Protocol of the Session on November 11, 2008

Nur eines ist klar: Wenn ich die Wahlergebnisse sehe und wenn ich sehe, was die Umfragen aussagen, dann will ich mich mit Ihnen auseinandersetzen, da ich wissen will, mit wem Sie zusammenarbeiten wollen.

(Norbert Schmitt (SPD):Was ist mit dem Duell?)

Sie allein sind kein ausreichender Gegner, da Sie entweder eine neue Politik oder weiterhin die Stimmen der Kommunisten brauchen. Das muss vor dem 18. Januar entschieden werden, weil es eine der entscheidenden Fragen ist, und die gilt es zu beantworten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Genau diese Frage werden wir im Angesicht der überwältigenden Herausforderung der wirtschaftlichen Fragestellungen diskutieren müssen. Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz, und zwar mehr als um alles andere.

Das bedeutet nicht – das sage ich für mich und auch für meine politischen Freunde –, dass wir jeden Tag gegeneinander ausspielen müssen: Die einen wollen den Wohlstand und die Arbeitsplätze, und die anderen wollen den Planeten schützen. – Nein, wir wollen den Wohlstand und die Arbeitsplätze haben, aber nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kinder, und deshalb müssen wir auch den Planeten schützen. An dieser Stelle gibt es keinen Konflikt, der so funktioniert.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber wir wollen die Arbeitsplätze. Herr Al-Wazir, Herr Schäfer-Gümbel und Sie alle, wir wollen die Arbeitsplätze.Deshalb sage ich:Ein Land,das so viel für die Wirtschaft tun kann und das solche Chancen hat, braucht eine stabile Regierung.Daher ist die erste Frage an die Bürger: Was wollen Sie als stabile Regierung der Zukunft? Wie berechenbar wollen Sie die Antworten vor einer Wahl haben?

Die zweite Frage geht auch sehr logisch an den konkreten Projekten entlang: Wollen Sie, dass der Frankfurter Flughafen schnell ausgebaut wird, oder wollen Sie eine Regierung,die ein neues juristisches Scharmützel entzündet,anstatt endlich – auch mitten in der Krise – die Voraussetzung für 40.000 Arbeitsplätze zu treffen? Das ist eine klare und saubere Alternative, die man treffen kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Das haben wir gesehen! Das sagt der Richtige! Das ist schon toll!)

Wenn ich dann an die nordhessischen Bürgerinnen und Bürger denke – die mit ihrer Lebenserfahrung ein bisschen gebeutelt waren, denn sie wussten eigentlich, dass es nach den Neunzigerjahren dringend notwendig war, dass zugunsten der Infrastruktur Veränderungen kamen, und die Ihnen Anfang dieses Jahres in nicht unbedeutender Zahl doch wieder ihr Vertrauen gegeben haben:klassische sozialdemokratische Wähler, die Ihnen wiederum ihr Ver

trauen gegeben haben –, dann stelle ich fest, dass diese am Ende dieser Zeit doch mit Faszination und Entsetzen gesehen haben, dass Sie bei all dem auf einmal sagten – gar nicht nur in der großen Frage des Wortbruchs, sondern im Detail, dort, wo es um die Infrastruktureinrichtungen ging, wie bei der A 44 –: Unbestritten sind nur drei Planabschnitte, bei allen anderen denken wir neu über die Linienführung nach.

Bei Kassel-Calden haben Sie eine Formulierung gewählt, bei der die Bürger wussten und auch Sozialdemokraten gesagt haben: Das ist der Tod des Ausbaus von KasselCalden. – Bei der A 4 haben Sie den Tod gleich beschlossen.Bei der Strecke Fulda – Meiningen haben Sie den Tod ebenfalls gleich beschlossen. Sie waren wieder die Alten. Sie, die Sozialdemokraten, waren wieder die Alten, denn Sie haben in Nordhessen Ihr Wort nicht gehalten, den Nordhessen in Deutschland die Chance zu geben, die sie vorher nicht gehabt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Natürlich bleibt zum Schluss – niemand wird Ihnen das ersparen – auch die Frage: Gehört zu der Regierungskonstellation, die Sie sich vorstellen, in Zukunft auch, da Sie als Koalitionspartner eine Partei wie die Linkspartei nehmen, anschließend in der Regierung darüber zu diskutieren, ob Sie Ihren eigenen Partner von Ihrem eigenen Verfassungsschutz beobachten lassen?

Meine Damen und Herren, auch diese Frage wird sicherlich Wählerinnen und Wähler erstmals interessieren – insbesondere die, Frau Ypsilanti, die Ihnen das letzte Mal geglaubt haben und sich deshalb über diese Frage keine Gedanken gemacht haben.

Die wirtschaftliche Zukunft und Stabilität dieses Landes, aber auch die Seriosität von Aussagen sowie die Frage: „Wer regiert eigentlich das Land mit wem, wenn er jetzt den Bürgerinnen und Bürgern Angebote macht?“, sind Themen, die wir klären müssen. Das sind Themen, die wir auch mit Engagement und Leidenschaft klären müssen, denn sie können in den nächsten fünf Jahren die Zukunft dieses Landes entscheidend verändern.

Das Dokument, das Sie gemeinsam geschaffen haben, ist so, wie es von einigen – auch von den Abgeordneten, die aus Gewissensgründen zu einer anderen Auffassung gekommen sind – gesagt worden ist: Es kostet eben Arbeitsplätze, und es bringt keine. Man sieht klar die Wasserscheide, man sieht, was man wählen kann, in diese oder in jene Richtung. Das ist gut; das ist sogar toll.

Wir haben in diesem Land endlich Wählerinnen und Wähler, die nicht theoretisch darüber nachdenken, was Parteien nachher verhandeln könnten, sondern eine sehr präzise Vorstellung haben. Es sind Wählerinnen und Wähler, die sich nicht über eine lange Zeit hinweg daran erinnern, was irgendwann einmal in der Politik war, sondern die neun Monate deutlichster und klarster politischer Auseinandersetzungen vor sich gehabt haben.

Es wäre für die Demokratie besser, wenn Landtage nicht aufgelöst werden müssten, sondern man geordnet regiert. Aber es ist für die Wähler dann immer noch sehr gut, wenn sie wenigstens wissen:Warum ist gestritten worden? Warum wird der Landtag aufgelöst? Welches Signal müssen wir als Wähler geben, damit uns das nicht wieder passiert?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, das ist eine Aufgabe, die bleibt. Und es ist eine Aufgabe, aufgrund derer wir nun hinausgehen und das machen werden, was Politiker tun – in der Adventszeit hoffentlich mit der gebotenen Zurückhaltung –: darüber zu streiten, was der richtige Weg ist.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir haben manches geändert. Wir werden manches nicht so vertreten, wie wir es getan haben. Das ist der Preis und das Ergebnis einer Wahlniederlage, denn wir betrachten den Wähler nicht als irgendjemanden, der mal zum Wählen eingeladen wird, sondern wir nehmen das ernst, was er gesagt hat. Aber wir bleiben auch bei unseren Prinzipien. Wir bleiben auch bei dem, was der Kern unserer Identität ist, so wie das bei den anderen Parteien hoffentlich auch ist. Den Wettbewerb in diesem Sinne miteinander zu führen, ist kein Grund, für den man sich in der Demokratie entschuldigen muss, sondern es ist der Sinn unserer Aufgabe als Politiker und als Parteien, und die sollten wir in den nächsten Wochen in gehobener und gebotener Verantwortung wahrnehmen. – Vielen herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, für die Debatte liegen mir keine Wortmeldungen mehr vor. Dann schließe ich hiermit die Debatte.

Bevor wir in die Abstimmung eintreten, habe ich nach § 81 unserer Geschäftsordnung zwei Wortmeldungen vorliegen. In diesem Zusammenhang erteile ich zunächst Frau Abg. Dr. Everts für fünf Minuten das Wort.

Herr Präsident,liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Bevor wir gleich zur Auflösung des Hessischen Landtags kommen und damit Neuwahlen einleiten, möchte ich, wie Jürgen Walter nach mir, im Rahmen einer persönlichen Erklärung, auch im Namen meiner beiden Kolleginnen, Dagmar Metzger und Silke Tesch, ein paar Gedanken zu unserem Abstimmungsverhalten mit auf den Weg geben.

Wir wollen noch einmal unterstreichen, dass Neuwahlen nicht das Ziel unserer Entscheidung waren. Kern war und ist die bestehende Absage an eine Regierungsbildung, die unser Land und die Regierungspolitik von den Stimmen einer in weiten Teilen verfassungsfeindlich gesinnten Partei abhängig gemacht hätte.

Wir bedauern, dass eine Regierungsbildung zwischen den anderen Parteien – ohne DIE LINKE – nicht möglich war. Die Linkspartei hat in diesem Haus gezeigt – ich erinnere an die Gleichsetzung von Staatssicherheit und Verfassungsschutz, an die Rote Hilfe, an die illegale Hütte im Kelsterbacher Wald, an persönliche Diffamierungen –, dass sie noch nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung angekommen ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir müssen akzeptieren, dass Sie einen Teil der Wählerschaft binden.Aber wir werben auch weiterhin dafür, dass sich streitbare Demokraten mit Ihnen auseinandersetzen und dass Ihnen kein politischer Einfluss auf die Regierung des Landes Hessen und kein Einfluss auf den Bundesrat gegeben wird. Dabei hilft keine ritualisierte Aufregung, wie wir sie hier im Haus erlebt haben. Es geht

stattdessen um eine inhaltlich glasklare politische Auseinandersetzung mit Ihren populistischen Inhalten und Ihrem problematischen Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis. Ich denke, gerade Ihre beiden Reden heute haben gezeigt, dass dies sehr bitter notwendig ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir setzen darauf, dass Sie nach der Wahl nicht wieder in die Rolle des politischen Züngleins an der Waage kommen; denn das hat Hessen, das hat unsere Demokratie nicht verdient.

Meine Damen und Herren, wir haben als überzeugte Sozialdemokraten unsere Maxime: „Keine Regierung unter Beteiligung der Linkspartei“. Dies sollte auch in der kommenden Wahlperiode gelten.

Diese deutliche Abgrenzung berührt den Kern unserer politischen Identität. Für eine zutiefst richtige Entscheidung kann es keinen falschen Zeitpunkt geben. Es war eine zentrale Gewissensentscheidung. Wir möchten deshalb heute hier noch einmal ein Plädoyer für die Freiheit des Mandates als eine der herausragenden Errungenschaften der parlamentarischen Demokratie hinterlegen.

Wir alle als Abgeordnete sind weder an Weisungen noch an Aufträge gebunden.Wir sollen als frei gewählte Abgeordnete gerade dem Wählerauftrag und unserer Verantwortung für das Allgemeinwohl dienen. „Erst kommt das Land und dann die Partei“, hat Gerhard Schröder einmal sehr treffend formuliert. Wir wollen die grundgesetzlich geschützte Mitwirkung der Parteien an der demokratischen Willensbildung in keiner Weise schmälern. Politische Weltanschauungen bilden sich in Parteien ab.Sie verbinden unterschiedliche Interessen. Sie sind Anlaufpunkte für das politische Engagement in Staat und Gesellschaft. Das ist auch gut so.

Meine Damen und Herren, wir wollen Ihnen allen als Abgeordnete den Rücken stärken,dass es jenseits dieser Parteiverbundenheit eine höhere Instanz gibt: den Wählerauftrag, das Allgemeinwohl und die Freiheit der Gewissensentscheidungen. Jedenfalls wir werden dieses Verfassungsrecht auf ein freies Mandat mit Nachdruck durch alle Instanzen verteidigen.

(Beifall der Abg. Dagmar Metzger, Silke Tesch und Jürgen Walter (SPD) sowie bei der CDU und der FDP)

Unsere parlamentarische Demokratie hat mehr Selbstbewusstsein und Achtung vor ihren Abgeordneten verdient. Diese Anerkennung ist es, die wir Ihnen allen für die Zukunft wünschen.

Wenn wir jetzt auf Neuwahlen zugehen, möchten wir drittens abschließend daran appellieren, gerade im Wahlkampf die Grundzüge der parlamentarischen Demokratie zu pflegen. Dies gilt ganz besonders für einen fairen demokratischen Wettbewerb, für eine politische Kultur des Aufeinander-Zugehens im Sinne des Allgemeinwohls und für die Achtung gegenüber den demokratischen Institutionen und ihren Vertretern. Da geht es auch um einen menschlichen Grundrespekt vor den politischen Mitbewerbern.

Die Wählerinnen und Wähler wollen natürlich politische Unterschiede erkennen. Sie wollen danach ihre Wahl treffen können. Sie erwarten aber vor allem auch ein konstruktives Miteinander nach den Wahlen. Sie wollen die Gewissheit eines Grundrespekts vor ihrem Wählerauftrag und der Wahrhaftigkeit unserer Wahlkampfaussagen.

Meine Damen und Herren, da gilt es, die Wählerinnen und Wähler wirklich ernst zu nehmen. Sie können bei einer vernünftigen Vermittlung sehr wohl nachvollziehen, dass Politik aus dem Ausgleich von Interessen besteht. Sie können nachvollziehen, dass Koalitionen die Kunst des Kompromisses einschließen. Sie wollen aber zu Recht nicht hinnehmen, wenn eine der Grundbedingungen ihres Wahlauftrages danach in grundlegender Weise missachtet wird. Dies zeigen die Umfragen und die Vielzahl der Zuschriften, die zum Teil sehr bewegend sind, die wir in den vergangenen Wochen erhalten haben.

Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss.

Herr Wilken, wir erleben aus der Bevölkerung viel Zuspruch und weniger Wut.

Meine Damen und Herren, wir können als demokratisch Verantwortliche kein anderes Volk suchen. Wir sind die gewählten Vertreter und erhalten unseren Auftrag aufgrund unserer Aussagen vor der Wahl. Dieses Vertrauen in die Politik und in die demokratischen Institutionen ist ein hohes Gut,das wir pflegen sollten.In diesem Sinne hat jetzt der Souverän das Wort.Wir wünschen uns selbst verantwortungsbewusste Demokraten in allen Parteien.

Meine Damen und Herren, da das in absehbarer Zeit die letzte Gelegenheit ist, möchten wir abschließend für die gute, zum Teil langjährige Zusammenarbeit in diesem Hause danken. Wir wünschen Ihnen persönlich und politisch alles Gute und eine glückliche Hand für unser Bundesland Hessen. – Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall der Abg. Dagmar Metzger, Silke Tesch und Jürgen Walter (SPD) – Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat nun analog zur ersten Wortmeldung Herr Abg.Walter für fünf Minuten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserer Verfassung steht, dass wir Abgeordneten unserem Gewissen unterworfen sind. Indem wir uns der Regierungsbildung unter Beteiligung der Linkspartei verweigert haben, haben die Kolleginnen Everts,Tesch und Metzger sowie ich eine solche Gewissensentscheidung getroffen.