Wichtiger aber noch ist unser erklärtes Ziel, im deutschen Bildungssystem mehr Chancengerechtigkeit durchzusetzen.
Es darf nicht dabei bleiben, dass Kinder von Akademikern mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit eine Hochschule besuchen als Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien. Um die Chance auf ein Hochschulstudium zu erhöhen, müssen Hürden abgebaut werden. Mit Studiengebühren aber wurden neue Hürden aufgebaut. Dieser Weg war falsch.
Meine Damen und Herren, dieser Weg ging für die beiden wichtigen Ziele – mehr Studierende und somit mehr Absolventinnen und Absolventen sowie mehr Studiengerechtigkeit – genau in die falsche Richtung.
Meine Damen und Herren, die verschiedenen Positionen zu den allgemeinen Studiengebühren sind klar, und wir haben sie in den letzten Monaten und Jahren ausgetauscht. Aber ich will Ihnen gerne nochmals näher erläutern, warum wir auch die Langzeitstudiengebühren abschaffen werden.
Die meisten Menschen, die länger studieren, haben dafür ihre Gründe.Diese Gründe lassen sich im Wesentlichen in drei Gruppen aufteilen.
Die einen studieren länger, weil sie neben dem Studium arbeiten. Das sind immerhin zwei Drittel der Studierenden. Viele dieser Studierenden arbeiten deshalb, weil sie neben dem Studium ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten müssen.
Meine Damen und Herren, genau wegen dieser Gruppe wollen wir die Langzeitstudiengebühren abschaffen.
Damit ermöglichen wir gerade den Studierenden, die wegen ihres Lebensunterhalts und beispielsweise auch wegen der Kindererziehung für ihr Studium mehr Zeit brauchen, einen erfolgreichen Studienabschluss. Damit erhöhen wir die Absolventenzahlen, und wir nehmen genau die wirtschaftlich Schwächeren mit – erhöhen also die Chancengerechtigkeit.
Es gibt noch eine zweite Gruppe von Studierenden, die für ihr Studium längere Zeit benötigen. Das sind diejenigen, die sich an den Hochschulen nicht zurechtfinden, die Orientierung, Beratung und sicher auch Druck brauchen. Auch diese wollen wir für die Hochschulen nicht verlie
ren.Unser Ziel ist,dass auch diese – wenn es gut läuft – ihr Studium zügig und erfolgreich abschließen können.
Hierfür schlagen wir eine Änderung im Hessischen Hochschulgesetz vor, die es den Hochschulen auferlegt, bei diesen Studierenden genauer hinzuschauen. Wenn Studierende über einen gewissen Zeitraum hinweg keinen Leistungsnachweis erbringen, sollen die Hochschulen diese Studierenden beraten, mit ihnen Zielvereinbarungen abschließen und sie im Extremfall exmatrikulieren können.
Dies ist ein fairer und gangbarer Weg, der unseren Zielen – mehr Studierende und mehr Chancengerechtigkeit – entspricht. Er kommt den Studierenden, die mehr Unterstützung brauchen,entgegen,und er ist auch für die Hochschulen praktikabel.
Meine Damen und Herren, es gibt noch eine dritte Gruppe von Langzeitstudierenden und auch von Zweitstudierenden, nämlich diejenigen, die sich einschreiben, um günstig an das Semesterticket heranzukommen. Diese sind mit unserem Verfahren der Änderung im HHG schnell identifiziert und können von den Hochschulen ebenfalls exmatrikuliert werden.
Mehr Studierende sind von uns gewollt. Mehr Chancengerechtigkeit ist von uns gewollt. Für die anderen Probleme haben wir in unserem Gesetzentwurf sehr praktikable Lösungen vorgeschlagen.
Meine Damen und Herren, wir wollen aber nicht nur Studiengebühren abschaffen, sondern wir wollen den Hochschulen die Einnahmeausfälle, die sie durch die Abschaffung der Studiengebühren haben, voll aus dem Landeshaushalt ersetzen. Dies wollen wir dauerhaft und zweckgebunden.Denn eine Verbesserung der Studienbedingungen und auch der Qualität der Lehre ist tatsächlich bitter nötig. Darüber gibt es inzwischen gar keinen Streit mehr.
Allerdings wollen wir, dass die Studierenden bei der Verteilung dieser Mittel auch mitbestimmen können.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))
Daher haben wir bei der Investition dieser Mittel eine paritätische Mitbestimmung vorgesehen. Absurderweise war das bei den Studiengebühren nicht vorgesehen.Dabei sind es doch eindeutig die Studierenden, die am besten wissen, wo an ihrer Hochschule Verbesserungen nötig sind. Dass sie bei der Verteilung dieser Mittel mitentscheiden, ist die logische Konsequenz und der Garant für die Verbesserung der Studienbedingungen.
Mit unserem Gesetzentwurf haben wir die neue Situation im Hessischen Landtag sehr gut und sehr konstruktiv aufgenommen. Es gibt eine parlamentarische Mehrheit im Hessischen Landtag gegen Studiengebühren. Die geschäftsführende Landesregierung hat erkannt,dass es sich nicht lohnt, sich an dieser Stelle zu verkämpfen, sondern dass die Situation erfordert, dass wir zur Umsetzung dieses parlamentarischen Willens zusammenarbeiten. Dies
ist in der Theorie selbstverständlich. In der Praxis müssen wir das in den nächsten Wochen und Monaten wahrscheinlich erst einmal üben.
An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich für die konstruktive Gesprächsatmosphäre im Finanzministerium bedanken.
Wir haben in unserem Eckpunktepapier eine Gegenfinanzierung zur Abschaffung der Studiengebühren für das Jahr 2008 vorgeschlagen, die wir nach dem Gespräch im Finanzministerium nochmals modifiziert haben. Der Finanzminister hat unserem Vorhaben politisch selbstverständlich nicht zugestimmt, aber unseren Weg finanzpolitisch eindeutig als realistisch und machbar beschrieben. Die FDP und der Steuerzahlerbund sollten ihre Fahnen daher einrollen und zur Kenntnis nehmen,dass andere die Bataillone an dieser Stelle schon längst zurückgezogen haben.
Meine Damen und Herren, auch in den nächsten Jahren werden wir den Hochschulen die Einnahmeausfälle zusätzlich dauerhaft und zweckgebunden gegenfinanzieren. Das wird kosten, das ist uns bewusst. Die Gegenfinanzierung ist hier eine Frage der politischen Prioritätensetzung. Wir wollen, dass der Staat, die Gesellschaft, die Solidargemeinschaft, für die Ausgaben von Bildung aufkommt, und wir wollen nicht, dass die Studierenden und ihre Familien mit diesen Kosten belastet werden. Denn Studiengebühren treffen gerade ärmere Studierende und vor allem auch Familien aus der Mittelschicht mit mehreren studierenden Kindern in ganz besonderem Maße. Dass die Nichtakademiker die Akademikerkinder finanzieren, Herr Hahn, das ist wirklich ein populistisches Märchen.
Die Statistiken belegen nun wirklich genau das Gegenteil. Unser Ziel ist es, dass sich die Gesellschaft für die Bildung verantwortlich fühlt und dass die Politik die Rahmenbedingungen dafür herstellt, dass eben auch die Töchter und Söhne von Nichtakademikern studieren können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Fraktionsvorsitzender hat am Freitag bei der Verabschiedung der ausscheidenden Abgeordneten Paulchen Panther zitiert mit dem Spruch:„Heute ist nicht alle Tage,ich komme wieder, keine Frage“. Ich muss Ihnen sagen, ich komme mir heute ein bisschen vor wie Paulchen Panther, der wieder da ist. In den letzten zwei Jahren ist kaum eine Plenarwoche vergangen, ohne dass wir uns über das Für und Wider von Studiengebühren gestritten haben. Heute sind nicht nur die Argumente auf unserer Seite, sondern nach Lage der Dinge auch die Mehrheit dieses Hauses.
Daher gestatten Sie mir, zu dem Gesetzentwurf der FDP nur ein paar ganz kurze Worte zu verlieren. Die FDP ist für Studiengebühren, auch wenn sie die Erhebung den Hochschulen überlassen will.
In dieser Position kann ich keinen Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit an den Hochschulen erkennen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Nicola Beer (FDP): Noch einmal lesen!)
Frau Kollegin Beer, wenn Sie hier wieder und wieder Hamburg ansprechen, dann sehen Sie offensichtlich selbst, dass es ohne die FDP besser läuft.
Damit haben wir für unsere Position die Mehrheit dieses Hauses.Das ist ein guter Tag für Hessens Studierende und Hessens Hochschulen.Ich freue mich auf die weiteren Beratungen. Glück auf.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Sorge. – Ich erteile Herrn Leif Blum zu einer Kurzintervention das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt viel gehört über die hehren hochschulpolitischen und bildungspolitischen Zielsetzungen, die mit den Gesetzentwürfen zur Abschaffung der Studiengebühren verbunden sind. Trotzdem müssen wir uns an dieser Stelle einmal ernsthaft darüber unterhalten – das gehört zur Wahrheit auch dazu –, wie das finanziert werden soll. Da rede ich gar nicht darüber – denn das wissen Sie selbst noch nicht –, wie die 104 Millionen c in den kommenden Haushaltsjahren finanziert werden sollen, sondern da können wir uns einfach einmal nur darüber unterhalten, und das sollten wir auch tun, wie Sie die 28,5 Millionen c für das laufende Haushaltsjahr finanzieren wollen.
Herr Kollege Kaufmann, das können Sie sich schönreden, wenn Sie das möchten. Es mag auch sein, dass das Finanzministerium Ihnen bestätigt hat, dass das eine realistische Option ist. Aber es ist und bleibt eben nur dann realistisch, wenn bestimmte Annahmen eintreten. Ich sage Ihnen, Ihr Gegenfinanzierungskonzept fußt auf einer Spekulation.
Es ist eine Wette auf die Frage, ob es auch im Euroraum zu Leitzinssenkungen kommen wird oder nicht.