Bei den Niedriglöhnen geht es um Gerechtigkeit, aber auch – Frau Müller-Klepper, das möchte ich Ihnen nochmals ans Herz legen – um Menschenwürde.
Schauen wir uns doch an, wer für Niedriglohn arbeitet. Zu 75 % sind das Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung; zu 6 % sind es Akademiker. Jeder Siebte, der in Vollzeit arbeitet, arbeitet im Niedriglohn, und von allen Menschen für Niedriglohnsektor sind 70 % Frauen.
Es kann nicht sein, dass man Menschen, die arbeiten, zu Bittstellern in unserem System macht, zu Empfängern von Almosen. Der Verweis darauf, sie könnten zur Tafel und zur Kleiderkammer des Roten Kreuzes gehen – das kann ja wohl nicht sein.
Herr Boddenberg, auch in Ihrer Fraktion gibt es noch Menschen, die wissen, wie die sozialen Realitäten von Menschen aussehen, die von dem nicht mehr leben können, was sie verdienen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Das weiß ich so gut wie Sie! Glauben Sie, dass sich darüber jemand freut? Wieso denn das?)
Im Jahr 2006 ist in Deutschland der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnsektor auf 22 % angestiegen. Im Jahr 1995 waren es noch 15 %. Es sind 6,5 Millionen Beschäftigte, die im Niedriglohnsektor arbeiten. Es gibt eine halbe Million sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die auf ergänzende ALG-II-Zahlungen angewiesen sind. Herr Boddenberg, Sie wissen genauso gut wie ich, welche Sprünge man damit machen kann.
Es wird geschätzt, dass zusätzlich etwa 2 Millionen Erwerbstätige Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II hätten, diesem aber, aus welchen Gründen auch immer,
Armut trotz Arbeit ist für viel zu viele Menschen in Deutschland Realität. Das kann nicht sein. Da muss Politik handeln.
Deutschland hat den höchsten Niedriglohnanteil unter den kontinentaleuropäischen Ländern. So viel zum Blick über die Grenzen. Im europäischen Vergleich ist die Aufstiegsmobilität,um aus diesem Bereich herauszukommen, in Deutschland besonders niedrig. Da sehen wir dringenden Handlungsbedarf.
Zu dem politischen Märchen, wenn Mindestlöhne eingeführt würden, wäre Deutschland am Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig,
denke ich:Schauen Sie einmal über die Grenzen in andere Länder Europas, und Sie werden feststellen, dass die Arbeitsplätze in den anderen europäischen Ländern mehr geworden sind.
Herr Boddenberg, mit Einführung der Mindestlöhne sind dort die Beschäftigungsraten gewachsen, das wissen Sie doch.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Schauen Sie sich doch einmal die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich an!)
Dann Ihr politischer Irrtum, der Staat müsse die Löhne aufstocken. Das ist doch die Einladung an Unternehmer, die Löhne zu drücken.
Die Allgemeinheit, die Steuerzahler sollen dann dafür aufkommen. Das aber kann nicht Aufgabe des Staates sein.
Der erste Schritt zu flächendeckenden Mindestlöhnen ist die Aufnahme weiterer Branchen in das Arbeitnehmerentsendegesetz. Frau Müller-Klepper hat ja signalisiert, dass sich zumindest dort in Berlin unter Umständen etwas tut.
Zu den Branchen, die dort Interesse angemeldet haben, gehören die Zeitarbeit, Pflegedienste, Wach- und Sicherheitsgewerbe und der Weiterbildungsbereich – ein Bereich, bei dem wir auch immer betonen, wie wichtig er für die Entwicklung unseres Landes ist. Aber die Löhne, die dort gezahlt werden – teilweise von Organisationen, die für diesen Staat arbeiten –, sind jämmerlich.
Der Bundesarbeitsminister hat es jetzt in der Hand,in den Verhandlungen der Großen Koalition die Gesetzesänderungen dazu umzusetzen. Die Referentenentwürfe befinden sich in der Ressortabstimmung.
Beim gegenwärtigen Zustand der Großen Koalition ist nicht absehbar, wann es hier eine Einigung geben wird. Deswegen hat die GRÜNEN-Bundestagsfraktion in Ber
Zur SPD und ihrer Haltung zur Zeitarbeit. Herr SchäferGümbel hat es wieder etwas gerade gerückt, denn die Zeitarbeit hat sich verändert.Wir Rot-Grünen haben viel damit zu tun, dass es so viele Zeitarbeitsplätze gibt. Das haben wir gewollt. Inzwischen aber ist die Entwicklung in eine andere Richtung gegangen, und das müssen wir korrigieren.
Nichtsdestoweniger waren zwei Drittel aller Beschäftigten bei Zeitarbeitsunternehmen zuvor arbeitslos oder nicht erwerbstätig. Das ist also ein Schritt in die Erwerbstätigkeit.
Leiharbeit ist in Zeiten, in denen sich die Auftragslage in der Wirtschaft sehr schnell ändert, durchaus ein Mittel, um Schwankungen abzufangen. Das heißt, in Zeiten des Konjunkturaufschwungs wächst die Anzahl der Leiharbeitsverhältnisse.
Aber Leiharbeit darf nicht zum Instrument werden, das zur Lohndrückerei missbraucht wird. Es ist zu gewährleisten,dass die Mitarbeiterinnen von Zeitarbeitsfirmen nicht nur die Tariflöhne der Zeitarbeitsbranche erhalten – das wäre allenfalls ein erster Schritt, und der wird durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sichergestellt.
Wir wollen aber den Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ realisieren.Das heißt,wenn jemand eingearbeitet ist, dann sollte er nach drei Monaten an diesem Arbeitsplatz den gleichen Lohn erhalten wie sein dort fest angestellter Kollege. Dass auch diese Lösung nicht der Untergang des Abendlandes ist, zeigt, dass BMW in München das bereits macht.
Es gibt einige Fairnessinitiativen; und inzwischen wird auch den Zeitarbeitern der Metalltarifarbeitslohn bezahlt, der zwischen 11,61 c und 28,17 c liegt.
Das widerlegt das Argument, dass man diese Arbeit nicht anständig bezahlen müsste,weil dies nicht machbar sei.Es ist machbar. In Deutschland muss anständige Arbeit auch anständig bezahlt werden, und bei BMW laufen die Bänder meines Wissens noch.
Nun zum Antrag der SPD. Der dritte Punkt ging uns ein bisschen zu weit, da die Initiativen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales generell zu unterstützen seien. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das tun nicht einmal Sie ununterbrochen.
Daher haben wir es uns genehmigt, dies einzuschränken, und zwar auf das Entsendegesetz sowie auf den Mindestlohn; und wir haben auf unsere Gesetze verwiesen.
Generelle Amnestien gibt es bei uns nicht. – Wir wollen keine Begrenzung der Verleihzeit sowie des prozentualen Anteils an der Gesamtbelegschaft. Das sind die beiden Punkte, die wir nicht wollen und von welchen wir denken, dass man hierüber im Ausschuss noch einmal sprechen sollte. Wir wollen nicht alles regeln, da Wirtschaftsbetriebe sehr unterschiedlich aussehen. Was wir allerdings wollen,ist die Angleichung der Löhne nach drei Monaten.
Man muss aber noch eines sagen: Wir bekommen natürlich ein Problem, wenn es die öffentliche Hand – beispielsweise auch das Land Hessen – nicht schafft, ein Tariftreuegesetz auf den Weg zu bringen. Wir erwarten verantwortungsvolles Handeln seitens der Wirtschaft,und das gilt für den öffentlichen Dienst natürlich umso mehr. Das Tariftreuegesetz war eher ein halbherziger Kompromiss, aber nicht einmal diesen bringt die Landesregierung auf den Weg. Hinzu kommt, dass sie im Bundesrat gegen die Initiative von Rheinland Pfalz gestimmt hat, die das Ziel hat, die Tariftreuegesetze europafest zu machen.
Frau Kollegin Hölldobler-Heumüller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Herrn Schäfer-Gümbel?
Da meine Zeit abgelaufen ist und ich eher damit gerechnet hätte, dass Sie sagten, ich sollte zum Schluss kommen, werde ich nun zum Ende kommen, und Herr Kollege Schäfer-Gümbel kann, wenn er möchte, eine Kurzintervention machen. – Das lässt Zweifel daran aufkommen, ob es nicht eher ein wahltaktischer Gag war, ein Tariftreuegesetz auf den Weg zu bringen, denn die Ernsthaftigkeit des Bemühens wird leider nirgendwo mehr sichtbar. – Vielen Dank.