Jürgen Walter
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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserer Verfassung steht, dass wir Abgeordneten unserem Gewissen unterworfen sind. Indem wir uns der Regierungsbildung unter Beteiligung der Linkspartei verweigert haben, haben die Kolleginnen Everts,Tesch und Metzger sowie ich eine solche Gewissensentscheidung getroffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann diese Entscheidung für falsch halten. Man kann die Konsequenzen dieser Entscheidung hart kritisieren. Was wir uns aber nicht absprechen lassen, ist, dass wir diese Entscheidung aus tiefster Überzeugung und ausschließlich aus tiefster Überzeugung getroffen haben. Wer uns andere Motive unterstellt, der sagt dabei mehr über sich selbst aus als über uns.
Heute wissen wir vier Abgeordneten, dass wir unsere Mandate nicht werden behalten können.Wir wissen, dass
wir dem nächsten Landtag nicht mehr angehören werden. Es ist uns nicht mehr möglich, parteiintern zu kandidieren. Es ist uns parteiintern nicht einmal mehr möglich, auf einer Veranstaltung eine Rede zu halten. In der Presse habe ich gelesen, man könnte sozusagen als Nichtparteimitglied antreten. Diese Konstruktion würde bedeuten, man müsste erst austreten, um innerhalb der SPD zu kandidieren. Das ist erkennbar Unfug.
Aber wir würden alle vier heute wieder genauso entscheiden, weil dies eben unserer Überzeugung entspricht und weil wir der Auffassung sind, dass Abgeordnete in wesentlichen Fragen nicht gegen ihre Überzeugung handeln sollten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Everts hat eben dargelegt, warum wir nicht wollen, dass DIE LINKE Einfluss auf die Regierung in diesem Lande bekommt. Ich möchte noch einen Punkt hinzufügen. Herr Kollege Schaus,wenn ein veritabler Vizepräsident dieses Landtags eine Gewissensentscheidung von vier Abgeordneten mit den Worten kommentiert: „diese Schweine“, weiß ich, dass meine Entscheidung richtig war.
Wenn sich dieser Landtag heute vorzeitig auflöst, sind hierfür nicht allein vier Abgeordnete verantwortlich.Verantwortlich sind vielmehr vier demokratische Parteien, die es in den letzten zehn Monaten nicht geschafft haben, auch nur ein einziges Mal ernsthaft über die Bildung einer stabilen Regierung miteinander zu sprechen.
Es ist allseits bekannt – manche in diesem Hause sind auch ein Stück weit stolz darauf –, dass die Gräben zwischen den politischen Lagern in unserem Bundesland Hessen tiefer sind als im Rest der Republik. Der Landtag in Hessen gilt als das härteste Parlament in der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben in Hessen die härteste Opposition erlebt, die noch aus der kleinsten Petitesse einen „unglaublichen Vorgang“ machen konnte. Wir kennen die „brutalstmögliche“ Regierung, die den Staat als ihre Beute behandelte, die es zu verteidigen galt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leisten uns in Hessen seit Jahren, ja seit Jahrzehnten eine politische Streitkultur, die nur wenig mit dem legitimen und wichtigen demokratischen Wettbewerb um die besten Ideen und Lösungen zu tun hat.Vielmehr setzen sich die beiden großen Volksparteien,aber auch die beiden politischen Lager insgesamt, mit einer Härte und Unversöhnlichkeit auseinander, die die Menschen nicht mehr nachvollziehen können, die die Menschen nicht mehr nachvollziehen wollen. Ich meine, wir meinen, dass dies im Kern das berührt, was wir als Politik- und Politikerverdrossenheit beschreiben.
Herr Hahn, ich nehme Sie als Beispiel. Ich könnte auch über meine Partei reden. Aber es gilt der Anwaltsgrundsatz: Im laufenden Verfahren muss man nicht noch Argumente liefern. Deswegen nehme ich die FDP.
In Ihrer Rede führen Sie aus, dass Sie stolz darauf sind, dass sich die FDP nicht mit der SPD an einen Tisch gesetzt
hat, um über eine Regierungsbildung zu verhandeln. In der gleichen Rede loben Sie unseren ehemaligen Parteiund Fraktionsvorsitzenden Gerhard Bökel mit den Worten: „Gerhard Bökel hat mit allen gesprochen.“ Lieber Herr Kollege Hahn, entweder ist es eine besondere Adelung, dass man nicht mit den Kollegen spricht, oder aber es ist richtig, mit den Kollegen zu sprechen.
Meine Auffassung ist, dass man sich an einen Tisch setzen muss. Auch Sie hätten sich an einen Tisch setzen müssen, um eine Regierungsbildung zu versuchen.Wenn am Ende keine herauskommt, darf man keine Regierung bilden.
Herr Kollege Hahn, dass Sie der Sozialdemokratischen Partei jedes Gespräch verwehrt haben, fällt auf Sie und Ihre Fraktion zurück.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,die „FAZ“ kommentiert in ihrer Ausgabe vom 08.11. die hessischen Verhältnisse als „einen Rückfall in die Kinderkrankheiten der deutschen Demokratie“. In Hessen, so heißt es, werde „ein Kampf des Lichts gegen die Finsternis geführt, in dem der Wille, den Gegner zu vernichten, an die Stelle des Wettbewerbs um die Gunst der Wähler“ getreten sei.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin lange genug in der Politik,um zu wissen,dass es in keiner Partei nur Licht oder nur Schatten gibt.Wer dies dauerhaft bestreitet, wer in der Politik dauerhaft nur seine eigene Meinung gelten lässt, der kann noch so große Reden halten, er bleibt doch sprachlos.
Klaus Bölling hat kürzlich an einen Satz von Herbert Wehner erinnert. Herbert Wehner hat gesagt, dass die innenpolitische Gegnerschaft in der Demokratie belebend sein kann. Wenn diese Gegnerschaft aber in ein Feindverhältnis übergeht, dann tötet dies Demokratie.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in schwierigen Zeiten erwarten die Menschen von der Politik und uns Politikern, dass wir nicht nur den gelegentlich schwungvollen Wettstreit um die besseren Lösungen führen; die Menschen erwarten auch konstruktive Zusammenarbeit im Interesse dieses Landes. Meine Auffassung ist, dass dieses Haus in den letzten Monaten an dieser Herausforderung gescheitert ist. Wir wünschen dem nächsten Landtag und den nächsten Abgeordneten in diesem Landtag bei diesen Aufgaben mehr Erfolg und eine glücklichere Hand. – Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es scheint hier ein großes Interesse an der Position der SPD zu geben, da sowohl der Kollege von der FDP als auch Herr Boddenberg nach uns gerufen hat. Es war unsererseits keine Zurückhaltung,dass wir uns erst jetzt gemeldet haben – das ist insbesondere an die Adresse von Herrn Kollegen Kaufmann gerichtet –, sondern wir haben uns schlichtweg an den üblichen Ablauf des Plenums gehalten, indem wir dem Antragsteller bzw. Herrn Kaufmann die Möglichkeit zur Begründung des eigenen Antrags eröffnen wollten. Daher war ich ein wenig irritiert, dass Sie vorhin nicht reden wollten. Ich hätte meine Position auch
schon vorhin dargelegt.Ich glaube aber,dass die Frage der Reihenfolge nicht sonderlich von Interesse ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, soweit ich es überschauen kann, ist das in diesem neuen Parlament die erste Debatte zum Frankfurter Flughafen. An den grundsätzlichen Positionen der Fraktionen, damit nehme ich die Spannung ein wenig heraus,hat sich,was jedenfalls die Positionen der bisherigen Redner sowie die meine anbelangt, nichts verändert. Die Fraktion DIE LINKE ist im Landtag neu,sodass wir uns deren grundsätzliche Position nach meiner Rede anhören werden.
Was sich allerdings fundamental verändert hat, sind die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen, über die wir reden, da wir mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 18.12.2007 eine komplett veränderte Form haben.Bei dieser Form geht es nun darum, und es freut mich – zwei Fraktionen haben dies bereits beantragt, und ich habe mich ebenfalls beim RDF dafür ausgesprochen –, dass wir nun darüber diskutieren, wie wir nach dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses mit der Lärmbelästigung und sonstigen Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in der Region umgehen.
Wenn man die beiden Anträge betrachtet, dann könnte man der Meinung sein, dass sie eigentlich relativ identisch sind. Da bin ich mir aber nicht ganz sicher. Es ist meine persönliche Überzeugung, dass die eine Position, nämlich die der FDP, beinhaltet: Wir stehen hinter dem Planfeststellungsbeschluss. Wir stehen hinter dem Ausbau des Frankfurter Flughafens, dennoch wollen wir in dieser Situation alles Menschenmögliche dafür tun, um die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger zu reduzieren.
Die zweite Position – ich kann das ein Stück weit vorwegnehmen, da ich im Regionalen Dialogforum die Freude hatte, diese Diskussion zu führen – lautet: Wir wollen in diesem Zusammenhang über möglichst vieles diskutieren. Das eigentliche Ziel ist aber, das, was der Planfeststellungsbeschluss eröffnet, nämlich den Ausbau des Frankfurter Flughafens, zu verhindern. – Das ist nicht die Position der SPD-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Fraktion steht selbstverständlich nach wie vor zum Ausbau des Frankfurter Flughafens. Es gibt für diesen Ausbau drei zentrale Gründe:
Erstens. Sie wissen, dass der Ausbau des Frankfurter Flughafens für uns das zentrale Thema der Infrastrukturpolitik in unserem Lande ist.
Zweitens. Der Ausbau des Frankfurter Flughafens eröffnet die Chance für die Schaffung von mindestens 40.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen am Standort Frankfurt.
Drittens. Damit einhergehend ist der Ausbau des Frankfurter Flughafens notwendig, damit er weiterhin ein zentraler Flughafen in Europa bleibt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich nenne Ihnen noch einen Punkt, der aus Sicht der Sozialdemokraten sehr zentral ist.Wir stellen in diesem Parlament zugegebenermaßen in der Sozial- und Bildungspolitik sehr ambitionierte und kostenintensive Anträge.Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen aber sehr wohl, dass dieses Geld, das wir für eine ordentliche Bil
dungspolitik sowie für eine soziale Balance in diesem Lande ausgeben wollen, zunächst einmal verdient werden muss. Der Frankfurter Flughafen bietet die Chance, diesen notwendigen Wohlstand in unserem Lande tatsächlich zu erarbeiten.
Nun möchte ich noch einmal etwas zu der Argumentation in Bezug auf den Umweltschutz sowie die Reduzierung von Flügen sagen. Es ist richtig, zu sagen: Wenn wir den Frankfurter Flughafen nicht ausbauen, dann werden wir im Jahr 2020 eine Positivprognose von ca. 520.000 Flugbewegungen haben. Mit dem Ausbau wären es über 700.000 Flugbewegungen. – Man könnte nun sagen, dass dies 180.000 Flüge weniger seien und dass dies der Umwelt nutze. Wir alle wissen aber, dass dies nicht richtig ist. Wir hätten in der Region zwar weniger Lärm, doch gäbe es nicht einen einzigen Flug weniger, da die Flüge lediglich woanders stattfänden.Auch die 40.000 Arbeitsplätze würden nicht an unserem Standort entstehen, da diese Bewegungen dann um uns herumgehen würden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir, die Sozialdemokraten unter der Regierung von Hans Eichel, wussten, wie gefährlich ein solches Verfahren ist und mit welchen Spannungen es in einer so hoch belasteten Region behaftet sein würde. Wir haben dieses Mediationsverfahren nicht aus wahltaktischen Gründen begonnen, denn es war nicht unser Ziel, lediglich eine der beiden Positionen hundertprozentig zur Durchsetzung zu bringen, sondern wir wollten den Versuch starten, möglichst vieles von beiden Positionen in ein Ergebnis einfließen zu lassen: den Ausbau plus einer Reduzierung des Lärms.
Zunächst einmal hätte niemand geglaubt, dass dies geht. Die Mediatoren haben aber ein Ergebnis gefunden – von Ministerpräsident Roland Koch wurde dieses Mediationsverfahren übernommen –, das wir als Sozialdemokraten immer mitgetragen haben. Es wurde in diesem Hause auch von den Fraktionen der FDP und der CDU getragen. Nun stelle ich aber fest, dass mit diesem Planfeststellungsbeschluss von dem Ergebnis des Mediationsverfahrens, jedenfalls in Bezug auf das Nachtflugverbot, abgewichen wurde. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hätten einen solchen Planfeststellungsbeschluss in diesem Hause nicht verabschiedet, weil wir uns an unser Wort gehalten und den Ausbau des Frankfurter Flughafens nur mit einem Nachtflugverbot befürwortet hätten.
Das wird von der CDU kritisiert, und sie sagt, es handele sich doch um ein Nachtflugverbot. Daher sollten wir uns erst einmal vergewissern, was ein Nachtflugverbot überhaupt ist. Es ist auch klar, dass verspätete Maschinen landen müssen.Wenn eine Maschine aus Moskau kommt und um 23.30 Uhr erst in Frankfurt ist, dann lassen wir sie natürlich nicht bis morgens um 6 Uhr über Frankfurt kreisen, um sie dann landen zu lassen. Das ist völlig unstrittig. Wenn eine Maschine von Moskau nach Madrid fliegt und einen Triebwerkschaden hat, dann lassen wir sie nicht kurz hinter der französischen Grenze abstürzen, sondern wir lassen sie in Frankfurt landen. Das ist völlig selbstverständlich.
Wenn wir uns auf eine Definition festlegen, dann reden wir über geplante Flüge. Wir können vieles erklären, und ich habe für vieles, was hier passiert, sehr viel Sympathie,
doch sage ich auch: 17 Flüge, die pro Nacht geplant sind, sind nicht gleich null Flüge. Daher reden wir nicht über ein Nachtflugverbot, sondern über Nachtflugbeschränkungen. Das Mediationsverfahren hat allerdings ein Nachtflugverbot vorgesehen. Herr Ministerpräsident Koch und Herr Wirtschaftsminister Dr. Rhiel, Sie haben in der Region sehr viel Vertrauen verspielt, weil auch Sie noch kurz vor dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses für das Nachtflugverbot eingetreten sind.
Ich zitiere mit der Erlaubnis des Präsidenten aus der Plenardebatte vom 06.09.2007. Herr Ministerpräsident, ich zitiere dies, um kein Missverständnis auszulösen.
Der Ausbau des Flughafens wurde mit dem Nachtflugverbot beantragt. Ich kann mir nicht vorstellen,
so der Herr Ministerpräsident –
dass irgendjemand auf die Idee käme, den Ausbau des Flughafens ohne Nachtflugverbot zu genehmigen.
Herr Ministerpräsident, es war nicht irgendjemand. Es war Ihr Wirtschaftsminister, der den Ausbau des Frankfurter Flughafens ohne Nachtflugverbot genehmigt hat.In dem Sinne müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen: Sie haben den Bürgerinnen und Bürgern etwas anderes versprochen, als wir jetzt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nunmehr haben wir aber eine andere Situation. Ich meine nicht den 27. Januar, sondern ich meine den 18.12. Wir haben einen Planfeststellungsbeschluss. Es wurde bereits zitiert: Ich glaube, dass dieser Planfeststellungsbeschluss so, wie er erlassen worden ist, eine hohe Wahrscheinlichkeit der Rechtmäßigkeit in sich trägt. Ich glaube, dass in der Situation, in der wir vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses waren, in der Tat ein Planfeststellungsbeschluss ohne Nachtflüge rechtswidrig gewesen wäre.
Man hätte ein Nachflugverbot hinbekommen können, Herr Ministerpräsident, aber nur dann – worüber wir hier oft gestritten haben –, wenn wir entweder ein Flughafensystem Frankfurt/Frankfurt-Hahn von der Europäischen Union genehmigt bekommen hätten oder aber – das wäre der Weg gewesen, den wir gegangen wären – eine Vereinbarung mit den Luftverkehrsgesellschaften abgeschlossen hätten, die vorsieht: Ihr Luftverkehrsgesellschaften bekommt den Ausbau nur, wenn ihr mit einem absoluten Nachtflugverbot einverstanden seid. – Juristisch wäre dies ein Klageverzicht gegen einen Planfeststellungsbeschluss in dieser Form gewesen. Das haben Sie nicht gemacht. Es hat Ihnen die Kraft gefehlt, das umzusetzen. Ich glaube, dass die Luftverkehrsgesellschaften diesen Weg mitgegangen wären.
Jetzt haben wir aber einen Planfeststellungsbeschluss, den wir zu bewerten haben. Wenn ich diesen Planfeststellungsbeschluss bewerte, stelle ich fest, dass es zwei Möglichkeiten gibt, ihn zu verändern. Man kann ihn nicht ignorieren. Wegbekommen tue ich ihn sowieso nicht. Die eine Möglichkeit wäre die Fehlerbehebung. Da ich gerade eben relativ offen gesagt habe, dass ich diesen Planfeststellungsbeschluss für einen mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßigen Planfeststellungsbeschluss halte, kommt diese Variante der Fehlerbehebung für uns als Sozialdemokraten nicht infrage.
Dann gibt es die Möglichkeit, ein erneutes Verfahren einzuleiten. Dieses erneute Verfahren würde allerdings wiederum eine komplett neue Abwägung erfordern, die wieder mindestens zwei, drei Jahre erfordern würde. Letztlich käme sie in dieser Situation wiederum zu dem gleichen Ergebnis.Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb gehen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten davon aus, dass dieser Planfeststellungsbeschluss der gerichtlichen, aber nicht mehr der parlamentarischen Kontrolle unterzogen wird. Die Gerichte werden entscheiden, wie dieser Planfeststellungsbeschluss letztlich zu bewerten ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb halte ich es für so wichtig,was hier an Anträgen vorliegt,dass wir nämlich jenseits der Debatte des Ausbaus, die an dieser Stelle klar entschieden ist, hier alles Menschenmögliche unternehmen, um die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in der Region zu reduzieren.
Gelegentlich ärgere ich mich über die Kritik an diesem Regionalen Dialogforum. Herr Wörner wird von beiden Seiten kritisiert. Die Ausbaugegner werfen Herrn Wörner vor, er wäre zu nah an den Luftfahrtgesellschaften. Die Luftfahrtgesellschaften werfen ihm vor, er hätte zu große Restriktionen, was den Ausbau angeht.
Das spricht dafür, dass die Arbeit des Regionalen Dialogforums besser war als ihr Ruf.Wenn eine Seite mit der Arbeit des Herrn Wörner zufrieden gewesen wäre, dann wäre die Arbeit des Herrn Wörner nicht so gut gewesen.
Unser Interesse ist, das diese Arbeit fortgeführt wird.Wir sind gänzlich anderer Auffassung als Herr Kaufmann,weil wir der festen Überzeugung sind, dass technisch auch hinsichtlich der aktiven Lärmreduzierung noch sehr viel möglich ist. Die Chapter-4-Flugzeuge, die als einzige in der Nacht fliegen dürfen, machen deutlich weniger Lärm. Sehen Sie, es macht einen Unterschied, ob ich die Maschinen nachts über Offenbach und Frankfurt schicke oder über eine Route, die möglicherweise teurer ist, aber deutlich weniger Lärm für deutlich weniger Bürgerinnen und Bürger mit sich bringt.
Deshalb mein Wunsch: Lassen Sie uns ernsthaft und engagiert darüber diskutieren und daran arbeiten, wie die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in der Region reduziert werden können.
Herr Kollege Rentsch, Herr Kollege Boddenberg, ich muss offen sagen: Ich bin ein bisschen enttäuscht. Denn bisher haben wir bei diesem wichtigen Thema Flughafen nie Politspaß gemacht.
Das, was Sie jetzt machen, ist Politspaß. Denn ich glaube, ich habe relativ klare Aussagen getroffen.
Kollege Rentsch, es ist mir sehr wohl bewusst, dass ein Planfeststellungsverfahren im Bereich der Exekutive und nicht im Bereich der Legislative angesiedelt ist. Ich sage Ihnen aber sehr wohl, dass ich dieses Verfahren politisch beeinflussen kann.Ich habe die beiden Wege benannt,wie man ein absolutes Nachtflugverbot und nicht nur eine Beschränkung in einen Planfeststellungsbeschluss schreiben kann.
Die eine Möglichkeit wäre – so etwas gibt es in diesen vorläufigen Verfahren und im Vorfeld von Verfahren –, dass man die Betroffenen an einen Tisch holt. Die Fraport hat auch null beantragt. Die Luftfahrtgesellschaften haben ein anderes Interesse. Man kann in dieser Situation mit den Luftfahrtgesellschaften zu so einer Vereinbarung kommen, und das Regionale Dialogforum hat dies versucht.
Der zweite Weg ist das Flughafensystem. Sie selbst haben sehr, sehr lange erfolglos daran gearbeitet, dass wir ein Flughafensystem Frankfurt/Frankfurt-Hahn etablieren, das zur Folge gehabt hätte, dass die Bahn auf dem Hahn quasi die fünfte Bahn in der Nacht für den Frankfurter Flughafen gewesen wäre.
Beides sind Möglichkeiten,einen Planfeststellungsbeschluss zu erlassen, der ein absolutes Nachtflugverbot vorsieht. Dann allerdings – ich betone das noch einmal; es ist eine Antwort, über die Sie eigentlich sehr froh sein sollten –, wenn man diese Voraussetzungen nicht schafft, gebe ich Ihnen recht, dass Sie einen Planfeststellungsbeschluss mit null Nachtflügen wohl nicht rechtmäßig erlassen können.
Dies führt mich zu der Aussage, dass Ihr jetziger Planfeststellungsbeschluss eine hohe Wahrscheinlichkeit der Rechtmäßigkeit in sich trägt.Wir reden über 2.500 Seiten; ich bin da etwas vorsichtig – möglicherweise sind Verfahrensfehler darin,die ein Gericht zu beurteilen hat.Aber in der Grundentscheidung sehen wir ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit, deshalb auch diese Aussage.
Politische Bewertungen nehmen wir dauernd vor, aber es wird aus unserer Sicht keine mit Konsequenzen behaftete politische Bewertung über die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses geben, sondern ausschließlich eine Bewertung durch die Gerichte.Unser Schwerpunkt liegt darauf, dass wir nun alles tun wollen, was menschenmöglich und was im Bereich der Technik möglich ist. Herr Kollege Boddenberg, wir wollen auch Geld in die Hand nehmen, um für eine Reduzierung der Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger einzutreten.
Uns geht es nicht um diese politischen Links-Rechts-Diskussionen, sondern darum, 40.000 Arbeitsplätze in Verbindung mit der Reduzierung der Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger in unserer zentralen Region Frankfurt/Rhein-Main zu schaffen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann es relativ kurz machen. Herr Ministerpräsident, ich möchte noch einmal auf die beiden Punkte zurückkommen. Wie Sie wissen, haben wir hier sehr oft über das Flughafensystem diskutiert. Man liest heute, dass viele nicht nach Europa wollten.Aber Sie haben hier einmal relativ stolz und selbstbewusst dargestellt, dass Ihr Einfluss in der Kommission dazu führen könne, dass man dieses Flughafensystem hinbekommt. – Das ist der erste Punkt.
Der zweite ist aber mein eigentlicher Punkt:die freiwillige Vereinbarung. An dieser Stelle sind Ihre Angaben falsch, und das wissen Sie auch. Sie hätten völlig recht, wenn Sie sagen würden, eine freiwillige Vereinbarung mit einem Klageverzicht wäre nicht möglich, wenn die Anzahl der Klageberechtigten unübersehbar wäre. Man schließt mit zehn Leuten einen Vergleich,der Elfte klagt,und dann hat man ein Problem.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Elfte kann aber nicht klagen, weil auch nach dem Planfeststellungsbeschluss der Landesregierung, den der Herr Wirtschaftsminister zu verantworten hat, nicht alle denkbaren Flugge
sellschaften die Möglichkeit haben, nachts zu fliegen. Vielmehr sieht der Planfeststellungsbeschluss diese Möglichkeit nur für die Homecarrier bzw. für diejenigen vor, die ihren Hauptstandort an diesem Flughafen haben. Neben der Lufthansa sind das zwei oder drei weitere Fluggesellschaften. Im Wirtschaftsministerium wird man Ihnen das sagen können.
Herr Ministerpräsident, das bedeutet, wir haben keinen weiteren möglichen Klagebefugten. Nach Ihrem eigenen Planfeststellungsbeschluss sind es lediglich vier Parteien, die man am grünen Tisch auf ihr Einverständnis hätte verpflichten müssen: Freunde, wenn ihr den Ausbau wollt, der euch pro Tag jede Menge zusätzlichen Gewinn und jede Menge zusätzliche Slots bringt, bekommt ihr ihn nur – dafür stehe ich als Ministerpräsident gerade; denn ich habe den Menschen mein Wort gegeben –, wenn ihr auf eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss verzichtet.
Herr Ministerpräsident, das wissen und wussten Sie. Sie haben das nicht gemacht, weil die vier betroffenen Fluggesellschaften, unter anderem die Lufthansa, dadurch massive Verluste erlitten hätten. Ich bin mir allerdings relativ sicher, dass meine persönliche Auffassung dazu mit den Auffassungen sämtlicher Mitglieder der SPD-Fraktion korrespondiert – Herr Boddenberg, Sie fragen immer, wo die Unterschiede sind –: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind der Auffassung, dass ein den Bürgerinnen und Bürgern gegebenes Wort einzuhalten ist.