Protocol of the Session on September 25, 2008

Insofern hätten Sie sich heute die Zahlen, die Sie angeblich unserem Programm entnommen haben, auch schenken können.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das war aus der Presseerklärung!)

Ich will Ihnen lieber noch ein paar andere Zahlen vorhalten. Es wäre nett gewesen, wenn Sie letzte Woche nicht den Weg nach Hause in den Lahn-Dill-Kreis angetreten hätten, sondern wenn Sie den Grundschullehrern in Hessen einmal zugehört hätten, was sie über die Situation in den hessischen Grundschulen zu berichten haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

500 von ihnen haben einen Brief an den Kultusminister geschrieben,in dem sie darauf hinweisen,dass die Klassen zu groß sind.Das trifft nicht nur auf wenige Einzelfälle zu, sondern das trifft zumindest auf alle Ballungsgebiete und Großstädte zu. Sie haben darauf hingewiesen, dass die Zuweisung der Differenzierungsstunden, die laut Stundentafel zwei pro Klasse betragen soll, inzwischen bei 0,7 angekommen ist. Das heißt, dass hier entgegen der Verordnung in den letzten Jahren Lehrerzuweisung abgebaut worden ist. Dieser Kultusminister hat den Brief bis heute noch nicht einmal beantwortet. Deswegen haben wir uns die Mühe gemacht – und das haben wir gerne gemacht –, über diese Situation in Hessen mit den Grundschullehrkräften zu diskutieren.

Was das betrifft,was Sie über unsere Wahlversprechen gesagt haben, ist die Zeit zu kurz, Herr Irmer, um all diesen Unsinn auseinanderzuklamüsern, den Sie eben vorgerechnet haben.Aber zur Unterrichtsgarantie plus sage ich Ihnen klipp und klar: Das, was wir in das Gesetz geschrieben haben, bedeutet, dass es keinen Unterricht ohne Lehrkräfte mehr gibt, und wir warten sehnlichst darauf, dass die entsprechende Verordnung und die Ausführungsbestimmungen für die Schulen kommen,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

die bis heute nicht wissen, was ihnen an Möglichkeiten – –

Frau Kollegin Habermann, Sie müssten zum Schluss kommen. Die Redezeit ist abgelaufen.

Wenn ich noch diesen Satz zu Ende bringen dürfte, bin ich auch schon am Schluss.

Frau Kollegin Habermann, die Zeit ist überschritten. Ich habe einen Punkt abgewartet.Ich bitte Sie,zum Schluss zu kommen.

Sie wissen bis heute nicht, was ihnen an Möglichkeiten durch diese Gesetzesänderung zukommen. – Vielen Dank.

Herzlichen Dank. – Herr Irmer hat die Gelegenheit zur Antwort.

Frau Kollegin Habermann, ich weiß nicht, warum Sie das als Unsinn bezeichnen, wenn ich Sie zitiere. Sie haben am 28.11.2007 in der „FAZ“ öffentlich erklärt,keine Klasse in Hessen dürfe mehr als 25 Kinder haben. Das sind umgerechnet 4.000 Stellen. Das haben Sie den Leuten vor der Wahl versprochen.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Der Kollege Schmitt hat am 12.12.2007 öffentlich erklärt: Wir wollen für die Grundschulen 2.500 zusätzliche Lehrer. – Von allem anderen ganz zu schweigen. Das haben Sie versprochen. Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und das hohe Lied auf die Grundschulen singen, möchte ich Sie gern noch einmal daran erinnern,was wir vorgefunden haben.

Die Jahreswochenstundentafel betrug im Jahr 1999 87 Jahreswochenstunden. Diese Jahreswochenstunden sind in der Klasse 1 bis 4 gegeben worden. Wir haben das auf 92 Stunden erhöht. Diese 87 Stunden standen theoretisch auf dem Stundenplan, aber tatsächlich haben Schüler 78 oder 79 Stunden bekommen. Heute bekommen sie 92, verteilt auf die vier Schuljahre. Das heißt im Klartext: Ein hessischer Grundschüler, der heute die Grundschule nach der Klasse 4 verlässt, hat effektiv über ein Dreivierteljahr mehr Unterricht als während Ihrer Regierungszeit gehabt.

(Beifall bei der CDU)

Das hat etwas mit Recht auf Bildung und mit der Qualität von Bildung zu tun. Deshalb brauchen wir uns nicht von Ihnen vorhalten zu lassen, dass wir dort noch Defizite hätten. Sie würden es sich auf die Fahnen schreiben, wenn es Ihnen gelungen wäre, so viele Lehrer einzustellen, wie wir es getan haben. Es ist nicht wegzudiskutieren, dass insgesamt die Zahl pro Klasse im Schnitt gesunken ist, was nicht ausschließt – ich wiederhole mich –, dass es sehr

wohl Einzelfälle gibt, wo die Klassen zu groß sind. Daran müssen wir arbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Irmer. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Kultusminister Banzer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst zu den Zahlen. Es ist gar nicht so einfach, den Antrag der LINKEN in Zahlen zu übersetzen, weil er ein bisschen unklar ist. Aber wenn wir richtig und eher vorsichtig rechnen und das nicht im Interesse von noch kleineren Klassen ausrechnen, kommen wir auf einen Bedarf von zusätzlichen 9.000 Lehrern.9.000 Lehrer sind 440 Millionen c. Dazu kommt das, was Sie sich noch für die Kindergärten wünschen. Das sind rund 200 Millionen c. Es geht also nicht um 400 Millionen, sondern gut und gern um 650 Millionen c. Dass das unrealistisch ist hat jeder Redner außer Ihnen gesagt. Ich glaube, darüber müssen wir gar nicht weiter reden. Das ist schade um die Zeit.

Trotzdem fand ich die Diskussion sehr nützlich, weil sie deutlich macht, dass die Diskussion im Bereich von Bildungspolitik immer mehr eine Ressourcendiskussion wird.Das wird eine sehr schwierige Fragestellung werden, weil die einzelnen Punkte adressiert sind. Herr Irmer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es in Hessen noch nie so viele Lehrerinnen und Lehrer gegeben hat wie gegenwärtig. Man könnte jetzt noch ergänzen, dass es aber schon deutlich mehr Schülerinnen und Schüler als gegenwärtig in Hessen gegeben hat. Uns muss nachdenklich machen, dass, obwohl wir so viele Lehrerinnen und Lehrer wie noch nie in der Geschichte Hessens haben und deutlich weniger Schülerinnen und Schüler haben, allgemein die Auffassung besteht, dass wir noch mehr Lehrerinnen und Lehrer brauchen. Man könnte auch insgesamt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im hessischen Bildungswesen sprechen, weil es auch um andere Stellen wie Schulpsychologen,Verwaltungskräfte oder Sozialarbeiter geht. Das ist eine ganz große Palette von Bedarfen, die für unsere Schulen besteht.

Dann kommen wir zu einer Diskussion, in der wir uns auch einmal mit den Schülerinnen und Schülern des Jahres 2008 beschäftigen müssen. Wir müssen uns schon Gedanken darüber machen, warum denn das Problem so groß ist. Wir werden auch nicht daran vorbeikommen, über Elternhäuser reden zu müssen und darüber zu diskutieren, warum aus den Elternhäusern inzwischen Schülerinnen und Schüler gekommen sind,für die die bisherige Lehrerfrequenz nicht mehr ausreichend ist.

Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir darauf einwirken können. Daraus folgt für mich auch, dass wir – und das macht das Konzept so schwierig – mit den bisherigen Überlegungen, wie wir Lehrer zuweisen und wie wir Schule insgesamt organisieren, in Zukunft Schwierigkeiten haben werden. Denn wir müssen sehr viel mehr differenzieren.

In den Ballungsräumen haben wir eine ungewöhnlich inhomogene Schülerschaft.Zur Schülerschaft habe ich eben das gesagt, was ich gemeint habe. Wir haben auch – und das hat etwas mit Demografie zu tun – Landstriche in

Hessen, bei denen wir, wenn wir optimale Schüler-LehrerRelationen anstreben würden, Schule nicht organisieren könnten. Denn dort gibt es zu wenige Schülerinnen und Schüler.

Wir werden also nicht mit dem einen Konzept für Sozialindizes oder Schulformen hinkommen. Frau Henzler hat eben davon gesprochen, dass wir auch die regionale Einbettung besprechen müssen. Wir können es auch deutlicher benennen. Wir brauchen einen demografischen Faktor. Das, was wir – vereinfacht gesagt – in Südhessen wahrscheinlich brauchen, um mehr fördern und differenzieren zu können, brauchen wir in Nordhessen, um dort noch Schule in zumutbarer Weise vorhalten zu können.

Das macht es schwierig, und das macht die Schule von morgen doppelt teuer. Deswegen kann es sein, dass wir mit den gleichen Ressourcen weniger erreichen können, als wir in den vergangenen Jahren erreichen konnten. Dazu kommt die Notwendigkeit, darüber nachzudenken, wie man Schule organisiert.

Als Kultusminister bin ich trotzdem dankbar, dass wir über solche Fragen reden, weil ich glaube, dass uns das weiterführt. Für mich gibt es gar keine Zweifel, dass wir zum kommenden Schuljahr zusätzliche Stellen brauchen. Ich glaube nicht, dass wir mit wesentlich unter 1.000 zusätzlichen Stellen auskommen können, um die Situation von Schule für die nächsten Jahre überhaupt sichern zu können.

Das wird aber nicht so toll werden. Wir werden zwar den Einstieg in die maximale Klassengröße von 30 Schülern, was wir bei G 8 geschafft haben, und den weiteren Einstieg im Bereich der Hauptschule, wo wir die Zahl der Schüler pro Klasse ebenfalls reduzieren konnten, weiter fortschreiben. Aber wenn wir außerdem Ganztagsschulen, gemeinsamen Unterricht, Förderung und Differenzierung betreiben wollen, dann wird das angesichts der bestehenden Bedarfe sehr eng werden.

Deswegen sage ich noch einmal:Wer in solche Diskussionen und Verhandlungen, wie sie DIE LINKE mit ihrer Forderung nach 9.000 zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrern und 200 Millionen c für die Kindergärten vor sich hat – das wäre wohl ein Fall für die Anwendung des Konnexitätsprinzips, wie Sie das hier beantragt haben –, dem wünsche ich interessante und fantasiereiche Gespräche. Wir werden uns anschauen, was von diesen 9.000 Stellen tatsächlich übrig bleibt, und wir weisen darauf hin, dass Politik auch etwas damit zu tun hat, dass man das Machbare formuliert. Es ist gar nicht so einfach, die große Protestpartei sein zu wollen und ein bisschen mitregieren zu wollen – ein spannendes Experiment, das scheitern wird.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Das Wort hat Frau Kollegin Henzler für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will uns gar nicht lange von der Mittagspause abhalten.

Bei der Rede von Herrn Minister Banzer ist mir eines sehr deutlich geworden. Er hat zum einen daran erinnert, dass sich viele Dinge in den Elternhäusern verändert haben

und dort vieles nicht mehr gemacht wird, wodurch Probleme in der Schule auftreten. Das zeigt doch sehr deutlich, dass wir Schule nicht ohne die vorschulischen Bildungseinrichtungen betrachten können.

(Beifall bei der FDP)

Entscheidend ist: Was tun wir in den Kindertagesstätten? Sehen wir sie in einem Komplex mit den Schulen verbunden? Wir müssen sehr viel früher anfangen, die Eltern in die Erziehung einzubinden. Wenn wir es erst dann tun, wenn die Kinder sechs Jahre alt sind, ist es einfach schon zu spät. Das muss sehr, sehr viel früher geschehen. Deshalb noch einmal mein Appell, Schule nicht alleine, sondern Schule und vorschulische Bildung als zusammengehörig zu betrachten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Henzler.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist vorgeschlagen, den vorliegenden Antrag dem Kulturpolitischen Ausschuss,federführend,und dem Sozialpolitischen Ausschuss sowie den Haushaltsausschuss, mitberatend, zu überweisen. – Da ich keinen Widerspruch sehe, verfahren wir so.

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung und wünsche allen einen guten Appetit. Wir sehen uns um 14 Uhr wieder.

(Unterbrechung von 13.04 bis 14.04 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie recht herzlich zu unserer heutigen Nachmittagssitzung.

Es ist noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Abbau des rechtswidrigen „Hüttendorfs“ im Kelsterbacher Wald durch DIE LINKE, Druck. 17/705. Wird die Dringlichkeit bejaht?

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nein!)

Nein? – Herr Wintermeyer, zur Geschäftsordnung bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will, damit wir ihn jetzt gleich behandeln können, die Dringlichkeit und vor allem die Eilbedürftigkeit dieses Dringlichen Entschließungsantrags begründen. Dazu verlese ich zunächst einen Auszug aus einer Pressemitteilung des Magistrats der Stadt Kelsterbach, aus der die Dringlichkeit hervorgeht. Ich zitiere:

Die Stadt Kelsterbach hat die Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag mit Schreiben vom 24. September aufgefordert, ihre Hütte im Kelsterbacher Stadtwald unverzüglich abzubauen und das Baumaterial zu entfernen. Diese Hütte wurde in den zurückliegenden Tagen errichtet und soll am 28. September eröffnet werden. Der Magistrat der Stadt Kelsterbach stellt hierzu fest,dass diese Hütte illegal errichtet wurde.Weder wurde ein Bauantrag zur Errichtung der Hütte bei der Stadt Kelsterbach gestellt, noch wurde mündlich oder schriftlich eine solche Hütte angekündigt. Die Stadt Kelsterbach