Protocol of the Session on September 24, 2008

Es dürfte allen klar sein,dass wir über eine sicherlich nicht ganz leichte Aufgabe reden. Ich will aber noch auf das Rezept der FDP zurückkommen. – Wir sind auch keine Könige,und auch bei uns fällt kein Manna vom Himmel,dennoch muss man die Aufgabe, ein strukturelles Defizit zu beseitigen, direkt angehen. Bevor ich das aber mache, erlaube ich mir mit der Genehmigung des Präsidenten, aus dem neuesten Bericht der Europäischen Zentralbank vom September dieses Jahres, Seite 91 des Berichts, zu zitieren. Ich spare mir den Eingang:

... zeigt die Erfahrung, dass die Länder des Euroraums ihre angekündigten Haushaltsziele schon häufiger aufgrund von Ausgabenüberschreitungen verfehlt haben. Daher sollten die Bemühungen auf glaubwürdigen, klar umrissenen mittelfristigen Strategien und einer strengeren Ausgabenkontrolle gegründet sein.

Meine Damen und Herren,das,was die EZB den Ländern des europäischen Raumes ins Stammbuch schreibt, gilt natürlich auch für die Haushalte der Länder innerhalb der Bundesrepublik.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Da hilft es absolut nicht, wenn man sich hier in weitschweifigen Klagen ergeht, sondern dann heißt es, dass man diese Dinge auch verfolgt. Was heißt denn dann eigentlich eine nachhaltige Haushaltspolitik? – In erster Linie heißt das Verlässlichkeit. Meine Damen und Herren, das heißt unter anderem auch: Verlässlichkeit hat sich an den Einnahmen auszurichten und nicht an den Ausgaben. Das zieht sich wie eine rote Linie durch. Da kann man es einfach nicht vermeiden, auf die Pläne der LINKEN hinzuweisen. Seit wir diese Diskussion führen, warte ich eigentlich auf den Aufschrei der Sozialdemokraten zu diesen Plänen.

(Beifall bei der FDP – Florian Rentsch (FDP): 25.000! – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich hatte heute früh das Vergnügen – die Geschichte muss ich einfach erzählen, weil sie so schön ist –, dort oben mit dem Kollegen Wilken, der jetzt nicht da ist, bei einer Schulklasse zu sitzen. Aus der Schulklasse wurde an den Kollegen Wilken die Frage gestellt: Können Sie mir erklären, wozu Sie 25.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor

schaffen wollen, wenn Sie gleichzeitig gegen die Schaffung von 60.000 Arbeitsplätzen beim Frankfurter Flughafen sind?

(Norbert Schmitt (SPD): Da ist was dran! – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Meine Damen und Herren, wenn das 20 junge Leute unisono fragen, dann ist das eigentlich ganz schön.Aber über das,wie Herr Wilken reagiert hat,will ich hier nicht reden.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Erzählen Sie einmal!)

Denn er war nicht in der Lage, diesen Widerspruch aufzuklären.Insofern endete das wie das berühmte Hornberger Schießen, bis auf den Punkt, dass das eine sehr präzise Frage ist.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wenn wir schon bei dem Thema sind,dann lassen Sie mich das genau machen. Aus den ursprünglichen 31 Punkten der LINKEN, bei denen Sie vonseiten der SPD nicht aufgeschrien haben, sind, wie wir wissen, heute 5 Punkte geworden. Es ist interessant, wie schnell sich das zwischen dem 25. August und dem 3. September geändert hat. In der ursprünglichen Version waren das 25.000 sozialversicherungspflichtige und tariflich entlohnte Arbeitsplätze im öffentlichen Beschäftigungssektor. Wenn man das heute liest, liest man nur noch: 25.000 sozialversicherungspflichtige, tariflich entlohnte Arbeitsplätze, damit Menschen wieder von ihrer Arbeit leben können.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch Folgendes zu diesem speziellen Thema sagen: Ich behaupte nicht, dass ich besser rechnen kann als die Landesregierung. Aber 640 Millionen c reichen dazu nicht. Denn auch Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor verursachen Kosten des Arbeitsplatzes. Diese Aktion kostet irgendwo in der Größenordnung zwischen 650 Millionen und einer knappen Milliarde c. Meine Damen und Herren, ich würde Sie vonseiten der SPD und auch vonseiten der GRÜNEN bitten, unter diesem Stichwort – im Übrigen unverzichtbare Bedingung der LINKEN für eine Tolerierung – noch einmal hierher zu kommen und zu sagen, wie Sie Haushaltskonsolidierung betreiben wollen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt ansprechen, der auch sehr wundersam ist. Zum Thema Mindestlohn. Ich kann vieles verstehen, aber man muss auch einmal sagen, wie flüchtig das ist. Vielleicht sollten Sie von den GRÜNEN und der SPD sich das merken. Ich weiß nicht, ob Sie sich damit beschäftigen. Wir tun das. Ich kann Ihnen nur sagen:Auch die Forderung der LINKEN nach einem Mindestlohn hat sich vom 25.August auf den 3. September auf wundersame Weise, offensichtlich durch Tariferhöhung, von 844 auf 871 c geändert.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist mir auch aufgefallen!)

Oder es hängt damit zusammen, dass Herr van Ooyen in Frankreich war und da erfahren hat,dass der Mindestlohn in Frankreich 871 c beträgt. Das passt aber wiederum nicht dazu, dass Herr Wilken sagt: Das bezieht sich auf die Pfändungsgrenze für Nettoeinkommen in Deutschland. – Meine Damen und Herren, mir geht es nicht darum, das ins Lächerliche zu ziehen. Mir geht es darum, dass dermaßen ernste Dinge diese alte traditionsbewusste Sozialdemokratie, wie ich sie kenne, eigentlich nachdenklich machen müssten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Meine Damen und Herren, ich erwarte von Ihnen, dass Sie an dieses Pult gehen und endlich einmal erklären, wie Sie Haushaltskonsolidierung für morgen, für übermorgen betreiben wollen, und dass Sie nicht weiterhin diesen Wunschträumen erliegen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das bitte noch sagen. Sie setzen noch einen drauf beim Thema Wiedereintritt in die Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Es ist wieder interessant, wie sich die GRÜNEN dazu verhalten. Etwas, was wir gemeinsam beschlossen haben, und wozu alle stehen sollten, was im Übrigen etwas mit dem FDP-Konzept zu tun hat, Referenzbereiche zu schaffen und damit zu entscheiden, wo in Zukunft eigentlich mehr ausgegeben werden soll und in welchen Bereichen es Einsparungen geben soll: Da sind wir Gott sei Dank zumindest im breiten Konsens, dass beim Thema Bildung, Stichwort: Referendare, Geld zu investieren ist. Das verantworten wir auch mit, wenn es denn umgesetzt wird. Da kann man auch gleich wieder den Kreis schließen, daran anknüpfen und sagen: Was soll das Herumwühlen in den Wunden, im Schnee, oder wo auch immer, der Vergangenheit, wie Sie das getan haben? Sie sind nicht in der Lage oder wollen es nicht sein – das ist eigentlich das, was ich vermute: nicht sein wollen –, hier heute zu erklären, wie Sie die Haushaltskonsolidierung, die wir gemeinsam beschlossen haben, realisieren wollen.

Zum Abschluss sage ich das noch einmal: Ich bin im Übrigen sehr gespannt darauf, wie Sie hier vorgehen und die anderen Patentrezepte erklären wollen, die Sie sich von den LINKEN einreden lassen.

Lassen Sie sich dazu nur zwei, drei Punkte sagen. Wir haben mehrfach öffentlich gehört: „Wenn es keinen ausgeglichenen Haushalt gibt, müssen die Steuern erhöht werden.“ Wenn man so etwas hört, kann man nur sagen: Ökonomie-Klippschule.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Da muss man wirklich noch mehr Geld in den Bildungssektor investieren.

(Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Selbst der Vorturner Lafontaine kann es nicht erklären, wenn er auf der einen Seite Steuern oder Abgaben erhöhen will und auf der anderen Seite schreit, dass die Kaufkraft erhöht werden muss. Das ist doch in sich alles völlig unschlüssig.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Deswegen müssen Sie mir gestatten – ich liebe den Ausdruck auch nicht –, dass dieser Ausdruck für die ökonomischen Kenntnisse dort anzusetzen ist.

Meine Damen und Herren von der SPD und auch von den GRÜNEN, auch wenn Sie da schmunzeln und das gut finden, wünsche ich Ihnen möglicherweise – gegessen ist das noch lange nicht – relativ viel Vergnügen bei zwei Dingen: bei der Tolerierung durch die LINKEN und bei der Umsetzung der Haushaltskonsolidierung.Viel Vergnügen mit den LINKEN, die in einer solchen Geschwindigkeit, vom 25. August bis zum 5. September, ihre 31 Punkte auf 5 re

duzieren, deren Zahlen sich, wie ausgeführt, verändern und sie so locker formulieren, dass sie den öffentlichen Bereich gar nicht gemeint haben. Das sei ein Irrtum gewesen. Jetzt reden sie nur noch über 25.000 Arbeitsplätze.

Meine Damen und Herren, damit ist eigentlich das geschehen, was hier geschehen soll: Die „Verlässlichkeit“ Ihres Tolerierungspartners hat sich für die Öffentlichkeit bestätigt. Sie hat sich für uns bestätigt. Die Einzigen, die offensichtlich noch die Augen davor verschließen und darauf warten, dass ihnen das Glück hilft und das Manna vom Himmel fällt, wie es Herr Kaufmann so gerne hätte, bleiben Sie.Sie werden mit Sicherheit nicht erwarten können, dass man Ihren weinerlichen Anträgen von gestern und vorgestern – –

(Reinhard Kahl (SPD):Weinerliche Anträge?)

„Kassensturz“ und das andere sind doch alle weinerlich. Herr Kahl, kommen Sie doch hierher, und sagen Sie, wie Sie die Haushaltskonsolidierung betreiben wollen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Hans-Jürgen Ir- mer (CDU))

Dann beschweren Sie sich doch nicht, wenn ich dazu sage, dass das weinerliche Anträge sind.

(Reinhard Kahl (SPD): Sie müssen die Zahlen kennen!)

Ich habe hier doch nichts anderes gehört, als dass der eine mit dem Finger auf den anderen gezeigt hat – wir sind auch mit dabei –, dass in der Vergangenheit Schulden gemacht worden sind. Das ist also der Beitrag der SPD zur Haushaltskonsolidierung.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Toll.Vermutlich,weil Sie nicht aus Ihrer Haut heraus können und schon im Kopf haben, dass man das so weitermachen will, falls Sie das Sagen haben. Dazu werden Sie unsere Hand natürlich nicht bekommen. – Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben nicht mitregiert!)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Krüger. – Für eine Kurzintervention erteile ich Herrn Kaufmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Krüger, Ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung hätten Sie als Erstes nennen können – man geht ja immer mit gutem Beispiel voran. In dieser Plenarrunde sehe ich nur einen gegenteiligen Antrag,nämlich einen Gesetzentwurf, die Reisekosten zu erhöhen. Darin steht zum Finanzbedarf: 2 Millionen c mehr, diese Finanzmittel seien im nächsten Haushalt bereitzustellen. – Das ist Ihre Haushaltskonsolidierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nun mag man sagen, 2 Millionen c sind nicht der Rede wert. Herr Krüger, wer so mit dem Geld umgeht, sollte

sich nicht hierhin stellen und mit dem Finger auf andere Leute zeigen. Wissen Sie, warum der Haushalt so schwierig ist? Wir zahlen Jahr für Jahr 1,5 Milliarden c Zinsen. In den letzten neun Jahren unter Weimar – wir haben es gehört – sind rund ein Drittel der hessischen Schulden, d. h. 500 Millionen c Zinslasten angefallen. Insoweit ist das kein Blick zurück, sondern nach vorne, nämlich zur Belastung.

Wenn man den Haushalt konsolidieren will, muss man als Allererstes damit aufhören, das Loch immer größer zu machen. Man muss aufhören, weitere Schulden zu machen, die immer wieder zu weiteren Zinskosten führen. Deswegen ist das der erste Schritt, der notwendig ist.

Wir haben es nicht nötig, das, was wir einstimmig beschlossen haben, zu wiederholen. Sie hätten es nötig, Ihren Gesetzentwurf zurückzuziehen und zu sagen, wie Sie sparen wollen.Die FDP ist bisher immer im Wort groß,sie wolle keine Steuererhöhungen,aber de facto ist sie immer dabei, wenn sie passieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Florian Rentsch (FDP):Das sagt der Richtige!)