Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch zu dieser späten Stunde – die Minister, die Fraktion der CDU, die Fraktion der FDP und die Fraktion der GRÜNEN wollen die Geschäfte rund um die Uhr montags bis samstags öffnen, nicht nur zur WM, sondern generell. Inzwischen spricht niemand mehr davon – z. B. in Frankfurt, das eindeutig ein Zentrum ist. Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten kurz zitieren:
macht deutlich,dass die Kunden das Zusatzangebot des Handels annehmen. Zwar entsteht in Geschäften kein hektischer Andrang wie an den allerersten verkaufsoffenen Sonntagen, doch immerhin kommen in die großen Kaufhäuser pro Stunde etwa so viele Kunden wie an Werktagen.Das Cityforum Pro Frankfurt zieht daher mit Recht eine positive Bilanz des gestrigen Nachmittags.Allerdings weist sie darauf hin, dass die Kunden gerne mit einem spannenden Rahmenprogramm an solchen Tagen unterhalten werden wollen.
Insofern kann ich nur sagen: In diesem Zitat wird eines deutlich. Es ist von den großen Kaufhäusern die Rede, und es ist von den üblichen Kunden an Werktagen die Rede. Deswegen bleiben die Argumente, die unter anderem der Einzelhandelsverband – wir haben das hier oft genug diskutiert, ich habe es Ihnen zitiert –, die anderen Gewerbevereine, z. B. aus meinem Wahlkreis – Herr Banzer kennt sie auch – die Aktionsgemeinschaft Bad Homburg, vorgebracht haben, richtig. Alle diese Argumente, auch die des DGB, von ver.di und anderen, sind richtig. Jede weitere Verlängerung von Ladenöffnungszeiten führt zu mehr Konzentration, ist mittelstandsfeindlich, familien- und kinderfeindlich und ehrenamtsfeindlich.
Meine Damen und Herren, auch Verkäuferinnen brauchen einen Feierabend, wie wir heute Abend – wir haben inzwischen 20 nach 8 Uhr – den Laden nach diesem Tagesordnungspunkt dicht machen. Auch wir wollen heute nicht bis 3 Uhr nachts arbeiten. Wir haben allerdings unsere parlamentarischen Geschäftsführer damit erpresst und haben sie damit gezwungen, die Tagesordnung zu bereinigen. Das können die Verkäuferinnen nicht. Die Verkäuferinnen können nicht den Kunden sagen: Räumt uns schnell die Regale leer, damit der Umsatz stimmt und wir nach Hause gehen können. – Deswegen sage ich: Die Argumente haben wir oft genug ausgetauscht. Sie überzeugen mich nicht. Ich überzeuge offenbar Sie nicht – auch das trifft zu.
Machen wir also den Laden dicht. Denken Sie vielleicht wenigstens auf dem Heimweg kurz darüber nach, ob Sie den früheren Feierabend, den wir uns heute gönnen, nicht auch den Verkäuferinnen ab und zu gönnen möchten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Gewerbefreiheit, die im Grundgesetz verankert ist, ist ein sehr hohes Gut, ein wichtiges Grundrecht in unserem Staat. Die Einschränkung der Gewerbefreiheit ist meines Erachtens nur gerechtfertigt, wenn ein anderes wesentliches Recht davon betroffen ist. Als im 19. Jahrhundert die Ladenschlussbestimmungen eingeführt worden sind, war es so, dass für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einzelhandel die notwendigen Bestimmungen nicht vorhanden waren, um ihre Arbeitsbelastung in einem erträglichen Maß zu sichern.
Aus diesem Grund hat man im 19. Jahrhundert eine entsprechende Bestimmung erlassen, die wir heute in Form des Ladenschlussgesetzes noch immer als nachfolgend haben. Nur wissen wir natürlich heute, dass die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen anderweitig gesichert sind, dass die Verkäuferin, von der Sie – Frau Fuhrmann – gesprochen haben, zwar ab und an am Abend, aber insgesamt in der Woche nicht zu viel arbeiten muss.
Es gibt viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einzelhandel, die froh wären, wenn sie diese Option hätten und die zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten haben könnten. Es gibt noch mehr derjenigen, die gar keinen Arbeitsplatz haben und sich freuen würden, wenn sie zusätzliche Möglichkeiten bekämen. Uns liegen diese Menschen sehr am Herzen. Deswegen gehen wir nicht einfach darüber hinweg und sagen:Wir brauchen dort keine Lockerung.
Richtig ist, dass, wenn die Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten werden – die sind anderweitig abgesichert –, es keine Notwendigkeit mehr gibt, die Gewerbefreiheit in der Art und Weise einzuschränken, dass festzulegen ist, bis wann gearbeitet werden darf, wenn man in einer bestimmten Branche tätig ist. Frau Fuhrmann, Sie haben hier so schön das Beispiel der heutigen Landtagssitzung gebracht. Sie wissen doch genau, dass wir alle, wie auch in vielen Berufen, keineswegs, wenn eine Sitzung zu Ende ist, mit der Arbeit am Ende sind, sondern dass wir abends Veranstaltungen wahrnehmen,
dass wir abends ebenfalls arbeiten. Das gilt nicht nur für uns. Das gilt auch für Freiberufler, die oft bis zum späten Abend arbeiten. Das gilt auch für viele Angestellte in unterschiedlichen Branchen, die oft bis zum späten Abend arbeiten müssen. Insoweit meine ich nicht, dass man das zu einem speziellen Punkt gerade für den Einzelhandel machen sollte. Wir meinen, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, die Gewerbefreiheit, wenn andere Rechte gut abgesichert sind – das ist bei uns der Fall –, derart einzuschränken, dass wir von Montag bis Samstag Verbote machen, wann Geschäfte geöffnet haben sollen und wann nicht.
Wir kennen die vielen absurden Beispiele, dass in der Fußgängerzone ein Buchhandel um 20 Uhr zumachen muss. Wenn man noch ein Buch kaufen will, dann geht man nebenan in den Bahnhof, denn da ist es möglich, das Buch noch später zu kaufen. Es gibt ein ähnlich absurdes Beispiel, dass jemand ein Geschäft hat und Elektroartikel verkauft, abends zurzeit um 20 Uhr seinen Laden zumachen muss, anschließend aber bei Haushalten klingeln und dort seine Artikel weiter verkaufen kann.Das sind alles absurde Regelungen, die unseres Erachtens nicht mehr sein müssten.
Wir haben natürlich Verständnis dafür, dass der eine oder andere, der im Einzelhandel tätig ist, nunmehr befürchtet, dass eine zusätzliche Belastung auf ihn zukommt, dass ein Mehr an Arbeit auf ihn zukommt. Der eine oder andere Familienbetrieb, der nicht die Möglichkeit hat, das wie ein großes Kaufhaus durch Mitarbeiter auszugleichen, kann im Einzelfall mehr belastet werden.
Nur müssen wir auch hier sagen, dass die mittelständischen und kleinen Unternehmen interessanterweise gerade in den Ländern, in denen es keinen Ladenschluss
gibt, besondere Chancen haben und in besonderen Marktlücken, auch was das tageszeitliche Angebot betrifft, agieren können.
Daher gibt es keinen Grund,Ihren Antrag zu unterstützen – interessanterweise wurde diese Auffassung im Sozialpolitischen Ausschuss nur von der SPD-Fraktion unterstützt –, in dem es heißt, dass der Ladenschluss von Montag bis Samstag ab 20 Uhr zu erfolgen hat.
Interessanterweise hat sich gezeigt, dass bis auf die SPDFraktion, die sich in dieser Frage immer noch als Betonkopffraktion erweist, alle anderen flexibel waren, die Positionen geteilt und den Antrag der SPD-Fraktion abgelehnt haben.
Danke schön, Herr Caspar. – Als nächster Redner hat Herr Rentsch für die FDP-Fraktion das Wort. Die zehn Sekunden von vorhin können wir jetzt hinzufügen.
Danke schön, Herr Präsident. Dann habe ich fünf Minuten plus zehn Sekunden Redezeit. Das ist wunderbar.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Fuhrmann, Sie haben etwas fortgesetzt, zu dem Sie im Sozialpolitischen Ausschuss von der geballten Kompetenz der GRÜNEN, der CDU und der FDP vernehmen konnten: Sie liegen bei den Ladenöffnungszeiten einfach falsch.
Wir haben Ihnen nicht zu Unrecht gesagt: Die Sozialdemokraten sollen sich nicht nach 20 Uhr in hessischen Geschäften erwischen lassen. Wir werden genau kontrollieren,wo Sie sich nach 20 Uhr aufhalten.Ich weiß auch,dass das bei Ihnen relativ gefährlich ist. Sie sind sehr stark verführbar, wenn es um die Frage geht, ob man noch etwas kaufen kann.
Man muss sehr vorsichtig sein, mit welchen Reizworten man diesen Landtag beglückt. Ich entschuldige mich dafür. „Verleitbar“ würde ich vielleicht eher sagen.Auch Sie sind verleitbar, nach 20 Uhr dem Konsum nachzugehen.
Meine Damen und Herren, beruhigen Sie sich doch wieder. Ich freue mich, dass Sie um fast halb neun noch so lebendig sind.
Frau Kollegin Fuhrmann, zurück zur Sache. Auch nach 20 Uhr werden hessische Bürgerinnen und Bürger einkaufen können, und das ist gut so. Die FDP hat das schon seit langem gefordert. Was lange währt, wird endlich gut.
Herr Kollege Rentsch, nur eine Zwischenfrage: Wollen Sie eine Liberalisierung des Ladenschlusses, oder wollen Sie die Einzelhändler künftig dazu zwingen,ihre Läden zu öffnen?
Herr Kollege Boddenberg,da Sie mir das vorhin schon angekündigt haben, habe ich gedacht, ich könne den Punkt erwähnen und damit das Risiko eingehen, dass Sie mir diese Zwischenfrage stellen.Wir werden die Menschen in dieser Frage sozusagen mit Freiheit beglücken.Wir setzen klar auf Freiheit.
Ich freue mich, dass das in der Union genauso gesehen wird. Allerdings komme ich im zweiten Teil meiner Rede auf die Frage zu sprechen, ob Videotheken an Sonntagen geöffnet sein sollen. Keine Angst, ich rechne also, was dieses Thema angeht, auch noch mit der CDU ab.
Spaß beiseite. Frau Fuhrmann, niemand wird in Hessen gezwungen, Geschäfte auch nach 20 Uhr aufzusuchen.