Protocol of the Session on March 29, 2006

anträge gestellt, die den Minister und das Finanzministerium sicherlich mehr ins Schwitzen gebracht haben.

Sie fragen in Ihrem Antrag, „welche Zahlungen Hessen seit 1999 in den Länderfinanzausgleich geleistet hat“. Ich vermute, dass das eine List ist. Sie wollten der Landesregierung mit dieser Frage die Möglichkeit geben, auf die CD-ROM hinzuweisen, die wir alle bekommen haben. Auf ihr ist der Landeshaushalt des Jahres 2006 aufgelistet. Auf dieser CD-ROM befindet sich auch eine wunderbare Auflistung aller Einzahlungen in den Länderfinanzausgleich vom Jahr 1985 bis zum Jahr 2006. Das ist dort alles verzeichnet. Ich denke, Sie wollten der Landesregierung die Möglichkeit geben, uns alle darauf hinzuweisen, dass wir uns damit beschäftigen sollen. Wir sollen diese Aufstellung aufrufen und ansehen.Meine Damen und Herren der CDU, ich hoffe aber, dass Sie die Datenfülle dieser Aufstellung nicht erschlägt. Denn das sind sehr viel mehr Daten, als Sie haben wollten.

Aus einem Diagramm lässt sich die Entwicklung des Länderfinanzausgleichs sehr gut ablesen. Es lässt sich auch sehr gut ablesen, was dahinter steckt. Ich meine die historische Entwicklung in der Bundesrepublik. Man kann feststellen, dass das Volumen des Länderfinanzausgleichs insgesamt angewachsen ist. Das ist so. Das hat aber seinen Grund.

1995 kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Mittel des Länderfinanzausgleichs. Das rührte daher, dass das Land Berlin und die fünf neuen Bundesländer erstmals in das System des Länderfinanzausgleichs einbezogen wurden. Damit war klar, dass das Volumen wachsen musste.

Bis zum Jahr 1995 umfasste das Volumen des Länderfinanzausgleichs immer einen Betrag unter 2 Milliarden c. Bis zum Jahr 2000 stieg das Volumen des Länderfinanzausgleichs dann auf ungefähr 8 Milliarden c an. Dieser enorme Anstieg hat dann dazu geführt, dass im Jahr 2001 erneut Verhandlungen geführt wurden. Das wurde hier eben schon einmal thematisiert. Das hat dazu geführt, dass das Volumen etwas zurückgegangen ist. In den letzten drei Jahren wies der Länderfinanzausgleich ein Volumen von 6,6 bis 6,8 Milliarden c auf. Auf diesem Niveau hat er sich jetzt eingependelt.

Das ist ein ganz beachtliches Volumen. Ich sagte es schon: Das ist der Tatsache geschuldet, dass die Bundesrepublik um die neuen Länder angewachsen ist; und die neuen Länder haben eben Defizite bei der finanziellen Ausstattung. Das muss man einfach berücksichtigen. Das darf man nicht vergessen.

Es ist mir nicht ganz klar,welchen Hintergrund Ihr Antrag hat. Wollen Sie diese Strukturen und Defizite, die es in den neuen Ländern gibt, außer Acht lassen? Wollen Sie die Vereinbarung, die es zum Länderfinanzausgleich gibt, aufkündigen? Wollen Sie den Auftrag des Grundgesetzes nicht mehr erfüllen? Art. 107 Abs. 2 Grundgesetz sieht vor,„dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird“. So lautet die Formulierung im Grundgesetz. Ich nehme nicht an, dass es Intention Ihres Antrags ist, diese im Grundgesetz verankerte Forderung aufzuweichen. Ich glaube nicht, dass Sie versuchen wollen, Änderungen herbeizuführen.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Aber Ausgleich bedeutet doch nicht, dass man als Land von Platz eins auf Platz acht zurückfällt oder umgekehrt etwas geschieht!)

Auszugleichen bedeutet auch nicht, dass man überall den gleichen Level erreicht.Vielmehr muss man sich darüber verständigen, was es bedeutet, angemessen auszugleichen.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU):So ist es! Darum geht es!)

Dann schreiben Sie das doch auch in Ihren Antrag.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das mit der Angemessenheit habe ich vorhin genau erläutert!)

In Ihrem Antrag habe ich dazu kein Wort gefunden. Meine Damen und Herren der CDU, wenn Sie über die Struktur des Länderfinanzausgleichs diskutieren wollen, dann stellen Sie einen entsprechenden Antrag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Petra Fuhrmann und Sabine Waschke (SPD))

Wir werden das dann im Haushaltsausschuss fachlich beraten. Wir beraten heute Morgen aber einen Jubelantrag. Sie werfen das alles in einen Topf.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Was ärgert Sie eigentlich so daran, dass wir uns auf Platz eins befinden?)

Meine Damen und Herren der CDU, ich finde die Frage Ihres Antrags seltsam, bei der es darum geht, „in welcher Höhe das Land im Zeitraum von 1999 bis 2005 neue Schulden aufgenommen hat”.

(Petra Fuhrmann (SPD): Ja!)

Ich bin erst seit September Mitglied dieses Landtags.Aber ich habe gehört, dass die CDU-Fraktion seit 1999

(Zuruf von der CDU: regiert!)

die Haushalte beschlossen hat. In der letzten Runde der Beratung des Haushalts konnte ich verfolgen, dass Sie unsere Änderungsanträge abgelehnt haben,die dazu geführt hätten, dass die Schuldenaufnahme des Landes minimiert worden wäre. Sie waren mit dabei, als diese Haushalte beschlossen wurden. Ich hätte deshalb vermutet, dass Sie wissen, wie viele Schulden aufgenommen wurden und welchen Schuldenstand das Land hat. Ich hätte vermutet, dass Ihnen das präsent ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Ich werde eine Vermutung nicht los. Das haben Sie zum Teil auch bestätigt. Sie wollten mit Ihrem Antrag erreichen, dass sich alle Abgeordneten und nicht nur die, die dem Haushaltsausschuss angehören, einmal intensiver mit dem Länderfinanzausgleich beschäftigen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist eine lohnende Sache, das stimmt!)

Sie wollten, dass wir lernen, wie man das Wort „Umsatzsteuervorwegausgleich“ schreibt. Sie wollten erreichen, dass wir wissen, dass es so etwas gibt. Möglicherweise stand dieser pädagogische Ansatz dahinter. Sie wollten uns allen also einmal vor Augen führen, wie schwierig die Materie ist, die dahinter steckt.

Herr Irmer, wenn man in diesen Lernprozess tiefer einsteigt, kann man die Erkenntnis gewinnen, dass der Länderfinanzausgleich eine ziemlich verzwickte Sache ist. Inzwischen ist er so gestrickt – vielleicht sollte ich besser „verstrickt“ sagen –,dass nur noch ganz wenige Menschen nachvollziehen können, was da aufgrund der gesetzlichen

Vorschriften geschieht. Es können auch nur noch ganz wenige Menschen die Geldflüsse nachvollziehen, zu denen es da kommt. Möglicherweise ist das gewollt.

Ich habe die Vermutung, dass das vielleicht nur noch 16 oder 17 Menschen in den einzelnen Stabsabteilungen der Länder wissen.Alle anderen haben es längst aufgegeben, zu versuchen, zu ergründen, was da passiert.

(Minister Karlheinz Weimar: So viele sind das nicht!)

So viele gibt es nicht, die das wissen.

(Minister Karlheinz Weimar:Aber wir haben Herrn Weiß, der ist gut!)

Das ist gut. Vielleicht steht der Name „Weiß“ auch dafür, dass er hinsichtlich dieser Materie weise ist.

Trotz des Spaßes, den wir eben hatten, muss man doch sagen: Das kann doch nicht der Sinn eines solchen Gesetzes sein. Möglicherweise gibt es nur wenige Menschen in der gesamten Bundesrepublik, die verstehen, was sich hinter diesem Aufteilungsmechanismus verbirgt.

Ich will Ihnen jetzt nicht vorlesen, wie der § 1 Finanzausgleichsgesetz lautet. Er beschäftigt sich über fast eine DIN-A4-Seite allein mit der Aufteilung der Umsatzsteuer. Da geht es vor und zurück und um Kommastellen. Ich denke, es ist doch nicht sinnvoll, ein Gesetz so anzulegen bzw. zu stricken. Das ist der Versuch, Ausgleichsmechanismen und Korrektive für jeden Eventualfall des Lebens zu schaffen. Dadurch wird das intransparent. Das ist auch nicht nachvollziehbar. Ich denke, Sie hätten eine große Mehrheit hinter sich, wenn Sie daran etwas ändern wollten, wenn Sie versuchen wollten, das so zu gestalten, dass die Finanzströme transparent werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben das bereits angesprochen. Das hat auch Herr Kahl angesprochen.Bisher ist jeder Versuch einer Reform des Länderfinanzausgleichs daran gescheitert, dass die Länder immer nur dann zustimmen, wenn zumindest der Status quo gewährleistet bleibt. Sie wollen also nicht einen müden Euro verlieren. Deswegen müssen immer Ausgleichsmechanismen gesucht werden, die gewährleisten, dass kein Land Mittel verliert. Im Grunde genommen geht es also nur um die Verteilung der Zuwächse.

Ich denke, damit wird man nicht weiterkommen. Damit schafft man nur zusätzliche Regulierungsmechanismen.

Ich möchte Sie jetzt ein bisschen provokant fragen: Warum leisten wir uns eigentlich den Luxus, Steuern, deren Aufkommen stark schwankt, den Ländern zuzuweisen, was dazu führt, dass wir ganz komplizierte Ausgleichsmechanismen haben, damit wir über diese Ausgleichsmechanismen den Auftrag erfüllen können, den das Grundgesetz vorschreibt? Warum machen wir das eigentlich so?

Ich möchte das an einem Beispiel festmachen. Als Beispiel nehme ich die Erbschaftsteuer. Die Erbschaftsteuer ist eine klassische Ländersteuer. Ihr Aufkommen steht in voller Höhe den Ländern zu. Aber gerade das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer schwankt unheimlich. Es schwankt von Bundesland zu Bundesland. Möglicherweise können Sie sich vorstellen, dass in Hamburg die größten Vermögen vererbt werden.Das führt dazu,dass in Hamburg das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer am höchsten ist. Möglicherweise können Sie sich auch vorstellen, dass das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer in

Thüringen am niedrigsten ist. Hessen liegt ungefähr im Durchschnitt des Bundes.

Die Schwankungen, die es dort gibt und die ich Ihnen eben aufgezeigt habe, müssen dann über diese komplizierten Mechanismen des Länderfinanzausgleichs ausgeglichen werden. Ein ähnliches System finden wir bei der Kraftfahrzeugsteuer vor.

Ich frage:Wäre es nicht sinnvoller,das Aufkommen derart schwankender Steuern dem Bund zuzuweisen und den Ausfall der Einnahmen bei den Ländern durch die Zuweisung zusätzlicher Umsatzsteuerpunkte auszugleichen? Dann könnte man auf einen Teil der komplizierten Mechanik des Länderfinanzausgleichs verzichten. Das würde zu weit mehr Transparenz führen.

Man könnte in diesem Zusammenhang auch über die progressive Einkommensteuer nachdenken. Diese Art der Einkommensteuer führt zu der vom Bundesgesetzgeber durchaus gewollten stärkeren Belastung der höheren Einkommen. Sie führt aber auch dazu, dass die wirtschaftlich stärkeren Bundesländer überproportional an dem Steueraufkommen beteiligt sind. Deswegen benötigen wir dann wieder die Ausgleichsmechanismen, die ich eben schon vorgestellt hatte.

Warum kommen wir nicht zu einem System, das dazu führt, dass den Ländern ein verlässlicher Sockelbetrag zusteht? Die Schwankungen in der Spitze könnten dann dem Bund zugewiesen werden. Schließlich ist es auch der Bund, der viel besser auf konjunkturelle Einflüsse reagieren kann und muss. Er kann das viel besser als die Länder.

Wenn wir darüber nachdenken wollen, den Länderfinanzausgleich wirklich neu zu gestalten, dann werden wir ein hartes Stück Arbeit haben. Dann kann man nicht einfach nur an dem System ein bisschen herumdoktern und neue Mechanismen oder eine neue Anreizschleife schaffen. Vielmehr muss das dann grundsätzlich angegangen werden.

Herr Milde, ich hätte es mir in der Tat gewünscht, dass der Antrag der CDU-Fraktion ein Stück weit über den Status quo hinausweist. Sie haben aber nur Messer und Gabel ausgepackt und dem Finanzminister in die Hand gedrückt, damit er dazu beitragen kann, dass der Kuchen in Berlin ordentlich verteilt wird. Das, was wir haben, sollen wir also behalten und ordentlich verteilen.

Ich glaube, so geht das nicht. Wir müssen schon ein bisschen weiterdenken und dürfen nicht nur gucken, dass wir ja unseren Anteil behalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Finanzminister, Ihre Klage, Hessen werde durch den Länderfinanzausgleich stark gebeutelt, haben wir alle im Ohr. Ihre Presseerklärungen dazu haben die Kollegen vorgestellt. Ich kann Ihnen dazu nur Folgendes sagen: Ich habe einen Bekannten, den ich nur bei Familientreffen immer wieder einmal sporadisch treffe. Jedes Mal, wenn ich ihn treffe, ruft er: Da kommt Sigrid, die Finanzbeamtin. Bleib mir bloß vom Hals. Meine Abschlusszahlung zur Einkommensteuer war sehr hoch.

Ich sage dann zu ihm: Gerd, weißt du, so viele Steuern wie du möchte ich auch einmal zahlen. – Alle in der Runde wissen: Der Gerd, das ist derjenige, der von uns am meisten verdient. Deswegen ist er auch derjenige, der von uns allen am meisten in die Solidarkasse einzahlen muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))