Protocol of the Session on June 4, 2008

Passt Ihnen das etwa auch nicht? Es passt Ihnen nicht, wenn wir sagen, wir machen alles richtig.Wenn wir Ihnen aber sagen,dass wir auch Fehler machen,dann passt es Ihnen wieder nicht. Sie müssen sich langsam entscheiden und sagen, was Sie wollen. Ich weiß nicht, ob es überhaupt noch eine Chance gibt, dass Sie einmal sagen werden: Sie da vorne haben recht, aber Schwamm darüber.

Der Minister hat es aus unserer Sicht wirklich geschafft,in einer sehr schwierigen Phase dazu beizutragen, zu einer Entspannung und Beruhigung der Materie zu gelangen. Ich finde es ebenfalls gut, dass Regionalversammlungen stattgefunden haben und dass er mit den Lehrerverbänden und dem Landeselternbeirat gesprochen hat. Er hat außerdem mit den schulpolitischen Sprechern der Fraktionen gesprochen.Wenn man überlegt, dass es in Verbindung mit der Lehrplanstraffung von über 100 Schulen insgesamt über 500 Rückmeldungen inhaltlicher Art gegeben hat, ist festzustellen, dass dies nicht nur positiv ist, sondern, Herr Kollege Wagner, man könnte sogar, da sich so viele beteiligt haben, von einer Basisdemokratie sprechen. Es handelt sich also rundum um ein positives Verfahren.

(Beifall bei der CDU – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ein anderes Prinzip!)

Das Thema bleibt uns gleichwohl erhalten, da wir über Bildungsstandards und Kerncurricula noch zu sprechen haben werden. Wir müssen – das ist aufgrund der Rede des Ministers deutlich geworden – insgesamt Folgendes zum Ziel haben: mehr Entscheidungsfreiheit sowie Verantwortung für die einzelnen Schulen durch eine Flexibilisierung der Stundentafeln; Ganztagsangebote, was die pädagogische Mittagsbetreuung anbelangt, zunächst einmal in Bezug auf die G-8-Schulen, um die es nun geht; und, Herr Kollege Wagner, wir wollen ausdrücklich den Einstieg in die Dreißigerregelung.

Herr Kollege Wagner, Sie und die Kollegen von der Sozialdemokratie haben schulpolitische Forderungen gestellt; und alles kostet unterm Strich und in letzter Konsequenz viel Geld.Wir wissen – ich glaube, diese Auffassung teilen wir –, dass dies nicht alles gleichzeitig umsetzbar ist. Frau Kollegin Habermann hat während einer Diskussion mit dem Landeselternbeirat ebenfalls gesagt, dass man das Ganze prioritär sehen müsse. Ich teile ausdrücklich die Auffassung, dass man Prioritäten setzen muss. In diesem Zusammenhang kann man darüber streiten, wo man anfängt. Damit bin ich einverstanden.

Es hat nun aber eine Festlegung stattgefunden, indem gesagt wurde, dass wir bei den G-8-Klassen, und zwar ab der Klasse 5, mit der Dreißigerregelung starten.Wir brauchen nicht darüber zu streiten, dass dies perspektivisch auf alle übertragen werden muss. Dennoch ist es richtig, dass der Einstieg an dieser Stelle stattgefunden hat.

Meine Damen und Herren, bei allen Bemühungen um Konsens und Gemeinsamkeiten möchte ich gleichwohl deutlich machen, dass wir nicht all das akzeptieren können, was politisch vorgeworfen wurde. Herr Kollege Wagner und Frau Kollegin Habermann, es ist, politisch gesehen, zu verstehen, dass Sie erklärt haben, es sei ein ganz schreckliches Chaos gewesen, das Sie in den vergangenen neun Jahren vorgefunden hätten, und alles sei ganz schlimm gewesen. Ich glaube aber, dass man gelegentlich der Wahrheit die Ehre geben und darauf hinweisen muss, was wir in den vergangenen Jahren Gutes getan haben. Aber das reklamieren Sie heute wie selbstverständlich für sich. Wenn wir heute über 3.500 Lehrer netto mehr im Schuldienst haben, dann ist dies für dieses Land sowie die Bildung unserer Kinder durchaus positiv.

(Beifall bei der CDU)

Dass wir heute 2.100 Referendare mehr in der Ausbildung haben, ist auch für den Lehrernachwuchs sowie für die Zukunftsfähigkeit des hessischen Bildungswesens gut.

Meine Damen und Herren, Sie hatten während Ihrer Regierungsverantwortung versprochen, mehr Referendarstellen zu schaffen. Ich will aber nur darauf hinweisen, dass Sie das nicht gemacht haben. Zu Ihrer Zeit waren es noch 2.600. Aktuell haben wir 4.700 Stellen. Ich begrüße ausdrücklich,dass wir uns darauf verständigen konnten,in einem gemeinsamen Antrag zu sagen:Wir wollen die Anzahl der Referendarstellen,die nun schon vorhanden sind, noch einmal erhöhen, sodass wir für die beiden Ausbildungsjahrgänge statt der 4.700 Referendarstellen künftig 5.600 haben werden.

(Beifall bei der CDU)

Das finde ich hervorragend. Es zeigt aber auch, dass wir gemeinsam daran interessiert sind, die möglicherweise

vorhandene Problematik der fehlenden Lehrer zu lösen – gerade in den Fächern, die wir im Allgemeinen als Mangelfächer kennen.

Ich darf darauf verweisen,dass wir die Mittel – egal,ob Sie dies U+, verlässliche Schule oder Vertretungsmittel nennen;es interessiert mich offen gestanden im Moment auch nicht – erhöht haben. Zu Ihrer Regierungszeit betrugen diese 5,7 Millionen c. Wir haben heute für den gleichen Zweck 52 Millionen c zur Verfügung gestellt. Das ist das Zehnfache. Auch das hat dazu geführt, dass Bildung in Hessen verlässlicher und besser geworden ist.

Sie haben den Ausbau der Ganztagsangebote angesprochen. Sie haben kritisiert, dies sei alles zu wenig und zu langsam gegangen. Hierüber kann man in der Tat streiten. Aber auch in diesem Zusammenhang gilt – auch das ist die Wahrheit, und das wissen Sie –, dass Sie während Ihrer eigenen Regierungsverantwortung nicht ein einziges zusätzliches Ganztagsangebot genehmigt haben.

(Beifall bei der CDU)

In den Jahren von 1995 bis 1999 war die Anzahl gleich geblieben, und zwar in der Größenordnung von rund 130 bzw. 140 Angeboten. Heute haben wir 530 Angebote. Das heißt, wir haben in dieser Zeit gemeinsam eine Vervierfachung erreicht.Das ist ein Fortschritt;und wir haben mehr als 130 Angebote geschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen dies ganz konsequent weiterhin ausbauen.Das beinhaltet logischerweise nicht nur die Ganztagsangebote in offener, sondern auch Ganztagsschulen in gebundener Form.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Wir müssen dies sukzessive und in aller Ruhe fortführen.

Meine Damen und Herren, nun komme ich zum Schulbuchetat. Es ist bereits angesprochen worden, dass wir ein Defizit vorgefunden haben, da der Schulbuchetat chronisch unterfinanziert war. Wir haben im Jahre 2006 im Rahmen der Haushaltsplanungen beschlossen, die Schulbuchmittel zu erhöhen. Es gab hierfür ein Sonderprogramm in Höhe von fünf mal 5 Millionen c, sodass noch einmal 25 Millionen c obendrauf kamen.

Wir haben bei den Kindergärten und den Haupt- und Realschulen eine Reihe von Veränderungen getätigt.Wir haben den Bildungs- und Erziehungsplan sowie Sprachvorlaufkurse beim Übergang vom Kindergarten zur Grundschule eingeführt. Wir haben das Ziel der Grundschule erst einmal inhaltlich definiert. Wir haben Orientierungsarbeiten sowie schulformbezogene Lehrpläne und Stundenpläne eingeführt, und wir haben die Querversetzung eingeführt, die Sie de facto belassen wollen.

Sie argumentieren jetzt, das sei nur noch ausnahmsweise der Fall. Sie müssen Ihren Wortbruch in pädagogischer Hinsicht in irgendeiner Weise rechtfertigen. Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Habermann, die Querversetzung war immer nur ein Ausnahmetatbestand für pädagogisch begründete Einzelfälle. Bei den Gymnasien gibt es eine Querversetzungsquote von 1,8 %. Allein das macht deutlich, dass es pädagogisch begründete Einzelfälle sind. Nichts anderes war jemals gemeint.

(Beifall bei der CDU)

Das, was Sie jetzt hier formulieren, ist im Grunde genommen ein Rückschritt, weil Sie anerkennen müssen, dass Sie die Abschaffung der Querversetzung nicht hinbekom

men. Wenn jetzt zumindest die Klassen 5 und 6 drin sind, ist das sicherlich besser als das, was Sie ursprünglich gefordert haben.

Abschlussprüfungen in der Hauptschule, Abschlussprüfungen in der Realschule, SchuB-Klassen. Der Minister hat zu Recht darauf hingewiesen: In Ihrer Regierungsverantwortung sind 22,9 % der Hauptschüler ohne Abschluss abgegangen – 22,9 %.Die aktuelle Quote liegt bei 10,5 %.

(Axel Wintermeyer (CDU):Aha!)

Meine Damen und Herren, das sind immer noch 10 % zu viel. Darüber sind wir uns einig.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Aber was haben Sie denn, bitte schön, selbst dazu beigetragen, diese horrenden Zahlen zu reduzieren?

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein Ergebnis unserer Bildungspolitik der Vergangenheit.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Oberstufenreform, Lehrerbildungsgesetz, das ist praxisnäher. Außerdem haben wir – Frau Kollegin Henzler hat zu Recht darauf hingewiesen – die Schulwahlfreiheit in diesem Land teilweise erst wieder ermöglicht, wo sie gar nicht vorhanden war.Wir möchten,dass die Menschen auf Dauer in der Lage sind, auf der Basis der Eignung ihrer Kinder frei zu entscheiden, in welche Schulform sie ihre Kinder schicken. Das möchte ich nicht als Staat vorschreiben, sondern wir wollen, dass die Eltern das entscheiden. Wir brauchen ein begabungsgerechtes, vielfältiges und vielgliedriges Schulsystem, weil die Kinder unterschiedliche Begabungen haben. Sie brauchen unterschiedliche Lernangebote.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit: Bei allen Fehlern, die wir gemacht haben, können wir in der Summe gleichwohl stolz auf das sein, was in den vergangenen neun Jahren in diesem Land in der Bildungspolitik geleistet worden ist.

(Beifall der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Dass wir Anlass haben, darauf stolz zu sein, will ich mit einem aktuellen Gutachten belegen, das erst wenige Tage alt ist, einem Länderprofil des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Ich will das nicht überhöhen. Wir haben in der Vergangenheit häufig Gutachten unterschiedlichster Art gehabt. Wir haben sie häufig auch relativiert, weil jedes Gutachten kleine Fehlerquellen haben mag.Ich will aber einige wenige Sätze aus diesem Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft zitieren.

Hessen ist einer der Motoren, der die Reform- und Innovationstätigkeit im Schulsystem mit am stärksten antreibt. Das Land gehört zur Spitzengruppe der Bundesländer. Dem Land ist eine hohe Innovationsbereitschaft zu bescheinigen.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Das gilt fast uneingeschränkt für sämtliche Qualitätsbereiche. Hessen hat beste Voraussetzungen für die Qualitätssicherung und die Autonomie von Schulen geschaffen. Auch beim Umgang mit Zeitressourcen punktet das Land. Hessen sorgt für frühe und flexible Einschulung und hat auch die

gymnasiale Schulzeit (wie alle anderen Bundeslän- der auch) auf acht Jahre verkürzt.

Meine Damen und Herren, Note 2+. Deshalb sage ich: Darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der CDU)

Das ist Ergebnis dessen, was wir bildungspolitisch in der Vergangenheit gemacht haben.

Lassen Sie mich auf das eingehen, was der Minister, aus meiner Sicht ebenfalls völlig zu Recht, gesagt hat, was aber nicht nur von ihm gesagt worden ist, sondern auch von der Vereinigung der Schulaufsichtsbeamten,von Lehrerverbänden und vom Landeselternbeirat: „Freunde, wenn ihr Bildungspolitik macht: Wir haben Verständnis dafür, wenn es andere parlamentarische Mehrheiten gibt, dass man dann versucht, das, was man selbst für richtig erkannt hat, umzusetzen. Das ist völlig normal.“ Aber alle, unisono, haben gesagt: „Tun Sie uns einen Gefallen. Bitte keine Atomisierung, keine Kleinteiligkeit.“ – Frau Kollegin Habermann, Sie haben vorgestern auf der anderen Veranstaltung, an der wir gemeinsam teilgenommen haben, selbst von kleinteiligen Anträgen gesprochen, die Sie hier gestellt haben.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Deshalb möchte ich in der Tat an Sie alle, an uns alle, appellieren, diese Kleinteiligkeit einen kleinen Moment wegzudenken und zu überlegen, ob wir nicht gemeinsam ein Schulgesetz zimmern können, in dem wir gemeinschaftlich sagen: Wir haben ein paar Grundsätze, die wir versuchen, in die Tat umzusetzen. Das wird nicht bedeuten, dass wir uns in Grundsatzfragen, was die Schulstruktur angeht, einig sein müssen. Da wird es auf Dauer unterschiedliche Auffassungen geben. Die sind nicht kompatibel. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Ich möchte Ihnen abschließend einige wenige Punkte im Sinne eines Ausblicks nennen. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Punkte in der Sache gar nicht so streitig sind. Wenn wir diese Punkte gemeinsam in ein Schulgesetz kleiden und bestimmte ideologische Streitpunkte ausklammern, dann könnte es sogar gelingen, dass wir etwas Gemeinsames machen. Denn bis Ende nächsten Jahres gilt das Schulgesetz. Vielleicht kommt man nach der gemeinsam beschlossenen Anhörung im Ergebnis dazu, zu sagen: Das ist in der Tat so übergreifend, dass wir versuchen, das in das Schulgesetz einzubringen.