Ich will erst einmal eine Bemerkung dazu machen, über welches Thema wir überhaupt sprechen. Ich denke, dass wir uns bei diesem Thema alle unserer Verantwortung bewusst sind, sodass ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, dass hier eine Fraktion den anderen abspricht, erkannt zu haben,dass es auch in Deutschland Kinderarmut gibt und dass wir in unserem Land Eltern und Kinder haben, die auch zukünftig Unterstützung brauchen. Das haben wir im Hessischen Landtag bereits sehr verantwortlich diskutiert.
Hierzu möchte ich zwei Bemerkungen machen, um zu verdeutlichen, was aus unserer Sicht notwendig war, obwohl die Hessische Landesregierung, wenn sie sich nur auf ihre Zuständigkeit berufen hätte, keinen Hilfsfonds hätte gründen müssen. Wir haben aber einen Hilfsfonds gegründet.Ich bin froh,dass wir uns in diesem Hause über die Gründe, die uns hierzu veranlasst haben, alle einig waren, sodass wir mit diesem Härtefallfonds Kindern, die in der Schule tatsächlich Hunger hatten, geholfen haben.
In diesem Zusammenhang sind wir einen unbürokratischen Weg gegangen, weil ich nach wie vor fest davon überzeugt bin, dass die Lehrerinnen und Lehrer, die mit den Kindern tagtäglich zu tun haben, am besten erkennen können, welches Kind tatsächlich Unterstützung und Hilfe braucht, und weil wir nicht erst fragen wollten: Wie sieht es im Moment bei den Eltern aus?
Bei den Eltern gibt es nach wie vor große Unterschiede. Daher ist es auch richtig, dass es einige Eltern gibt, die ihren Kindern schlichtweg nicht das mitgeben können, was sie gerne mitgeben wollen, und dass der Regelsatz für Kinder dringend überprüft werden muss. Es gibt aber auch andere, die im Übrigen in der gleichen Lage sind, die es irgendwie hinbekommen – doch mit großen Schwierigkeiten.Das sind die Menschen,die arbeiten gehen und die sich dadurch über den Aufstockergrenzen befinden, weshalb sie aus jeglichen Zuschusssystemen herausfallen.
Diese Menschen gehen jeden Tag von morgens bis abends arbeiten, schaffen es aber möglicherweise trotzdem nicht, ihren Kindern das mitzugeben, was sie gerne wollten. Dennoch sind sie sehr verantwortliche Eltern. Es gibt aber auch Eltern, die durchaus genügend Mittel zur Verfügung hätten, die aber ihr Geld für alles Mögliche einsetzen, nur nicht für ihre Kinder.
Daher haben wir gesagt, dass es an den Schulen verantwortliche Lehrerinnen und Lehrer gibt, die durchaus sehen, was mit einem Kind los ist.Wir haben den Härtefallfonds für Mittagessen an Schulen eingeführt, um unbürokratisch und schnell zu helfen. Das haben wir im Übrigen in Zusammenarbeit mit der Karl-Kübel-Stiftung gemacht, die zusätzliche Beratungsangebote für die Eltern und Familien anbietet. Hierzu haben wir bereits mehrere Gespräche geführt, und ich kann Ihnen sagen: Das wird sehr gut angenommen.
Nun zum Antrag der LINKEN.Frau Schott,es überrascht, das dies nun wieder Thema im Landtag ist. Sie haben nun erstmals eine Zahl genannt, denn normalerweise spielt in Ihren Anträgen Geld grundsätzlich keine Rolle.
Diese Zahl ist richtig, denn auch wir haben es einmal durchgerechnet: Wenn man sehr eng rechnet, dann handelt es sich um 10 Millionen c jährlich, die man über den Landeshaushalt aufbringen müsste, denn das könnte man nicht mit Streichungen, indem man mal da oder dort eine Straße streicht, aufbringen. So funktioniert ein Landeshaushalt nicht.
So könnte man es also nicht machen. Aber Sie sollten auch hinschauen, was Sie im Bund und in anderen Ländern machen. Frau Kollegin Fuhrmann, wir haben im Mai im Bund eine gemeinsame Entschließung gefasst, wie wir sie schon im vergangenen Jahr gefasst hatten – alle Arbeits- und Sozialminister, sowohl des Landes Hessen als auch der Länder Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, alle miteinander.
Sie wissen auch, dass wir im Bundesrat unterschiedliche Gesetzentwürfe hatten, sowohl aus Nordrhein-Westfalen als auch aus Rheinland-Pfalz. Wir haben uns gemeinsam auf die Entschließung verständigt,
Ich sage ganz deutlich: Wir warten noch auf diesen Bericht. Denn wir brauchen eine neue Bemessung des Regelsatzes. Das heißt aber auch, dass es dann endlich eine Erhebung geben muss:Wie sieht der Bedarf eines Kindes tatsächlich aus? – Denn heute rechnet ein Kind einfach als Teil eines Erwachsenen. Das ist so eben nicht zutreffend, sondern man muss bewusst Warenkörbe erheben. Vielleicht richten Sie das Ihrem Kollegen Scholz in Berlin doch einmal aus.Auf diese Erhebung warten wir noch.Wir
hoffen, dass sie in der nächsten Arbeits- und Sozialministerkonferenz mit einem Ergebnis vorgelegt wird.
Insoweit finde ich es schlichtweg unredlich, wenn wir im Landtag zusammen sind und auf der einen Seite gefragt werden, was wir als Land Hessen unternommen haben, auch in Richtung Bund, was wir selbst eingerichtet haben. Es kommt noch viel mehr dazu. Das Wichtigste ist doch – darüber sollten wir uns einig sein –, dass wir den Menschen wieder eine Chance eröffnen müssen.
Der Kollege Bauer hat sehr deutlich gesagt, dass wir mit allen Instrumentarien Hilfe leisten müssen, wie z. B. mit SGB II, aber auch mit SGB III und vielen anderen Instrumentarien, die vorgesehen sind, um Menschen wieder in Arbeit zu bringen.
Auf der anderen Seite müssen aber auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Arbeitsplätze müssen erhalten werden und neue dazukommen; aber auf keinen Fall dürfen Arbeitsplätze vernichtet werden. Das sind die beiden großen Punkte, über die wir reden.
Wir müssen die Kinder in den Blick nehmen und mit dem Härtefonds schnellstmöglich Abhilfe schaffen, damit Kinder nicht hungern müssen. Auf der anderen Seite müssen wir die Anzahl der Betreuungsplätze weiter ausbauen,damit es den Eltern überhaupt möglich ist, einer Arbeit nachzugehen.Wir müssen selbstverständlich aber auch in Richtung Bund deutlich machen, dass dort die Überprüfung des Regelsatzes tatsächlich stattfinden muss.
Frau Kollegin Fuhrmann, eine letzte Bemerkung. Sie haben behauptet, wir hätten irgendein Gesetz im Bundesrat blockiert. Wenn Sie sich näher mit dem Bundesrat befassen, wissen Sie, dass jedes Land seine Gesetze im Bundesrat zur Abstimmung stellen kann. Da gibt es keine Gesetze, die man blockieren kann, sondern dort haben sich die Länder schlichtweg darauf verständigt, einen Antrag zu stellen.Wenn ein anderes Land ein Gesetz zur Abstimmung stellen will, kann es das jederzeit machen.Also bleiben Sie wenigstens beim genauen Verfahren.
Wir haben alle das Interesse, dass Kindern geholfen wird. Wir alle gemeinsam haben einen Blick dafür, dass Kinderarmut abgebaut werden muss. Wir sollten gemeinsam um die Konzepte ringen, aber keine Luftschlösser bauen und auch nicht so tun, als hätte man irgendwo die Gelddruckmaschine stehen und könnte das alles allein in Hessen lösen.
Wir brauchen eine gesamtstaatliche Verantwortung, aber selbstverständlich auch die Rahmenbedingungen, dass Menschen in Arbeit kommen und dass nicht derjenige, der den ganzen Tag arbeitet,sich irgendwann fragen muss: Wo bleibe eigentlich ich bei der ganzen Diskussion? – Das alles gehört zusammen. Das werden wir auch weiter verfolgen.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Zur zweiten Runde erhält Frau Fuhrmann für die SPD-Fraktion das Wort.Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten.
In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit will ich es relativ kurz machen. Frau Ministerin, ein paar Punkte müssen aber doch noch gesagt werden. Ihr Mittagessensfonds ist keine Erfindung der CDU-Landesregierung, sondern er ist entstanden aufgrund von Haushaltsanträgen von GRÜNEN und SPD, die genau dies mehrfach eingefordert haben. Sie haben dann endlich gehandelt. Da war das Problem schon ein paar Tage bekannt.
Zweiter Punkt. Ich finde es auch sehr wichtig – das haben wir hier auch schon diskutiert –: Der Fonds ist in der Ausstattung, wie Sie ihn eingerichtet haben, erstens zu niedrig,weil er sich ausschließlich auf Schulen und nicht auch auf Kindertagesstätten und Horte bezieht. Das heißt, das Geld wird vermutlich keineswegs ausreichen. Zweitens ist gegen eine unbürokratische Lösung absolut nichts zu sagen, Frau Lautenschläger. Dagegen hat niemand etwas.
Aber es ist sehr wohl etwas dagegen zu sagen, dass die Kommunen, die das unglaubliche sozialpolitische Problem, nämlich hungrige Kinder in den Schulen, bereits erkannt und schon eigene Haushaltsmittel eingestellt hatten, keinen Antrag auf Unterstützung aus diesem Fonds des Landes stellen dürfen. Das ist zutiefst ungerecht. Die Stadt Frankfurt etwa hat dieses Problem ganz schnell angepackt und hat 1 Million c Haushaltsmittel eingestellt. Diese 1 Million c kann Sie bei diesem Landesfonds nicht beantragen. Es ist also ein verfehlter Fonds und insofern auch ein schlechtes Beispiel.
Nächster Punkt, zur strukturellen Lösung im Bund. Ich habe das meiste meiner Redezeit dafür verwendet, zu sagen, dass wir genau diese strukturellen Veränderungen brauchen und dass es uns nicht hilft, wenn wir da und dort einen Fonds haben. Gleichwohl müssen wir, wenn solche Herausforderungen an uns gestellt werden,auch die haushaltsmäßigen Voraussetzungen schaffen, um eventuell, hoffentlich nur für eine Übergangszeit, Lösungen für drängende soziale Probleme zu finden.
Letzter Punkt. In aller Kürze zu der Schnodderigkeit, mit der Sie, Herr Kollege Bauer bzw. auch Herr Rentsch, in Teilen gesprochen haben. Ich möchte Ihnen nur eines ans Herz legen. Wer immer sagt, man müsse die bevorzugen, die jeden Morgen aufstehen und arbeiten gehen, diffamiert damit in einer unglaublichen Weise einen wachsenden Teil der Bevölkerung, der jeden Morgen aufsteht und zur Arbeit geht, der ganztägig arbeitet und weder sich noch seine Familie von dem Geld ernähren kann.Insofern ist die logische Folge – –
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN – Widerspruch bei der FDP – Leif Blum (FDP):Warum ist das denn so?)
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das geht so nicht! Herr Präsident, das haben Sie gehört! Das war unüberhörbar! – Zurufe von der CDU und der FDP: Unglaublich! – Wortmeldung des Abg.Florian Rentsch (FDP))
Frau Fuhrmann, meine Damen und Herren! Herr Hahn, ich bitte auch Sie um Ruhe. – Frau Fuhrmann, Sie haben
eben das Wort „Schnösel“ gebraucht. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass das im parlamentarischen Betrieb unüblich ist. – Ich erteile Ihnen weiter das Wort.
Ich nehme den Ausdruck mit dem größten Bedauern zurück. – Meine Damen und Herren, ich möchte aber noch einmal auf den Sachverhalt zu sprechen kommen. Ich finde es eine unglaubliche Schnöseligkeit, wenn gesagt wird, dass Menschen ganztags arbeiten und angeblich von ihrem Geld leben können und vom Staat nichts zurückbekommen. Das ist eine Schnöseligkeit, weil inzwischen Millionen von Menschen die ganze Woche von morgens bis abends arbeiten und von dem Geld nicht mehr leben können. Das wissen Sie. Deswegen treten wir als SPD ganz klar für Mindestlöhne ein. Ich würde mich freuen, wenn diejenigen, die das heute in die Debatte eingeführt haben, sich dieser Forderung anschließen würden. Das wäre gut so.
Vielen Dank, Frau Kollegin Fuhrmann. – Meine Damen und Herren, Frau Lautenschläger erhält nochmals das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will nur etwas richtigstellen. Der Kindergarten ist beim Härtefonds nicht enthalten, weil, wenn ein Kind im Kindergarten ist, automatisch die Pflicht besteht, dass es vom Sozialhilfeträger übernommen und gezahlt wird. Dafür ist schlichtweg eine andere Ebene zuständig.Es ist nicht so,dass die Kinder im Kindergarten hungern müssten, sondern es ist anders geregelt. Deswegen haben wir die Schulkinder in den Fonds hineingenommen. Wer sich damit befasst hat, weiß, dass das auch im außerschulischen Betrieb für Schulkinder möglich ist. Fragen Sie z. B. in der Stadt Frankfurt nach. Dort ist es längst so geregelt.
(Petra Fuhrmann (SPD): Die können keinen Antrag stellen! – Gegenruf der Ministerin Silke Lautenschläger: Die können auch Anträge stellen!)
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Meine Damen und Herren mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Die erste Beratung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Starterpaket für sozial bedürftige Schulanfänger,Drucks.17/417,ist damit abgeschlossen.Es wird vorgeschlagen, den Antrag an den Sozialpolitischen Ausschuss zu überweisen. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zu dem Elften Rundfunkänderungsstaatsvertrag – Drucks. 17/421 –
Zur Einbringung des Gesetzentwurfs der Landesregierung erhält Herr Staatsminister Grüttner das Wort.