Protocol of the Session on June 5, 2008

Aber zum Verfahren möchte ich Folgendes sagen. Sie als CDU und FDP haben einen Antrag vorbereitet und ihn der SPD und den GRÜNEN nach dem Motto zugesandt: Entscheidet mal schnell. – Wir waren mit der Beratung noch nicht fertig. Da haben Sie den Antrag eingebracht. Insofern war unsere Reaktion auch verständlich. Das will ich nur einmal sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn es um die Sache geht – und das will ich den meisten in diesem Hause unterstellen –, dann müssen wir auch die Zeit haben, das vernünftig zu beraten.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ja!)

Ich glaube, das sollten wir gemeinsam aus der Geschichte lernen. Deswegen brauchen wir an der Stelle wirklich keine Hinweise und haben keinen Nachholbedarf. Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.Wenn das der gemeinsame Auftrag ist, dann sollten wir ihn ernst nehmen. Deswegen glaube ich, dass das Verfahren sinnvoll ist, die Anträge an den Innenausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen.

Aber ich glaube, dass der, der die Signale heute hören wollte, sie hören konnte. Wer sie nicht hören wollte, betreibt parteipolitische Spielchen. Ich glaube, dass die Erhaltung und der Schutz der Demokratie zu wichtig sind, als dass man sie für parteipolitische Ränkespiele missbrauchen dürfte.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Es ist beantragt, beide Anträge an den Innenausschuss zu überweisen.

(Zurufe von der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:Abschließend!)

Sie sollen zur abschließenden Beratung an den Innenausschuss überwiesen werden. – Es gibt keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt. Das ist Tagesordnungspunkt 9:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Stärkung der hessischen Kommunen und der Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene – Drucks. 17/255 –

Wir haben hier fünf Minuten Redezeit vereinbart. Zur Einbringung hat Herr Kollege Rudolph das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ursprünglich waren zehn Minuten vereinbart. Dann muss ich etwas schneller reden. Wir wollen die hessischen Kommunen in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit wieder stärken. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir den § 121 der Hessischen Gemeindeordnung wieder zugunsten der hessischen Kommunen, der 426 Städte und Gemeinden, ändern. Damit wollen wir eine falsche politische Weichenstellung der CDU aus dem Jahr 2005 korrigieren,

(Beifall bei der SPD)

die die wirtschaftliche Betätigung auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge eingeschränkt hat. Es gab damals keinen sachlichen Grund. Wir hatten eine Anhörung. Das war rührend, Herr Boddenberg, als dann vom Bund der Steuerzahler und anderen vorgetragen wurde, eine Kommune müsste kein Nagellackstudio und keine Gärtnerei betreiben. Das wäre unmöglich, und das könnten Private viel besser. Da hatten sie übrigens recht.Aber die Fälle gab es nicht in Hessen. Doch das half nichts, weil man keine anderen Argumente hatte.

(Beifall bei der SPD)

Es geht darum, dass auch die Städte und Gemeinden in der Lage sind, wirtschaftlich zu arbeiten, und zwar im Interesse der Bürger, wenn es um die Aufgaben der Daseinsvorsorge geht. Wir erleben im Moment im Bereich der Energiepolitik und -versorgung Entwicklungen, im Zuge derer Kommunen sagen:Ja,wir überlegen,die Netze wieder zurückzuerwerben. Das Geld, das man dort erwirtschaftet, wollen sie in Form von geringeren Gebühren den Bürgern zugute kommen lassen. – Ich finde, darüber lässt sich dann auch diskutieren.

Wir sollten zumindest den Kommunen die Möglichkeit geben, das zu machen. Nach der derzeitigen Rechtslage wäre das nicht möglich. Deswegen ist das falsch. Das kommt im Ergebnis möglicherweise den Bürgerinnen und Bürgern zugute.Das sollten wir auch machen.Kommunen können wirtschaftlich arbeiten und sind nicht per se schlechter als Privat- oder gewinnorientierte Unternehmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich füge hinzu: Öffentliche Arbeitgeber schließen Tarifverträge ab und sind tariftreu. Ich glaube, auch das ist in der heutigen Zeit ein wichtiges Argument, weil wir leider bei Privaten hin und wieder feststellen, dass sie eben nicht tariftreu sind.Es kann nicht sein,dass schlechte Löhne gezahlt werden und wir mit Steuermitteln Ergänzungsmaßnahmen vornehmen müssen. Ich glaube, auch das ist ein wichtiges Argument im Interesse der Kommunen.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Dann können Sie sicherheitshalber doch gleich alles verstaatlichen! – Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Herr Rhiel, ich schätze Sie ansonsten. Aber an dieser Stelle sollten Sie die Zwischenrufe lassen, denn sie sind sachlich falsch.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Aspekt unseres Gesetzentwurfs sieht eine Verbesserung der politischen Beteiligungsrechte für die Bürgerinnen und Bürger vor. Die Quoren für die Einleitung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Hessen sind im bundesweiten Vergleich am höchsten. Wir wollen

diese Quoren absenken und nach Einwohnergröße staffeln.

In der letzten Wahlperiode gab es von den Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen entsprechenden Gesetzentwurf.Wir haben ihn freundlich positiv begleitet. In der Anhörung wurde deutlich, je größer die Kommune oder die Gebietskörperschaft ist, umso schwieriger ist es,diese Quoren zu erreichen.Das hat auch schlicht mit der Anonymität einer Großstadt zu tun. Wir wollen diese Quoren senken. So soll für die Einleitung eines Bürgerbegehrens in einer Kommune mit über 50.000 Einwohnern künftig nur noch ein Quorum von 5 % notwendig sein.

(Axel Wintermeyer (CDU): Damit wird die gesamte Kommunalpolitik lahmgelegt!)

Bei der Durchführung eines Bürgerentscheides wollen wir ebenfalls bei Kommunen mit über 50.000 Einwohnern das Quorum von 25 auf dann 15 % senken. Bei den anderen Größen soll es bleiben. Wenn man es ernst meint mit Partizipation und mehr Teilhabe, sollte man sie den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen. Die Anhörung hat deutlich gemacht, dass es einen deutlichen Nachholbedarf gibt.

Der dritte Aspekt unseres Gesetzentwurfs – wenn wir die HGO schon ändern – trägt dem oft diskutierten demografischen Wandel Rechnung. Wir wollen eine Stärkung der Seniorenarbeit.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen die konkreten Beteiligungsrechte stärken. In 115 von 426 Kommunen gibt es Seniorenbeiräte. Normalerweise kommt an dieser Stelle das Argument der CDU: Warum macht ihr dann noch eine gesetzliche Regelung? – Wir wollen in der Kommunalverfassung die gesetzliche Verpflichtung, dass Seniorenbeiräte in Hessen die Regel sind und nicht die Ausnahme.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Arbeit ist eine gute Voraussetzung für die demokratische Fortentwicklung des Landes. Die politische Einbindung älterer Menschen ist aufgrund der demografischen Entwicklung und der darauf erfolgenden Veränderungen der Lebensverhältnisse notwendig. Man sollte auch nicht auf den Sachverstand und die Lebenserfahrung der älter werdenden Generation verzichten. Unser Gesetzentwurf lässt den Kommunen bei der Ausgestaltung viel Spielraum. Die älteren Menschen sollen in der aktiven Kommunalpolitik mitarbeiten können. Sie wissen am besten, was dieser Generation guttut.

Meine Damen und Herren, es handelt sich um drei wichtige Elemente: erstens die Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kommunen, zweitens die Absenkung von Quoren, drittens mehr Einbeziehung der Senioren in einen ganz wichtigen Bereich des täglichen Lebens, dort wo Kommunalpolitik stattfindet. Wir werden eine Anhörung durchführen. Ich bin sehr sicher, das sind drei Aspekte, die die Menschen in diesem Land berühren und die unmittelbare Auswirkungen haben. Kurzum, es ist ein guter Gesetzentwurf. Wir freuen uns auf Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Rudolph. – Das Wort hat Herr Kollege Möller für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rudolph, in einem gebe ich Ihnen recht. Es sind drei wichtige Punkte, die Sie zur Diskussion stellen und über die wir uns unterhalten müssen. Es ist mit Sicherheit mit Spannung zu erwarten, wie sie in der Anhörung und im Ausschuss diskutiert werden. Nur ist die Wertung von uns erfahrungsgemäß etwas anders. Darauf möchte ich gern eingehen. Ich habe es andersherum strukturiert. Ich fange mit dem an, was am einfachsten, am offensten diskutiert werden kann, nämlich der Notwendigkeit, zwanghaft die Seniorenbeiräte in allen Städten und Gemeinden vorzuschreiben und damit von der bisherigen Regel abzuweichen, dass auf freiwilliger Basis bereits in 115 Städten und Gemeinden etwas Ähnliches vorhanden ist.

Die Frage ist auch deshalb interessant und wird zu diskutieren sein: Wir sprechen hier nicht von einer Personengruppe, die weder aktives noch passives Wahlrecht hat, sondern wir sprechen über eine Personengruppe, die bereits in vielfältigster Art und Weise in Entscheidungsgremien eingebunden ist und eingebunden werden kann.Das könnte noch verstärkt werden. Sie haben über Parteien und Fraktionen, über Bürgerinitiativen und Agendagruppen und wo auch immer eine breit gefächerte Möglichkeit der Beteiligung. Selbst in den Städten, in denen es noch keine Beiräte gibt – –

(Günter Rudolph (SPD): Sie sind dagegen!)

Herr Rudolph, lassen Sie mich doch ausreden. – Wir werden abwarten, wie dies in der Anhörung und im Ausschuss diskutiert wird.Wir sind sehr offen und interessiert.

(Zurufe von der SPD)

Gestatten Sie mir einen Hinweis. Sie geben im Gesetzentwurf an, es gebe keine finanziellen Auswirkungen. Dort steht: keine. Erfahrungsgemäß müsste jeder Kommunalpolitiker bestätigen können, dass, wenn wir dazu übergehen würden, pflichtmäßig in allen Städten und Gemeinden Seniorenbeiräte einzuführen, es zumindest in einem überschaubaren Maße mit Kosten verbunden sein wird. Darüber sind wir uns einig.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Dann hätten Sie Ihre Antwort „keine“ zumindest etwas relativieren müssen. So viel zur Korrektheit. Wir haben nach wie vor das Konnexitätsprinzip, dem sollten wir Rechnung tragen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Günter Ru- dolph (SPD))

Eine etwas andere Bewertung möchte ich vortragen zu Bürgerbegehren, Bürgerentscheid und später zum § 121. Ich gebe Ihnen recht, Bürgerentscheid und Bürgerbegehren sind ein interessantes Thema.Die Frage lautet,wie wir Menschen dazu bringen, mehr an der kommunalpolitischen Arbeit zu partizipieren. Dass ein Herabsenken der Quoren allerdings dauerhaft hilfreich sein wird, möchte ich doch bezweifeln. Wir werden dazu übergehen, zunehmend Entscheidungen aus den Kommunalparlamenten auszulagern. Damit verlagern wir die Arbeit von denjenigen, die für fünf Jahre ein Mandat ehrenamtlich annehmen und sich teilweise beschimpfen lassen müssen für un

populäre Entscheidungen, die Abend für Abend opfern und nachher feststellen müssen, dass sie nach erfolgter langer Debatte und dem Vertreten ihrer Positionen von der Nachbarschaft das Ganze wieder weggenommen bekommen, auf diejenigen, die sich nur punktuell engagieren. Da fragt man sich mit Sicherheit nach einigen Malen, wofür man dann Abend für Abend da sitzt und sich in die Materie einarbeitet. Es ist der falsche Weg, die Kommunalparlamente auf diese Art und Weise zu entkräften.

(Beifall bei der CDU)

Das beträfe auch nicht unwesentlich die direkt Gewählten,Bürgermeister und Oberbürgermeister.Die Begeisterung wird bei den Damen und Herren nicht überwältigend sein.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))