Wir, die Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion, haben von Anfang an befürchtet, dass die Politiker, die in diesem Gremium sitzen, politisch entscheiden. Nach einem Dreivierteljahr Arbeit in der Härtefallkommission muss ich feststellen: Es ist genau das eingetreten, was wir befürchtet hatten. Es wird politisch entschieden.
Ein positiv beschiedener Fall nach zehn Monaten Arbeit spricht für sich. Wir fordern deshalb, die Härtefallkommission anders zu besetzen. Es sollten zusätzlich Vertreter von NGOs aufgenommen werden, also Vertreter der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, der Flüchtlingsorganisationen und der Kommunalen Spitzenverbände. Sie sollten, so wie wir das von Anfang an gefordert haben, in die Härtefallkommission berufen werden.
Das können Sie als Innenminister in Hessen tun. Lassen Sie Ihren Worten Tagen folgen. Ich bin mir sicher: Dann werden wir auch in Hessen andere Ergebnisse vorzuweisen haben.
Zweitens. In Hessen sind die Hürden, in der Härtefallkommission beraten und als Härtefall anerkannt zu werden, so hoch wie in keinem anderen Bundesland. Die Landesregierung unter Verantwortung von Minister Bouffier hat eine Verordnung für die Härtefallkommission erlassen, die das Aufenthaltsgesetz sehr restriktiv auslegt. Spielräume, die das Gesetz eben auch vorgibt, werden in Hessen nicht genutzt. Andere Bundesländer wie Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein sind da anders vorgegangen; ich habe vorhin die Zahlen genannt. Das erklärt, warum bei uns so wenige Fälle in der Härtefallkommission beraten werden können.
Mit unserem Antrag fordern wie Sie, Herr Minister Bouffier, auf, Ihren Worten in Karlsruhe nun auch Taten in Hessen folgen zu lassen.
Wir fordern Sie auf, die Besetzung der Härtefallkommission zu ändern, und wir fordern Sie auf:Verändern Sie die Verordnung für die Härtefallkommission, damit wir in Hessen den Einzelfällen wirklich gerecht werden können. Ein positiv beschiedener Fall in zehn Monaten spricht für sich. Nutzen Sie die Spielräume, die Sie als hessischer Innenminister haben, im Sinne der Menschen, die schon lange bei uns leben und hier ihre Heimat gefunden haben. Es geht uns vor allem um die Kinder, die hier aufgewachsen sind, die hier geboren sind, die hier zu Schule gehen oder bereits eine Ausbildung machen. Es geht um die Kinder,die keinerlei Kontakt mehr zum Heimatland ihrer Eltern haben, die ihre Sprache im Heimatland überhaupt nicht mehr verstehen, geschweige denn sprechen würden.
Diese Kinder sind hier gut integriert – genau so, wie wir es uns alle wünschen. Für die Kinder bedeutet ihre Abschiebung eine Katastrophe.
Herzlichen Dank. – Das Wort hat der Kollege Jürgen Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat anscheinend etwas mit der vorweihnachtlichen Zeit zu tun, dass wir in der letzten Plenarsitzung so viele Gemeinsamkeiten mit dem Innenminister entdecken.
Herr Innenminister,es freut mich ganz besonders,dass wir Sie einmal loben können. Insbesondere begrüßen wir, dass Sie bei der Innenministerkonferenz einen Vorschlag vorgelegt haben, der sich explizit mit einem Bleiberecht von gewissen Personengruppen aus dem Ausländerrecht beschäftigt hat.Ich begrüße das ausdrücklich,Herr Innenminister. Mir fehlt noch ein bisschen die Erklärung dafür, warum bei Ihnen auf einmal der Sinneswandel eingesetzt hat.Trotzdem kann man Sie dafür, dass dieser Sinneswandel stattgefunden hat, loben.
Herr Innenminister, wir haben schon lange – damit meine ich diejenigen, die sich mit dem Themenkomplex sowohl im Petitionsausschuss als auch in der Härtefallkommission beschäftigen – eine Regelung für den angesprochenen Personenkreis gefordert. Ich glaube, dass das, was Sie gemacht haben, der richtige Weg ist. Denn Sie schlagen es der Innenministerkonferenz vor, und Sie wollen, dass wir eine bundeseinheitliche Regelung für diese Fälle schaffen.
Man geht zurzeit von rund 200.000 Menschen bundesweit aus, und von diesen fallen 20 % in den Problemkreis, den Sie angesprochen haben.Wir haben es also mit einer Fülle von Menschen zu tun, für die wir in Deutschland endlich eine Lösung herbeiführen müssen. Deswegen sind wir Ihnen sehr dankbar, dass Sie diesen Vorschlag gemacht haben.
Ich glaube, dieser Vorschlag ist auch richtig, weil wir die Probleme nicht in der Härtefallkommission lösen würden. Die Härtefallkommission ist ausdrücklich eine Kommission, die sich für die Einzelfälle engagieren soll und in Einzelfällen entscheiden soll. Deshalb brauchen wir eine stringente generelle Lösung, und deshalb haben wir in unserem Antrag auch auf die generelle Lösung abgehoben.
Aber, Herr Innenminister, welchen Personenkreis betrifft es? – Da muss man sich wundern. Es betrifft Menschen, die bereits lange Zeit in der Bundesrepublik Deutschland leben, die hier zwölf oder 15 Jahre Aufenthalt haben. Es geht um Kinder, die hier geboren wurden, die hier zu Schule gegangen sind, die hier sozialisiert worden sind und das Land ihrer Eltern nur aus Erzählungen kennen und die Sprache nicht sprechen. Diese Kinder sind für uns als Gesellschaft ein Potenzial, welches wir gerade vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung nutzen sollten. Die Eltern verdienen ihren Lebensunterhalt; das finden wir in vielen Fällen so vor. Die Integration dieser Familien hat stattgefunden.
Herr Innenminister, dann wundert es mich schon – denn ich habe als Mitglied der Härtefallkommission genau solche Fälle in die Härtefallkommission gemeldet –, dass diese Fälle, die von Ihnen für die Bleiberechtsregelung vorgeschlagen worden sind, in der Härtefallkommission abgelehnt worden sind. Ich denke, wir sollten gemeinsam Gedanken darauf verschwenden, wie wir dieser Personengruppe helfen können.
Es setzen sich bei uns Vereine ein. Es setzen sich Verbände ein. Es setzen sich politische Gemeinden für diese Menschen ein. Ich glaube, wir sind aufgefordert, eine gemeinsame Regelung zu finden, und ich glaube auch, dass sich dieses Thema nicht für politische Spielchen eignet. Wir müssen sehen, dass wir für die Betroffenen in unserem Land eine Regelung schaffen.
Wir nehmen Sie beim Wort, Herr Innenminister. Der Vorschlag, den Sie gemacht haben, ist richtig. Die Innenministerkonferenz hat sich bisher vertagt. Sie hat eine ministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet. Wir fordern Sie jetzt auf, Ihre Möglichkeiten im Rahmen des Ausländerrechts, also beim Aufenthaltsgesetz und beim Zuwanderungsgesetz, zu nutzen, um nicht etwa Menschen, die unter Umständen von einer Bleiberechtsregelung betroffen sind, in ihre Heimatländer oder Herkunftsländer abzuschieben. Deshalb sind Sie gefordert, eine hessische Lösung herbeizuführen.
Das ist ja nur konsequent, Herr Innenminister. Es gibt einen Vorschlag aus Niedersachsen, es gibt einen Vorschlag aus Nordrhein-Westfalen, und es gibt weitere Vorschläge von anderen Innenministern. Wenn wir auf Bundesebene gemeinsame Regelungen hinbekommen, dann sollten wir konsequenterweise jetzt dafür sorgen, dass diese Personengruppen nicht abgeschoben werden. Von daher sind Sie als Innenminister gefordert. Das können Sie im Übrigen auch nach § 60a Aufenthaltsgesetz erlassen.
Dieser Personenkreis sollte unserer Auffassung nach eine Aufenthaltserlaubnis behalten.Wir müssen den Status der Duldung abschaffen, Herr Innenminister. Der Status der Duldung sollte wirklich die Ausnahme sein. Unterhalten Sie sich einmal mit Familien, die von Dreimonatsduldung zu Dreimonatsduldung leben.Unterhalten Sie sich einmal mit Jugendlichen und Kindern, die nicht wissen, wo sie in den nächsten drei Monaten leben. Sie wissen nicht, ob sie noch hier zur Schule gehen können oder ob sie abgeschoben werden. Das ist ein unmenschlicher Zustand, den wir unbedingt beenden müssen.
Ein letzter Satz, Herr Präsident, und weil Weihnachten ist, schenken Sie mir vielleicht auch noch eine halbe Minute.
Eine Intention des Zuwanderungsgesetzes – darüber haben wir auch mit Ihrem bayerischen Kollegen gesprochen – bestand darin, die Kettenduldung abzuschaffen. Das haben wir noch nicht geschafft. Diese Kettenduldungen müssen auch in Hessen beendet werden. Da sind auch Sie aufgefordert, den Erlass zu ändern. Die Regel sollte sein, dass die Menschen eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, und das sollte die Intention dessen sein, was wir in Hessen machen können. Dazu fordern wir Sie auf. Wir unterstützen Sie in dem, was Sie auf Bundesebene zurzeit fordern; in Einzelfällen können wir uns streiten. Wir fordern Sie auf, in Hessen im Sinne meiner Ausführungen zu handeln, weil wir etwas für die Menschen machen müssen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich im Namen der CDU-Landtagsfraktion sehr herzlich dem Innenminister dafür danken, dass er einen neuen Anstoß gemacht hat. Wir begrüßen die Initiative zur Bleiberechtsregelung, die er bei der Innenministerkonferenz diesen Dezember angestoßen hat. Die Gesichtspunkte, die für ein Bleiberecht hier sprechen sollen, skizziert und zweifellos noch weiter auszufüllen sind,Herr Minister, sind die Frage der humanitären Regelung, die Aufenthaltslänge, die soziale Integration, aber explizit auch die wirtschaftliche Integration.
Hier ist sogar angedeutet worden, dass man die Frage der wirtschaftlichen Integration im Nachhinein behandeln kann, wenn die Agentur für Arbeit mitspielt. Aber dafür, liebe Kollegin Waschke und lieber Kollege Frömmrich, werden wir keine hessische Lösung, sondern nur eine einheitliche Lösung treffen müssen, damit wir diese Fragen am Ende werden beantworten können.
Aspekte wie Krankheiten, das Alter derjenigen, die hier sind, und die Frage der Kinder – diese hat Kollege Frömmrich zu Recht angesprochen – müssen in einer Bleiberechtsregelung eine Rolle spielen, und wir sind dankbar, dass Bewegung in die Verhandlungen der Innenminister für etwa 200.000 ausreisepflichtige Ausländer gekommen ist. Aber die Initiative des hessischen Innenministers – auch das ist durch die Wortbeiträge von Kollegin Waschke und Kollegen Frömmrich deutlich geworden – straft natürlich auch die Kampagnen Lügen, die hier immer gegen die CDU und den Innenminister Bouffier ins Feld geführt worden sind; das will ich auch einmal in aller Deutlichkeit sagen.
Frau Kollegin Waschke, so schlicht, wie Sie es hier vorgetragen haben, geht es natürlich nicht. Die Härtefallkommission – das hat der Kollege Frömmrich zu Recht gesagt – ist eine Kommission, die wir gebildet haben, um Einzelschicksale behandeln zu können. Es ist eben keine allgemeine Bleiberechtsregelung. Kein Massenbleiberecht soll über die Härtefallkommission erreicht werden. Das würde auch das Gesetz unterlaufen, und das wollen wir nicht. Das wollen auch nicht die Kollegen von der SPD – zumindest auf Bundesebene, wo die Zuwanderung geregelt wird. Sonst wäre es Gegenstand von entsprechenden Verhandlungen geworden.
Was uns eint, ist die Behandlung der Frage der Kettenduldung, die explizit auch in der Koalitionsvereinbarung aufgegriffen wird.
Frau Kollegin Waschke, lassen Sie mich trotz des weihnachtlichen Friedens doch noch eines sagen: So ganz passt es auch uns nicht, dass Sie sich hier vorne hinstellen und in den Plenarbeiträgen eine bestimmte Gruppe, eine bestimmte Klientel in unserer Gesellschaft bedienen wollen, obwohl die SPD selbst dafür Verantwortung trägt, dass das Zuwanderungsgesetz nicht das Licht der Welt erblickt hat.
Zumindest die Wertung des Gesetzes ist durch die damalige rot-grüne Bundesregierung schon erfolgt. Die Probleme wären damals auch nicht gelöst gewesen. Insofern will ich Ihnen das trotz des weihnachtlichen Friedens vorhalten. Wie wenig Sie an der Sache interessiert sind, will ich deutlich machen.
Denn es hat mich schon geärgert, Frau Kollegin Waschke. In der vergangenen Woche haben wir uns extra noch einmal an Sie gewandt und darum gebeten, uns erst im Januar über diesen Antrag zu unterhalten, wenn ein bisschen Sachverhaltsaufklärung geschehen ist, wenn auch ein bisschen deutlicher wird, wie sich andere Länder zu dieser Bleiberechtsregelung verhalten und wie die Evaluation des Ausländerrechts in der Zwischenzeit fortgeschritten ist. – Nein, in der Dezembersitzung, im Weihnachtsfrieden musste noch ein kurzer Zauber im Plenarsaal gemacht werden. Das zeigt nur, wie wenig Sie an einer echten Problemlösung interessiert sind.
Jetzt werden wir es im Ausschuss noch einmal behandeln. Der Kollege Frömmrich hat zu Recht gesagt: Die Frage, die mit diesem Antrag angesprochen ist, ist nicht für politische Spielchen geeignet. Vielmehr geht es hier um die Schicksale vieler Menschen in diesem Lande. Daher sollten wir uns mit einer gewissen Ernsthaftigkeit dieser Probleme annehmen.
Meine Damen und Herren, das, was von den GRÜNEN zum Abschiebestopp vorgetragen worden ist, ist eine Art Reflex. Jedes Mal, wenn die SPD einen Antrag zu diesem Thema in den Hessischen Landtag einbringt, kommt sofort die Frage der Fraktion der GRÜNEN nach einem Abschiebestopp auf.