logisch an den konkreten Projekten entlang: Wollen Sie, dass der Frankfurter Flughafen schnell ausgebaut wird, oder wollen Sie eine Regierung,die ein neues juristisches Scharmützel entzündet,anstatt endlich – auch mitten in der Krise – die Voraussetzung für 40.000 Arbeitsplätze zu treffen? Das ist eine klare und saubere Alternative, die man treffen kann.
Wenn ich dann an die nordhessischen Bürgerinnen und Bürger denke – die mit ihrer Lebenserfahrung ein bisschen gebeutelt waren, denn sie wussten eigentlich, dass es nach den Neunzigerjahren dringend notwendig war, dass zugunsten der Infrastruktur Veränderungen kamen, und die Ihnen Anfang dieses Jahres in nicht unbedeutender Zahl doch wieder ihr Vertrauen gegeben haben:klassische sozialdemokratische Wähler, die Ihnen wiederum ihr Ver
trauen gegeben haben –, dann stelle ich fest, dass diese am Ende dieser Zeit doch mit Faszination und Entsetzen gesehen haben, dass Sie bei all dem auf einmal sagten – gar nicht nur in der großen Frage des Wortbruchs, sondern im Detail, dort, wo es um die Infrastruktureinrichtungen ging, wie bei der A 44 –: Unbestritten sind nur drei Planabschnitte, bei allen anderen denken wir neu über die Linienführung nach.
Bei Kassel-Calden haben Sie eine Formulierung gewählt, bei der die Bürger wussten und auch Sozialdemokraten gesagt haben: Das ist der Tod des Ausbaus von KasselCalden. – Bei der A 4 haben Sie den Tod gleich beschlossen.Bei der Strecke Fulda – Meiningen haben Sie den Tod ebenfalls gleich beschlossen. Sie waren wieder die Alten. Sie, die Sozialdemokraten, waren wieder die Alten, denn Sie haben in Nordhessen Ihr Wort nicht gehalten, den Nordhessen in Deutschland die Chance zu geben, die sie vorher nicht gehabt haben.
Natürlich bleibt zum Schluss – niemand wird Ihnen das ersparen – auch die Frage: Gehört zu der Regierungskonstellation, die Sie sich vorstellen, in Zukunft auch, da Sie als Koalitionspartner eine Partei wie die Linkspartei nehmen, anschließend in der Regierung darüber zu diskutieren, ob Sie Ihren eigenen Partner von Ihrem eigenen Verfassungsschutz beobachten lassen?
Meine Damen und Herren, auch diese Frage wird sicherlich Wählerinnen und Wähler erstmals interessieren – insbesondere die, Frau Ypsilanti, die Ihnen das letzte Mal geglaubt haben und sich deshalb über diese Frage keine Gedanken gemacht haben.
Die wirtschaftliche Zukunft und Stabilität dieses Landes, aber auch die Seriosität von Aussagen sowie die Frage: „Wer regiert eigentlich das Land mit wem, wenn er jetzt den Bürgerinnen und Bürgern Angebote macht?“, sind Themen, die wir klären müssen. Das sind Themen, die wir auch mit Engagement und Leidenschaft klären müssen, denn sie können in den nächsten fünf Jahren die Zukunft dieses Landes entscheidend verändern.
Das Dokument, das Sie gemeinsam geschaffen haben, ist so, wie es von einigen – auch von den Abgeordneten, die aus Gewissensgründen zu einer anderen Auffassung gekommen sind – gesagt worden ist: Es kostet eben Arbeitsplätze, und es bringt keine. Man sieht klar die Wasserscheide, man sieht, was man wählen kann, in diese oder in jene Richtung. Das ist gut; das ist sogar toll.
Wir haben in diesem Land endlich Wählerinnen und Wähler, die nicht theoretisch darüber nachdenken, was Parteien nachher verhandeln könnten, sondern eine sehr präzise Vorstellung haben. Es sind Wählerinnen und Wähler, die sich nicht über eine lange Zeit hinweg daran erinnern, was irgendwann einmal in der Politik war, sondern die neun Monate deutlichster und klarster politischer Auseinandersetzungen vor sich gehabt haben.
Es wäre für die Demokratie besser, wenn Landtage nicht aufgelöst werden müssten, sondern man geordnet regiert. Aber es ist für die Wähler dann immer noch sehr gut, wenn sie wenigstens wissen:Warum ist gestritten worden? Warum wird der Landtag aufgelöst? Welches Signal müssen wir als Wähler geben, damit uns das nicht wieder passiert?
Meine Damen und Herren, das ist eine Aufgabe, die bleibt. Und es ist eine Aufgabe, aufgrund derer wir nun hinausgehen und das machen werden, was Politiker tun – in der Adventszeit hoffentlich mit der gebotenen Zurückhaltung –: darüber zu streiten, was der richtige Weg ist.
Wir haben manches geändert. Wir werden manches nicht so vertreten, wie wir es getan haben. Das ist der Preis und das Ergebnis einer Wahlniederlage, denn wir betrachten den Wähler nicht als irgendjemanden, der mal zum Wählen eingeladen wird, sondern wir nehmen das ernst, was er gesagt hat. Aber wir bleiben auch bei unseren Prinzipien. Wir bleiben auch bei dem, was der Kern unserer Identität ist, so wie das bei den anderen Parteien hoffentlich auch ist. Den Wettbewerb in diesem Sinne miteinander zu führen, ist kein Grund, für den man sich in der Demokratie entschuldigen muss, sondern es ist der Sinn unserer Aufgabe als Politiker und als Parteien, und die sollten wir in den nächsten Wochen in gehobener und gebotener Verantwortung wahrnehmen. – Vielen herzlichen Dank.
Ich hatte mich schon vorher zu Wort gemeldet. Wie Herr Vizepräsident Quanz bestätigen kann, hat sich die Reihenfolge der Wortmeldungen nicht geändert. Das sollte ich vielleicht angesichts der Konstellation sagen, die sich ergeben hat. Denn natürlich hat die Debatte durch das, was hier im Parlament stattgefunden hat und im Ältestenrat besprochen wurde, eine andere Qualität erhalten.
Meine Damen und Herren, ich denke, trotzdem darf diese Frage nicht untergehen. Die Emotionalität hat den Begriff Deeskalation vielleicht jetzt in besonderer Weise untermalt. Es geht um die Frage, die hinter dieser Diskussion steht und die uns in den nächsten Wochen mit dem Hüttendorf beschäftigen wird.
Das, was Herr Kollege van Ooyen hier gesagt hat, war inakzeptabel. Wir haben ihm das klargemacht. Er hat sich dafür entschuldigt.
Aber ich muss auch sagen: Die Diskussion darüber, dass es ein Büro seiner Fraktion in einem rechtswidrig errich
teten Hüttendorf gibt, besteht ebenso wie die Frage, in welcher Weise die Polizei dadurch belastet wird, fort. Es handelt sich nach wie vor um eine Diskussion, die Anlass zur Sorge, wenn nicht zu mehr, gibt. Deshalb glaube ich, dass wir gut beraten sind, wenn wir hier im Parlament das, was Herr Abg. Al-Wazir hinsichtlich des Phänomens der Deeskalation als eines der Elemente,das man aus den Debatten gelernt hat, sehr präzise ansprechen.
Herr Kollege Al-Wazir, die Sitzungsunterbrechung hat mir die Zeit und die Möglichkeit gegeben, die Rede des ehemaligen Innenministers Gottfried Milde zu lesen – ich kann nur empfehlen, das zu tun –, der der Verantwortliche für die hessische Polizei war, als die zwei Beamten Opfer wurden. Sie beschäftigt sich gerade auch sehr mit dem Begriff der Deeskalation.
Wir wollen nicht, dass in einem freiheitlichen Rechtsstaat Polizeibeamte Menschen in ihrer Freiheit einschränken. Herr van Ooyen, deshalb waren die Worte, die Sie gebraucht haben,so infam.Vielmehr wollen wir,dass die Polizeibeamten aus fester Überzeugung die Mittel der Autorität und der Gewalt einsetzen, um die Freiheit der Menschen zu sichern und zu verfestigen.
Ein Polizeibeamter dieses Landes wird nicht ausgebildet und wird nicht Polizist, um andere Menschen zu drangsalieren.Ich habe seit nahezu einem Jahrzehnt jedes Jahr gemeinsam mit dem Innenminister die Gelegenheit, die neuen Beamtinnen und Beamten dieses Landes zu vereidigen. Dabei habe ich sehr viele von ihnen kennengelernt. Das ist so der Fall, wenn man eine solche Rolle und diese Führungsverantwortung hat.
Deshalb weiß ich: Sie wollen keinen Einsatz in der Stärke von Hundertschaften mit martialischer Ausrüstung haben, bei der sie Demonstranten irgendwelcher Provenienz gegenüberstehen und am Ende Gefahr laufen, mit Steinen beworfen oder mit Zwillen beschossen zu werden. Am Ende müssen sie die Demonstranten vielleicht auch noch wegtragen. Der Traum eines deutschen oder eines hessischen Polizeibeamten – jedenfalls derer, die ich kennengelernt habe –, besteht nicht aus einem paramilitärischen Einsatz gegen Demonstranten. Vielmehr wollen sie lieber friedlich eine Demonstration begleiten.
Ich kenne keinen Polizeibeamten, der nicht aus innerer Überzeugung deeskalieren will.
Wir sollten an all das denken, was in den letzten Jahren passiert ist. Man muss schon einmal sagen: In den letzten neuneinhalb Jahren gab es in Hessen viele Herausforderungen. Gerade in den letzten zwei Jahren gab es schwerste Bedrohungen durch Terroristen. Es hat schwierige Einsätze bei Demonstrationen mit links- und rechtsradikalen Gruppen gegeben. Das ganze Frankfurter U-Bahn-System wurde lahmgelegt. Sprengkörper wurden in Papierkörbe gelegt. Es geschah noch einiges mehr.
Sicherlich gab es, gerade auch von den Rechtsradikalen, kleinere Provokationen und Auseinandersetzungen, die ein großes Ganzes werden sollten. Es ist der hessischen Polizei unter Führung dieses Innenministers gelungen,die Problematiken so aufzulösen, dass es nicht zu martialischen Schlachten gekommen ist. Dabei hat der Rechtsstaat immer gewonnen. Genau das ist das Prinzip, das auch in Zukunft gelten muss: Wir wollen keine martiali
schen Schlachten. Wir wollen, dass der Rechtsstaat gewinnt.
Herr Al-Wazir, sehen Sie: Genau an diesem Punkt wird es spannend. Es geht dabei um die Frage, wer wen wie gefährdet und ob der Rechtsstaat dabei gewinnen kann.
Der Bürgermeister von Kelsterbach sagt, die Einrichtung des Hüttendorfs sei rechtswidrig gewesen. Er sagt – aus Sicht unserer Polizei zu Recht –: Das Hüttendorf kann Gewalttäter aus anderen Bereichen anziehen. Drittens sagt er: Ich will, dass das in absehbarer Zeit beendet ist. – Er hat dazu eine sehr konkrete Frist gesetzt. Das ist die Seite des Rechtsstaats. Ich habe bisher niemanden gehört, der gesagt hat, dass der Bürgermeister von Kelsterbach dabei mit irgendeinem seiner Sätze Unrechtmäßiges oder Unangemessenes mitteilen würde.
Vor diesem Hintergrund muss man sich das Verhalten einer Fraktion ansehen. Natürlich wollen wir uns als Parlamentarier insgesamt vor die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten stellen, die in unserem Land Dienst tun und die im Dienste dieser Verfassung arbeiten.Was passiert eigentlich, wenn diese Beamten sehen, dass es dort ein rechtswidrig errichtetes Dorf gibt, das in absehbarer Zeit geräumt werden soll und bei dem das Risiko besteht, dass es Gewalttäter anzieht? Nach allgemeiner Übereinstimmung ist das so. Und dann eröffnet eine der Fraktionen dieses Landtags in diesem Dorf ein Büro. Was für eine Botschaft geht davon aus? Herr Al-Wazir, handelt es sich dabei um Deeskalation? Ist das Deeskalation? Ich sage Ihnen: Es handelt sich dabei um eine bewusste Eskalation. Sie passiert genau in diesen Tagen aus all den Gründen, die politisch damit gemeint sind.
Meine Damen und Herren, wir bleiben bitte dabei nüchtern miteinander. Diese Eskalation geschieht nicht, weil dort in absehbarer Zeit Bäume gefällt werden. Die müssten sich nicht den ganzen Winter den Hintern im Dorf abfrieren. Die Bäume werden nicht gefällt, bevor ein Verwaltungsgerichtshof entschieden hat und vieles andere – das weiß jedes Kind.
Sie geschieht, weil Sie ihnen schon vor den Gesprächen sagen wollen, dass Sie als Linkspartei immer auf der Seite derer stehen, die im Zweifel auch mit dem, was Sie verharmlosend zivilen Ungehorsam nennen, was Sie damit beschreiben, dass Sie glauben, es sei Verfassungsrecht auf Widerstand, das Sie nicht haben, gegen die Entscheidung dieses Parlaments,gegen die Entscheidung dieser Landesregierung und möglicherweise gegen die Entscheidung von Gerichten zum Bau der Landebahn in Frankfurt vorgehen werden. Das und nichts anderes ist die Frage.
Sie sagen ihnen das jetzt, damit es vor der Regierungsbildung klar ist – keine triviale Frage.Deshalb sage ich Ihnen an dieser Stelle als politische Bemerkung sehr klar: Man kann als Landesregierung den Rechtsstaat nicht konsequent schützen, wenn man von einer Partei abhängig ist, die den Rechtsstaat nicht konsequent schützen will. Das ist der Punkt der Auseinandersetzung.
Deshalb ist es die Auseinandersetzung um diesen Punkt. Er ist ein Symbol, ja. Er kostet möglicherweise nicht viel an Staatsgeldern, wird jedenfalls die Fraktion behaupten.
Ich weiß nicht, wie viel Einsatz dort war. Sie freuen sich über Publicity. Das mag alles sein. Es ist ein Symbol, und es ist so gemeint.
Deshalb muss sich ein Polizeibeamter fragen, was das bedeutet. Eines ist zur Deeskalation auch klar. Herr Al-Wazir, Sie wissen das aus Ihrer Erfahrung, weil Sie auch mit Regierungsfraktionen gearbeitet haben. Eine der entscheidenden Voraussetzungen für die Fähigkeit der Polizei zur Deeskalation ist ihre Sicherheit des Rückhaltes derer, die für sie politisch verantwortlich sind.
Nichts ist für eine Deeskalation gefährlicher als eine Situation, in der eine Polizeiführung nicht weiß, was ihre Führung am Ende will oder wollen darf.Auch das gab es in der Geschichte, sodass alles nichts Neues ist. Deshalb ist diese Debatte des Symbols bewusst so gesetzt und bewusst eine Debatte, die wir zu führen haben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, klar ist, diese Debatte kann man nicht irgendwann unter dem Motto, dass Ihnen in drei Monaten einfällt, da wäre eigentlich ein Problem,führen.Es ist entweder jetzt ein Problem, und es wird von Anfang an so behandelt, oder es ist kein Problem, und es wird nicht so behandelt.
Das mag die letzte Bemerkung sein. Abg. Hahn hat einmal darauf hingewiesen: Natürlich haben viele, die in Verantwortung stehen, mit Pfarrer Oeser lange über diese Frage diskutiert. Es ist exakt richtig, Pfarrer Oeser ist nicht deshalb dorthin gegangen, weil er dort unbedingt eine Hüttenkirche bauen wollte, sondern er hat, weil andere ein Hüttendorf gebaut haben, in seinem Versuch der Deeskalation gesagt: Ich gehe hinein und nicht von außen heran.
Das hat sicherlich unser aller Respekt verdient – unabhängig davon, wie man ihn sieht. Er hatte aber über eine zweite Erfahrung – das weiß ich auch – gegenüber den sozialdemokratischen Kollegen und anderen nie einen Zweifel gelassen:Seine Lehre daraus ist,dass nicht wieder ein Hüttendorf entstehen darf.Seine Motivation,auch des Dialogverfahrens, ob es gelungen oder nicht gelungen war, mit allen Ambivalenzen, die er darin gefunden hatte – es war der Grund seines Einsatzes, dass es nicht noch einmal eine Hüttenkirche und nicht noch einmal eine Hüttenversammlung und nicht noch einmal eine solche Eskalation gibt.
Eines haben auch wir gelernt.Die Irren,die da geschossen haben, waren nicht die friedlichen Demonstranten. Aber die Irren hätten dort nie schießen können, wenn es nicht einen Schutzwall von Demonstranten gegeben hätte, die immer militanter geworden sind und zu einer faktisch wahren militanten Auseinandersetzung mit der Polizei geführt haben.
Die Frage, die damals gestellt worden ist, ob man dort demonstriert, wo es zum Kampf wird, oder ob man es nicht auf den normalen Plätzen machen kann, die Frage, die damals gestellt worden ist, ob man es in die Gerichte verlagern kann,die Frage,die damals gestellt worden ist,ob Dialog etwas ersparen kann – das sind die Kernfragen.
Bei allem, was ist: Seit der Entscheidung von Hans Eichel zum Dialogforum sind wir in dieser Frage, es in die Form der Auseinandersetzung zu bringen, die einer freiheitlichen parlamentarischen Demokratie angemessen ist, weitergekommen – so weit, dass man auch ein Hüttendorf
unter den Prinzipien der Deeskalation trotz endloser Straftaten, die dort jede Woche etwa an den Amphibienschutzzäunen und anderen Dingen begangen werden, durchaus gelassen betrachten kann.
Die Partei DIE LINKE und die Linksfraktion müssen wissen: Sie sind es, die diese Betrachtung von Deeskalation gefährden, weil Sie bewusst und gewollt aus politischen Gründen zu einer Eskalation der Situation führen, die am Ende uns Politiker beschäftigt und vielleicht beschädigt. Aber die wird auf dem Rücken von Hunderten und Tausenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ausgetragen – erst mit Wochenenddienst, unter schwierigen Bedingungen einfach da zu sein, später mit körperlichen Auseinandersetzungen und am Ende mit großen persönlichen Risiken.
Das muss jeder wissen. Deshalb muss eine Parlamentsdebatte in der Lage sein, zu Protokoll sicherzustellen, dass keiner jemals behaupten kann, er habe es nicht gewusst – nicht die, die in den Wald gehen, und nicht die, die denen eine Reputation verschaffen, die in den Wald gehen wollen. – Vielen herzlichen Dank.
Verehrter Herr Kollege Schaus, damit das klar ist:Wir befinden uns in einem rechtsstaatlichen Verfahren, das nicht umdefiniert werden kann.
Wie immer das am Ende ausgeht – der Verwaltungsgerichtshof in Kassel entscheidet –, eine Genehmigung nach dem Planfeststellungsrecht für das Luftverkehrswesen hat den Sofortvollzug in sich. Das heißt, aus juristischer Sicht darf heute gebaut werden, am heutigen Tag.
In Deutschland gibt es eine Absprache,an die sich alle Behörden halten, wonach wir eine verwaltungsgerichtliche
Entscheidung darüber, ob der Sofortvollzug rechtens ist oder ausgesetzt wird, abwarten.
Über diese Frage entscheidet der Verwaltungsgerichtshof in Kassel, und zwar abschließend. Beim Sofortvollzug gibt es keine zweite Instanz.Auch das steht im Gesetz.
Das heißt, nach diesem Zeitpunkt – ein Jahr später oder wann auch immer – wird das Hauptsacheverfahren entschieden. Dieses Hauptsacheverfahren hat eine Berufungsmöglichkeit zum Bundesverwaltungsgericht nach Leipzig.
Völlig klar ist: Der Antragsteller, Fraport, hat an dem Tag der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in Kassel Baurecht – nichts von wegen Rechtsstaat hin und her, Zweifel, Missverständnis, „wollen bewahren“ oder sonst etwas. An dem Tag nach der Entscheidung des VGH in Kassel – wenn es so kommt, wie es das Gericht gesagt hat, im Januar oder Februar – gibt es entweder eine lange Aussetzung wegen des Hauptsacheverfahrens, und dann wird über eine lange Zeit nicht gebaut; oder, wenn das Gericht sagt, der Sofortvollzug ist berechtigt, es besteht am nächsten Tag Baurecht.
Was ich nicht zulassen will, auch nicht so nebenbei in einem Protokoll, ist, dass sich irgendjemand rechtsstaatswidrig verhalten würde, wenn die Fraport dann von ihrem Baurecht Gebrauch macht und dann selbstverständlich der Staat – das sind wir hier alle zusammen – durchsetzen wird,
dass sie im Zweifel das Baurecht hat.Das ist dann ein ganz normales Recht, das ist der Rechtsstaat. Dafür brauche ich kein Hüttendorf.
In dem Augenblick, in dem die vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel nicht gewinnen und es eine Aussetzung gibt, wird keiner bauen. Dafür brauche ich nicht die Linkspartei, das ist der Rechtsstaat.
Also ist dieses Hüttendorf unter jedem denkbaren Gesichtspunkt eine Provokation oder Unsinn – und da müssen Sie sich irgendwann entscheiden. Herr Schaus, das geht so zwischen den Dingen nicht.
Das ist auch eine Form von Respektbezeugung.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Rudolph hat von einer denkwürdigen Situation gesprochen. Denkwürdig ist in den letzten Wochen logischerweise
eine ganze Menge. Es ist „denk“-würdig, Herr Kollege Rudolph, und genau dabei sind wir gerade. Die Frage ist nämlich: In einer solchen Situation ungeklärter Mehrheitsverhältnisse, unterschiedlicher Abstimmungen können sich bestimmte Dinge hochschaukeln, und es können sich bestimmte sachliche Positionen entwickeln.
Für die Landesregierung, die einen Gesetzentwurf eingebracht hat, ist diese Situation genauso wenig neutral wie für alle anderen; denn wir sind keine politischen Eunuchen geworden.Sie haben im Moment ein eindrucksvolles Beispiel gegeben; denn so, wie Sie gesprochen haben, kann man nur reden, wenn man nicht an der Regierung ist.
Ja, Herr Kollege Rudolph, so ist das, wenn sozusagen nicht der Rechenschieber dahintersteht. – Das ist eine schwierige Entscheidung. Aber in einer Zeit von wechselnden Mehrheiten sind alle auf dem vorsichtigen Weg, sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, sie hätten einer Gruppe zu wenig gegeben.
Der Kollege Al-Wazir war vor einiger Zeit im Gespräch auch mit mir. Diesen einen Satz darf ich vielleicht einmal zitieren. Er sagte, sie hätten erst geglaubt, wir wollten nicht mehr regieren, und später, andere wollten nicht regieren, weil alle gemeinsam das Geld ausgeben. Das ist jedenfalls eine schwierige Frage. Ich antworte der Fraktion der GRÜNEN auf den Antrag,den sie hier gestellt haben, aus meiner Sicht: Es macht keinen Sinn – da hätte Herr Kollege Rudolph recht –, es als ein völlig isoliertes Problem zu betrachten, ob wir jetzt als ein Beispiel, weil die GRÜNEN einen Punkt brauchen, gerade einmal „die Beamten ärgern“. Denn dann ist es ein illegitimes Opfer.
Es muss schon die Frage sein, die jedenfalls ich mir für die Regierung in dieser Diskussion stelle, ob wir dem Parlament sagen, dass wir uns in einer solchen Frage eines Gesetzgebungsverfahrens auch eine andere Alternative vorstellen können. Dass das eine denkbare ist, die auch in der Vergangenheit gelegentlich schon genutzt worden ist, hat der Kollege Rudolph richtigerweise gesagt. Das hängt ein bisschen von dieser Frage ab. Was jedenfalls ich für mich, aber, ich glaube, auch für die Kolleginnen und Kollegen der politischen Fraktion, der ich angehöre, sagen kann, ist: Wir wollen am Ende in einem Spiel, das gespielt wird, nicht die Deppen sein, weil wir gerade Partner eines Spiels waren – so offen formuliert –, und dann von Herrn Rudolph vorgeführt werden unter dem Motto, die GRÜNEN haben einmal etwas gespielt.
Das ist die spannende Frage, Herr Kollege Al-Wazir. Denn wenn wir jetzt daran denken würden, Sie würden gerade mit anderen in Koalitionsanbahnungsverhandlungen zum Verlobungsstand sein, würden jedenfalls wir uns vergleichsweise ärgern, wenn Sie sich so verhalten würden. Mit mir hätten Sie Schwierigkeiten; möglicherweise haben Sie mit Frau Ypsilanti weniger.
Aber die Frage,die dahintersteht,ist:Was ist die politische Botschaft? Die politische Botschaft hat eine andere Dimension, wenn man das liest, was Sie bisher öffentlich gesagt haben. Es ist aus meiner Sicht durchaus hörens- und lesenswert, wenn da steht: „Aus meiner Sicht muss spätestens 2011 der Landeshaushalt ausgeglichen sein und danach mit der Schuldentilgung begonnen werden.“ Dann beschimpfen Sie uns, das ist auch in Ordnung: „Allerdings hat die Finanzpolitik der Regierung Koch in den letzten Jahren einen Schuldenberg aufgehäuft.“
Das ist das, was ich bei Hans Eichel vor neun Jahren auch immer gesagt habe. Dann kommt der Satz: „Ausgeglichene Haushalte werden wir weder durch Steuersenkungen noch durch große Mehrausgaben erreichen, auch wenn viele Ausgabenwünsche bestehen.“ Insgesamt ist das eine Position – Sie wissen, sogar bei der Frage der Steuersenkung, wenn Sie die öffentliche Debatte verfolgen, die auch ich in meiner Partei führe –, bei der es einen Anlass gibt, sich über bestimmte Dinge zu unterhalten.
Nur, wir haben eine andere Diskussion, und ich erbitte mir, dass wir daraus ein Stück eine Antwort bekommen. Ich habe der Frau Präsidentin schon angedroht, ich rede ein bisschen länger als fünf Minuten, weil ich einen gewissen Zusammenhang herstellen will.Hinter der Frage steht auch eine Chance, eine solche Debatte zu führen.
Wir haben mit der Hessischen Landesregierung in den letzten Jahren mit den Vorschlägen zur Besoldung einen zweifellos nicht einfachen Weg beschritten, den man auch nicht in jedem Element so gehen muss, wie wir ihn gegangen sind.Aber er hat, wenn man alles zusammenführt, bestimmte Ergebnisse.
Der Kollege Schaus hat gesagt, wir hätten Stellen eingespart. Ich will gar nicht sagen: „Schön wärs“, weil Sie das ärgern würde. Aber die Bilanz der Stellen dieses Landes ist am Ende annähernd identisch. Wir haben für Stellen, die wir eingespart haben, die Sie bemerkt haben – rund 6.000 Stellen in verschiedenen Bereichen über die Personalvermittlungsstelle –, an anderen Stellen, insbesondere in den Hochschulen und den Schulen, Stellen geschaffen, sodass die Netto-Stellenbilanz des Landes sich nicht signifikant verändert hat, wenn man alles zusammenrechnet.
Das muss man wissen bei jedem Wunsch, den Sie äußern, zusätzliche Stellen zu schaffen.
Wir haben aber auch einen Bericht von Herrn Staatssekretär Suchan in den Zeiten von Herrn Ministerpräsident Eichel gehabt, der uns nachgewiesen hat, wie sich bis zum Jahr 2020 finanzielle Entwicklungen im Lande abzeichnen aufgrund der höheren Versorgungslasten und der Personalkostensteigerung, wie dann die Personalkostenquote – also das, was insgesamt im Haushalt für Personal ausgegeben wird – in eine nicht mehr beherrschbare Größenordnung steigt.
Im Vergleich dazu muss man heute feststellen, dass wir rund 1 Milliarde c jährlich weniger für Personalkosten ausgeben, als das Suchan für diesen Zeitpunkt prognostiziert hat. Das tun wir im Wesentlichen in Aktivgeldern, weil man logischerweise Versorgungsbezüge nur in einem geringerem Umfang und Beihilfen in gar keinem Umfang in einer solchen Weise steuern kann. Da gibt es Verschiebungen untereinander, aber am Ende war Suchan der Meinung,dass wir etwa 9 Milliarden c im Jahr zahlen,und jetzt zahlen wir etwa 8 Milliarden c.
Man muss aber wissen:Wer dieses Prinzip aufgibt, gefährdet die gesamte Finanzierung eines Haushalts. Ich streite auch heute bewusst nicht über die Details, ob man in der Tarifgemeinschaft ist oder nicht. Dazu habe ich eine Meinung, auch das haben wir gesagt, aber das steht heute nicht zur Abstimmung.
Sie sagen, Sie wollen auf den Weg einer Verhandlung gehen, bei dem der Wiedereintritt in die Tarifgemeinschaft etwa 350 bis 400 Millionen c im Jahr kostet.Die LINKEN sagen,sie wollen einen öffentlichen Beschäftigungssektor, der 600 Millionen c plus/minus X strukturell kostet, selbst wenn man das in mehreren Jahren einführt. Die Linkspartei hat gesagt, wir brauchen eine Hessencard, die rund 100 Millionen c kostet, wie sie sie beschrieben hat. Die „Operation sichere Zukunft“ wollen Sie zumindest im Sozialbereich gemeinsam streichen. Das kostet mindestens 30 Millionen c. Damals waren es unstreitig so viel; und das muss man sicher ein bisschen hochrechnen. Bei der kostenlosen Bildung von der Krippe an können Sie rechnen. Das sind 400 bis 500 Millionen c; da kommt es auf die Details an.
Wenn Sie das zusammenrechnen, dann findet damit eine Diskussion über einen Politikwechsel statt, die faktisch bedeutet, dass Mehrausgaben diskutiert werden. Wenn Sie beim Personal wieder alles glattstellen wollen – dabei wollen Sie nicht weniger Stellen haben und nicht weniger bezahlen, sondern mehr –, legen Sie die Milliarde wieder drauf. Gleichzeitig muss man noch mit 1 Milliarde c Mehrausgaben rechnen. Wenn ich Herrn Kollegen Beuth richtig verstanden habe,ist das die Freibierpolitik,von der er gesprochen hat, und nicht die gesamte Besoldung, Herr Kollege Schaus, um das nebenbei zu sagen.
Diese Fragestellung besteht also: Gibt es im Hessischen Landtag eine Mehrheit, die gemeinschaftlich der Auffassung ist, dass man anfangen kann, auch in riskanten Fragen zu handeln? Das Beamtengesetz ist eine riskante Frage; denn sie wird genau die Argumentation bringen, die Herr Rudolph angewandt hat,weil er noch die Chance hat, das frei zu diskutieren, unabhängig von Bindungen, von Koalitionsdiskussionen und Sonstigem. Er nutzt die Chance des letzten Populismus.
Dann will er verhandeln. Herr Kollege Rudolph, ich glaube, dass das am Ende nur Verhandlungen werden und nicht mehr.Aber das ist natürlich nicht Ihre Meinung.
Deshalb steht am Ende die entscheidende Frage: Ist das, was die Fraktion der GRÜNEN beantragt hat – das ist eine Frage, die nur die Fraktion der GRÜNEN beantworten kann, weil die beiden anderen Fraktionen auf der linken Seite des Hauses an der Debatte nicht teilnehmen, also ob sie einen Antrag stellen oder nicht; sie haben sich klar positioniert –, ein Einstieg? Wenn es ein Einstieg ist, dann ist es aus Sicht der Landesregierung ein Vorschlag, der weiter geht als das, was wir in Verhandlungen zusammen gewagt haben, in einer solchen politischen Diskussion zu machen.
Wenn es kein Einstieg ist, sondern nur ein Beispiel eines Fußtritts, dann ist das unseren Beamtinnen und Beamten gegenüber angesichts der Diskussion nicht angemessen. Da liegt nach meiner Einschätzung die Kante. Deshalb ist es in der Tat ein intellektuelles Ringen.Es ist eine Debatte im Parlament: Lohnt es sich, oder nicht?
Ich will ausdrücklich sagen, dass ich den Eindruck habe, dass Herr Kollege Wagner nichts gesagt hätte, was dem widerstrebt. Aber er hat sich sehr präzise und ganz vorsichtig nur auf diesen Fall bezogen.
Ich glaube, dass jedenfalls aus Sicht der Landesregierung, die ein Recht und eine Pflicht zur Stellungnahme hat, die Frage wichtig ist: Will das Parlament an dieser Stelle ein Signal setzen, das etwas damit zu tun hat, dass der Ansatz, 2011 einen ausgeglichenen Haushalt zu haben, auch wenn es Schmerzen auslöst – die Entscheidung, die da getroffen würde,löst Schmerzen aus –,ein weiterhin ernsthafter Ansatz ist?
Natürlich ist richtig, was gesagt worden ist, dass sich, seitdem Volker Bouffier und ich und andere – wir sind dafür persönlich verantwortlich und stehen gegenüber den Beteiligten dafür gerade – diese Verabredung mit den Beamten getroffen haben, die Situation unseres Landes weiter verändert hat. Ich weiß nicht, wie Sie auf die KfW gekommen sind. Das werde ich noch mit Peer Steinbrück besprechen.
Aber die Tatsache, Herr Kollege Rudolph, dass wir Gott sei Dank der Bankenstandort Europas sind und deshalb viele Menschen eine gute Beschäftigung und vieles andere haben, bedeutet, dass in der Krise des internationalen Bankenwesens im Augenblick Hessen derjenige ist, der den ersten Schwall des ganzen Problems auf den Tisch geknallt bekommt.Sie haben in der Steuerabrechnung gesehen, dass wir einen signifikant anderen Steuereingang haben als die anderen Bundesländer.Das wird sich wieder ändern. Das ist keine Frage, die man auf das Jahrhundert diskutieren muss. Aber für 2008 und 2009 wird kein Mensch in diesem Lande, der das ernst nimmt, was in dem Antrag der GRÜNEN offenbar intendiert ist, über Ausgabenprogramme reden können, sondern er wird in den nächsten Wochen tendenziell über Sparprogramme reden müssen.
Die Frage ist: Ist dazu wirklich eine parlamentarische Diskussion da, und gibt es hierfür einen hinreichenden Verdacht an Übereinstimmung? Denn wir verhandeln heute Abend keine Kürzungspakete. Wir verhandeln keine Haushaltssanierungsstrukturen, wir beschließen am Ende
ein Gesetz.Aber wir beschließen mit diesem Gesetz auch über die Frage, ob es ein Signal ist oder nicht.
Ich sage Ihnen für mich persönlich – ich werde aber auch versuchen, das mit meiner Fraktion zu diskutieren –: Wenn es ein Signal ist, das es über das Gesetz hinaus ernst meint mit dem Vorschlag vom Herrn Kollegen Al-Wazir, den er im Sommer formuliert hat und den ich zitiert habe, dann ist es eine ungewöhnliche Entscheidung, eine denkwürdige Entscheidung wert. Wenn er das hier im Parlament sagt, unterstelle ich das auch.
Dann weiß er, dass er und seine Fraktion in den nächsten Wochen in allen Diskussionen, die geführt werden, so gemessen werden, wie sie sich verhalten. Aber es ist kein Nebenkriegsschauplatz, sondern es ist ein wichtiges Thema. Es ist ein wichtiges Thema, weil es um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht. Es ist aber auch ein wichtiges Thema, weil jeder weiß, dass es nur unter symbolischen Gesichtspunkten die Bedeutung erlangen kann, die es jetzt in dieser Diskussion hat.
Dafür bin ich jedenfalls offen.Wenn das ein Signal ist,dass wir dort zu einer politischen Mehrheit in einem neu gewählten Landtag kommen können, der in einer solchen Frage sagt, dass das eine Entscheidung ist, die ein Schritt – ein Schritt, nicht mehr – in eine bestimmte Richtung ist, wie man mit dem Haushalt umgeht, dann kann es in der Tat eine spannende Sitzung des Hessischen Landtags sein. Ich glaube, dazu sollten wir einen Augenblick weiter diskutieren. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe den Innenminister gebeten, mich an seiner Stelle hier sprechen zu lassen, weil ich glaube, dass in der Debatte schon klar wird,dass es nicht nur um eine Frage geht,die sich mit einem einzelnen Ereignis beschäftigt. Dabei meine ich nicht die allgemeinpolitische Verteidigungsrede, die Herr Kollege Schmitt hier zu halten versucht hat,
sondern ich will ausdrücklich am Eingang sagen, dass ich das, was Herr Abg. Greilich eben zu dem SPD-Antrag gesagt hat, teile, ohne dass ich das mit meiner Fraktion im Einzelnen besprechen kann. Ich halte diesen Antrag für richtig. Ich halte ihn auch in seiner ersten Position, dieser totalen Freiheit jeder Fraktion und ihrer eigenen Verantwortung, für sehr überlegenswert.
Aber das hat Konsequenzen. Dann müssen wir nämlich die Auseinandersetzung über die Verantwortlichkeiten
der Fraktionen an dieser Stelle führen. Dann hat das Thema Rote Hilfe keinen fast humoristischen Charakter, wie der Abg. Kaufmann geglaubt hat, das einschätzen zu müssen.
Mit Ihrem Antrag leisten Sie einen Beitrag zu dieser demokratischen Auseinandersetzung der Parteien in diesem Hause. Insofern ist das gar kein Punkt des Dissenses mit Ihnen, Herr Kollege Schmitt, sondern mit anderen. Es geht vielmehr sehr präzise um die Auseinandersetzung mit einer gewählten Fraktion dieses Hauses, nämlich der Linksfraktion, auch aus Sicht einer verantwortlichen Regierung.
Herr Abg.Wilken, die Rote Hilfe zu benennen – ob in einem schriftlichen oder einem mündlichen Verfahren, ist mir egal – ist ein Teil der Legitimation einer solchen Organisation in einer demokratischen Kultur.
Sie nicken. Sie sagen: Ja, wir wollen eine solche Organisation in einer demokratischen Kultur legitimieren.
Genau darüber geht der Streit.
Denn die Rote Hilfe in ihrer Gesamtheit ist eine Organisation,die im demokratischen Spektrum der Kultur dieses Landes nichts, aber auch gar nichts verloren hat.
Damit wir wissen, worüber wir hier reden: Die Rote Hilfe ist eine Organisation, die zu den wichtigen Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes gehört – und nicht nur des Verfassungsschutzes.
Warum geschieht das? Das ist aus den offenen Zitaten sichtbar – Herr Abg.Greilich hat gerade einige davon vorgetragen. Die Grundeinstellung der Roten Hilfe, ihr Gründungskonzept ist,dass dieser demokratische Rechtsstaat, wie er durch die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland angelegt ist, in seiner Autorität nicht legitim ist; dass – wenn er handelt, etwa durch Polizei oder durch rechtsstaatliche Gerichte, durch Urteile über Gefangene in Gefängnissen – er das Odium der Illegitimität, des unrechtmäßigen Umgangs mit einzelnen Menschen hat – und das wiederum legitimiere, gegen diesen Staat zu kämpfen. Das ist der Grundvirus, den die Rote Hilfe hat und weswegen sie nicht in diese demokratische Kultur gehört.
Wir sind ein Land, das so etwas mit einem weiten Toleranzbereich vor dem Verbot einer Organisation erträgt.
Das halte ich ausdrücklich für richtig, rechts wie links. Ich bin bis zu der äußersten Grenze – wenn wir sofort polizeilich handeln müssen – gegen ein Verbot von Organisationen: damit wir sie sehen können und uns mit ihnen auseinandersetzen müssen. Dabei schärfen wir uns über die Grenzen unserer demokratischen Kultur.
Wenn eine parlamentarische Organisation, die nach den Regeln unserer Verfassung in diesem Parlament sitzt, sagt, dass sie eine Organisation zum Teil der demokratischen Kultur machen will, die in ihren Programmen offen gegen diese demokratische Kultur antritt und dagegen ar
beitet, dann verlässt sie den Boden der demokratischen Kultur.Und in unserem Land gilt:keine Freiheit den Feinden der Freiheit.
Sie werden das als eine Verschärfung betrachten. Ich sage mit allem Ernst:Wer sich nur ein wenig mit der Extremismusforschung beschäftigt, der muss sich mit den extremistischen Tendenzen und ihren Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland der Nachkriegszeit beschäftigen. Dabei wird er feststellen, dass die einzige wirklich schlimme Phase des Extremismus, der in diesem Land zur Gewalt geworden ist, aus Gefangenenhilfsorganisationen entstanden ist – und zwar mit der intellektuellen Legitimation: Da sitzen Menschen im Gefängnis; denen hat der Staat Unrecht getan, weil sie im Gefängnis sitzen, denn das, was sie getan haben, nehmen wir mit Solidarität; und weil das die Repräsentanten verantworten – später hieß das „Schweinestaat“ –, tun wir den Repräsentanten das Gleiche an wie anderen.
Das ist die Geschichte der RAF. Lesen Sie einmal die Geschichte der RAF aus Büchern zu den Jahren 1968, 1969, 1970, und lesen Sie die Texte der Roten Hilfe. Meine Damen und Herren, dann wissen Sie, welche Gefahr Sie in diesem Lande auslösen, indem Sie solche Organisationen legitimieren.
Ich verschaffe damit anderen ein Stück mehr Diskussionszeit, aber ich mache sehr schnell.
Meine Damen und Herren, der Abg. Wilken hat eine in diesem Zusammenhang äußerst wichtige Frage gestellt: Was machen wir eigentlich, wenn eine Bundestagsabgeordnete, die sich offen zur Roten Hilfe bekennt, den Landtag betritt?
Herr Abgeordneter, die korrekte Antwort darauf ist: Nichts, denn wir haben Respekt vor direkt gewählten Abgeordneten des Bundestages. Und auch Frau Abg.Wissler betritt den Landtag.
Das ist doch nicht die Frage. Es gibt Abgeordnete der Linkspartei,die offen mit der Roten Hilfe sympathisieren.
Zur Entscheidung der Bevölkerung gehört, dass Menschen, die das tun, obwohl sie damit die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährden, nicht so beobachtet werden können,wie sie das würden,wenn sie nicht Abgeordnete wären.Auch das ist die Wahrheit.
Auch das gehört zur demokratischen Kultur. Ich stehe zu dieser demokratischen Kultur. Ich sage: Ja, wir werden auch mit dieser Herausforderung leben, wir werden sogar mit ihr fertig werden.
Wir werden als Staat mit Abgeordneten, die gewählt sind und Sympathie für solche Organisationen mit diesen Gefahren für die Freiheit haben wie die Rote Hilfe, fertig werden – wenn die anderen in einer vernünftigen Weise zusammenhalten und zeigen, wo die Grenzen sind.
Sehr verehrter Herr Abg. Schmitt, das ist der einzige Punkt, in dem wir wirklich anderer Meinung sind: ob Sie in der Art, wie Sie sich im Moment zu verhalten beabsichtigen, noch in der Lage sind, in einer demokratischen Kultur die Grenzen zu zeigen, wenn Sie ein Verhalten wie das der Linkspartei in diesem Hessischen Landtag sehen. Das ist die Frage, an der wir die Auseinandersetzung miteinander führen.
Deshalb rate ich meinen politischen Freunden, Ihrem Antrag zuzustimmen. Ihnen aber rate ich, Ihr Verhalten sehr sorgfältig zu prüfen. Denken Sie an Ihre Geschichte und das Berufsverbot. Die Diskussion um die RAF unter der Führung von Helmut Schmidt ist keine Geschichte allein der Christ- oder Sozialdemokraten. Die Frage, was die Rote Hilfe inkriminiert und was die Solidarität ihres mitparlamentarischen Armes, der Linkspartei, hier bekommt, ist ein Produkt des Angriffs gegen einen demokratischen Rechtsstaat, den alle anderen zusammen im Laufe der Zeit geschaffen,weiterentwickelt und in den sie sich hineingearbeitet haben.
Sie müssen entscheiden, ob Sie durch Ihre Kooperation diejenigen hoffähig machen, die anfangen, dagegen zu kämpfen, oder ob Sie noch die Kraft zu einer klaren Grenzziehung haben. Diese Debatte muss man hier führen. – Vielen Dank.
Herr Landtagspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor wir in die Sommerpause gehen, möchte ich, damit die Gelegenheit zu Gesprächen und Handlungen besteht, den Hessischen Landtag davon unterrichten, dass ich mich nach der Prüfung nicht in der Lage sehe, das am vergangenen Dienstag vom Hessischen Landtag beschlossene Studienbeitragsgesetz zu unterzeichnen.
Die Gründe dafür liegen nicht in den politisch grundsätzlich unterschiedlichen Auffassungen der Landesregierung und der Mehrheit dieses Landtags, was dieses Gesetzgebungsverfahren betrifft. Vielmehr liegt der Grund ausschließlich darin, dass das Gesetz, entgegen den Vorschlägen, die die Landesregierung nach den Beratungen der Fraktionen gemacht hat, mit einem Text verabschiedet worden ist, den in der Sache niemand ernsthaft wollen kann und der dafür sorgt, dass es, wenn es so unterzeichnet würde, verfassungswidrig wäre. Allerdings ist das ein Punkt, über den der Landtag nie gesprochen hat.
Um es zunächst zusammenfassend zu sagen:Nach der Regelung des Gesetzes, das bisher gilt und das in Teilen weiter gelten soll,gab es im Wintersemester 2007/2008 und im Sommersemester 2008 auf der einen Seite eine Beitragspflicht für die Studienbeiträge und auf der anderen Seite einen Anspruch auf die Gewährung eines Studiendarlehens.
Durch das jetzt beschlossene Gesetz und die darin enthaltene – oder nicht enthaltene – Aufhebung der wesentlichen Paragrafen des bisherigen Studienbeitragsgesetzes befinden wir uns im Wintersemester 2008/2009 in der Lage, dass es zwar weiterhin eine Studienbeitragspflicht gibt, aber keinen Darlehensanspruch mehr gibt und dass zusätzlich auf Antrag ein Anspruch auf Rückzahlung der Studienbeiträge besteht.
Ab dem Sommersemester 2009 besteht dann wieder nach dem Gesetz die Beitragspflicht, allerdings ohne dass es einen Darlehensanspruch gibt. Wenn man sich diese Frage anschaut, kommt jeder hier im Raum natürlich auf die Frage, wie es dazu kommen kann. Dazu will ich darauf hinweisen, dass der mit Drucks. 17/15 am 4. April eingebrachte Gesetzentwurf unter seinen Artikeln einen Art. 1 mit drei einzelnen Nummern, die Gesetzestechnik zur Vorbereitung enthalten sollten, hat.
Die Nr. 3, auf die es hier ankommt, lautete damals:
Dem § 13 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:
„Die §§ 1 bis 6 dieses Gesetzes
das war das Studienbeitragsgesetz –
finden letztmalig für das Sommersemester 2008 Anwendung und treten am 31. Dezember 2008 außer Kraft.“
So weit, so klar. In einer Handreichung der Landesregierung wurde eine Reihe von rechtstechnischen und sachlichen Veränderungsvorschlägen gemacht, die Sie – aus meiner Sicht endet da eine Beratungspflicht der Landesregierung – zum Teil umgesetzt und zum Teil nicht umgesetzt haben, was Ihr gutes Recht ist. In dieser Handreichung, die wir Ihnen am 23. Mai vorgelegt haben, gab es wieder diese Nr. 3 in Art. 1 mit unserem Formulierungsvorschlag als Landesregierung, der da lautet:
Der Studienbeitrag nach diesem Gesetz wird erstmals für das Wintersemester 2007/2008 und letztmals für das Sommersemester 2008 erhoben.
Das ist die gleiche Regelungswirkung wie die, die Sie in Ihrem ursprünglichen Entwurf hatten, mit einer anderen Formulierung. Der am 27. Mai eingebrachte Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN übernahm jedoch in der dort enthaltenen kompletten Neufassung – Sie haben aufgrund des Ratschlages der Landesregierung und auf der Basis Ihres ursprünglichen Entwurfs einen komplett neu zu beschließenden Text eingebracht – weder diesen Vorschlag der Landesregierung noch die ursprüngliche Nr. 3 des Art. 1.
In dieser Fassung, in der das Gesetz beschlossen worden ist, bestehen deshalb diese §§ 1 bis 6, die nach Ihrer Meinung nach und nach unserer zu schließen waren, jetzt in dem von Ihnen beschlossenen Gesetz fort. Das ist ein Mangel – das ist auch Gegenstand der Erörterung, die ich jetzt geführt habe –, der auch bei weitester Auslegung durch den Versuch einer Glättung oder nachträglicher Formulierung in Fragen der Formulierung der Rechtsmäßigkeitsprüfung einer Staatskanzlei nicht geglättet werden kann.
Wir können nicht einfach sagen: Es sind versehentlich die entscheidenden Paragrafen stehen geblieben,nämlich die, ob Studienbeitrag erhoben oder nicht erhoben wird. Da hatte sich der Gesetzgeber geirrt. Das korrigieren wir im Verkündungsverfahren. – Das ist nicht denkbar.
Deshalb ist dieses Gesetz in seinem Passus für das nächste Semester Unsinn und in seinem Passus für die Regelungen ab dem Sommer verfassungswidrig und kann deshalb so nicht verkündet werden.
Nun müssen wir gemeinsam sicherlich in einer solchen Diskussion zwei Dinge auseinanderhalten.
Das eine ist: Ich bitte schon um Verständnis. Es hat viele Diskussionen gegeben.Wir haben viele Seiten Beratungsvorschläge gemacht. Ich betrachte die Landesregierung durchaus als Berater der Fraktionen, aber nicht als Gouvernante. Deshalb müssen die Fraktionen am Ende selbst entscheiden, welche Formulierung sie nach den Ratschlägen der Landesregierung eigenverantwortlich wählen.
Trotzdem besteht auch in einer solchen Situation die Frage, wie wir gemeinsam den Fortgang beraten können. Ich möchte dem Hessischen Landtag zwei unterschiedliche Alternativen dazu anbieten, zu denen sich die Fraktionen in einer überschaubaren Zeit – man muss es heute deshalb sagen, weil diese Zeit am Montag nächster Woche
endet – in einer Weise verständigen müssen,dass man vernünftig damit umgehen kann.
Die Möglichkeit eins ist: Ich unterzeichne dieses Gesetz nicht, und es beginnt ein neues Gesetzgebungsverfahren, mit welchen Fristen Sie das nach der Sommerpause auch immer machen,um zu dem gewünschten Ziel zu kommen. Das ist ein langwieriges Verfahren.
Ich will hinzufügen, auch diese Frage bedarf dann einer gewissen Gemeinsamkeit der Fraktionen, wenn man das macht. Denn ist es nicht ganz trivial, zu fragen, was mit einem nicht unterzeichneten Gesetz eigentlich passiert. Ich finde, solche Diskussionen sollten wir uns für inhaltlich streitige Fragen aufheben.Wir haben vorhin gerade durch den letzten Tagesordnungspunkt eine gehabt.
Der zweite Punkt ist: Ich kann Ihnen, wenn dies eine Regelung ist,mit der das Parlament bereit ist umzugehen,anbieten, dass die Hessische Landesregierung von ihrem Recht aus Art. 119 der Hessischen Verfassung Gebrauch macht und das Gesetz beanstandet. Auch das will ich sagen: Nach meiner Einschätzung wäre es auch so, dass, wenn der Hessische Landtag seine dritte Lesung – das ist die Folge – in der Plenarsitzung nach der Sommerpause machen würde, immer noch das gleiche materielle Ergebnis erzielbar wäre.