Herr Kollege, wir sind das einzige Land, in dem alle Polizeibeamtinnen und -beamten eine qualitativ sehr gute Fachhochschulausbildung erhalten.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat das eingeführt? – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ja, das wollten wir gemeinsam. – Ich will auf Folgendes hinweisen, damit wir das richtig zusammenbringen: Wir haben in den zurückliegenden Jahren – passen Sie auf, damit jeder weiß, was wir hier leisten – über 300 Millionen € zur Finanzierung dieser Entscheidung zusätzlich aufgebracht.Wir zahlen in diesem Jahr 34 Millionen € mehr, als wir ohne diese Umstellung hätten bezahlen müssen.Wenn Sie diesen Betrag in Stellen umrechnen, dann kommen Sie auf 1.100 Polizeistellen, die andere Länder mehr haben, weil sie die zweigeteilte Laufbahn nicht umgesetzt haben.
Wir haben bei der zweigeteilten Laufbahn eine Grundentscheidung getroffen, weil wir hoch qualifizierte und sehr gut bezahlte Polizeibeamtinnen und -beamte haben wollten. Das einzige Bundesland, das das macht, braucht sich von niemandem – auch von niemandem,der,wie Frau Zypries, Mitglied der Bundesregierung ist – vorhalten zu lassen, es würde für seine Polizeibeamten nichts tun. Das, was wir tun, ist hervorragend.
Ich habe darauf hingewiesen, dass eine wesentliche Säule der Polizeiarbeit eine klare und stringente Strategie ist. Zu dieser klaren und stringenten Strategie gehört, dass wir uns ständig mit der Frage beschäftigen:Wie setzen wir die Kräfte intelligent ein, und wie schaffen wir es, die Präsenz der Polizei vor Ort noch stärker zum Tragen zu bringen? Genau hier setzt „Raus aus der Wache, ran an den Täter“ an. Ich habe eine Präsenzoffensive mit diesem Titel in Auftrag gegeben, die folgende Grundgedanken hat. Wir alle wissen, dass die Polizei dann, wenn sie auf der Straße ist, mehr mitbekommt und besser in der Lage ist, präventiv zu arbeiten oder zu ermitteln, wenn es zu Straftaten gekommen ist.
Jedes Polizeipräsidium hat einen entsprechenden Auftrag erhalten. Die Fachleute wissen das.Wir haben Polizeipräsidien in Südhessen, in Mittelhessen, in Kassel und im Westkreis Offenbach. Ich kann nur sagen: Die Ergebnisse sind mehr als eindrucksvoll. Es sind zur Stunde zwar nur Zwischenergebnisse, aber ich lese hier z. B., dass wir im Bereich Viernheim/Lampertheim die Zahl der uniformierten Fußstreifen aufgrund veränderter struktureller Vorgaben bei gleicher Personalstärke verdoppeln konnten und dass wir die Zahl der nicht uniformierten Streifen, also der Kriminalbeamtinnen und -beamten und derjenigen, die verdeckt arbeiten, sogar verdreifachen konnten.
Die Tatsache, dass wir in einigen Bereichen seit einem Jahr einen konstanten Rückgang der Kriminalität haben, zeigt doch, dass das ein vernünftiges System ist. Das zeigt auch, dass die Polizei vor Ort vertreten bleibt. Die Diskussion um die Schließung von Polizeistationen ist überflüssig. Das habe ich immer wieder gesagt. Die Beantwortung der Frage, wie wir die Polizei intern organisieren, welche Sondereinheiten wie zusammengefasst werden, ist hingegen eine Aufgabe polizeilicher Strategie und Taktik. Das, was dort geschieht, ist nachweisbar erfolgreich und sinnvoll. Deshalb werden wir das Stück für Stück auf dieser Ebene weiter ausbauen.
Wenn wir von „Effizienz der Kräfte“ sprechen, dann muss man noch einmal die Wachpolizei erwähnen. Die Wachpolizei leistet seit vier Jahren hervorragende Arbeit. Sie wird insbesondere im Objektschutz, aber auch im Ermittlungsdienst und Erkennungsdienst eingesetzt. Diese Kräfte entlasten unsere Spezialisten,die an der Fachhochschule ausgebildet wurden. Es geht doch immer um die Frage: Habe ich für eine bestimmte Aufgabe die richtige personelle Antwort? Ist es richtig, an jeder Stelle einen Oberkommissar hinzustellen, oder kann man eine bestimmte Aufgabe auch von einem Angestellten vernünftig erledigen lassen? Wirkt das an der Stelle für die Vollzugspolizei entlastend, damit diese in den Bereichen, wo wir sie dringend brauchen, eingesetzt werden kann? Die Erfahrungen zeigen: Die Entscheidung für die Wachpolizei war richtig. Wir werden zu gegebener Zeit dieses Instrument konsequent weiter ausbauen.
Ich habe von „mehr Präsenz“ gesprochen. Mehr Präsenz bedeutet auch mehr Bürgernähe. Damit kommen wir zu einer neuen Qualität von Polizeiarbeit. Hierzu gehört der Schutzmann vor Ort. Der Schutzmann vor Ort wird jetzt Stück für Stück eingeführt. Das bedeutet, dass eine Beamtin, ein Beamter für einen bestimmten Wohnbereich, einen Ortsteil, einen Stadtteil persönlich als Kontaktbeamtin bzw. -beamter zur Verfügung steht. Die Damen und Herren, die dort wohnen, kennen ihn, kennen sie, und er
bzw. sie kennt umgekehrt die Leute, die dort wohnen. Der Schutzmann vor Ort hat Milieukenntnisse und Personenkenntnisse. Das schafft auf der einen Seite Vertrauen, und auf diese Weise kommt man zu mehr Informationen. Das ist für die polizeiliche Arbeit sinnvoll.Dieses Modell kann man zwar nicht bei allen hessischen Dienststellen quasi über Nacht einführen, aber wir bauen das Stück für Stück aus.
Wir haben – auch das ist ein Erfolg unserer Technikoffensive – die Polizeibeamtinnen und -beamten mit Laptops ausgestattet, sodass sie unmittelbar vor Ort Informationen aufnehmen können, die, wenn sie auf die Wache zurückkommen, automatisch in das System eingespielt werden können. Auf diese Weise müssen wir nicht zig Vorgänge nachträglich aufnehmen. Das spart Zeit, das spart Arbeitskraft, und das führt dazu, dass wir in der polizeilichen Arbeit ständig besser werden.
Mehr Bürgernähe bedeutet auch die Nutzung moderner Technik. Hessen ist das erste Land, das eine Online-Wache eingeführt hat. Das bedeutet, die Bürger können über das Internet ihre Informationen und auch Strafanzeigen direkt eingeben. Das gibt es bisher nur in Hessen. Das haben wir im letzten Jahr eingeführt. Mittlerweile sind auf diesem Weg über 3.000 Strafanzeigen eingegangen. Wir werden dieses System weiter ausbauen.
Insbesondere im Bereich des Einzelhandels und großer Kaufhäuser kommt es zu einer Fülle bestimmter Straftaten, z. B. Ladendiebstählen. Wir möchten mit den Betroffenen einen Vertrag schließen, dessen Inhalt wie folgt lautet: Liefert uns das über die Online-Wache, dann haben wir einen wesentlich geringeren Erfassungsaufwand. – Das wären allein im vergangenen Jahr rund 20.000 Straftaten gewesen. An diesen Beispielen kann man zeigen, wie eine vernünftige Ausstattung, kluge Strategien und ein dynamischer Wechsel in den Aufgabenstellungen die polizeiliche Arbeitskraft immer wieder verändern, verlagern und dorthin bringen, wo sie gebraucht wird.
Wenn wir von mehr Bürgernähe sprechen, dann gehört hierzu auch eine rasche Information der Bürgerinnen und Bürger. Wer vorher informiert ist, der ist auch besonders wachsam. Deshalb unterstützen wir quer durch das Land sämtliche Frühwarnsysteme, die in der Regel so laufen, dass die Polizei an das Telefonsystem angeschlossen ist, über Ringmaster oder andere Systeme. Auf diesem Weg kann die Bevölkerung frühzeitig informiert und auch gewarnt werden, und umgekehrt kann der Bürger über sein Telefon die Polizei entsprechend informieren, wenn er etwas mitbekommt.
Damit das nicht so theoretisch klingt, will ich Beispiele nennen. Wenn Drückerkolonnen in einer Gegend unterwegs sind,wenn ein Kind verschwunden ist,wenn Rowdys unterwegs sind, die Autos zerkratzen und Spiegel abbrechen, sollte man nicht warten, bis sich einer erbarmt und die Polizei anruft,sondern man sollte sich als Teil einer aktiven Bürgergesellschaft selbst in ein System einbringen, das die Bürger nichts kostet und das aufgrund moderner Technologie sehr einfach handhabbar ist. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Vereinen und Kommunen in Hessen, die da mitmachen. Davon gibt es mittlerweile eine ganze Reihe. Diese Aktivitäten, die man unter das Stichwort „wachsame Nachbarn“ fassen kann, sind wichtig, und sie zeigen ganz deutlich, dass die Gewährleistung der inneren Sicherheit mehr als nur die engere Polizeiarbeit umfasst. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe,
Wenn wir hier auf Dauer erfolgreich sein wollen, müssen wir diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe aber breiter fassen. Unverzichtbare Partner sind dabei die Kommunen und die Bürger.Wir müssen bereit sein, Scheuklappen abzulegen, vertraute ideologische Gräben zuzuschütten und zu überlegen, was eigentlich sinnvoll ist.
Wenn wir auf diese Weise neue Wege beschreiten, dann gehört hierher ein Wort zum Thema freiwilliger Polizeidienst. Der freiwillige Polizeidienst ist für die Bürgerinnen und Bürger eine Möglichkeit, einen Beitrag zur Sicherheit zu leisten.
Sie leisten diesen Beitrag, und sie tun das mit großem Erfolg. Der freiwillige Polizeidienst ist ein Erfolgsmodell.
Mehr als 510 Männer und Frauen unterschiedlicher Herkunft,unterschiedlicher Berufe und unterschiedlichen Alters leisten diesen Dienst in mittlerweile 83 Städten und Gemeinden in Hessen. Wir haben eine ganze Anzahl von Städten, die solche Verträge noch mit uns schließen wollen. Ich begrüße das und halte das auch für richtig.
Meine Damen und Herren, sie sind auch beim Bürger anerkannt. Wir wissen es aus vielfältigen Untersuchungen: Die Bürger sind dankbar, wenn Ansprechpartner als Partner für Sicherheit da sind.
Sie sind dankbar, wenn abends in einer Fußgängerzone, in der in der Regel niemand ist, jemand da ist, der sich um diese Dinge kümmert, in den großen Parks, in den Friedhöfen, auf den Spielplätzen – wo immer Sie wollen.Wenn mittlerweile 83 Städte und Gemeinden das mit uns machen, dann ist jeglicher Verdacht überflüssig, das sei eine parteipolitische Nummer.
Vielleicht heitert das die Dinge auf. Herr Kollege Rudolph, Ihr Vorgänger war der Kollege Schaub. Ich weiß nicht, wie oft ich das mit ihm hier im Hause verhandelt habe. Ich habe mich über eines unheimlich gefreut und bedanke mich dafür.– Ich rede jetzt nicht als Minister:Für einen CDU-Mann war die Bürgermeisterwahl in Baunatal nicht so erfolgreich, wie gedacht.
(Günter Rudolph (SPD): Das ist freundlich formuliert! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist vorsichtig gesagt! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Jetzt kommt das Aber!)
Jetzt kommt das Aber. Herr Schaub wurde Bürgermeister von Baunatal, dieser wichtigen Stadt in Nordhessen. Eine seiner ersten Maßnahmen war es, sechs freiwillige Polizeihelfer für Baunatal einzustellen. Meine Damen und Herren, das war doch prima.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU – Dr. Chris- tean Wagner (Lahntal) (CDU): Mit dem Amt kam der Verstand!)
Frau Staatssekretärin Scheibelhuber hatte die Freude, das gemeinsam mit Herrn Bürgermeister Schaub auf den Weg zu bringen. Ich bedanke mich sehr.
Ich möchte einen Gedanken hinzufügen, der mir besonders wichtig ist.Schauen Sie,in dem Gebiet,in dem wir uns befinden – sagen wir einmal grob, von Wiesbaden bis nach Aschaffenburg, aber nicht nur; als Beispiel –, werden wir in 25 bis 30 Jahren Migranten als Mehrzahl der aktiven Bevölkerung haben. Wenn wir unseren Sicherheitsgewährleistungsauftrag auf Dauer erfüllen wollen – und das wollen wir doch gemeinsam –, dann ist es unabdingbar, dass wir Partner für Sicherheit aus dem Kreis dieser Mitbürger und Mitbürgerinnen gewinnen.
Jetzt frage ich Sie einmal:Welches Instrument ist dafür geeigneter als der freiwillige Polizeidienst? Wir stellen bei der hessischen Polizei Menschen mit Migrationshintergrund ein.
Sie – und wir haben das fortgesetzt. Aber mit den paar Personen allein kann ich das nicht schaffen. Denn sie brauchen heute Abitur und müssen studieren, und bis wir so viele von denen haben, ist die Aufgabe nicht vernünftig erfüllt. Beim freiwilligen Polizeidienst aber müssen sie nicht einmal deutscher Staatsbürger sein, da dürfen sie nur nicht vorbestraft sein. Wenn sie beim freiwilligen Polizeidienst sagen: „Jawohl, ich mache da mit“, dann erreichen wir zwei Dinge:Wir gewinnen Partner für Sicherheit aus einem Bereich, den wir in der Regel sonst nicht erreichen; und wir finden Menschen, die uns Milieu- und Sprachkenntnisse und in vielerlei Hinsicht vieles für Sicherheit geben können.Wenn Sie also die Frage der Integration mit der inneren Sicherheit verbinden, ist nichts so sinnvoll wie der freiwillige Polizeidienst als Einladung an Bürgerinnen und Bürger, dort mitzumachen.
Wenn ich dann höre:„Stellt doch Polizisten ein!“,kann ich nur sagen: So ein abstruser Unfug. 510 Personen stehen immer genau dann zur Verfügung, wenn die hauptberufliche Polizei etwas anderes tun muss.
Deshalb:Wer den freiwilligen Polizeidienst so ideologisch bekämpft,der hat nicht ansatzweise verstanden,worum es dabei eigentlich geht.
Meine Damen und Herren, freiwilliger Polizeidienst bedeutet nicht Abkehr von hauptberuflicher Polizei oder etwas anstelle von Polizei, sondern das bedeutet zusätzliche Möglichkeiten für Sicherheit. Ein Land, das freiwillige zusätzliche Sicherheit gewinnen kann, wäre schlecht beraten, diese nicht in Anspruch zu nehmen.
Meine Damen und Herren, ein Wort zu den Kommunen. Die Kommunen müssen akzeptieren – das ist ihre gesetzliche Pflicht, aber es ist auch in der Sache richtig –, dass sie einen originären Sicherheitsauftrag haben, nicht nur im Ordnungsrecht.Es liegt auf der Hand:Nirgends kann man schneller und besser erkennen, wo sich in einer Gegend
etwas fehlentwickelt, wo Bedenken bestehen, wo Menschen Sorgen haben oder wo Zerstörung stattfindet. Das ist doch nicht zentral in Wiesbaden für 426 Städte und Gemeinden festzustellen,