Protocol of the Session on March 30, 2006

Der Text ist aus dem Jahre 1959.Es ist der Anfang des Godesberger Programms und der große Traum der Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Traum ist vorbei. Er ist verglüht in der Reaktorkuppel von Harrisburg.Er ist ertrunken in Windscale oder Sellafield, oder wie oft dieser Ort seinen Namen noch ändern wird. Er ist auf Geisterreise eingesperrt in Castoren, die noch immer kein Ziel haben, und er ist begraben unter der Reaktorkuppel von Tschernobyl vor 20 Jahren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der letzte Punkt: Er ist endgültig zerplatzt angesichts der Tatsache, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass jemand, der eine solidarische Welt will, die friedliche und die kriegerische Nutzung von Atomenergie nicht trennen kann. Wer dem Iran verweigert, Atomkraftwerke zu bauen,weil er sagt,die machen damit Waffen,der muss für sich selbst in Kauf nehmen,dass auch für ihn die friedliche Nutzung der Kernenergie beendet ist, weil nur auf diese Weise die militärische beendet werden kann. Dieses Argument ist stärker geworden in den vergangenen Jahren. Das gilt für Indien, das gilt für den Iran. Das ist ein Punkt, dem sich die Sozialdemokraten stellen, die FDP und die CDU nicht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört auch die Frage, wie wir mit Geld umgehen. Wir alle wissen – wir haben es in der letzten Plenarsitzung diskutiert –: Wir reden über eine Übergangstechnologie. Es ist die Frage, ob man in eine Übergangstechnologie Milliarden investiert, oder ob man diese Milliarden nicht sinnvollerweise einsetzt,um in die Zukunft zu investieren. Hier sind wir für die Zukunft und nicht für den Rest der Vergangenheit.

Wenn die FDP dann davon redet, dass sie bessere Wettbewerbsbedingungen will, dann reden wir doch einmal darüber,dass jetzt ein Vertrag aufgekündigt wird,der zwei Seiten hatte. Die eine Seite hat in der Tat bestimmte Konzerne im Wettbewerb begünstigt. Die erste Seite war, dass die Konzerne einverstanden waren, die Laufzeit ihrer Kraftwerke zu begrenzen. Die zweite Seite war, dass sie von der Verpflichtung befreit worden sind, ihre Kraftwerke wie normale Risiken zu versichern, sondern es gibt für die Risiken,die 2,5 Milliarden c überschreiten,Staatshaftung.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

An der Stelle wissen Sie, dass das Reaktorunglück von Tschernobyl, das so weit weg war, allein in Deutschland

Schäden von fast 2 Milliarden c ausgelöst hat. An dieser Stelle haben die Konzerne ihre Kriegskassen aufgefüllt.

Der zweite Punkt war: Sie behalten die Rücklage für die Endlager. Womit, glauben Sie, werden eigentlich die großen Zukäufe von anderen Energiekonzernen finanziert?

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das heißt,hier wird versucht,einen ökonomischen Vorteil dadurch zu toppen, indem bei einem Geschäft, bei dem die eine Seite geliefert hat, nämlich eine ökonomisch bessere Grundlage für die Zukunft,die andere Seite jetzt versucht, mithilfe der Politik durchzusetzen, ihren eigenen Anteil,das schrittweise Abschalten der Kernenergie,nicht einhalten zu müssen. Das ist Vertragsuntreue, und das ist ein Punkt, den wir als Politiker nicht durchgehen lassen sollten.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang ist es relativ einfach, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Dieser Energiegipfel soll sich mit der Zukunft der Energieversorgung in Deutschland beschäftigen.Die Kernenergie hat keine Zukunft. Die Kernenergie ist keine Zukunft.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Das glauben Sie!)

Mit Verlaub, wer immer davon redet, dass so viele Länder um uns herum neue Kernkraftwerke bauen, der möge bitte seine eigene Statistik auf den neuen Plan binden. Denn sie sind alle im Stadium Ihres Ministerpräsidenten. Sie reden davon.Ich sage Ihnen:Bis das erste gebaut wird, werden noch Jahrhunderte vergehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Bei Ihnen kommt der Strom aus der Steckdose?)

Vielen Dank, Herr Kollege Grumbach. – Das Wort hat Frau Kollegin Hammann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Atomkraft hat keine Zukunft. Das muss man an dieser Stelle wieder sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Gerade Sie müssten es doch erkennen, auch Herr Kollege Denzin und Herr Kollege Möller, wenn Sie hier schon Forderungen an eine zukünftige Energieversorgung stellen. Ich möchte die Punkte benennen – ich habe sie mir aufgeschrieben –, die Sie genannt haben.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die Atomenergie ist doch Gegenwart!)

Sie haben gesprochen von Versorgungssicherheit,Abhängigkeit,Umweltfreundlichkeit und – ich setze ein Weiteres dazu – der Arbeitsmarktsituation. Unter diesen vier Aspekten betrachtet ist die Atomkraft keine Alternative.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Die Alternative kann nur in einer umweltfreundlichen Energieversorgung liegen, bei all den Punkten, die wir eben genannt haben, und nicht in der Atomkraft. Da können Sie machen,was Sie wollen.Die Probleme,die mit der Atomkraft einhergehen, sind Ihnen alle bekannt, und das können Sie nicht immer und immer wieder negieren.

Da der Statusbericht angesprochen wurde, möchte ich aus diesem Bericht zitieren. Herr Möller, von Ihnen wurden nur die Dinge herausgenommen, die Ihnen in den Kram passen. Jetzt nenne ich Ihnen die Dinge, die das untermauern, was wir als richtig erachten.

(Michael Boddenberg (CDU): 18 Millionen t CO2!)

Zu den CO2-Emissionen kommen wir später. Ich kenne Ihre Presseerklärung.

(Michael Boddenberg (CDU): Aber nicht weglassen, bitte!)

Kommen wir zu dem ersten Punkt. In dem Bericht „Energieversorgung für Deutschland“ steht eindeutig:

Die Abhängigkeit der deutschen Energieversorgung von Importen ist im Zeitablauf ständig gestiegen. Sie beträgt

bitte hören Sie jetzt ganz genau zu –

bei Uran 100 %...

Das ist Ihre zukunftsfähige Energieversorgung?

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Wir sehen Probleme auch im Hinblick auf die zukünftigen Uranressourcen. Denn woher kommt das Uran? Das Uran kommt aus Russland. Sie können nicht immer mit Gas aus Russland argumentieren und das Uran außen vor lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Kommen wir zu einem zweiten Punkt. Dort steht explizit auf Seite II:

Erdöl, Kohle, Erdgas und Uran sind erschöpfliche Rohstoffe, die nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stehen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Wenn Sie dann weiterschauen in diesem Bericht, sehen Sie, dass Uran zu denjenigen Ressourcen gehört, die am zweitschnellsten erschöpft sein werden. – Das ist Ihre zukunftsfähige Energieversorgung, meine Damen und Herren. Das sehen wir nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Dann schauen wir weiter. Zum Energieanteil der Kernenergie wird genannt:

Die wichtigsten Energieträger sind heute Öl (34 %) , Kohle (24 %) und Gas (21 %). Die erneuerbaren Energien decken 14 %, die Kernenergie 7 % des globalen Energieverbrauchs.

Das zeigt die weltweite Bedeutungslosigkeit des Uraneinsatzes.

(Michael Boddenberg (CDU): Wir sind in Hessen! Kennen Sie die Zahlen für Hessen?)

Bleiben Sie ganz ruhig. – Schauen wir uns einmal den Klimaschutz an. Herr Boddenberg, Ihre Presseerklärung kennen wir: 18 Millionen t CO2-Einsparung, wenn wir die Atomenergie in Deutschland weiterhin am Netz lassen.

Ich mache Ihnen eine Gegenrechnung auf: Wir haben jetzt schon 80 Millionen t CO2 durch den Ausbau der erneuerbaren Energien eingespart.Das ist die richtige Richtung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg.Michael Boddenberg (CDU))