Protocol of the Session on January 26, 2006

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich rede nur über die schwarzen Schafe!)

Wenn aber in der Tat ein solcher Kollege Rechtsanwalt schreibt: „Ich lege Petition ein, Begründung kommt später, XY, Rechtsanwalt“, das liegt dann zwei Jahre, und bei der Erinnerung schreibt er: „Ich schicke euch demnächst eine Antwort“, dann ist das nicht das, was das Petitionsrecht eigentlich umfassen sollte.

Ich bin dankbar – das will ich ausdrücklich sagen –, dass wir den Stau, den wir in den vergangenen Jahren hatten, zu Tausenden, auf ein vernünftiges Maß reduzieren konnten. Dafür will ich mich ausdrücklich bedanken. Ich bitte Sie herzlich, auch zukünftig darum bemüht zu sein, dass wir in überschaubarer Zeit zu einer Lösung kommen. Denn Menschen, denen lange Jahre nicht gesagt werden kann, ob sie nun eine Chance haben, hier zu bleiben, oder nicht, denen helfen wir nicht wirklich, wenn wir die Ungewissheit permanent verlängern.

Meine Damen und Herren, zum nächsten Punkt. Die Vorsitzende hat in ihrem Bericht heute ausdrücklich hervorgehoben, dass sie sich nicht zur Härtefallkommission äußern möchte. Die Debatte hat das dann allerdings sehr breit aufgenommen. Weil es einen Sachzusammenhang gibt, will ich hier noch einmal eines deutlich sagen: In diesem Hause ist leidenschaftlich darüber diskutiert worden, ob und wie eine solche Einrichtung gestaltet werden sollte. Für die Landesregierung ist diese Debatte abgeschlossen; wir haben uns danach zu richten, was der Landtag entschieden hat.

Aber eines bleibt: Die Vielzahl der Menschen in unserem Land, die keinen rechtlich geschützten Aufenthalt haben, aber hier bleiben wollen und dieses Wollen über viele Jahre mit allen möglichen Verhaltensweisen durchzusetzen versuchen, stellt – da bin ich ausnahmsweise einmal mit Herrn Frömmrich einig – keinen Sachverhalt dar, den wir in irgendeiner Weise durch eine Härtefallentscheidung lösen können. Es ist nämlich nicht die Besonderheit, sondern der Regelfall,was Sie da beschrieben haben.Eine kleine Ausnahme gibt es: Die Masse aller Fälle hat leider nicht die Möglichkeit, sich selbst zu unterhalten.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Weil sie es nicht dürfen!)

Die Masse aller Fälle lebt von Sozialleistungen,in welcher Form auch immer.

Deshalb habe ich diesen Vorschlag gemacht, den Sie kennen, diese modifizierte Altfallregelung. Ich glaube, wir müssen auf der einen Seite eine Lösung finden. Wir dürfen auf der anderen Seite aber nicht permanent Zuwanderung in die Sozialsysteme organisieren, weil das eine Gesellschaft auf die Dauer nicht aushält.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich habe diesen Vorschlag äußerst gründlich überlegt,und wir sind in Debatten darüber. Ich hoffe, dass es im Laufe dieses Jahres gelingt, zu einer Übereinkunft zu kommen. Denn wie Sie wissen, führt nur eine einheitliche Haltung zu einer Beschlussfassung der Innenministerkonferenz, und in der Sache ist auch nur eine einheitliche Haltung geboten. Ein Alleingang welcher Art auch immer wäre verheerend. Es würde in jeder Hinsicht eine Magnetwirkung auslösen, wenn ein Land eine Sonderregelung einführt. Alle anderen würden sagen: Prima, wir sind das Problem los, die gehen dann alle nach Hessen. – Das kann vernünftigerweise niemand wollen. Deshalb brauchen wir eine einheitliche Regelung. Für die arbeite ich, und ich hoffe, dass wir uns darauf verständigen werden.

Meine Damen und Herren, aber eines ist auch richtig. Ich warne ausdrücklich vor der Überfrachtung, wie sie gelegentlich auch hier in der Debatte immer wieder geschieht. Es hilft wenig, wenn gut meinende Initiativen, Organisationen sozusagen einen Aspekt des großen Themas herausgreifen und sagen, damit lösen wir alle Probleme. Das ist fachlich falsch, und die Historie hat uns auch widerlegt. Ich warne immer davor und sage, wir dürfen eine solche Lösung nicht mit zu großen Erwartungen überfrachten – aber umgekehrt müssen wir das lösen,was füglich zu lösen ist.

Deshalb erinnere ich einmal daran: Wir hatten schon zweimal eine Altfallregelung, wenn ich mich recht entsinne, 1995/1996 und 2000.Wenn es richtig gewesen wäre, dass wir mit einer Altfallregelung alle Probleme lösen, dann hätten wir heute nicht die Debatte, die uns permanent beschäftigt. Deshalb muss angemahnt werden: Auch

zukünftig wird es so sein, wenn wir eine hoffentlich gemeinsame Regelung getroffen haben, werden wir immer vor schwierigen Fragen stehen.

Herr Kollege Rentsch hat nicht zuletzt darauf hingewiesen:Wir befinden uns immer in diesem Spagat, keine Anreizwirkung nach dem Motto zu schaffen:Völlig egal, welche Vorschriften wir haben, Hauptsache, ich bin lange genug hier, irgendwann werden die ihren Frieden damit machen.

Genau das ist im Ergebnis die Situation. Meine Damen und Herren, da nützt es nichts, nur einen einzigen Aspekt zu sehen. Wir müssen uns miteinander immer sehr ernsthaft darüber unterhalten, welche Maßnahmen eine Gesellschaft verträgt, welche Maßnahmen die Kommunen vertragen und in welcher Weise wir uns auch um den Einzelfall kümmern können.

Frau Kollegin Waschke, da möchte ich noch ein Wort an Sie richten. Ich bilde mir ein – und ich glaube, ich kann es beweisen –, dass in keinem Land so intensiv über die posttraumatischen Belastungsstörungen diskutiert, gearbeitet und in jedem Einzelfall der Sache nachgegangen worden ist wie bei uns in Hessen. Ich weiß nicht, ob Sie seinerzeit diesem Hause schon angehört haben. Wir hatten begonnen, dieses Thema anhand der ganz schrecklichen Vorfälle, die damals in Bosnien-Herzegowina waren, zu erörtern – mit den Konzentrationslagern, den Frauen, die vergewaltigt wurden. Ich habe vor diesem Hause erklärt: Mir braucht niemand zu sagen, dass jemand, der ein solches Schicksal hinter sich hat, besondere Rücksicht, besondere Betreuung und auch ein gesichertes Aufenthaltsrecht braucht.

Das waren damals 273 Fälle.Vier Wochen nach dieser Debatte hatten wir fast 2.000 Fälle. Die Wahrheit ist auch – und auch das gehört dazu –:Wir haben eine Industrie, die sich um dieses Thema entwickelt hat – Beratungen, Begutachtungen, Pressuregroups und vieles andere mehr.

Mich beschäftigt dieses Thema außerordentlich, denn ich nehme sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung als auch für die Spitze, für Frau Staatssekretärin Scheibelhuber und für mich selbst, in Anspruch, dass wir nicht einfach nur Akten sozusagen durchwinken, sondern wir beschäftigen uns mit diesen Fällen sehr, sehr ausführlich. Deshalb kann es durchaus sein, dass wir zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.Aber wir sollten uns wechselseitig zubilligen, dass wir um Lösungen ringen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Dieses Ringen – das ist meine Bitte,die ich aus Anlass dieser Erörterung des Petitionsberichts gern hier loswerden möchte – um die beste Lösung möchte ich gern mit Ihnen gemeinsam leisten, aber nicht nur mit denen, die besonders laut rufen. Häufig ist derjenige, der gar keine Unterstützerszene hat und der nicht geschult ist, sein Anliegen in eleganter Weise vorzutragen, ein Mensch, eine Familie, die viel mehr und intensiver unsere Hilfe, unsere Beratung und eine klare Entscheidung beansprucht als diejenigen, die mit großer Kulisse antreten und darauf bauen, dass allein die Lautstärke und die Vielzahl der Unterstützer bereits das Ergebnis vorwegnehmen. Das müssen wir auch sagen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb werden wir als Landesregierung diese Arbeit weiterhin mit großem Ernst und großem Engagement begleiten, eine wohlwollende Partnerschaft zusagen und in

diesem kooperativen Geist weitermachen. Deshalb bedanke ich mich bei all denen, die diese Arbeit leisten. Ich bedanke mich zugleich auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung und insbesondere auch von Frau Staatssekretärin Scheibelhuber. Ich bedanke mich ausdrücklich für die lobende Erwähnung der Damen und Herren, die in der Ausländerabteilung des Innenministeriums tätig sind, denn sie sind diejenigen, die tagtäglich diese schwierige Arbeit leisten und die meinen und, so hoffe ich, auch Ihren Respekt verdienen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nächster Redner ist Herr Frömmrich für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! Ich habe mich nur wegen zwei Punkten gemeldet. Wenn ich in der Weise falsch verstanden worden bin, will ich das gerne klarstellen. Herr Innenminister, es geht mir nicht darum, eine Generalkritik an der Landesregierung oder den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien zu machen. Ich sage einmal: In 95 % der Fälle gibt es eine gute Zusammenarbeit. Da wird es auch so erledigt, wie es angefordert worden ist.Aber es gibt auch die anderen Fälle, die wir leider erleben. Deswegen habe ich den Fall der Ausländerbehörde angeführt. Natürlich haben wir das Verfahren so vereinbart. Nur müssen Sie den Arbeitsgang des Petitionsausschusses sehen. Wenn die Kolleginnen und Kollegen 50, 60 oder 70 Petitionen

(Silke Tesch (SPD): 72!)

72 Petitionen wie Frau Tesch – im Bestand haben und solche Anlieferungen als Mitteilungen der Ausländerbehörde bekommen, dann wird die Arbeit, die die Ausländerbehörde eigentlich leisten sollte, nämlich in dem Fragebogen einen Überblick über den Stand des Verfahrens zu geben, auf den Berichterstatter bzw. die Berichterstatterin verlagert. Das ist einfach nicht nötig, weil in Ihrem Erlass, den Sie seinerzeit gemacht haben, gefordert worden ist, dass diese Meldungen der Ausländerbehörden kommen und dass wir dann auch mit den Fristläufen anfangen.Das ist ja klar:Solange die Stellungnahme nicht da ist, fangen die Fristen nicht an zu laufen. Das gehört dazu.

Den zweiten Punkt, den der Kollege Rentsch angesprochen hat,will ich auch noch einmal unterstreichen.Es geht nicht darum, hier eine generelle Anwaltsschelte zu betreiben. Das ist überhaupt nicht der Fall. Es gibt da sehr gut arbeitende Anwälte. Es gibt aber auch verschiedene Herren, die uns bekannt sind und die auch dem Petitionsreferat bekannt sind.Wenn Sie deren Petitionen nebeneinander legen und die Seiten umschlagen, sehen Sie, dass die Begründungen die gleichen sind und dass praktisch über „Suchen und Ersetzen“ einfach nur der Name ausgetauscht worden ist. Das wäre noch eine Geschichte, wo man sagen kann: Okay, damit müssen sich die Abgeordneten herumärgern.– Das Ärgerliche und Schlimme ist jedoch, dass den Menschen das letzte Geld aus der Tasche gezogen wird,weil diese Anwälte sich jede Stellungnahme bar bezahlen lassen. Am Ende ist es so, dass diese Menschen, die keine Chance haben, ausreisen müssen, während ihnen auch noch das letzte Geld aus der Tasche ge

zogen worden ist. Das ist das Problem dabei. Deswegen finde ich es richtig, dass wir es angesprochen haben.

(Allgemeiner Beifall)

Frau Waschke für die Fraktion der SPD.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, auch noch einmal kurz auf das einzugehen, was der Herr Minister gesagt hat.

Die erste Frage betraf den Sozialhilfebezug. Ich glaube, es ist unstrittig, dass wir alle keine Zuwanderung in die Sozialsysteme wollen.Ein Großteil von uns,die wir hier sitzen, ist auch Kommunalpolitiker.Es ist wichtig,das erst einmal an dieser Stelle festzustellen.Trotzdem hätten wir uns gewünscht, dass man da eine kleine Öffnung hineinbringt, indem man nämlich genau so, wie es das Bundesgesetz festgelegt hat, formuliert: in der Regel frei von Sozialhilfe. Sie kennen die Fälle genauso wie wir. Es sind alte und kranke Menschen, denen wir helfen würden, aber nicht können. Ich rede von ganz, ganz wenigen Einzelfällen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber dadurch, dass wir diesen absoluten Ausschlussgrund haben, kriegen wir zunehmend Probleme.

Zweiter Punkt: posttraumatische Belastungsstörungen. Erst einmal finde ich es sehr gut und bin auch dankbar dafür, dass Sie gesagt haben, wir sollten gemeinsam daran arbeiten. Da bin ich immer dabei. Wir haben nämlich im Ausschuss damit zu kämpfen, dass wir an der einen oder anderen Stelle hören: Wenn wir das jetzt unterstützen, schaffen wir Präzedenzfälle. – Das ist genau das Problem. Ich habe in meiner Rede auch gesagt, wir müssten sensibel und differenziert mit dem Problem umgehen,wir dürften nicht alles über einen Kamm scheren und müssten für die Einzelfälle,wo wir alle der Meinung sind,hier müssten wir etwas tun, eine Lösung finden. Im Moment haben wir diese Situation noch nicht. Deswegen finde ich es gut, wenn Sie sagen, wir sollten uns gemeinsam um Lösungswege bemühen.Die SPD-Fraktion in diesem Hause ist bestimmt dabei.

(Beifall bei der SPD)

Herr Bellino, Sie haben auch noch einmal das Wort.

Ich darf gerade das Letzte noch einmal aufgreifen. Wir haben uns doch nicht nur in den eigenen Gruppen und in den eigenen Fraktionen unter uns ausgetauscht, wobei man sich auch vorbereitet, um ein Stück weit persönliche Sicherheit zu bekommen, sondern wir haben uns auch im Petitionsausschuss bzw. in der Härtefallkommission gerade über diese Fälle unterhalten, Frau Waschke. Es gibt doch keinen absoluten Ausschlussgrund.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir wissen doch alle, dass es solche Fälle gibt, wo man tatsächlich sagt, auch wenn das mit der Sozialhilfe so nicht geregelt werden kann, wird nach anderen Wegen gesucht, weil es dann in der Tat eine humanitäre Angelegenheit ist, die wir regeln wollen. Das haben wir doch mehrfach gesagt. Jetzt tun Sie doch nicht so, als würden wir in Hessen Menschen abschieben, die todkrank sind – ich sagte das vorhin in meinem ersten Statement – und von denen man genau weiß, dass es für sie lebensverkürzend oder lebensbeendend ist, wenn jetzt abgeschoben wird. Das wurde in Hessen nicht gemacht, und das wird auch in Zukunft nicht gemacht werden. Wir hoffen natürlich, dass der Herr Innenminister – ich sagte das vorhin – mit seinen Ideen wirklich Erfolg hat. Da liegt es ja nicht nur an uns, da müssen wir doch alle in den anderen Bundesländern unserer Bundesrepublik Deutschland Überzeugungsarbeit leisten.

Ein letzter Hinweis, weil hier auch zweimal die Ausländerbehörde erwähnt wurde. Die von Herrn Frömmrich erwähnten Einzelfälle gibt es mit Sicherheit, und die kann man auch nicht wegdiskutieren. Ich freue mich darüber, dass der Innenminister gesagt hat, er gehe dieser Sache nach. Ich möchte aber auch deutlich sagen, dass sich gerade das Innenministerium kulant verhält,wenn es um die Fristabläufe geht. Es gibt immer wieder Situationen, wo zwar der Fristablauf droht, aber wo wir sagen: Aufgrund irgendwelcher Situationen sind wir noch nicht dazu gekommen, die Sache vernünftig zum Abschluss zu bringen, und wir bitten eben hier,noch keine Konsequenzen zu ziehen.– Da wurde uns bisher immer zugesichert,dass dies in unserem Sinne und dann auch im Sinne des Petenten gemacht wird. Ich habe keine Befürchtung, dass sich dies zum Negativen ändern wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie der Abg. Silke Tesch (SPD))

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, damit ist der zweite Bericht des Petitionsausschusses besprochen. Ich danke noch einmal allen Mitgliedern dieses Ausschusses.

Ich rufe den Komplex Kinderbetreuung auf. Das sind Tagesordnungspunkt 42:

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend weiterer Meilenstein in der Kinderbetreuung gesetzt – Drucks. 16/5142 –

Tagesordnungspunkt 76:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Ausbau der Kinderbetreuung endlich voranbringen statt Sprechblasen produzieren – Drucks. 16/5203 –

und Tagesordnungspunkt 77:

Dringlicher Entschließungsantrag der Abg. Fuhrmann, Eckhardt, Habermann, Dr. Pauly-Bender, Dr. Spies, Schäfer-Gümbel (SPD) und Fraktion betreffend keine Lobby für Familien in der hessischen CDU-Landesregierung – Drucks. 16/5204 –