Protocol of the Session on August 27, 2008

(Zuruf von der CDU: Das kommt durch die gute Schulbildung!)

Gut, wir wissen, dass die Bayern hinsichtlich des Schulwissens oft am besten abschneiden.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Frau Kollegin, die haben aber keine Gemeinschaftsschule!)

An diesem Punkt ist uns aber etwas anderes viel wichtiger. Wie die Studie zeigt, haben und hatten viele Schülerinnen und Schüler im Osten in den Schulen wenig über die DDR erfahren. Das Bild prägen vor allem die Erinnerungen ihrer Eltern, die in der DDR groß wurden. In diesem Bild steht weder das soziale Paradies noch die Stasi im Vordergrund. Vielmehr handelt es sich um differenzierte Schilderungen aus dem individuellen Alltag.

Das Bild, das in der Bundesrepublik von der DDR gezeichnet wurde und immer noch gezeichnet wird, sieht den Geschichten der Eltern aber gar nicht ähnlich. Vielmehr trägt es propagandistische Züge derart, wie es in der ehemaligen DDR hinsichtlich der BRD der Fall gewesen ist.

Die Lebenserfahrung der Eltern, dass in der DDR in Büchern, Filmen und Zeitungsartikeln eine verklärte

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

hören Sie doch bitte einmal zu –

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Deshalb hören wir betroffen zu! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Bagatellisierung!)

Wirklichkeit und nicht Ihre Wirklichkeit dargestellt wurde, wiederholt sich nun in den Augen dieser Menschen, wenn auch diesmal in anderer Richtung. Wir müssen uns daher fragen lassen:Ist das Bild,das heute von der DDR vermittelt wird, in dem nur das Unrecht Platz hat, nicht genau wie schon früher gefärbt,allerdings nun durch den entgegengesetzten ideologischen Hintergrund?

(Zurufe von der CDU)

Ich möchte als Pädagogin und Psychologin, dass Geschichtsunterricht über die DDR sowie vielleicht Geschichtsunterricht und Politikunterricht generell immer auch Ethikunterricht und Gemeinschaftskundeunterricht ist. Nur so können wir erreichen, dass Schülerinnen und Schüler lernen, mögliche Gefährdungen der Demokratie zu erkennen und Freiheitswerte zu schätzen, die auch Sie in Ihrem dritten Punkt fordern. Dieser Beitrag als Bildungsportal könnte ein interessanter Punkt sein, wie Sie es eben angesprochen haben, weil die Schüler selbst dazu Stellung nehmen könnten.

Der zweite Teil Ihres dritten Punktes, die Gleichsetzung von Kommunismus und „Diktatur des Proletariats“ ist fehlerhaft. Es hätte gereicht, wenn Sie nur drei Minuten lang gegoogelt

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Die Lebenswirklichkeit reicht! Fragen Sie einmal die Leute!)

oder in Wikipedia nachgeschaut hätten, um zu erfahren, dass Sie falsch liegen.

Zum vierten Punkt können wir uns SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darin anschließen, dass Sie die Handreichungen in den letzten neun Jahren längst hätten in Angriff nehmen und in die Schulen bringen können. Aus der Tatsache, dass dies erst jetzt geschieht, kann man schließen, dass Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben und andere Ziele mit dem heutigen Antrag verfolgen. Darüber haben wir auch schon einiges gehört.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte Sie aber auch bei der jetzt von Ihnen gewählten Formulierung unterstützen,eine Handreichung auszuarbeiten. Ich denke, die LINKE könnte Sie dabei kompetent unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen der Abg. Hans- Jürgen Irmer, Dr. Christean Wagner (Lahntal) und Axel Wintermeyer (CDU))

Damit kommen wir zum fünften Punkt, in dem Sie noch einmal verschiedene Themen benennen, unter anderem die Mauertoten, die politische Verfolgung und anderes. Über die genannten Themen hinaus sind wir wie Sie der Meinung, dass auch das Thema „Was wurde eigentlich aus den Parteien, die die DDR repräsentierten?“ – also der SED und den Blockparteien –, einen gewichtigen Platz beanspruchen sollte. Das ist auch bei meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon deutlich geworden. Hierdurch ist es möglich, auch aktuelle politische Phänomene in einen historischen Zusammenhang zu setzen. Im Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dies klarer ausformuliert, weshalb wir diesen Antrag unterstützen werden.

Eines lassen Sie mich – damit komme ich zum Schluss – in aller Deutlichkeit mit einem Zitat von Bernd Faulenbach, einem renommierten Historiker, 1994 aus der Enquetekommission des Bundestages zum Thema sagen:Man darf weder die NS-Verbrechen relativieren noch die kommunistischen Verbrechen bagatellisieren.

Wenn Sie versuchen sollten, die industrielle Massenvernichtung der NS-Zeit, der ca. 60 Millionen Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fielen, nun zu relativieren, indem Sie die DDR als die zweite und schlimmere deutsche Diktatur darstellen, was inzwischen Konservative bundesweit tun

(Aloys Lenz (CDU): Das hat niemand getan!)

ich habe das im Konjunktiv gesagt –, dann verlassen wir Sie und Ihre Intention, und zwar ein für alle Mal. Niemand darf – weder im Landtag noch im Schulunterricht – die Verbrechen zu Beginn und in der Mitte des letzten Jahrhunderts kleinreden. Dass Sie behaupten, das ebenfalls zu wollen, hat mich sehr befriedigt, und Sie werden sich bei Gelegenheit daran erinnern lassen müssen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU), lachend: Das ist eine Unverschämtheit!)

Wir werden, wie gesagt, den Änderungsantrag der GRÜNEN unterstützen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Cárdenas. – Zur Kurzintervention erhält Herr Boddenberg für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zunächst auf das eingehen, was Kollege Hahn zu Recht eingefordert hat, dass wir nämlich eine Entschuldigung für das erwarten, was Sie eben in Richtung HansJürgen Irmer behauptet haben. Es ist unglaublich, dass in diesem Hause solche Vorwürfe auftauchen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Kollegin,hier ist eben von Ihnen gesagt worden – das kennen wir schon als Behauptung von Herrn van Ooyen –, dass DIE LINKE die Partei sei, die sich mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit besonders hervorgetan habe, was sich vor dem Hintergrund einiger aktueller, aber vielleicht auch nicht ganz so aktueller Dinge doch sehr merkwürdig anhört. Vielleicht erinnern Sie sich noch an einen Landtagskandidaten der LINKEN,Karl-Klaus Sieloff,der im Januar öffentlich vor einer Wahl der LINKEN gewarnt hat.

Herr Präsident, ich gehe davon aus, dass ich zitieren darf. Er sagte damals: Die Linkspartei darf es am 27. Januar nicht in das Parlament schaffen. „Die Parteiführung ist verlogen, undemokratisch und totalitär. Den Ton geben Anarchisten,Altkommunisten und Chaoten an.“

Frau Kollegin, jetzt kommt es. Weiter: „Die Verbrechen der DDR anzusprechen oder von Aufarbeitung zu sprechen ist absolut tabu. Da wird man sofort als Rechter beschimpft.“

Es heißt weiter bei Herrn Sieloff: Kolleginnen und Kollegen,wir haben in Hessen jetzt eine Kaderorganisation,die jede unliebsame Diskussion abwürgt. Die Programmatik täuscht. Dahinter stehen Sektierer, die von der untergegangenen DDR träumen.

Meine Damen und Herren, das straft Ihre Behauptung Lügen, die Sie hier aufgestellt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zu einem aktuellen Vorgang berichtet die „Frankfurter Rundschau“ am 27.08.: Die LINKEN zensieren sich selbst.– Im Internetauftritt der LINKEN gab es bis zu diesem Zeitpunkt eine Gruppe Marxistischer Arbeitskreis zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung,die vom Netz gegangen ist. „Frankfurter Rundschau“ wie „Spiegel“ berichten übereinstimmend, dass dort nahezu ausschließlich Verharmlosendes über die DDR-Vergangenheit und das DDR-Regime verbreitet wurde.

Herr Boddenberg, Ihre Redezeit ist leider zu Ende. Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Sie haben gerade noch vor wenigen Tagen wieder einmal bewiesen, dass Sie mit Geschichtsaufarbeitung rein gar

nichts zu tun haben. – Herr Präsident, ein letzter Satz: Der Bundesgeschäftsführer der LINKEN Bartsch bezeichnete diesen marxistischen Arbeitskreis als gewisses Relikt aus alten Zeiten. Das spricht Bände.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Boddenberg. – Für die Fraktion DIE LINKE erhält Herr Dr.Wilken das Wort.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wie viel Redezeit noch? – Axel Wintermeyer (CDU): Redezeit?)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat mich darauf aufmerksam gemacht,dass wir als Fraktion noch etwas über drei Minuten haben. Da mein Vorredner gerade nicht zum Thema geredet hat, sondern offensichtlich zu der wahren Intention dieses hier eingebrachten Antrags,

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

möchte ich zumindest als ehemaliger und vielleicht auch zukünftiger Funktionär unserer Partei hierzu zwei Sachen sagen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Hier sprechen Sie als Abgeordneter, Herr Kollege! – Gegenrufe von der SPD)

Herr Hahn, morgen werden wir über eine Funktionsverwirrung, die bei Ihnen über einen Abgeordneten dieses Hauses herrscht, reden – heute nicht.

(Minister Stefan Grüttner:Was meinen Sie damit?)

Meine Damen und Herren, das, was DIE LINKE in ihrem Gründungskonsens geschrieben haben, ist in dem Gründungskonsens einer ihrer Vorgängerparteien schon festgelegt worden. Es ist eine deutliche Abkehr von allen stalinistischen Verbrechen und Tendenzen, die die Vorgängerorganisation gehabt hat. Dazu können Sie mich jederzeit zitieren. Ich habe mich an diesem Platz zu manchem historischen Ereignis in den wenigen Monaten, die ich Mitglied dieses Hauses bin, bereits ähnlich geäußert.

Zweitens. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Wahrheit über die DDR auch in unserem Schulunterricht und in unseren Schulbüchern gesagt wird, weil dann nicht mehr solche Dinge gesagt werden können wie eben, dass eine Dose Ananas bei irgendeinem Bonzen in der DDR Saus und Braus bedeuten würde.Wenn das in den Leitfaden hineingeschrieben wird, dann machen wir uns wirklich nur lächerlich.