Herr Kollege Boddenberg, vielen Dank. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen zu dieser Aktuellen Stunde vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 65 behandelt.
Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Föderalismusreform – Chancen nutzen) – Drucks. 16/5319 –
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das föderale Staatsprinzip der Bundesrepublik Deutschland ist fester Bestandteil unserer demokratischen Grundordnung.
Die vertikale Gewaltenteilung zwischen dem Bund und den Ländern ist eine Garantie für die Begrenzung der Macht und die Kontrolle der Macht.
Sie ist auch ein klarer Ausdruck dafür,dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes dem Zentralstaat eine klare Absage erteilt haben.
Aufgrund der historischen Erfahrung sind wir davon überzeugt, dass das föderale Prinzip gegenüber dem Zentralstaat eindeutige Vorteile hat.
Ich muss aber auch Folgendes feststellen: Es ist im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu Fehlentwicklungen gekommen. Dies betrifft die Gesetzgebung und Änderungen der Grundgesetzes. Das reicht bis hin zu der Situation, dass es zum Schluss auch zu wechselseitigen Blockaden gekommen ist. Dann stand der Ebene der Länder auf der einen Seite die Ebene des Bundes auf der anderen Seite gegenüber.
Es war daher dringend notwendig, dass sich die Parteien und Fraktionen des Bundestags,aber auch des Bundesrats und der Länder darüber verständigten, die Fehlentwicklungen dieses an und für sich vernünftigen Systems zu korrigieren. Ich sage es noch einmal: Vom Grundsatz her hat das föderale System im internationalen Vergleich erhebliche Vorteile.
Wir müssen aber auch selbstkritisch feststellen, dass es zu Fehlentwicklungen gekommen ist. Das muss jetzt korrigiert werden.Ich bin deshalb sehr froh,dass sich die große Koalition in Berlin darauf verständigt hat, viele der notwendigen Korrekturen vorzunehmen. Ich möchte hierbei die Neuordnung der Gesetzgebungsbefugnisse mit dem Ziel nennen, den Ländern mehr Entscheidungen zu überlassen. Ich möchte auch die vorgesehene deutliche Reduzierung der Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze nennen.
Ich will auch noch Folgendes hinzufügen, weil ich selbst Mitglied des Bundesrats und auch des Vermittlungsausschusses war:Es ist dringend erforderlich,dass diejenigen, die vom Wähler im Bundestag mit einer Mehrheit ausgestattet wurden, ihre eigenen politischen Programme dann auch durchsetzen können. Das entspricht dem Demokratieprinzip. Sie sollten nicht von einer anderen Kammer darin behindert werden können. Da geht es um eine Grundsatzfrage.Im Verlauf der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist dieses wechselseitige Geschehen unter parteipolitisch unterschiedlichen Vorzeichen erfolgt.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum hat dann die Regierung, der Sie angehörten, so viel blockiert?)
Soweit die GRÜNEN im Bundesrat vertreten waren, haben sie sich dort auch nicht besser als die Vertreter der anderen Parteien verhalten.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, wir sind immer besser als die anderen!)
Das müssen wir vom Grundsatz her hinsichtlich der Frage des effizienten Regierens und der Regierbarkeit eines Staates sehen.
Ich möchte auch die Reduzierung der Gemeinschaftsaufgaben mit dem Ziel anführen, dass die Verantwortlichkeiten klar zugeordnet werden können. Die Länder sollen mehr Autonomie beim Verwaltungshandeln und eine bessere Einbindung in die Entscheidungsprozesse auf der Ebene der Europäischen Union erhalten.
Ich freue mich, dass insbesondere diejenigen Punkte, die die Hessische Landesregierung in dem gesamten Diskussionsprozess immer wieder angemahnt hat, Berücksichtigung gefunden haben. Unsere Forderung war, dass es zu klaren Regelungen in der Bildungspolitik, also hinsichtlich der Schulen und auch der Hochschulen, kommt. Hier ist jetzt vorgesehen, dass die einzelnen Bundesländer klar die Verantwortung tragen.
(Beifall der Abg. Axel Wintermeyer und Gottfried Milde (Griesheim) (CDU) sowie des Abg. Michael Denzin (FDP))
Wir wollen, dass es zu einem Wettbewerb zwischen den einzelnen Bundesländern auf den Sektoren kommt, für
die sie zuständig sind. Dort muss es einen Wettbewerb um die beste Form der Förderung des Wohls der Bürger geben. Das betrifft z. B. die Bildungspolitik. Ich finde, das ist ein ganz spannendes Thema.
Ich begrüße ebenfalls ausdrücklich, dass die Länder mehr Verantwortung beim Strafvollzug, im Presserecht, beim Ladenschlussrecht und auch beim Beamtenrecht erhalten sollen. Dabei will ich klar und deutlich sagen, dass wir beim Beamtenrecht natürlich an die klaren und vernünftigen Vorgaben des Grundgesetzes gebunden sind. Ich finde es aber richtig, dass es in Zukunft hier von Land zu Land – ich sage es jetzt einmal untechnisch – unterschiedliche tarifliche Verabredungen geben können soll.
Als jemand, der die Interessen eines Landes zu vertreten hat, will ich aber auch klar und deutlich sagen: Der Bund wird künftig im Gegenzug Gesetze erlassen können, ohne bei jeder einzelnen Entscheidung zuvor die Zustimmung des Bundesrats einholen zu müssen.
Ich komme zu meinen letzten Sätzen. Ich bin froh, dass es zu einer Verabredung hinsichtlich dieser weit reichenden Reform des Grundgesetzes in Bezug auf den Föderalismus gekommen ist. Ich bin auch sehr froh darüber, dass ein weiterer Bereich, zu dem noch keine Regelungen gefunden werden konnten, nach Verabschiedung dieser Reform offenbar einvernehmlich angegangen werden soll. Ich meine den Länderfinanzausgleich. Da haben wir noch eine riesige Aufgabe vor uns.
Herr Dr. Wagner, vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Sarah Sorge für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Vielen Dank. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Wagner, „Föderalismusreform – Chancen nutzen“ lautet der Titel dieser Aktuellen Stunde. Dazu sage ich eindeutig: Ja, wir sollten die damit verbundenen Chancen nutzen, und zwar die Chance zur Nachbesserung. Denn das ist dringend nötig.
Es besteht Konsens darüber,dass wir eine Reform des Föderalismus brauchen. Eine Reform des Föderalismus ist sicherlich eine der wichtigsten Reformen, damit die notwendigen Weichenstellungen für eine gute Zukunft unseres Landes vorgenommen werden können. Das darf beim Kompetenzgerangel zwischen dem Bund und den Ländern nicht aus den Augen verloren werden.
Eine der wichtigsten Aufgaben für eine gute Zukunft dieser Gesellschaft – ich denke, darüber sind wir uns auch einig, wenn wir keine Sonntagsreden halten – besteht darin, eine gerechte Teilhabe aller an Bildung zu ermöglichen, und zwar von Anfang an.Außerdem muss die Qualität der Bildung und der Wissenschaft und der Forschung verbessert werden. Denn Bildung ist unsere Zukunftsressource Nummer eins und daher von zentraler Bedeutung für die zukünftige Entwicklung unseres Wohlstandes, der Beschäftigung, für das Mithalten im Wettbewerb und für die Innovationsfähigkeit.
Ein gerechter Zugang zur Bildung für alle, also unabhängig vom familiären Hintergrund, ist – ich will es jetzt nicht zu pathetisch machen – auch entscheidend für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Unsere Schulen und Hochschulen werden aber dieser für die Zukunft des Landes so wichtigen Aufgabe nicht in ausreichendem Umfang gerecht. Auch da sind wir uns doch sicherlich einig. Die Schulen schöpfen die Bildungsreserven nicht effizient genug aus. Sie fördern nicht gerecht und reagieren nicht flexibel genug auf neue Herausforderungen.
Auch die Hochschulen sind eher strukturkonservativ. Es ist auch kein Geheimnis, dass sie unterfinanziert sind. Sie müssen immer mehr Studierende mit verhältnismäßig immer weniger Mitteln ausbilden.
Das alles sind bundesweite und keine länderspezifischen Probleme. Der pure Menschenverstand sagt einem doch, dass es dann wirklich absurd ist, dass in Zukunft Dinge unmöglich sein sollen, die derzeitig alle einhellig loben.
In der Bevölkerung steigt die Zustimmung zur Ganztagsschule stetig. Eine bundesweit angelegte Initiative wie das Ganztagsschulprogramm – da ist der Bund an der Finanzierung beteiligt – wird nach dem bisherigen Verhandlungsergebnis künftig nicht mehr möglich sein. Wenn der Ausbau der Ganztagsbetreuung und der Ganztagsschulen aber von der Finanzkraft der einzelnen Länder abhängen würde, würde das im Klartext bedeuten, dass solche wichtigen Projekte in Zukunft nicht mehr ausreichend finanziert würden.Wir fordern schon seit langem einen Ausbau des hessischen Ganztagsschulprogramms. Das haben wir beispielsweise bei der Diskussion um den Ausbau der G 8 besprochen.Aber das ist lange noch nicht in Sicht, obwohl diese Förderung bitter nötig wäre.