Dann bräuchten wir über einen ausgeglichenen Haushalt in diesem Jahrhundert jedenfalls nicht mehr zu reden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir in Hessen eine Landesregierung hätten, die ihrerseits Respekt vor dem Parlament hätte,wenn also die Ankündigungen des Ministerpräsidenten in seiner Erklärung anlässlich der konstituierenden Sitzung des Landtages der 17. Wahlperiode am 5. April zutreffend gewesen wären, dann müssten wir die Debatte hier und heute nicht führen, Herr Kollege Milde.
Wir durchliefen ein geordnetes und gesetzmäßiges Haushaltsaufstellungsverfahren, und wir hätten die Einbringungsreden des Finanzministers für einen Haushalt des Jahres 2009 und für den Nachtragshaushalt 2008 bereits gehört und die Daten zur Kenntnis genommen.
(Norbert Schmitt (SPD): So ist es! – Michael Boddenberg (CDU): Sind wir an einem Durcheinander der SPD schuld?)
Herr Kollege Milde, so ist aber die Lage leider nicht. Die geschäftsführende Landesregierung sucht den Konflikt mit dem Parlament. Sie hat es vorgezogen, die Beschlüsse des Landtags schlicht zu ignorieren und so zu tun,als müssten sie die Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers überhaupt nicht interessieren.
Wir haben noch nicht einmal einen Widerspruch oder eine ablehnende Aussage der Landesregierung zu den Beschlüssen des Landtagsplenums vom 5. Juni gehört. Nach der Beschlussfassung passierte – schlicht gar nichts mehr. Man hat es noch nicht einmal für nötig befunden, dem Parlament wenigstens mitzuteilen, dass man seinen Beschluss missachten wolle, oder sich bemüht, irgendwelche Gründe zu nennen. Nein, gar nichts.
Herr Finanzminister, so, wie es sich darstellt, hat man bei der Landesregierung offensichtlich einfach keine Lust mehr, seine Arbeit zu erledigen, sondern man ist lieber in die Ferien gefahren.
Meine Damen und Herren, eine solche Situation hatten wir in der Geschichte Hessens noch nicht. Die Respektlosigkeit der Landesregierung gegenüber dem Landtag ist in den letzten Jahren der absoluten Mehrheit der CDU sowieso schon deutlich gewachsen; aber was wir jetzt erleben, ist nochmals eine erhebliche Steigerung. Aus meiner Sicht ist die Grenze zur Unverschämtheit, was die Umgangsformen angeht, deutlich überschritten.
Herr Ministerpräsident – er ist nicht da –, Herr Finanzminister, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass eine Ablehnung eines Antrags durch die CDU-Fraktion im Landtag nicht mehr automatisch bedeutet,dass der Beschluss nicht zustande kommt.
Die Zeiten, in denen allein die CDU bestimmt hat, was in Hessen geschieht, sind gottlob vorbei. Die hessischen Wählerinnen und Wähler haben sie beendet.
Und selbst wenn die FDP in geübter Weise bei der CDU mitkuschelt, reicht das immer noch nicht für einen Mehrheitsbeschluss.
Die faktische Weigerung, die Beschlüsse des Haushaltsgesetzgebers umzusetzen, halten wir für einen eindeutigen Rechtsbruch, begangen von der geschäftsführenden Landesregierung. Das Ignorieren der Beschlüsse geschah nicht rein zufällig oder aus Versehen, etwa fahrlässig in der Alltagshektik des Regierens.
Meine Damen, meine Herren, heute Morgen haben wir schon einmal im anderen Zusammenhang über das Thema Rechtsbruch gesprochen. Vielleicht sollten Sie Ihre Regierung einmal fragen, warum sie denn hier Rechtsbruch begeht und die Beschlüsse des Landtags in Haushaltsangelegenheiten schlicht missachtet.
Meine Damen und Herren, aus der Anhörung im Haushaltsausschuss der vergangenen Woche zum Gesetzentwurf von SPD und GRÜNEN zur Änderung der Landeshaushaltsordnung konnte vieles Lehrreiche mitgenommen werden, manches war auch kontrovers. Eindeutig aber war nach Meinung aller Experten die Feststellung, dass – übrigens in völliger Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht – der Haushaltsgesetzgeber die Vorlage eines Nachtragshaushalts von der Landesregierung schon verlangen kann.
Genau dies haben wir mit Beschluss vom 5. Juni 2008 getan. Und wie hat die Landesregierung hierauf reagiert? – Gar nicht.
Meine Damen und Herren, hätte die Landesregierung, anstatt totale Arbeitsverweigerung zu üben,ihre Pflichten erfüllt, dann könnten wir heute die Finanzlage des Landes anhand der zusammen mit dem Haushalt vorzulegenden Daten beurteilen. Werter Herr Kollege Milde, dann müsste man auch nicht – völlig zu Recht – einen Kassensturz fordern, denn dann hätten wir die Daten auf dem Tisch.
Das wäre jedenfalls eine deutlich höhere Transparenz, als wir sie im Augenblick haben, da wir allein auf die blumigen Geschichten aus dem weimarschen Märchenbuch angewiesen sind.
Man sollte kurz daran erinnern: Herr Kollege Milde, aufgrund eines Antrags von uns GRÜNEN gab es eine Zusage der Regierung, im Haushaltsausschuss einen Finanzstatusbericht vorzulegen. Damals haben wir dieses Angebot akzeptiert und nicht auf einer Beschlussfassung be
standen – um uns anschließend deutlich getäuscht zu fühlen. Denn was wir Mitte Juni mit der Unterschrift des Finanzministers erhielten, war kein Statusbericht, sondern bestenfalls gute weimarsche Lyrik oder auch eine Kurzgeschichte über die Schönheit des Deltas – ohne jegliche konkrete Aussage oder belastbare Daten.
Wenn dies, was uns damals berichtet wurde, die gesamte Kenntnis des Finanzministeriums zur aktuellen Situation der hessischen Finanzen nach der Mai-Steuerschätzung und zum Halbjahresultimo darstellt, dann wäre das in der Tat höchst bedenklich.
Glücklicherweise ist es aber nicht so,und man weiß im Ministerium sehr viel mehr. Die Hausspitze weigert sich nur, diese Informationen an den Landtag weiterzugeben.
Genauso übel wie uns GRÜNEN mit der Forderung nach einem Finanzstatusbericht ist es übrigens – der Kollege Kahl hat das bereits erwähnt – den Kolleginnen und Kollegen der SPD ergangen. Die schriftliche Antwort des Finanzministers auf das Schreiben der SPD-Fraktionsvorsitzenden an den Ministerpräsidenten, in dem ebenfalls Auskünfte über die Finanzsituation und die Haushaltsaufstellung 2009 erbeten wurden, wurde mit einem inhaltlich völlig indiskutablen Antwortschreiben beantwortet.
Entscheidend für den Landeshaushalt ist daher immer nur die Gesamtsumme der Steuereinnahmen, die dem Haushalt nach dem Länderfinanzausgleich zur Verfügung steht.
Herr Weimar, meinen Sie nicht, dass man sich beim Lesen solcher Ausführungen in Ihren Schreiben doch etwas auf die Schippe genommen fühlt?
Haben die Steuereinnahmen des Landes jetzt tatsächlich etwas mit dem Haushalt des Landes zu tun? Es ist wirklich gut, dass uns das endlich einmal jemand deutlich gesagt hat.
Meine Damen und Herren, eine zweite Spitzenleistung der Formulierungskunst sei noch dargebracht. Ich zitiere nochmals:
im Haushaltsaufstellungsverfahren alle sonstigen verbleibenden Optionen auf ihre Eignung prüfen, die notwendigen Mehreinnahmen zur Erreichung des Haushaltsziels zu erbringen.
Ob der bestechenden Klarheit dieser Aussage ist man wirklich beinahe sprachlos. Herr Weimar, ist es denn bei Ihnen ansonsten die Regel, ungeeignete Optionen zur Erzielung von Mehreinnahmen heranzuziehen?