Protocol of the Session on June 4, 2008

das denjenigen,die arbeiten gehen,mehr netto übrig lässt. Dann haben Sie einen Beitrag zur Steuergerechtigkeit geleistet, aber nicht mit Ihrem Antrag zu mehr Steuerfahndern und Betriebsprüfern.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Reinhard Kahl (SPD):Was denn nun?)

Ihr Antrag, das muss man auch einmal sagen, zeugt natürlich – nehmen Sie es mir bitte nicht übel, dass ich es sagen muss – von wenig Fachkenntnis über die Verwaltungsabläufe und Arbeitsstrukturen innerhalb der hessischen Finanzverwaltung, von wenig Fachkenntnis über die Frage der Rekrutierungs- und Ausbildungspolitik innerhalb der hessischen Finanzverwaltung und einem, sagen wir einmal, etwas eingeschränkten Verständnis der föderalen Finanzbeziehungen innerhalb dieser Republik.

Sie fordern mit Ihrem Antrag sofort 100 neue Steuerprüfer,ohne dass Sie in irgendeiner Form darlegen oder nachvollziehbar erklären können, wo die denn herkommen sollen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, Steuerfahnder brauchen, und das ganz zu Recht,eine mehrjährige hoch qualifizierte Ausbildung und langjährige Berufserfahrung,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Deshalb „Studiengebühren“!)

weil nachhaltige und profunde Kenntnisse sowohl im materiellen Steuerrecht als auch im Strafprozessrecht gebraucht werden. Deswegen können Sie Steuerfahnder nicht dadurch schaffen, dass Sie sechswöchige Umschulungskurse beim Arbeitsamt anbieten, sondern Sie müssen langsam, gezielt und systematisch auf die Ausbildung dieser Menschen hinarbeiten.Da ist es eben nichts mit der Soforteinstellung von 100 Steuerfahndern, weil wir im Moment dazu die Menschen gar nicht haben.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen darauf erst einmal hinarbeiten. Es bleibt auch festzuhalten und ist schon mehrfach angeklungen, so einfach, wie Sie das rechnen, soundso viele Steuerfahnder und soundso viel Steuermehreinnahmen,ist es nun einmal nicht, weil das, was Steuerfahnder und Betriebsprüfer an Ergebnissen im Außendienst erarbeiten, nicht mit Steuermehreinnahmen gleichzusetzen ist.

Es muss natürlich das,was dort festgestellt wird,im Innendienst in einen Steuerbescheid, in einen Leistungs- und Zahlungsbefehl umgesetzt werden, woraus dann die Steuermehreinnahmen resultieren mögen. Aber dazu brauchen Sie neben den Steuerfahndern auch das Personal im Innendienst, das diese Umsetzungsarbeit leistet. Das sind Kosten, die daraufkommen, die daraufgerechnet und gegengerechnet werden müssen, wenn wir Steuerfahndungs- und Betriebsprüfungsmaßnahmen ausweiten.

(Hermann Schaus (DIE LINKE):Und schaffen Arbeitsplätze!)

Mehr Arbeitsplätze im öffentlichen Bereich, das ist das Einzige, was Ihnen dazu wieder einfällt, wenn es um Arbeitsmarktpolitik geht. – Sie dürfen sicher sein, Sie erhöhen auch die Kosten im Bereich der Justiz. Sie glauben doch nicht, dass die Menschen in diesem Land jede Entscheidung der Steuerverwaltung einfach so hinnehmen werden.

Sie werden sich dort,wo Fehler gemacht worden sind – die Fehlerquote im Bereich der Steuerverwaltung ist nicht ganz niedrig, das wissen wir nun einmal –, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln dagegen wehren. Das löst wieder Kosten im Rahmen der Finanzgerichtsbarkeit aus.Auch diese Kosten müssen Sie gegenkalkulieren gegen die angeblichen Mehreinnahmen, die durch Ihre Fahnder erzielt werden.

(Beifall bei der FDP)

Schlussendlich ist es eben so: Ich habe dem Kollegen Kahl gesagt, er möge einmal einen Antrag im Hinblick auf die Föderalismusreform und die Neuregelung der Beziehungen im Länderfinanzausgleich stellen. Wir können uns durchaus einig werden. Aber gegenwärtig ist es so, dass von den Steuermehreinnahmen, die Sie angeblich erwirtschaften wollen, 70 % in den Länderfinanzausgleich fließen und überhaupt nicht im Lande Hessen bleiben,

(Beifall bei der FDP)

mit der Folge, dass wir mit unseren Geldern, mit unseren Haushaltsmitteln, die in der Tat begrenzt sind, die Finanzausstattung anderer Länder, nämlich der der Nehmerländer, nachhaltig verbessern. In Hessen bleibt doch nur der kleinste Teil dieser Einnahmen übrig.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen bleibt es dabei.Aus unserer Sicht ist Ihr Antrag nicht nur unverschämt, populistisch und diffamierend gegenüber den Unternehmerinnen und Unternehmern in unserem Land,sondern er ist auch bei den Gegebenheiten viel zu kurz gegriffen, die wir im Moment innerhalb der Verwaltung und innerhalb der Finanzbeziehungen zwischen den Bundesländern haben.

Deswegen ist er nicht zustimmungsfähig.Das,was Sie wollen, wird keinen Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit leisten. Steuergerechtigkeit erreichen wir, indem wir das System verändern,

(Demonstrativer Beifall bei der LINKEN)

indem wir Steuerrecht vereinfachen und dadurch die Akzeptanz des Steuerrechts bei den Bürgerinnen und Bürgern erhöhen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Dann kommen Sie davon weg, dass es einen Wettlauf in der Frage gibt, wie man die Steuern am besten sparen kann.Deswegen werden wir Ihrem Antrag auf keinen Fall zustimmen können.

Ich bitte und fordere Sie noch einmal nachdrücklich dazu auf: Kommen Sie hierher, und stellen Sie richtig, dass Sie nicht einfach pauschal mit Ihrem Antrag, wie das in der Begründung geschehen ist, ganze Gruppen der hessischen Bevölkerung als Steuerhinterzieher und kriminelle Schädlinge für den Staat und die Gesellschaft diffamieren wollen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Kollege Kaufmann für die Fraktion der GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die erste im weiteren Sinne finanzpolitische Debatte in diesem Hause in dieser Plenarrunde, in der der Finanzminister wieder bei uns ist, möchte ich dazu nutzen, diese Tatsache ausdrücklich zu begrüßen: Herr Finanzminister, wir freuen uns, dass Sie wieder bei uns sind.

(Allgemeiner Beifall)

Nach meiner Wahrnehmung ist der Kollege Milde auch ein klein wenig über das Ziel hinausgeschossen – so schlimm war die Debatte für Sie bislang nicht, und das wird sie im Zweifelsfalle auch nicht werden; dazu müsste man schon mit härteren Geschützen auffahren.

(Michael Boddenberg (CDU): Wenn Sie schon einen solchen Einstieg machen?)

Auch wenn der Kollege Blum jetzt versucht hat, härtere Geschütze aufzufahren, so werde ich darauf zurückkommen, möchte mich zunächst einmal aber mit dem Antrag befassen.

Das Thema Steuergerechtigkeit müssen wir unter zwei Aspekten betrachten: unter Vollzugs- und unter Gesetzesaspekten.Kollege Kahl hat bereits darauf hingewiesen.

Der Antragstext der LINKEN greift alte Forderungen auf, die auch dadurch nicht falsch werden, dass – Herr Kollege Blum – noch so laut geschrien wird. Es ist richtig, die Kontrolle zu vergrößern, zu intensivieren. Dafür braucht man aber nicht nur Personal – auch darauf ist schon hingewiesen worden –, sondern eine bessere Organisation und modernere Hilfsmittel. Das alles kommt zusammen.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Ihre letzte Argumentation war derart abwegig – nach dem Motto: wir brauchen keine Steuergerechtigkeit, weil die Einnahmen am Ende sowieso in den Länderfinanzausgleich fließen –, das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Herr Kollege Blum, es wundert mich nicht, dass Sie dagegen angehen, denn die Partei, die einen rechtskräftig verurteilten Steuerhinterzieher zu ihrem Ehrenvorsitzenden macht, ist bei diesem Thema natürlich engagiert.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN, des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie – Zurufe von der FDP – Florian Rentsch (FDP): Das war das Dümmste, was ich je gehört habe!)

Dass Sie eher sagen, die Hinterziehung soll nicht verfolgt werden, und diffamieren, das wundert mich nicht.

(Lebhafter Widerspruch bei der FDP)

Meine Damen und Herren,ich komme auf den Antrag zurück. Jetzt wende ich mich den verehrten Kollegen von der LINKEN zu. – Warum schreien Sie so?

(Florian Rentsch (FDP): Herr Kaufmann, Sie sollten einmal darüber nachdenken, was Sie hier erzählen!)

Die Wahrheit, lieber Herr Kollege.

Ich wollte mich gerade mit dem Antrag der Kollegen der LINKEN befassen und werde das jetzt auch tun.

(Leif Blum (FDP): Bisher war das ein untauglicher Versuch!)

Sie fordern also mehr Steuerprüfer und -fahnder. Meine Damen und Herren, nun haben wir derzeit einen einzigen Ort, an dem DIE LINKE mitregiert, und das ist Berlin. Wenn ich eine Veröffentlichung der „HNA“ vom 20. Februar dieses Jahres richtig lese, dann wurde in den letzten Jahren die Anzahl der Steuerfahnder in Berlin reduziert. – Herr Kollege van Ooyen bestätigt dies.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das ist dann ein bisschen verwunderlich:Wenn Sie an der einen Stelle mehr fordern, aber dort, wo Sie Verantwortung tragen, die Einstellungszahlen reduzieren, dann ist das nicht ganz stimmig. Darauf wird man hinweisen dürfen.

Nach dem gleichen Zeitungsbericht ist diese Zahl auch in Hessen etwas rückläufig, und das lobe ich gar nicht. Wir haben immer wieder gefordert, dass es dort mehr geben muss. Aber wenn man an der einzigen Stelle, an der man selbst Verantwortung trägt, diese Zahl reduziert, dann hat man, denke ich, schon ein gewisses Argumentationsproblem. Darauf hinzuweisen ist schon nötig.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist auch zu kritisieren!)

Der Kollege Milde hat noch in besonderer Weise auf die Qualität der hessischen Steuerfahndung hingewiesen.