Protocol of the Session on March 29, 2006

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Weimar und Herr Milde, in diesem Sinne möchte ich Ihnen sagen: Wir brauchen sicher Ausgleichsmechanismen. Aber wir brauchen Ausgleichsmechanismen, die nicht dieses Karussell in Gang setzen und jedes Mal diese komplizierte Gestaltung bedeuten. Das bisherige Klagelied soll nur von den eigenen Versäumnissen ablenken.

Ich habe vorhin schon gesagt:Wozu soll dieser Antrag eigentlich dienen? Der Beweihräucherung der Haushaltsergebnisse und dessen,was wir aus den Presseerklärungen schon einmal vorgetragen bekommen haben.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das ist ein guter Grund!)

Mein Anspruch an Debatten im Landtag ist ein anderer, als nur die Erfolge der Regierung abfeiern zu wollen. Herr Milde, wenn Sie das wollen, dann muss ich Ihnen sagen: Sie haben zum Eingang Ihres Vortrags eine Tabelle vorgelegt, wonach die Pro-Kopf-Einzahlung in den Länderfinanzausgleich 261 c beträgt. Ich konnte nicht ganz abgleichen, wo Sie diese Zahl herhaben. Denn wenn ich sie umrechne und mit den Zahlungen vergleiche, die Hessen in den Länderfinanzausgleich geleistet hat, komme ich auf andere Zahlen. Sie haben einfach die Zahlen umgedruckt, die, ich glaube, in einer Presseerklärung der SPD auf Bundesebene herausgegeben worden sind, und dann nicht mit den eigenen Zahlen abgeglichen, die wir in Hessen haben. Denn hätten Sie es auf die eigenen Zahlen bezogen,die wir der schönen Tabelle entnehmen konnten, die der CD-ROM beigefügt ist, wären Sie auf deutlich weniger gekommen, nämlich 213 c pro Einwohner.

Nur noch so viel dazu, wie die Anträge aufbereitet werden. Wenn wir uns über eine solche Form von Anträgen unterhalten sollen, werden wir das nicht mitmachen. Wir haben andere Ansprüche als nur Jubelanträge.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Herr Finanzminister.

(Reinhard Kahl (SPD): Jetzt bekommen wir alles erklärt!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist dringend notwendig, dass wir dieses Thema im Hessischen Landtag intensiv diskutieren.

(Reinhard Kahl (SPD): Aber auf einer vernünftigen Grundlage!)

Denn aus meiner Sicht drohen Gefahren, die das Land Hessen zusätzlich stark belasten würden.

Ich will zuerst eine Vorbemerkung zu der derzeitigen Situation machen.Wir,der Ministerpräsident und ich,haben 2001 in sehr langwierigen und extrem schwierigen Verhandlungen eine neue Verteilung im Länderfinanzausgleich vereinbart. Auslöser war damals das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das Problem war, dass viele erkannten, was das Verfassungsgericht wollte, dass es aber nicht so explizit im Urteil stand, dass man daraus un

mittelbare Handlungsanleitungen hernehmen konnte. Die Schwierigkeit war, dass elf oder zwölf Länder Nehmer und vier oder fünf Länder Geber sind – ich sage das bewusst, weil Nordrhein-Westfalen immer um die Nulllinie herum schwankt – und von daher die Frage der Mehrheiten ausgesprochen schwierig ist, um es an der Stelle vorsichtig auszudrücken.

Was im Moment passiert, ist ein sehr ärgerlicher Vorgang, auch unter der Betrachtung:Was ist mit den Stadtstaaten, was ist mit dem Saarland, was ist überhaupt mit den finanzschwachen Ländern? Denn wir haben seit 2005 einen neuen Länderfinanzausgleich, und kaum dass er in Kraft getreten ist, wollen das Land Berlin und jetzt auch noch die Länder Bremen und Saarland diesen ausgehandelten Kompromiss nicht mehr akzeptieren. Das ist etwas, wogegen wir uns wehren müssen. Lesen Sie einmal die Begründung, was der Finanzsenator des Landes Berlin, Sarrazin, anführt, wie er meint, dass das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden habe, bei dem die mündliche Verhandlung am 26.April dieses Jahres angesetzt ist. Er sagt, die Schulden- und/oder Zinsbelastungen im Verhältnis zu den Einnahmen sollten in Zukunft Maßstab für die Zahlungen sein, die die betreffenden Länder erhalten. – Meine Damen und Herren, das wäre doch die Öffnung aller Türen.Je schlechter man wirtschaftet,desto mehr Geld bekommt man, und bezahlen müssten es die Länder, die sparsam antreten.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Ich muss sagen, das ist nicht akzeptabel. Wir stehen zum bündischen Prinzip. Wir stehen auch dazu, dass wir Vereinbarungen getroffen haben. Aber wir können es auch den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Hessen nicht zumuten, dass versucht wird, solche Mechanismen in den Länderfinanzausgleich hineinzubekommen. In dieser Frage hätte ich gern auch die Unterstützung des Hessischen Landtags – das sage ich ganz deutlich –, um klarzumachen, dass wir uns wehren würden, wenn diese Prinzipien Platz greifen würden. Denn der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Oettinger, Finanzminister Stratthaus wie auch die Bayern haben immer wieder erklärt, und ich will es an der Stelle auch tun:Wir stehen zu dem ausgehandelten Kompromiss.Aber für den Fall, dass daran nachdrücklich gerührt wird, müssten wir uns wehren. – Herr Kahl, dieses Wehren bedeutet nicht irgendwie ein einseitiges Aufkündigen oder was auch immer.

(Reinhard Kahl (SPD): Das haben Sie doch gesagt!)

Das habe ich nie gesagt, Herr Kahl, sondern ich habe gesagt, dann steht z. B. auch der Weg zum Bundesverfassungsgericht offen.

(Michael Boddenberg (CDU): So ist das! – Axel Wintermeyer (CDU): Richtig! – Reinhard Kahl (SPD):Aber Sie haben es anders gesagt!)

Meine Damen und Herren, es kann doch gar nicht anders sein. Worin ist denn der Vorwurf zu sehen, wenn ich das für das Land Hessen in einer solchen Phase erkläre, wenn die Länder Berlin, Bremen und Saarland vor dem Bundesverfassungsgericht unter anderen Prinzipien antreten, um eine Aufkündigung dieses Kompromisses zu erreichen? Ich weise auch einmal darauf hin:An der Stelle wird gesagt, die Klage richte sich gegen den Bund, der Bund möge bezahlen. – Der Bund hat schon eindeutig erklärt, dass er für den Fall, dass mehr zu bezahlen wäre, die

Länder heranziehen wird. Da geht es möglicherweise um den Umsatzsteuervorwegausgleich oder was auch immer.

(Reinhard Kahl (SPD): Aber das ist doch auch nur einvernehmlich zu beschließen!)

Jedenfalls ist die Bedrohung in dieser Frage doch maximal. Herr Kahl, ich kann nicht verstehen, dass Sie daraus nun einen Streitpunkt machen, sondern der Hessische Landtag müsste das Forum sein, in dem wir uns gemeinsam dagegen wehren.

(Beifall bei der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Das habe ich doch gesagt!)

Meine Damen und Herren, ich habe in jeder öffentlichen Erklärung in der Vergangenheit gesagt, wir stehen zu dem im Jahr 2001 vereinbarten Kompromiss. Wir haben ihn nicht mit Begeisterung gefeiert, weil die Mehrheitsverhältnisse so sind, wie sie sind. Wir haben eine Verbesserung erwartet, die auch eingetreten ist. Dazu sage ich gleich noch etwas. Aber das System ist suboptimal. Es ist doch bitte schön immer noch möglich,dass man das an der Stelle sagt. Ich habe immer gesagt, wir stehen zu dem Kompromiss. Aber ich ärgere mich darüber – und ich finde auch, wir haben die Interessen des Landes Hessen zu vertreten –,dass es Länder gibt,die diesen Kompromiss mitgetragen haben, wie z. B. Berlin, Bremen und das Saarland, und gleichzeitig sagen:Wir werden vor dem Bundesverfassungsgericht andere Leistungen für uns erstreiten. – Über den Umweg Bund kommt es bei uns an, und wir werden noch mehr zur Kasse gebeten.

(Reinhard Kahl (SPD): „Aufkündigen“ haben Sie wörtlich gesagt!)

Meine Damen und Herren, 14,8 Milliarden c haben wir von 1999 bis 2005 in den Länderfinanzausgleich eingezahlt.Es ist doch zulässig,einmal darauf hinzuweisen,dass wir in der Zwischenzeit mit 8,6 Milliarden c Schulden dramatisch unter den Zahlungen liegen, die wir in den Länderfinanzausgleich geleistet haben. Herr Kollege Kahl, jetzt will ich Ihnen Folgendes dazu sagen, weil Sie behaupten,das sei alles gleich geblieben.Ich habe das einmal hochgerechnet. Von 1970, als der Länderfinanzausgleich anfing,bis 2005 haben wir ungefähr 31 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich eingezahlt. Ich habe es von 2003 ganz schnell extrapoliert.

(Norbert Schmitt (SPD): Sie müssen die KantherZeit herausnehmen!)

Hören Sie doch auf, Herr Schmitt. Schauen Sie sich die Wahlergebnisse an. Das ist doch besser.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ungefähr 31 Milliarden c haben wir bis 2005 in den Länderfinanzausgleich eingezahlt. Sie können auch die Zahlen bis 2003 nehmen, dann sind sie in der Relation für die Leistungen dieser Landesregierung noch besser. Da haben wir 27,7 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich eingezahlt und praktisch 27 Milliarden c Schulden gemacht.

(Norbert Schmitt (SPD): Wie schön ist die Welt ohne Länderfinanzausgleich!)

Das heißt, wenn wir in den Jahren von 1999 bis 2005 fast doppelt so viel in den Länderfinanzausgleich eingezahlt haben, als wir Schulden gemacht haben, muss es in den Jahren vorher so gewesen sein – das können Sie sich ausrechnen –, dass Sie deutlich mehr Schulden gemacht ha

ben, als Sie in den Länderfinanzausgleich eingezahlt haben. Das ist die Realität, das ist auch zu belegen.

(Beifall bei der CDU – Axel Wintermeyer (CDU): Genau das ist der Punkt! – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Nachdem Sie angemahnt haben, dass jeder selbst rechnen möge, rechnen Sie es aus. Sie werden sehen, das Ergebnis stimmt, sowohl von der Logik als auch von den Zahlen her. Es geht mir jetzt aber gar nicht darum; denn die Zeiten, als SPD und GRÜNE in Hessen regiert haben, sind lange vorbei. Es geht darum, dass wir steigende Belastungen haben.

(Reinhard Kahl (SPD): Im Gegenteil, das ist falsch! – Zuruf des Abg. Gerhard Bökel (SPD))

Mit 8,6 Milliarden c neuen Kreditmitteln und 14,8 Milliarden c Zahlungen in den Länderfinanzausgleich ist eine Größenordnung erreicht, die auch für das Land Hessen schmerzlich ist. Es geht doch gar nicht darum, ob wir uns hier um Haushaltspläne oder sonst irgendetwas streiten, sondern es geht darum: Was können wir uns für Hessen leisten? Da müssen Sie schlicht sehen – das ist der ärgerliche Punkt an der Stelle; ich will hier nicht zitieren, aber wir wissen es ja –, dass sich Nehmerländer in Teilen wesentlich mehr leisten, als sich z. B. Hessen, Bayern oder Baden-Württemberg leisten unter dem Gesichtspunkt, dass wir unsere Haushalte sparsam fahren und dass wir versuchen, mit dem Geld, das wir haben, auszukommen.

Ich nenne nur ein Beispiel, damit man weiß, worum es geht.Wenn das Land Bremen immer noch eine Ministerialzulage zahlt, obwohl es zehn Jahre lang Haushaltsnotlageland war,

(Axel Wintermeyer (CDU): Unglaublich!)

Geld von allen Seiten bekommen hat und sich nach zehn Jahren nichts geändert hat – auch wenn dieser Punkt sicher nicht zur Sanierung des Haushalts beiträgt, aber einfach symbolhaft dafür ist, was man macht –, dann liegt es auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Landes Hessen, dass wir gelegentlich einmal darauf hinweisen, dass das eigentlich nicht sein kann.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Erfurth, insofern ist es richtig, dass wir uns auch darüber unterhalten müssen, wie dies in ein vernünftiges System hineinzubringen ist unter dem Gesichtspunkt, dass es am Ende jeder machen kann, aber dann gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern verantworten muss, und nicht die Frage sein kann, dass er es horizontal und vertikal auf die anderen verteilt und sich diese Leistungen von anderen bezahlen lässt.

Das kann nicht sein. Wenn ein Bundesland – jetzt bleibe ich dabei – weiterhin eine Ministerialzulage zahlt, dann muss es gegenüber den eigenen Bürgern die Verantwortung dafür übernehmen, ob es sich das angesichts der Haushaltssituation leisten kann.

(Beifall des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Es kann nicht sein, dass die anderen Bundesländer das mitbezahlen. Das können Sie auch an anderen Stellen festmachen, z.B. daran, wie viel Kindergartengebühren im Saarland gezahlt werden.

(Zuruf des Abg.Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Darüber ärgerst du dich einfach. Das würden wir auch gerne machen. Aber es ist ein Haushaltsnotlageland. Ich finde, das ist ausgesprochen schwierig.

Die Zahlen sind hier genannt worden. Wir sind im Jahr 2005 der mit Abstand größte Zahler in den Länderfinanzausgleich gewesen.

(Reinhard Kahl (SPD): Der größte Zahler sind wir nicht! Sie müssen schon genau argumentieren,Herr Minister! Höchstens pro Kopf!)