Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gut ein halbes Jahr, nachdem wir uns im Hessischen Landtag letztmals mit dem Nachbarrechtsgesetz beschäftigt haben, bringt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute erneut einen Gesetzentwurf zur Änderung des Nachbarrechtsgesetzes ein.
Mit dieser Änderung soll eine Duldungspflicht des Nachbarn für Maßnahmen der Wärmedämmung an Außenwänden von Gebäuden normiert werden, die auf die Grundstücksgrenze gebaut sind. Nach der Diskussion des Gesetzentwurfs in der vorigen Legislaturperiode kann eines ganz klar und eindeutig festgehalten werden:Alle sei
nerzeit im Landtag vertretenen Fraktionen haben schon im letzten Jahr die Absicht des Gesetzentwurfs begrüßt, energetische Maßnahmen zur nachträglichen Wärmedämmung an bestehenden Gebäuden zu ermöglichen. Ich gehe davon aus, dass dies auch weiterhin der Fall ist.
Wärmedämmung an Gebäuden ist ein wichtiges Mittel zum Klimaschutz und zur Energieeinsparung. Die Landesregierung hat bekanntermaßen in diesem Bereich wichtige Programme zur finanziellen Unterstützung solcher Maßnahmen auf den Weg gebracht. Dass der Gesetzentwurf Ende vergangenen Jahres letztlich nur die Zustimmung der antragstellenden Fraktion selbst gefunden hat, hat also nichts mit dem grundsätzlich lobenswerten Ziel des Gesetzentwurfs zu tun, sondern liegt im Wesentlichen an der handwerklichen Umsetzung der Thematik.
Ein weiterer Grund für die Ablehnung lag in der bereits seinerzeit angekündigten Absicht der Landesregierung, noch in diesem Jahr eine umfassende Novellierung des Nachbarrechtsgesetzes vorzulegen. Das Hessische Nachbarrechtsgesetz wurde letztmalig im Jahr 1990 geändert, und neben dem uns heute so wichtigen Klimaschutz und dem Ziel der Energieeinsparung besteht mittlerweile an weiteren Stellen Änderungs- und Anpassungsbedarf.
Ich möchte daher für meine Fraktion anregen, den Gesetzentwurf der Landesregierung abzuwarten und sodann alle Vorschläge im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN intensiv und sorgfältig zu beraten.
Wir haben, wie schon angesprochen, im November des letzten Jahres eine mündliche Anhörung zu dem damaligen Gesetzentwurf durchgeführt. Im Rahmen dieser Anhörung wurden etliche Defizite des Gesetzentwurfs deutlich. Nun ist, entgegen den Ausführungen der Kollegin Hammann, der vorgelegte neue Gesetzentwurf im Wesentlichen der alte.
Er nimmt nur wenige der in der Anhörung geäußerten Anregungen auf. Weitere, in der Diskussion deutlich gewordene Probleme wurden weder im alten, noch werden sie im jetzigen Gesetzentwurf angesprochen.
Ich möchte einige Beispiele geben. Der aktuelle Gesetzentwurf spricht nunmehr ausdrücklich von „übergreifenden untergeordneten Bauteilen bestehender Bauten zum Zwecke der Energieeinsparung“.
Das enthielt der ursprüngliche Entwurf nicht. Es fehlt allerdings die meines Erachtens erforderliche Klarstellung, dass mit dem Begriff „bestehende Bauten“ ausschließlich Altbauten gemeint sein sollten. Eine Duldungspflicht des Nachbarn im Falle des auf die Grenze gebauten Neubaus, dessen Eigentümer sich plötzlich entschließt, im Nachgang an die Fertigstellung seines Hauses noch eine Außendämmung anzubringen, halten wir für problematisch.
Eingearbeitet wurde auch die Anregung, Beginn,Art und Umfang der beabsichtigten Wärmedämmmaßnahme dem Nachbarn gegenüber anzuzeigen.Ob hierfür die genannte Frist von einem Monat vor Ausführung angemessen ist oder ob darüber hinaus eine Rücksprache mit dem Nachbarn erforderlich sein soll, darüber muss man diskutieren. Immerhin handelt es sich um Überbauten ins Nachbargrundstück in einer Größenordnung von bis zu 30 oder 40
Weiterhin fehlt im Gesetzentwurf eine Definition dessen, was mit der Beschreibung der „übergreifenden untergeordneten Bauteile“, die die Benutzung eines Grundstücks nur „unwesentlich beeinträchtigen“, gemeint ist. Eine Klarstellung darüber, wann eine Grundstücksbeeinträchtigung wesentlich ist und wann nicht, wann zumutbar und wann nicht – ebenfalls in der Anhörung angeregt –, halten wir für sinnvoll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind einige der wichtigen Fragen, die alle einer sorgfältigen Erörterung bedürfen.Angesichts möglicherweise bedeutenderer Probleme, die wir im Hessischen Landtag zu lösen haben, mögen sie dem einen oder anderen Mitglied in diesem Hohen Hause als Klein-Klein oder gar kleinkariert vorkommen.Aber Sie wissen ebenso gut wie ich: In Deutschland ist gerade das Nachbarrecht ein hochgradig sensibler Bereich.Gerade wir Deutschen genießen sozusagen Weltruf für das einmalige, nicht immer unproblematische Verhältnis zu unseren Gründstücksnachbarn.
Ich möchte in diesem Zusammenhang an das uns allen bekannte unselige Drama vom Maschendrahtzaun erinnern,
das sich in zahlreichen Varianten tagtäglich in unserem Land wiederholen dürfte – eine unendliche Geschichte, die verdeutlicht, dass wir gerade in diesem Bereich ganz besondere Sorgfalt an dem Tag legen sollten.
Alle Fraktionen haben ausdrücklich die Bereitschaft und den Wunsch geäußert,einen gemeinsamen Gesetzentwurf aller Fraktionen anzustreben. So war es im vergangenen Jahr. Diese Bereitschaft möchte ich für meine Fraktion nochmals deutlich unterstreichen. Es wäre ein erstrebenswertes Ziel, ein modernes, zukunftsorientiertes Nachbarrechtsgesetz zu erarbeiten. Wenn es uns gelingen könnte, wenigstens einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, das Drama vom Maschendrahtzaun ins Genre der komischen Oper zu verschieben, dann hätten wir in unserem Lande schon etwas Bedeutendes erreicht. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat richtig: Die Intention, die mit dem vorgelegten Gesetzentwurf verfolgt wird, ist eine gute. Sie findet deswegen auch die Unterstützung der FDP-Faktion. Denn energetische Gebäudesanierung ist in all ihren Facetten nicht nur wirtschaftlich sinnvoll für den betroffenen Hauseigentümer, sondern das sind aus Gründen der vielfältigen Beiträge zum Klimaschutz sinnvolle und des
wegen unterstützenswerte Maßnahmen, für die die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Wenn das über das hessische Nachbarrecht geschehen muss,dann sollten wir alle gemeinsam diesbezüglich zu einer vernünftigen Lösung kommen.
Es ist auch schon angeklungen, es gebe in diesem Zuge auch die eine oder andere Vorschrift im hessischen Nachbarrecht, mit der man sich befassen könnte. Vielleicht wird das Ministerium noch geeignete Vorschläge machen, was man noch gleich mit erledigen könnte, wenn man sich schon dieser Materie annimmt. Aber es ist – darauf werden wir im weiteren Gesetzgebungsverfahren sehr genau achten – notwendigerweise mit einem Eingriff in die Eigentumsrechte des jeweiligen Nachbarn verbunden. Da muss man genau hinschauen, weil das Eigentum verfassungsrechtlich garantiert ist. Deswegen können wir nicht nach Belieben und nach Gusto und auch nicht nur, weil es gerade in die gesellschaftliche Debatte passt,in dieses verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsrecht eingreifen, sondern wir müssen es mit Bedacht und juristisch sauber und bestimmt tun.
Ich glaube nicht, dass es problematisch sein wird, solche Wege und Möglichkeiten zu finden. Sie sind verfassungsrechtlich sauber und an der Bestimmtheit des Eingriffs dokumentiert abzuarbeiten. Ich glaube aber, dass man sicherlich das eine oder andere an dem vorgelegten Gesetzentwurf nachbessern kann und muss.
Aber es klang schon bei allen Vorrednern an: Der feste Wille aller scheint zu bestehen, eine solche Lösung zu finden,bei der Novellierung des hessischen Nachbarrechts in diesem Bereich die gesellschaftspolitisch und klimapolitisch relevanten und wichtigen Ziele mit dem verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsschutz in Einklang zu bringen. Daran werden wir uns konstruktiv und positiv im weiteren Verfahrensgang der Gesetzesberatung beteiligen.
Ich bringe deswegen zum Abschluss unserseits die Hoffnung zum Ausdruck, dass wir am Ende dieser Beratungen mit möglichst breitem, bestenfalls einstimmigem Konsens zu einer Gesetzesverabschiedung kommen,die dem in der Tat richtigen und guten Ziel der antragstellenden Fraktion Rechung trägt. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, selbstverständlich gibt es Einigkeit in dem Motiv. Allerdings haben hier schon verschiedene Sprecher gesagt: Jeder, der einmal Anwalt sein durfte, kennt das Gefühl, wenn ein Mandant mit einem nachbarschaftsrechtlichen Streit kommt. Dann ist das schöne Leben für einige Zeit vorbei: leider schlecht bezahlt, aber viel Arbeit, und am Schluss kann man das Problem doch nicht lösen,weil die Ursache der Streit zwischen den Nachbarn ist und nicht die nachbarrechtlichen Regelungen, die nur Instrument sind, um mangelnde Sympathien untereinander auszuleben und auszutragen.
Umso wichtiger ist es, dass wir zumindest von den gesetzlichen Regelungen her keinen zusätzlichen Streit säen.
Deswegen bin auch ich der Meinung, wie das Frau Kollegin Hofmann zu Recht gesagt hat, dass es eine ganze Anzahl von Punkten gibt, über die man bei dieser Gelegenheit reden müsste, ob es z. B. sinnvoll ist, auch § 4 der Hessischen Bauordnung, der gerade diese Fragestellung anspricht, mit zu ändern.
Ich habe bei der letzten Debatte angekündigt, dass wir im Justizministerium eine umfangreiche Novellierung des hessischen Nachbarrechts vorbereiten. Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Wir wollen keinen Anlass bieten, dass nachher noch mehr Streit besteht als ohnehin. Aber Fragen wie die Anpassung der Ausschlussfrist an die allgemeinen Verjährungsregeln, die erstmalige Einführung eines Anspruchs auf Zurückschneiden von Anpflanzungen und die Ausdehnung der Grenzabstände für Anpflanzungen auf wild gewachsene Pflanzen – das sind alles keine weltbewegenden Fragen, aber damit kann man ein Gericht ausreichend beschäftigen, wenn man es darauf anlegt.
All diese Fragestellungen wollen wir regeln. Wir sind so weit, dass wir im Juni den ersten Kabinettsdurchgang mit diesem Gesetzentwurf durchführen können. Wir hoffen, dass wir, wenn wir es mit den Anhörungsfristen hinbekommen, zum kommenden Plenum im August unseren Gesetzentwurf einbringen können. Ich möchte anregen, dass wir das im Sinne der Sache gemeinsam diskutieren. Denn in der Sache haben wir keinen Streit.
Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache in der ersten Lesung beendet.
Wir überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung dem Rechtsausschuss, federführend, und dem Wirtschaftsausschuss und dem Umweltausschuss, beteiligt. – Das ist so akzeptiert und damit auch so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Mittagspause. Wir treten jetzt wieder in die Beratungen ein und fahren in der Tagesordnung fort.
Noch eingegangen ist ein Dringlicher Gesetzentwurf der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Sparkassengesetzes und zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Frankfurter Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts, Druck. 17/326. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Kollege Wintermeyer.
Frau Präsidentin, der Gesetzentwurf ist noch nicht verteilt, sodass wir uns dazu nicht äußern können. Ich kenne den Gesetzentwurf nicht.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend Handeln für Hessen: Gute Arbeit braucht soziale Rahmenbedingungen – Drucks. 17/257 –
Entschließungsantrag der Abg. Fuhrmann, Schäfer-Gümbel, Eckhardt, Künholz, Merz, Roth, Dr. Spies, Yüksel (SPD) und Fraktion betreffend Koch schadet Beschäftigten und Unternehmen – Tariftreue und Fachkunde bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sichern – Drucks. 17/254 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Erste Wortmeldung, Frau Ypsilanti,Vorsitzende der SPD-Fraktion.