Protocol of the Session on January 26, 2006

Dann könnten davon endlich auch diejenigen profitieren, für die wir uns das immer wünschen, nämlich die NichtAutobesitzer, die Jugendlichen und die älteren Menschen.

In diesem Zusammenhang wird immer wieder der Aspekt Sicherheit angesprochen. Ich glaube, man ist auf dem Holzweg, wenn man sagt, es sei zu unsicher, wenn die Läden abends noch geöffnet sind. Ganz im Gegenteil:Wenn die Städte abends belebter sind,weil die Läden noch offen sind,weil mehr Leute auf der Straße sind,dann erhöht das auch die Sicherheit. Gerade der Aspekt – ich komme aus Fulda, wo abends die Bürgersteige hochgeklappt werden –, dass die Innenstädte tot sind – –

(Heiterkeit – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Habt ihr schon Bürgersteige? – Gegenruf des Ministers Dr. Alois Rhiel)

Herr Rhiel, ich muss gestehen, ich habe Sie in Fulda noch nie nach 22 Uhr auf der Straße getroffen.

(Heiterkeit – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin, die Redezeit geht zu Ende.

Die Angst vor Veränderungen blockiert Entwicklungen. Wir sollten neue Entwicklungen nicht ständig schlecht reden, sondern wir sollten schauen, wie wir diese Chance nutzen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Denzin für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Hölldobler-Heumüller, mit dieser Rede waren Sie nicht auf dem Holzweg.

(Beifall bei der FDP)

Es ist sehr zu begrüßen, dass sich die GRÜNEN an dieser Stelle offensichtlich besonnen haben.

Ich weise allerdings einen Satz zurück, den Sie gesagt haben. Der liebe Gott ist nicht nur auf der rechten Seite. Ich denke, er ist für uns alle da.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber die Rechten müssen mehr büßen! – Heiterkeit – Michael Siebel (SPD): Die Landesregierung darf auch am Samstag büßen!)

Wer ihn am nötigsten hat, darüber können wir uns ein anderes Mal auseinander setzen. Das möchte ich hier nicht tun.

(Heiterkeit)

Herr Kollege Caspar, Sie haben auf die Gewerbefreiheit aus dem 19. Jahrhundert zurückgegriffen. Die von der Fraktion der CDU beantragte Aktuelle Stunde hat den Titel: Hessen immer einen Schritt voraus. – Ich habe einmal kurz überschlagen: Sie sind etwa 100 Millionen Schritte zurück, denn wir haben schon vor drei Jahren einen in etwa gleich lautenden Antrag gestellt, der bei der CDUFraktion auf Empörung und Ablehnung gestoßen ist. Wenn man unterstellt, dass man pro Stunde 4,5 Kilometer zurücklegen kann, dann sind Sie in diesen drei Jahren etwa 100 Millionen Schritte zurückgeblieben.

Worum geht es? Sie haben es eigentlich selbst begründet. Sie haben nur etwas länger gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu kommen. Es geht darum, dass sich der Staat nicht anmaßen soll, vorzuschreiben, wann jemand sein Geschäft aufmacht und wann nicht. Wir haben im Tarifrecht entsprechende Schutzregelungen, wir haben im Arbeitsrecht zusätzliche staatliche Schutzregelungen. Das heißt,vor drei,aber auch vor zehn oder 20 Jahren wäre ein Ladenöffnungsgesetz nicht nötig gewesen. Interessanterweise haben Sie die Aufhebung der Ladenöffnungszeiten beantragt. Das zeigt, dass Sie noch nicht ganz in der Gegenwart angekommen sind. Es geht hier nämlich um die Aufhebung der Ladenschlusszeiten, nicht um die Ladenöffnungszeiten.

Es ist ein Ausdruck dieser Gesellschaft und ihres Staatsverständnisses, dass wir bis ins Letzte alles vorschreiben, festhalten und festzurren, was in unseren täglichen Abläufen geschehen oder nicht geschehen soll.

Die Kollegen der FDP-Bundestagsfraktion haben vor etwa drei Jahren in Berlin eine parlamentarische Initiative eingebracht, die einen einzigen Satz umfasste. Da stand: Das Ladenschlussgesetz ist aufzuheben.

(Beifall bei der FDP)

Genau das ist der Punkt.Was geht es den Staat an – außer wenn es um die Feiertagsregelungen geht, zu denen wir voll und ganz stehen und die völlig unstreitig sind –, was die Tarifvertragsparteien untereinander regeln? Darüber hinaus geht es den Staat überhaupt nichts an, was hier geschieht. Ich kann Ihnen nur sagen: Besser als jedes INGEGesetz und besser als alle noch so verkrampften Bemühungen bringen wir dadurch Leben in unsere Innenstädte, dass wir sie lebenswert machen. Dazu gehört, dass die Geschäftsleute, die merken, dass sie auch abends etwas verdienen können, ihre Läden öffnen. Sie haben im Rahmen der Tarifverträge genügend Gestaltungsmöglichkeiten und Dispositionsfreiheiten, z. B. über 400-c-Jobs, derartige Ladenöffnungszeiten sogar wirtschaftlich zu gestalten. Das sollten wir nutzen.

Herr Caspar, ich bin dankbar, dass auch Sie das nach immerhin drei Jahren bemerkt haben. Ich kann nur sagen: Macht weiter so. Macht in der großen Koalition in Berlin den Weg frei. Dann schaffen wir hier in Hessen ein anständiges Feiertagsgesetz und lassen das Land aufblühen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Denzin. – Das Wort hat die Abg. Fuhrmann, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde hat den Titel: Hessen immer einen Schritt voraus. – Welche ein Zynismus. Hessen ist immer einen Schritt voraus – bei der familienfeindlichen 42-Stunden-Woche für die Landesbediensteten,

(Beifall bei der SPD)

bei der einzigartigen Zerschlagung der sozialen Infrastruktur in Hessen,

(Beifall bei der SPD)

bei der Auslese in den Schulen und der Ausgrenzung junger Menschen,

(Beifall bei der SPD)

bei dem Anstieg der Arbeitslosigkeit,

(Beifall bei der SPD)

bei dem tatlosen Hinnehmen einer miserablen Ausbildungssituation für die jungen Menschen,

(Beifall bei der SPD)

„voran“ mit dem fünften verfassungswidrigen Haushalt in Folge. Hessen ist immer einen Schritt voraus – aber leider in Richtung Abgrund.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme jetzt zu der von Ihnen geplanten völligen Freigabe der Ladenöffnungszeiten. Diese Diskussion ist wirklich nur noch ermüdend.Wir führen sie seit Jahren. Erlebniseinkauf gegen Arbeitsschutz, „Rund um die Uhr“ gegen Familienfreundlichkeit, mehr oder weniger Arbeitsplätze gegen mehr oder weniger Umsatz.

Zu dem, was der Kollege Denzin eben gesagt hat, möchte ich nur erwidern: Immerhin die Hälfte der Mitglieder des zuständigen Senats des Bundesverfassungsgerichts hat festgestellt,dass weder das Arbeitszeitgesetz noch das Betriebsverfassungsgesetz, noch die Tarifverträge geeignet sind, eine gesetzliche Grundlage, eine gesetzliche Grenze zu ersetzen. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP)

Nun wird im Rahmen einer Neuordnung der Zuständigkeiten das Ladenschlussgesetz vermutlich in die Hand Hessens, man kann sagen: in die Hände von Frau Lautenschläger, übergehen. Sie hat bereits angekündigt, die Läden könnten rund um die Uhr von Montag bis Samstag geöffnet sein.

Lassen Sie mich ein paar Reaktionen auf dieses Ansinnen zitieren. Frank Albrecht, Präsident des Hessischen und des Frankfurter Einzelhandelsverbandes, sagt dazu:

Wenn jede Beschränkung des Handels von Montag bis Samstag und gelegentlich Sonntag fallen sollte, würden Familienbetriebe und kleine Fachgeschäfte noch rascher den Stärkeren zum Opfer fallen als bisher. Eine solche Entscheidung wäre absolut mittelstandsfeindlich. Mindestens 20 % würden von der Neuerung nicht profitieren.

Weiter heißt es:

Es sind die Mittelständler unweigerlich im Nachteil. Und wer nach Tarif bezahlt, kann sich die hohen Nachtzuschläge nicht leisten. Die Discounter können das. Die stellen Minijobber

wir haben gerade gehört, das ist das Ziel –

und Studenten ein, was wiederum massiv Arbeitsplätze kosten wird.

(Beifall bei der SPD)

Der Hessische Einzelhandelsverband hat in einer ersten Reaktion auf die Entscheidung des Sozialausschusses – mit den Stimmen von CDU, FDP und GRÜNEN gegen die SPD gefasst – den Mehrheitspolitikerinnen und -politikern „amateurhaftes“ Verhalten vorgeworfen.

Der DGB kritisiert, dass von der geplanten Änderung rund 150.000 Menschen in Hessen betroffen wären,davon über 100.000 Frauen, von denen wiederum 15 % auf Kinderbetreuung angewiesen sind. Es wird darauf hingewiesen, dass die zusätzlichen Betreuungskosten vom Handel aufgebracht werden müssten.

Die DGB-Landesfrauensekretärin hat sich – ich zitiere – wie folgt geäußert: Enttäuschung äußerte die Landesfrauensekretärin Marita Eilrich besonders wegen der Zustimmung der GRÜNEN.Auch sie hätten sich in dieser Frage auf den Liberalisierungspfad begeben, ohne darüber nachzudenken, was das für die Beschäftigten und ihre Familien bedeute. – Dazu kann ich nur sagen: Das ist zutreffend.