Protocol of the Session on September 25, 2008

(Beifall)

Zur Weiterentwicklung des Petitionsrechts. Herr Präsident, ich glaube, wir haben insgesamt nur fünf Minuten. Deshalb muss ich das in einer kurzen Bemerkung machen. Ich denke, es gab einige Überlegungen, denen ich mich aus Sicht der Landesregierung durchaus anschließen würde. Einige, die Herr van Ooyen genannt hat, halte ich für außerordentlich problematisch.

Ich will ein Stichwort zur Arbeit, gerade was die Petitionen angeht, aufnehmen, das uns immer wieder beschäftigt, das Stichwort Abschiebung. Niemand schiebt gerne ab. Aber die Abschiebung ist die Konsequenz einer Grundentscheidung, die in Deutschland jedenfalls die tragenden Parteien bisher noch nie in Zweifel gezogen haben. Diese Grundentscheidung heißt:Wer in diesem Land kein Aufenthaltsrecht hat, der muss in das Land zurückgehen, aus dem er kommt. Das ist eine Grundentscheidung, die alle Länder der Welt getroffen haben. Es gibt kein Land der Erde, das eine andere Entscheidung getroffen hat. Ich glaube, sie ist richtig.

Dass das mit Härten verbunden ist, dass das auch mit persönlich schweren Schicksalen verbunden ist, wird niemand bestreiten, der die Dinge kennt. Gleichwohl warne ich vor der Illusion, zu glauben, man könnte dieses Problem dadurch lösen, dass man auf Abschiebungen verzichtet. In aller Regel gibt es, bevor wir zu Abschiebungen kommen, ein langjähriges Verfahren. Ich habe es einmal feststellen lassen: Wir haben nach den Verwaltungsentscheidungen im Schnitt über ein Dutzend Gerichtsverfahren. Immer dann, wenn die alle zu einem Ergebnis kommen, nämlich dass ein Aufenthaltsrecht nicht besteht, ist eine rechtsstaatlich gebundene Verwaltung verpflichtet, dieser Gesetzeslage und Grundentscheidung zu folgen.

Herr Minister, gestatten Sie Zwischenfragen?

Ich bitte um Nachsicht. Es wird vielleicht andere Gelegenheiten geben, das zu vertiefen.

In dem Zusammenhang will ich auf eines hinweisen. Sie wissen, dass ich mich sehr um die Bleiberechtsregelung bemüht habe, die die Innenministerkonferenz am 17. November 2006 beschlossen hat. Ich habe als Sprecher der Union für die Union in Deutschland ausdrücklich erklärt: Ich halte dies für richtig. – Wir haben später § 104a und § 104b des Aufenthaltsgesetzes im Bundesrat und im Bundestag gemeinsam beschlossen. Ich bin der Überzeugung, dass es Punkte gibt, wo man nach vielen Jahren einen Sachverhalt zu einem Ergebnis bringen muss.

Diese Bleiberechtsmöglichkeit hat z. B. für Hessen bedeutet, dass bei theoretisch etwa 16.000 Bürgerinnen und Bürgern, die in diesem Land kein Aufenthaltsrecht haben und deshalb dieses Land eigentlich verlassen müssten, in über 5.000 Fällen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist. Das ist eine außergewöhnliche Leistung. Wir haben aber auch 1.000 abgelehnt, weil die Bleiberechtsregelung nicht zum Tragen kam.

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie haben das in Ihrem Bericht auch angesprochen: Die Tragfähigkeit der Altfallregelung, wie sie jetzt im Bundesgesetz steht, wird sich Ende des kommenden Jahres erweisen. Dort hat man beschlossen und ins Gesetz geschrieben, dass derjenige, der jetzt eine Arbeit findet und aus eigener Kraft seinen Unterhalt finanziert, dann endgültig bleiben kann. Der, der seinen Unterhalt nicht aus eigener Kraft finanziert, muss dann wieder gehen.

Herr Minister, die Fraktionsredezeit ist erreicht.

Ich will noch kurz zwei Gedanken äußern. Sie wissen, ich habe diese gesetzliche Regelung immer für falsch gehalten. Ich habe die Entscheidungen der Innenministerkonferenz immer für richtig gehalten, weil man dort angemessen reagieren konnte und weil dies flexibler ist als jedes Gesetz.Ich prophezeie Ihnen deshalb schon heute:Sie werden zu Beginn des Jahres 2010 eine Fülle von Fällen haben, wo Sie genau das gleiche Problem haben wie vor zwei, drei Jahren. Die Masse dieser Menschen wird sich nicht selbst unterhalten können. Sie sind dann aber noch ein paar Jahre länger hier. Dann wird wieder die gleiche Diskussion anheben. Dann werden Sie eine neue Regelung schaffen müssen. – Ich habe jetzt nicht die Zeit, das alles vorzutragen.

Ich will aber ausdrücklich deutlich machen: Man sollte sich keinen Illusionen hingeben. Hier ist eine wirkliche Gesamtlösung weder in Sicht noch nach meiner Überzeugung machbar.

Letzte Bemerkung an Frau Kollegin Öztürk. Ich glaube, sie sitzt jetzt im Präsidium.Ich bitte um Nachsicht,dass ich Ihnen den Rücken zukehre. Sie haben mit sehr guten Gründen dafür geworben: Kinder müssen hierbleiben, wenn sie hier geboren sind, wenn sie hier aufgewachsen

sind. – Darüber kann man sehr engagiert diskutieren.Was man nicht kann, ist, darauf zu verzichten, dann auch eine Antwort darauf zu geben, was man mit den Eltern macht. Die Debatte darf nicht so geführt werden, wie Frau Öztürk sie geführt hat. Nein, ausdrücklich nicht, weil ich die Kinder nie allein hierlassen kann.Ich kann sie nur mit den Eltern hierlassen.Wenn ich dann Eltern habe – Sie wissen, ich habe gerade in einem Fall entschieden, in dem ich mich sehr schwergetan habe –, die deutlich kriminell sind, wenn ich Eltern habe, die niemals selbst etwas verdient haben, die immer von öffentlichen Mitteln gelebt haben und die kein Aufenthaltsrecht haben,dann privilegiere ich diese Eltern über ihre Kinder. Das kann man für richtig halten. Dann muss man es aber auch sagen. Alles andere ist eine Verkürzung der Diskussion.

Ich komme zu dem letzten Punkt, auf den ich immer wieder hinweise. Gerade Ausnahmeentscheidungen sind dann besonders tragfähig, wenn wir die Aufnahmebereitschaft, die Toleranz und das Verständnis der Bevölkerung nicht überstrapazieren.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

Deswegen sind Rechtsregeln nicht dafür da, dass wir beschließen, sie konsequent zu umgehen. Petitionen und Härtefälle müssen immer Ausnahmen bleiben. Deshalb kann ich Ihnen nur den Rat geben: Zurückhaltung mit allgemeinen Versprechungen, die niemand einhalten kann. Das Schicksal des Einzelnen ist es wert, dass wir uns mit aller Kraft um ihn mühen. Aber er hat auch das Recht, dass wir ihm aufrichtig sagen,was geht und was nicht geht. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Vielen Dank auch allen Beteiligten. Herr Dr. Jürgens, auch Ihnen ganz herzlichen Dank für den Bericht.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 54 auf:

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Erinnerung als Auftrag für die Zukunft – zum 70. Jahrestag der Pogrome vom November 1938 – Drucks. 17/660 –

Die Geschäftsführer schlagen vor, so ist es auch vereinbart worden, den Entschließungsantrag zur abschließenden Beratung an den Ältestenrat zu überweisen. Widerspricht dem jemand? – Das ist nicht der Fall, damit ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes und der Hessischen Bauordnung – Drucks. 17/642 –

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich dem Justizminister das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem ersten Änderungsgesetz zum Hessischen Nachbarrechtsgesetz versuchen wir, eine Anzahl von Regelungen einzubringen, die sich im Laufe der Jahre als re

gelungsbedürftig erwiesen haben. Das Nachbarrecht ist wahrscheinlich das deutscheste Recht überhaupt. Man muss dabei sehr sorgfältig arbeiten, weil unermesslicher Streit aus einer falschen Regelung entstehen kann. Deswegen haben wir versucht, das sehr sorgfältig zu machen. Ich bedanke mich bei der Fraktion der GRÜNEN, die mit der Anhörung und Beratung ihres Gesetzentwurfs gewartet hat, damit jetzt beide Gesetzentwürfe parallel und gemeinsam beraten werden können. Das wird den Ablauf beschleunigen.

Wir haben insbesondere Regelungen zur Wärmedämmung vorgesehen, bei denen wir auch sehr exakt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts versucht haben nachzuvollziehen – das ist letztlich die Grenze bei dieser Materie. Was im Gesetzentwurf der GRÜNEN nicht in dem Maße vorgesehen ist:Wir haben unseren Gesetzentwurf ausreichend mit der Hessischen Bauordnung verschränkt, sodass daraus eine besondere Wirksamkeit entstehen kann.

Ein weiterer Regelungskomplex ist die Frage des Überwuchses, der einen beliebten Streitpunkt unter Nachbarn darstellt.Wir schlagen als neue Regelung nicht nur die Beseitigung vor, sondern als milderes Mittel auch das Zurückstutzen der entsprechenden Ärgernisse – soweit Bäume und Sträucher Ärgernisse sein können. Auch für den wild wachsenden Strauch oder Baum bzw. die wild wachsende Pflanze ist eine entsprechende Regelung vorgesehen.

Die Verjährungs- und Einspruchsfristen werden den Regelungen, die sich auch im BGB geändert haben, angepasst. Für die Lagerung des Holzvorrats haben wir eine neue Regelung vorgesehen.Auch das ist eine Frage,die im Rahmen der neuen Entwicklung der Pellet- und Holzheizungen wieder an Bedeutung gewonnen hat. Dabei kann man sicherlich noch über das Ausmaß der Holzstöße reden.

(Heinrich Heidel (FDP): Sie dürfen nicht größer sein als die Hütten!)

Ich habe gehört, dass es dabei noch das eine oder andere Problem gibt. Das sind Themen, die man sehr gut in der Anhörung und in der Ausschussberatung weiterverfolgen kann.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Jetzt die erste Wortmeldung in der Aussprache, Frau Kollegin Hofmann für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Uns als SPDLandtagsfraktion freut es,dass wir heute erneut das Nachbarrecht beraten können. Die Landesregierung hat heute endlich ihren Gesetzentwurf eingebracht und in Kurzfassung vorgestellt. Die Ersten waren BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,die sich dankenswerterweise in der letzten Legislaturperiode dieses Themas angenommen haben. Es ist in der Tat vernünftig und richtig, dass wir jetzt effektiv arbeiten und beide Gesetzentwürfe in einer schriftlichen und mündlichen Anhörung beraten, sodass wir keine Doppelarbeit erledigen müssen. Wir haben zwei sich ergänzende, vielleicht auch konkurrierende Gesetzentwürfe, die wir dann in aller Stringenz entsprechend im Ausschuss und in der Anhörung beraten können.

Herr Minister, mich hat es gewundert, dass Sie die eigentliche Intention Ihres Gesetzentwurfs, nämlich die Stärkung des Klimaschutzes, nicht ausdrücklich benannt haben. Das finde ich etwas merkwürdig. Es ist auch Intention Ihres Gesetzentwurfs, bei nachträglichen Wärmedämmmaßnahmen dem Hauseigentümer zu ermöglichen, Klimaschutz effektiv zu betreiben. So steht es auch im vorliegenden Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wir haben schon bei der vorherigen Gesetzesberatung ausdrücklich gesagt, dass das in Hessen längst überfällig ist. Es gibt sechs Bundesländer, die ihr Nachbarrecht entsprechend geändert und angepasst haben. Wir wissen, dass gerade bei Altbauten ein erheblicher Bedarf besteht, Energieeffizienz zu betreiben, um die Kosten zu senken.

Wir haben schon in der letzten Legislaturperiode in der Anhörung gehört, dass gerade Wärmedämmmaßnahmen von außen der richtige Ansatz sind. Wärmedämmmaßnahmen von innen sind zwar technisch auch möglich, allerdings sind sie schwieriger darzustellen.

Was wir auch beachten müssen – Sie haben es angesprochen –, ist:Wir befinden uns nicht nur in einem hochsensiblen Bereich des Nachbarrechts, in dem es viele Interessenkonflikte gibt, sondern auch in einem verfassungsrechtlich hoch komplizierten Bereich,dem Eingriff in Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz. Deswegen müssen wir hier sehr sorgsam vorgehen.Wir müssen die verfassungsrechtlichen Schranken und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit Argusaugen betrachten.

Dazu gehört für uns, nicht nur zu prüfen, welche Regelungen in den beiden Gesetzentwürfen am verfassungstauglichsten sind, sondern wir wollen in der Anhörung auch herausarbeiten, welche der vorgeschlagenen Regelungen am praxistauglichsten sind. Das ist für uns als SPD-Landtagsfraktion ganz bedeutend. Insofern sind wir auf gutem Wege. Wir freuen uns auf die Beratungen und die Anhörung und hoffen, dass wir in Hessen ein gutes Gesetz bekommen, das den Klimaschutz vorantreibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Hofmann. – Ich will die Gelegenheit wahrnehmen, weil es bis jetzt nicht gesagt worden ist, Ihnen herzlich zur Geburt Ihres zweiten Kindes zu gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Dass die Mutter wohlauf ist, sehen wir. Ich nehme an, dass das für Vater und Kind auch gilt. Alles Gute wünsche ich Ihnen.

Als nächste Wortmeldung ist Frau Kollegin Hammann dran. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Banzer,Sie machen es mir jetzt ein bisschen schwer. Ich hatte mich darauf eingestellt, kritisch auf das einzugehen, was Sie in den Auseinandersetzungen, als wir den Gesetzentwurf das erste Mal eingebracht haben, gesagt haben. Sie hatten damals sehr viel Kritik an unserem Gesetzentwurf. Es fielen Vokabeln wie „schlampig ausge

arbeitet“, es wäre etwas, was noch einmal total überarbeitet werden müsse.

(Zuruf der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Frau Kollegin Apel, es wurde davon gesprochen, dass sehr viele Begriffe nicht bestimmbar wären und damit zur Rechtsunsicherheit führten.

Ich will es jetzt einfach einmal dabei belassen und nur so viel dazu sagen: Schauen Sie sich einmal Ihren Gesetzentwurf an. In Ihrem Gesetzentwurf sind sehr viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, mehr, als Sie uns damals vorgeworfen haben. Sei es darum, der Weg ist der richtige. Sie sind endlich da angekommen, wo wir schon vor einem Jahr waren.