Vor diesem Hintergrund muss man sich das Verhalten einer Fraktion ansehen. Natürlich wollen wir uns als Parlamentarier insgesamt vor die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten stellen, die in unserem Land Dienst tun und die im Dienste dieser Verfassung arbeiten.Was passiert eigentlich, wenn diese Beamten sehen, dass es dort ein rechtswidrig errichtetes Dorf gibt, das in absehbarer Zeit geräumt werden soll und bei dem das Risiko besteht, dass es Gewalttäter anzieht? Nach allgemeiner Übereinstimmung ist das so. Und dann eröffnet eine der Fraktionen dieses Landtags in diesem Dorf ein Büro. Was für eine Botschaft geht davon aus? Herr Al-Wazir, handelt es sich dabei um Deeskalation? Ist das Deeskalation? Ich sage Ihnen: Es handelt sich dabei um eine bewusste Eskalation. Sie passiert genau in diesen Tagen aus all den Gründen, die politisch damit gemeint sind.
Meine Damen und Herren, wir bleiben bitte dabei nüchtern miteinander. Diese Eskalation geschieht nicht, weil dort in absehbarer Zeit Bäume gefällt werden. Die müssten sich nicht den ganzen Winter den Hintern im Dorf abfrieren. Die Bäume werden nicht gefällt, bevor ein Verwaltungsgerichtshof entschieden hat und vieles andere – das weiß jedes Kind.
Sie geschieht, weil Sie ihnen schon vor den Gesprächen sagen wollen, dass Sie als Linkspartei immer auf der Seite derer stehen, die im Zweifel auch mit dem, was Sie verharmlosend zivilen Ungehorsam nennen, was Sie damit beschreiben, dass Sie glauben, es sei Verfassungsrecht auf Widerstand, das Sie nicht haben, gegen die Entscheidung dieses Parlaments,gegen die Entscheidung dieser Landesregierung und möglicherweise gegen die Entscheidung von Gerichten zum Bau der Landebahn in Frankfurt vorgehen werden. Das und nichts anderes ist die Frage.
Sie sagen ihnen das jetzt, damit es vor der Regierungsbildung klar ist – keine triviale Frage.Deshalb sage ich Ihnen an dieser Stelle als politische Bemerkung sehr klar: Man kann als Landesregierung den Rechtsstaat nicht konsequent schützen, wenn man von einer Partei abhängig ist, die den Rechtsstaat nicht konsequent schützen will. Das ist der Punkt der Auseinandersetzung.
Deshalb ist es die Auseinandersetzung um diesen Punkt. Er ist ein Symbol, ja. Er kostet möglicherweise nicht viel an Staatsgeldern, wird jedenfalls die Fraktion behaupten.
Ich weiß nicht, wie viel Einsatz dort war. Sie freuen sich über Publicity. Das mag alles sein. Es ist ein Symbol, und es ist so gemeint.
Deshalb muss sich ein Polizeibeamter fragen, was das bedeutet. Eines ist zur Deeskalation auch klar. Herr Al-Wazir, Sie wissen das aus Ihrer Erfahrung, weil Sie auch mit Regierungsfraktionen gearbeitet haben. Eine der entscheidenden Voraussetzungen für die Fähigkeit der Polizei zur Deeskalation ist ihre Sicherheit des Rückhaltes derer, die für sie politisch verantwortlich sind.
Nichts ist für eine Deeskalation gefährlicher als eine Situation, in der eine Polizeiführung nicht weiß, was ihre Führung am Ende will oder wollen darf.Auch das gab es in der Geschichte, sodass alles nichts Neues ist. Deshalb ist diese Debatte des Symbols bewusst so gesetzt und bewusst eine Debatte, die wir zu führen haben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, klar ist, diese Debatte kann man nicht irgendwann unter dem Motto, dass Ihnen in drei Monaten einfällt, da wäre eigentlich ein Problem,führen.Es ist entweder jetzt ein Problem, und es wird von Anfang an so behandelt, oder es ist kein Problem, und es wird nicht so behandelt.
Das mag die letzte Bemerkung sein. Abg. Hahn hat einmal darauf hingewiesen: Natürlich haben viele, die in Verantwortung stehen, mit Pfarrer Oeser lange über diese Frage diskutiert. Es ist exakt richtig, Pfarrer Oeser ist nicht deshalb dorthin gegangen, weil er dort unbedingt eine Hüttenkirche bauen wollte, sondern er hat, weil andere ein Hüttendorf gebaut haben, in seinem Versuch der Deeskalation gesagt: Ich gehe hinein und nicht von außen heran.
Das hat sicherlich unser aller Respekt verdient – unabhängig davon, wie man ihn sieht. Er hatte aber über eine zweite Erfahrung – das weiß ich auch – gegenüber den sozialdemokratischen Kollegen und anderen nie einen Zweifel gelassen:Seine Lehre daraus ist,dass nicht wieder ein Hüttendorf entstehen darf.Seine Motivation,auch des Dialogverfahrens, ob es gelungen oder nicht gelungen war, mit allen Ambivalenzen, die er darin gefunden hatte – es war der Grund seines Einsatzes, dass es nicht noch einmal eine Hüttenkirche und nicht noch einmal eine Hüttenversammlung und nicht noch einmal eine solche Eskalation gibt.
Eines haben auch wir gelernt.Die Irren,die da geschossen haben, waren nicht die friedlichen Demonstranten. Aber die Irren hätten dort nie schießen können, wenn es nicht einen Schutzwall von Demonstranten gegeben hätte, die immer militanter geworden sind und zu einer faktisch wahren militanten Auseinandersetzung mit der Polizei geführt haben.
Die Frage, die damals gestellt worden ist, ob man dort demonstriert, wo es zum Kampf wird, oder ob man es nicht auf den normalen Plätzen machen kann, die Frage, die damals gestellt worden ist, ob man es in die Gerichte verlagern kann,die Frage,die damals gestellt worden ist,ob Dialog etwas ersparen kann – das sind die Kernfragen.
Bei allem, was ist: Seit der Entscheidung von Hans Eichel zum Dialogforum sind wir in dieser Frage, es in die Form der Auseinandersetzung zu bringen, die einer freiheitlichen parlamentarischen Demokratie angemessen ist, weitergekommen – so weit, dass man auch ein Hüttendorf
unter den Prinzipien der Deeskalation trotz endloser Straftaten, die dort jede Woche etwa an den Amphibienschutzzäunen und anderen Dingen begangen werden, durchaus gelassen betrachten kann.
Die Partei DIE LINKE und die Linksfraktion müssen wissen: Sie sind es, die diese Betrachtung von Deeskalation gefährden, weil Sie bewusst und gewollt aus politischen Gründen zu einer Eskalation der Situation führen, die am Ende uns Politiker beschäftigt und vielleicht beschädigt. Aber die wird auf dem Rücken von Hunderten und Tausenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ausgetragen – erst mit Wochenenddienst, unter schwierigen Bedingungen einfach da zu sein, später mit körperlichen Auseinandersetzungen und am Ende mit großen persönlichen Risiken.
Das muss jeder wissen. Deshalb muss eine Parlamentsdebatte in der Lage sein, zu Protokoll sicherzustellen, dass keiner jemals behaupten kann, er habe es nicht gewusst – nicht die, die in den Wald gehen, und nicht die, die denen eine Reputation verschaffen, die in den Wald gehen wollen. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Debatte ist richtigerweise sehr viel über Deeskalation und über die Frage des Rechtsstaates gesprochen worden. Ich will an dieser Stelle klar zum Ausdruck bringen, dass auch das, was unsere Fraktion in der Frage des Flughafenausbaus diskutiert, und wie sie handelt, ein Beitrag zur Deeskalation ist.
Das ist deshalb ein Beitrag zur Deeskalation, weil wir die berechtigte Sorge derjenigen aufgreifen, die gegen diesen Flughafenausbau sind und die auch Angst davor haben, dass in den noch anstehenden Verfahren – oder ich sage es so: während der noch vor dem Verwaltungsgerichtshof laufenden Verfahren – Fakten gesetzt werden. Das ist sozusagen der Hintergrund für das Hüttendorf – das es ja noch gar nicht ist – im Kelsterbacher Wald. Diese Sorge besteht dort – unabhängig von unserer politischen Position.
Wir haben klar gesagt und stehen auch dazu, dass es notwendig ist, das Planfeststellungsverfahren nochmals aufzuschnüren. Denn aus unserer Sicht gibt es in den vielen Klageverfahren eine Reihe von Indizien, die das rechtfertigen könnten.
Herr Boddenberg, es gibt da z. B. das Problem der Schadstoffbelastung sowie die unterschiedlichen Zahlen, die die Fraport im ersten und im zweiten Planfeststellungsverfahren vorgelegt hat.
Auch zum Nachtflugverbot haben wir eine klare Position geäußert. Frau Wissler hat das heute Morgen bereits zum Ausdruck gebracht. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Nacht nicht die Mediationsnacht ist, sondern die, die weltweit definiert wird, d. h. von 22 bis 6 Uhr.
Auch wir wollen, dass der Rechtsstaat gewinnt. Deshalb hoffen wir sehr, dass in den 260 Klageverfahren, die beim Verwaltungsgerichtshof liegen, mit aller Sorgfalt sämtliche Aspekte aller Kläger zur Verhandlung kommen und dann entschieden werden.
Wir vertrauen darauf – das ist ein weiterer entscheidender Punkt –, dass die Baumaßnahmen erst dann begonnen werden, wenn all diese Verfahren rechtsgültig abgeschlossen sind, und nicht – das ist die Angst derjenigen, die am Flughafen im Kelsterbacher Wald demonstrieren – im nächsten Frühjahr nach den vorläufigen Rechtsentscheidungen. Darüber muss man dann diskutieren.
Herr Ministerpräsident, ich habe nur die Sorge derjenigen zum Ausdruck gebracht, die im Kelsterbacher Wald demonstrieren.
Das ist auch unsere Sorge – dass mit einer vorläufigen Rechtsetzung bei nicht abgeschlossenen Verfahren Fakten geschaffen werden, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.
(Ministerin Silke Lautenschläger: Was ist Rechts- staat? – Ministerpräsident Roland Koch: Das steht doch im Gesetz, wie es geht!)
(Lebhafte Zurufe von der CDU: Doch! – Dr. Chris- tean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist genau der Punkt: Ihr gebrochenes Verhältnis zum Rechtsstaat!)
Ach, Herr Wagner. Herr Wagner, Herr Ministerpräsident, ich habe alles gesagt, was von unserer Fraktion zu dieser Frage zu sagen ist.
Ich denke, es ist klar geworden, dass wir uns selbstverständlich an rechtsstaatliche Entscheidungen halten, dennoch die Sorge derjenigen teilen, die im Kelsterbacher Wald demonstrieren. – Vielen Dank.
Verehrter Herr Kollege Schaus, damit das klar ist:Wir befinden uns in einem rechtsstaatlichen Verfahren, das nicht umdefiniert werden kann.
Wie immer das am Ende ausgeht – der Verwaltungsgerichtshof in Kassel entscheidet –, eine Genehmigung nach dem Planfeststellungsrecht für das Luftverkehrswesen hat den Sofortvollzug in sich. Das heißt, aus juristischer Sicht darf heute gebaut werden, am heutigen Tag.
In Deutschland gibt es eine Absprache,an die sich alle Behörden halten, wonach wir eine verwaltungsgerichtliche
Über diese Frage entscheidet der Verwaltungsgerichtshof in Kassel, und zwar abschließend. Beim Sofortvollzug gibt es keine zweite Instanz.Auch das steht im Gesetz.
Das heißt, nach diesem Zeitpunkt – ein Jahr später oder wann auch immer – wird das Hauptsacheverfahren entschieden. Dieses Hauptsacheverfahren hat eine Berufungsmöglichkeit zum Bundesverwaltungsgericht nach Leipzig.