Protocol of the Session on January 26, 2006

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg.Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich habe mit der Landesregierung die üblichen Probleme. Den berühmten Fünf-Punkte-Plan kannte ich vorher. Denn er wurde vorher von anderen – damals noch sozialdemokratisch regierten – Bundesländern vorgelegt, und von dort wurde er abgeschrieben.Abschreiben in der Politik finde ich gut – wer lernt, sollte nicht bestraft, sondern gelobt werden. Deswegen lobe ich die Landesregierung dafür, dass sie von der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen abgeschrieben hat. Ich lobe sie auch für die regionalen Pläne,die sie gemacht hat.Die Kritik ist wie immer die gleiche: zu klein, zu spät, zu kleinräumig und nicht auf lange Zeit gedacht.

An dieser Stelle mein zweiter Punkt. Ich glaube, wir müssen noch einmal darüber reden, wie das mit der Rolle des Staates ist, auch bei Innovationen. Ich erzähle Ihnen das schlicht aus meinem sehr persönlichen Umfeld. Ich habe mir im letzten Jahr ein neues Auto gekauft.

(Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Ich fahre einen Diesel, der verbrauchsoptimiert ist. Das tut jeder, der ökologisch denkt. Es ist ein deutscher Wagen. Dieser Wagen hat keinen Rußfilter.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Fehlkauf!)

Mit dem Kauf dieses Wagens habe ich den Rußfilter bestellt. Ich habe ihn immer noch nicht. Ich habe dann nachgefragt, bis zum Werk. Die Begründung ist: Ja, die Politik hat uns die Rahmenbedingungen nicht so gesetzt, dass wir das machen müssen; deswegen ist es für uns unökonomisch, das zu tun.

An dieser Stelle sage ich: Dann müssen wir, bitte schön, auch dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden, und nicht warten, bis andere das tun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe denselben Fehler gemacht, ich habe auch einen VW!)

Genau, genau. Jedenfalls habe ich dafür keinen Kredit aufnehmen müssen, und ich habe auch sonst nichts machen müssen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Ich habe auch keine Spenden annehmen und keine schlechte Werbung dafür machen müssen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Sie können Ihre Frage ja ordentlich als Zwischenfrage stellen.

Ich komme noch einmal auf die Frage, wo der Fokus liegt. Wenn wir das täten, was die politischen Rahmenbedingungen, die ich beschrieben habe, verlangen – nämlich klare Regeln setzen –, dann hätten wir das Darmstädter Problem nicht. Ich will das einmal so deutlich sagen. Man kann für oder gegen Verkehr in der Stadt sein – auch dazu hätte ich noch ein paar Anmerkungen,aber darum geht es jetzt nicht. Wir gehen einmal davon aus, dass alles so bleibt, wie es jetzt ist. Wer denn dafür sorgt, dass diese Lastwagen nicht nachgerüstet werden, der sorgt gleichzeitig dafür, dass die mittelständischen Betriebe nicht vernünftig arbeiten können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Das heißt, wir tun auch etwas für die Wirtschaft, wenn wir vernünftige Umweltpolitik machen.

Alles in allem:Auch ich bedanke mich für die Antwort auf diese Anfrage. Denn sie gibt überzeugend einen Gesamtüberblick. Ich glaube aber, dass wir zusehen müssen, dass das nicht nur ein Strohfeuer ist.Klammer auf:Auch Strohfeuer haben nette Feinstaubkurven. Klammer zu. Vielmehr müssen wir auch bei anderen Themen, die wir hier diskutieren, ein Stück weit dafür sorgen, dass die Kriterien, die jeder Redner hier aufgestellt hat, auch berücksichtigt werden. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Umweltminister Dietzel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Maßnahmen gegen Feinstaub – die einen nennen das blinden Aktionismus, die anderen gesundheitliche Notbremse.

Diese Diskussion habe ich in den letzten zwei Jahren nicht nur bei uns in Hessen, sondern auch auf der Umweltministerkonferenz erlebt. Sie war sehr breit gefächert. Man sieht dann, dass sich hier viele Fragen aufwerfen, wir aber keine einfachen Antworten darauf haben. Wir beschäftigen uns dabei mit einem Thema, das für uns neu ist.Auch die Aktionspläne und deren Erfolg sind im Augenblick noch nicht so abzuschätzen.

Wir müssen uns aber sicher mit diesem Thema beschäftigen.Wir müssen Informationen herausgeben, die Diskussion versachlichen und versuchen, in diesem Bereich die Medien – die zu einem Teil zur Verwirrung beitragen – auch auf diesen Kurs zu bringen.

Meine Damen und Herren, wenn ich im Augenblick diese aktuelle Kontroverse um den Aktionsplan in Darmstadt sehe – zugegeben geht es nicht nur um den Darmstädter Bereich –, dann bedanke ich mich bei der Abg. Lannert, die dieses Thema immer wieder anzuschieben versucht, um hier zu Lösungen zu kommen.

(Beifall bei der CDU)

Am Montag treffen sich die Staatssekretäre aus dem Umwelt- und dem Verkehrsministerium, um mit den Landräten über ein solches Thema zu diskutieren.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Dabei werden wir wieder sehen, dass auf der einen Seite die Medizinmänner von der gesundheitlichen Wirkung und von den Folgekosten für das Gesundheitswesen sprechen und dass ihnen die Maßnahmen, die wir getroffen haben, noch lange nicht genug sind; auf der anderen Seite steht die Wirtschaft, die bei den einschränkenden Maßnahmen, die dort vorgenommen werden, den Wirtschaftsstandort Hessen oder Deutschland infrage gestellt sieht.

Deswegen lautet für uns im Wirtschafts- und auch im Umweltministerium die Frage:Wo ist der richtige Weg?

Im vergangenen Jahr haben wir diese Diskussion im Zusammenhang mit den Aktionsplänen in Darmstadt und Frankfurt geführt. Wir sind den Ursachen sehr intensiv nachgegangen. Wenn wir diese Feinstaubbelastungen sehen und die Frage stellen, wer hier verantwortlich ist, dann stellen wir fest, das sind Industrie, Gebäudeheizungen und Verkehr.

Herr Bökel, ich möchte gleich anmerken: Ich fahre einen Audi, der hat einen Dieselpartikelfilter.

(Gerhard Bökel (SPD): Sehr gut! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht doch!)

Daher denke ich, wir haben dem ein Schnippchen geschlagen – obwohl ich zugeben muss,dass Audi im Vorfeld gesagt hat, sie schaffen das ohne Dieselpartikelfilter. Deswegen also ganz eindeutig ein Nachhängen, wie das hier bereits dargestellt wurde.

Sicher muss man sagen, dass die Gründe für die Feinstaubbelastung sehr unterschiedlich sein können.Schauen wir einmal über die Grenze.Im Ruhrgebiet ist in erster Linie die Stahlindustrie dafür verantwortlich.Das haben wir in Hessen nicht. Oder sehen wir uns die Stadt Berlin an. Dort gibt es einen hohen Ferneintrag aus den östlichen Nachbarstaaten, der in Hessen sicherlich nicht eine solche Rolle spielt.

Damit wollte ich nur sagen, dass man keine pauschale Aussage dazu treffen und somit auch keinen pauschalen Aktionsplan entwerfen kann. Vielmehr muss man immer prüfen, welcher Bereich verantwortlich ist.

Der Anteil des Verkehrs wird in den Zeitungen manchmal nur mit 25 % angesetzt. Hier wurde eben von 45 % gesprochen, das halte ich eher für angemessen. In Darmstadt beträgt der Anteil des Verkehrs an der Feinstaubbelastung 55 %. Deswegen müssen wir im Einzelfall entscheiden, wo der eigentliche Kern des Problems liegt.Wir können dies einmal durch unsere Immissionsmessstellen

berechnen, die wir in Hessen aufgebaut haben, außerdem durch die Emissionen der Industrie, für die Emissionserklärungen abgegeben werden müssen; die Schornsteinfeger arbeiten mit, sodass wir einen Überblick über die Emissionen der Gebäudeheizungen haben. Wir nutzen Verkehrszählungen,um den Emissionsanteil des Verkehrs feststellen zu können.

Meine Damen und Herren, wenn man das insgesamt sieht, muss man eindeutig anmerken, dass ein hohes Verkehrsaufkommen nicht immer zu Überschreitungen der Grenzwerte führt. Ein typisches Beispiel dafür sind die Autobahnen, die – wie etwa in der Wetterau – relativ frei liegen, sodass aufgrund von Wind und Wetter die Grenzwerte dort in der Regel eingehalten werden können. Auf der anderen Seite haben wir auch hohe, geschlossene Randbebauungen – wie bereits angemerkt wurde –, bei denen wir große Probleme bei durchaus geringem Verkehrsaufkommen haben, weil die Durchlüftung verhindert wird und ungünstiges Wetter die Lage verschlimmern kann.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns Gedanken über die Hauptemittenten machen. Wir müssen versuchen, dort Emissionen zu vermeiden oder zumindest zu verringern. Logischerweise ist das der Verkehr. Dabei geht es nicht um den Ottomotor, der kaum zur Feinstaubbelastung beiträgt, sondern um Dieselmotoren und dort vor allem um LKW und Busse. Darüber hinaus muss man beim Verkehr den Abrieb von Bremsen, Kupplungen und Reifen hinzunehmen.

Die effektivste Maßnahme muss dort ansetzen, wo der höchste Beitrag geliefert wird, und das ist logischerweise der LKW-Verkehr. Auf der anderen Seite wollen wir natürlich auch, dass Geschäfte und Betriebe weiterhin beliefert werden können, dass bestimmte Bereiche nicht vom öffentlichen Verkehr abgeschnitten werden. Aber wir müssen uns auch die Frage stellen, wie wir den Verkehr auf umweltgerechtere Verkehrswege umleiten können. Logischerweise verlangt das die Nutzung von Autobahnen, den Bau von Umgehungsstraßen – Alternativen, damit der LKW-Verkehr nicht mehr durch die Kernstädte fließt.

Sicher gehört dazu auch die Umrüstung auf abgasarme Standards. Meiner Meinung nach müssen die Dieselpartikelfilter zum Standard werden. Dem dient auch der Antrag unseres Ministerpräsidenten vom April des vergangenen Jahres – egal, woher er kam. Er hat im Bundesrat diesen Antrag gestellt: Nachrüstung von Fahrzeugen mit Partikelfiltern, Kennzeichnung schadstoffarmer Fahrzeuge und Erhöhung der Maut für LKW mit hohen Emissionen.

Aber man muss natürlich auch eines anmerken: Es ist nicht immer der Verkehr – wie ich Ihnen gerade an den Beispielen des Ruhrgebiets und Berlins gesagt habe.Auch bei uns in Kassel ist die Situation ganz anders. Der größte Teil des Feinstaubs im Kasseler Becken wird von außen hereingetragen. Deswegen würde uns eine Verkehrsbeschränkungsmaßnahme in Kassel nicht weiterbringen. Dort müssen wir eine Senkung der Hintergrundbelastung erreichen, und da sind auch bereits erste Maßnahmen in Gang gebracht worden. Die Industrie muss ihre Staubemissionen durch Luftreinhalte- und Aktionspläne senken. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz verlangt eine 60-prozentige Verminderung der Staubemissionen bis zum Jahr 2007.Abgasarme Techniken bei Kleinfeuerungsanlagen, das war eben auch bereits Thema, oder die Däm

mung von Gebäuden – hier hat die neue Bundesregierung einen Schwerpunkt gesetzt – sind hier vorgegeben.

Meine Damen und Herren, die Europäische Union hat uns vorgegeben, die Luftqualität in unserem Land zu verbessern. Deswegen werden wir in nächster Zeit ein besonderes Augenmerk darauf richten, sinnvolle und verhältnismäßige Maßnahmen durchzuführen, im Sinne eines lebenswerten Hessen, ohne dass wir den Wirtschaftsstandort gefährden.

Ich bin fest davon überzeugt, dass uns die Feinstaubproblematik in den nächsten Jahren noch beschäftigen wird. Aber angesichts des Maßnahmenkatalogs, den wir uns vorgenommen haben, sind wir davon überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind.

(Beifall bei der CDU)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist diese Große Anfrage besprochen.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Tagesordnungspunkt mit einer Dauer von 50 Minuten bedeutet ein Sitzungsende von 18.25 Uhr, dazu einige Formalien, dann wird es 18.30 Uhr oder 18.35 Uhr. Deswegen habe ich gebeten, Tagesordnungspunkt 13 in die nächste Runde zu schieben. – Dem widerspricht jetzt keiner mehr. Dann ist die Tagesordnung für heute erledigt.

Ich komme noch zu einigen Informationen.

Ich teile Ihnen mit, dass wir den Tagesordnungspunkt 13 im nächsten Plenum aufrufen. Das heißt im März, nicht nächsten Dienstag.Auch das muss gesagt werden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Februar!)