Protocol of the Session on February 23, 2006

Die Aufgabe des Wissenschaftsministers ist es doch, sich für seine Hochschulen und für eine Qualitätsverbesserung einzusetzen. Genau das tun Sie nicht. Im Gegenteil, Sie haben wieder einmal Ihre Hausaufgabe nicht gemacht. Das bisherige Berufsakademiengesetz hatte eine Berichtspflicht nach vier Jahren vorgesehen. Aber dieser Bericht liegt uns bis heute nicht vor.Vielleicht sollten wir uns deshalb zu diesem Thema noch einmal zusammensetzen und diesen Bericht auswerten.

(Eva Kühne-Hörmann (CDU), ein Papier hochhaltend: Hier ist der Bericht!)

Das ist schön.Dann stellen Sie ihn mir zu,und dann können wir gern darüber reden. Frau Kühne-Hörmann, ich hoffe wirklich, dass Sie hier noch zur Vernunft kommen.

Den Konsens der letzten Gesetzesberatung werden Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht erreichen – ganz im Gegenteil, denn eine Kriegserklärung an die Fachhochschulen ist gleichzeitig eine Kriegserklärung an eine vernünftige Wissenschaftspolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Siebel (SPD))

Ich habe allerdings die Hoffnung,dass wir uns auf unseren Konsens der letzten Gesetzesberatung zurückbesinnen, noch nicht verloren und hoffe in diesem Sinn und natürlich auch im Interesse der Fachhochschulen auf einen Austausch vernünftiger Argumente statt der bei Ihnen leider oft üblichen Gleichsetzungen von Mehrheit und Wahrheit. Meine Damen und Herren, hier werden Sie mit dieser Gleichsetzung leider nicht weiterkommen.

Ich hoffe, dass Sie Vernunft annehmen. Frau Kühne-Hörmann, ich freue mich, wenn Sie sagen, dass der Evaluationsbericht vorliegt. Es wäre nett, wenn wir ihn auch zugestellt bekämen. Dann können wir uns vielleicht erst darüber verständigen. Ich hoffe auf die Gesetzesberatung und darauf, dass wir hier doch noch dazu kommen, von diesem Gesetzentwurf in der bisherigen Form Abstand zu nehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Siebel für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es scheint eine etwas verwirrende Verhandlungslage zu sein. Herr Minister Corts hat einen Gesetzentwurf eingebracht,der die Handschrift – so sagt die FDP – einer Sozialdemokratisierung der CDU-Hochschulpolitik darstellt. Eines der wesentlichen Probleme, die Frau Kollegin Beer messerscharf herausgearbeitet hat, ist die Frage, was mit den Visitenkarten von Professoren, nachdem sie befristet angestellt worden sind, später passiert.

(Nicola Beer (FDP): Ich habe noch ein paar mehr Probleme aufgearbeitet!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte gerne herausarbeiten, dass nach unserem Verständnis dieses zum jetzigen Zeitpunkt vorgelegte Berufsakademiengesetz eine politische Willensbildung ist,aber kein Beitrag zur Verbesserung der Hochschulsituation im Lande Hessen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Staatsminister Corts, Sie haben dies in Ihren allerersten Sätzen sehr deutlich herausgearbeitet. Sie haben nämlich dieses Gesetz mit dem Regierungsprogramm oder dem Programm der CDU begründet –

(Nicola Beer (FDP): Das war noch das Beste!)

wie auch immer. Sie haben sozusagen dieses als Begründung für das Gesetz herangezogen und wenig über die Substanz herausgearbeitet, was das Gesetz eigentlich soll.

(Norbert Schmitt (SPD): Das macht uns nachdenklich!)

Zur Substanz möchte ich so viel sagen: Sie wissen, in der Stellungnahme der KHF wird gesagt:

Nur um eine in Hessen bisher randständige Einrichtung mit fragwürdiger bildungs- und wettbewerbspolitischer Argumentation fördern zu können, wird in Kauf genommen, dass bestehende staatliche Hochschulen in ihrer Leistungsfähigkeit geschwächt werden.

Das ist ein Zitat aus der Stellungnahme der Konferenz der hessischen Fachhochschulpräsidenten zu dem vorliegenden Gesetz. Ich will dazu sagen: Was heißt in diesem Zusammenhang „randständig“? – Nach dem uns heute – das ist schon kritisiert worden – zugegangenen Bericht an den Hessischen Landtag über die Entwicklung der Berufsakademien in Hessen geht es um eine Größenordnung von 0,36 % der Studierenden oder Auszubildenden, über die Bezeichnung wollen wir uns nicht streiten. Das kennzeichnet die Frage der Randständigkeit. Herr Staatsminister Corts, das wollen Sie ändern. Das scheint mir auch in Ordnung zu sein, zumindest vor dem Hintergrund, dass ich es unheimlich Klasse finde, dass es jetzt gelungen ist, die CDU-Hochschulpolitik zu sozialdemokratisieren.

Aber würde es uns gleichwohl gelingen, alle Studierenden oder Auszubildenden – wir wollen uns nicht über Begriffe streiten –, die momentan in Mannheim studieren, auch in Hessen an den Berufsakademien studieren zu lassen, dann würde es sich insgesamt, bezogen auf alle Studieren

den in Hessen, um ein Volumen von 1,09 % der Studierenden im Lande Hessen handeln. Das heißt, wir reden über eine randständige Erscheinung.

Die Präsidenten der Fachhochschulen haben durchaus Recht.Von daher ist die entscheidende Frage:Was wollen Sie – wenn es eine randständige Entscheidung ist – mit diesem Gesetz als Signal in die Hochschullandschaft senden? – Das ist das Entscheidende, was Sie damit tun wollen. Ich muss allerdings sagen: Ich interpretiere das so, dass das Signal, das Sie senden wollen, das ist, dass Sie von den massiven Problemen, die Sie momentan in Bezug auf die Finanzierung der staatlichen Hochschulen haben, mit diesem Gesetzentwurf ablenken wollen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Herr Staatsminister Corts, deshalb muss ich Ihnen einige der Zahlen vor Augen halten, die sich in dem Bericht „Hessische Hochschulen im Ressourcenvergleich: Sonderauswertung aus Finanzstatistik und Personalstatistik“ wieder finden. Beispielsweise wird dort ausgeführt, dass der Anteil der Grundmittel für Universitäten an den Staatsausgaben in Hessen zwischen 1996 und 1998 – diejenigen, die schon etwas länger dabei sind, wissen, wer zu dieser Zeit regiert hat – von 3,8 auf 4,1 % gestiegen ist. Allerdings ist dieser Anteil bis zum Jahre 2002 auf 3,7 % gefallen. Das heißt, er ist unter das Niveau von 1996 gefallen.

Kritisch ist, dass die Ausstattung der Studierenden insbesondere an den Fachhochschulen über die Jahre hinweg kontinuierlich schlechter geworden ist. Vor diesem Hintergrund ist es ein Problem, wenn Sie von den Fachhochschulen real Geld abziehen wollen, um es einer anderen Einrichtung, in diesem Fall den Berufsakademien, zur Verfügung zu stellen. Genau das ist mit der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Sie wollen den Aufbau einer neuen öffentlich geförderten Struktur, und diese Struktur soll verhältnismäßig kleinteilig ausfallen. Überall im Land wird darüber diskutiert – übrigens im Rahmen der Autonomie der Einrichtungen –, dass Fachhochschulen fusionieren und kooperieren wollen. Diese Diskussion wird durchaus auch von Ihnen getragen. Das heißt, dass größere Verwaltungseinheiten gebildet werden sollen, die zu effizienteren und – im Sinne einer guten wissenschaftlichen Entwicklung – auch besseren Ergebnissen führen.

Jetzt aber wollen Sie,auch noch mit staatlichem Geld,sehr kleinräumig orientierte Einheiten gefördert wissen. Herr Corts, ich muss Sie ernsthaft fragen, worin, fachlich gesehen, die innere Logik besteht. Oder ist mein Vorwurf ist richtig, dass Sie von dem eigentlichen Problem der Unterfinanzierung der Hochschulen ablenken wollen?

(Norbert Schmitt (SPD): Das will er auch!)

Drittens. Wir haben ein Problem damit, wenn die Haushaltsmittel für die Hochschulen reduziert werden. Sie haben von diesem Rednerpult aus gesagt, das sei nicht Ihre Absicht. Dagegen spricht, dass Sie in dem Gesetzentwurf darauf verweisen, dass Sie die Berufsakademien in den Hochschulpakt einbeziehen wollen, nachdem der jetzige ausgelaufen ist.

(Zuruf von der CDU)

Sorry, das steht in dem Gesetzentwurf. Das ist einer der Vorschläge. Aber das alles können wir in den Ausschussberatungen noch ändern. Das ist kein Problem. Auf die Anhörung komme ich auch noch einmal zu sprechen.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Die SPD-Fraktion kann sich sehr wohl vorstellen, das zu machen, aber nur, wenn es der Landesregierung gelingt, mit neuem Geld bei den Berufsakademien einzusteigen.

(Beifall bei der SPD)

Im Sinne der Wirtschaftsförderung halte ich es für durchaus richtig, das zu machen. Diesen Weg könnten wir sehr gut mitgehen. Insofern liege ich gar nicht so falsch, wenn ich davon spreche, dass sich eine Sozialdemokratisierung der CDU-Hochschulpolitik vollzogen hat.

Als ein weiteres Argument werden immer wieder die Standards der Berufsakademien genannt. Diese Standards haben Sie nun auch geändert. Auch wir haben mit den Vertretern der Berufsakademien gesprochen.Aus unserer Sicht muss ich sagen:Wenn es der Wunsch ist,an dieser Schraube zu drehen – was den 40-prozentigen Anteil an fest angestelltem Personal angeht –, gehört das nicht zum Zentrum dessen, worum wir kämpfen.

(Nicola Beer (FDP): Im Zweifelsfall wird die Qualität abgesenkt!)

Zumindest in modernen Systemen wird aber die Qualität an den Hochschulen, im Übrigen auch an den Berufsakademien, über die Akkreditierung geregelt. Ich habe den Bericht zwar heute erst bekommen, habe ihn aber zumindest einigermaßen quer gelesen. Bei allen fünf Berufsakademien wird großer Wert darauf gelegt, dass sie einen hohen Anteil an fest angestelltem wissenschaftlichem Personal haben. Das ist sogar eine Akkreditierungsvoraussetzung. Von daher ist auch dieser Punkt vor dem Hintergrund einer fachlichen Analyse sehr kritisch zu beurteilen,

(Beifall bei der SPD)

oder ich habe Recht, wenn ich sage, Sie machen das nur, um von der Unterfinanzierung der Hochschulen abzulenken.

Ein weiterer Punkt. Herr Staatsminister Corts, Sie haben in dem Bericht, den wir jetzt bekommen haben, auch ausgeführt, dass der Gesetzentwurf unter anderem auf einer Erörterung mit Firmenvertretern vom 11.05.2005 basiert. Ich finde es gut, das mit Firmenvertretern zu erörtern. Auch wir haben das gemacht. Ich muss allerdings sagen – das meine ich gar nicht vorwurfsvoll –, dass es ein durchaus zäher Prozess war, die Firmenvertreter an den Punkten, wo die Berufsakademien sozusagen politisch in Rede standen, zu einer Darlegung zu bewegen

(Norbert Schmitt (SPD): Das kann man wohl sagen!)

auch Herr Kollege Schmitt weiß, wovon ich spreche –, was sie sich unter einer wissenschaftsnahen Ausbildung vorstellen und wie sie das organisieren wollen.

Von daher bin ich sehr gespannt. Ich muss sagen, der gestrige Abend, an dem wir uns mit Vertretern der privaten Hochschulen getroffen haben, war für mich sehr aufschlussreich. Ich habe diejenigen, die bei uns am Tisch saßen, gefragt: Wie steht ihr zu dem Berufsakademiengesetz? Sie haben das wahrscheinlich auch gemacht. Die Vertreter der privaten Hochschulen wiederum haben gesagt, dass sie es, zumindest in der ganz besonderen Situa

tion, in der sich Hessen befindet – das tauchte vorgestern im Zusammenhang mit der Diskussion über die Entwicklung des Bankenstandorts Hessen auf –, für ein schwieriges Unterfangen halten, ein solches Berufsakademiemodell in einem Land umzusetzen, in dem die Berufsakademien keine so lange Tradition haben wie in den Ländern, wo sich die großen Vorbilder befinden, die uns hier immer wieder vorgeführt werden.

Ich würde es für sehr klug halten, wenn wir uns im Rahmen der Anhörung – das finde ich ganz spannend vor dem Hintergrund, dass dieses Gesetz angeblich eine sozialdemokratische Handschrift trägt – an diesem Punkt des Fachverstands der Vertreter der privaten Hochschulen bedienten und sie fragten, was sie von diesem Gesetz halten. Gestern Abend hat es sich so angehört, als ob sie den Berufsakademien, was diesen Punkt betrifft, außerordentlich kritisch gegenüberstehen würden.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. Ich glaube, es ist dringend geboten, diesen Gesetzentwurf, der politisch motiviert ist, in ein ordentliches Anhörungsverfahren zu geben; denn ich bin fest davon überzeugt, dass Berufsakademien in Hessen durchaus eine bedeutende Rolle spielen sollen.Darin sind wir uns alle einig.Soweit ich weiß,ist das letzte Berufsakademiengesetz im Hessischen Landtag einstimmig verabschiedet worden. Wir wissen, dass Gesetze aus dem Hochschulbereich,die im Hessischen Landtag einstimmig verabschiedet werden, relativ tragfähig und weitreichend sind.

Ich glaube, dass wir in einer ordentlichen Anhörung die Chance haben – durchaus mit Verbesserungen seitens der Opposition im Hessischen Landtag –, zu einer Lösung zu kommen, die wir gemeinsam tragen können. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ausschließlich politisch motiviert. Er muss inhaltlich begründet werden. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)